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Der Resident


Der Resident

Die Dominikanische Tragödie, 2. Band
Die Dominikanische Tragödie, Band 2 1. Auflage

von: Wolfgang Schreyer

8,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: PDF
Veröffentl.: 10.05.2012
ISBN/EAN: 9783863945183
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 671

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Zwischen 1971 und 1980 veröffentlichte Schreyer, der stets ebenso gut und gründlich recherchierte wie spannend geschriebene abenteuerlich-politische Bücher vorlegte, die drei Bände seiner „Dominikanischen Tragödie“, welche in den 1960er Jahren in der Dominikanischen Republik spielen.
Im ersten Band, „Der Adjutant“, dessen Handlung im Frühjahr 1961 in Santo Domingo einsetzt, schildert Schreyer den Versuch einer Handvoll junger, aus reichen Elternhäusern stammender Offiziere, Diktator Trujillio zu stürzen. Im Mittelpunkt: dessen 1. Adjutant, Juan Tomás.
Im abschließenden dritten Band, „Der Reporter“, erlebt ein US-amerikanischer Auslandskorrespondent Aufstand und Bürgerkrieg. Daneben diskutiert Schreyer erneut ein ihn stets sehr interessierendes Thema – die Verantwortung des Schriftstellers.
Der Titel des erstmals 1973 veröffentlichten Mittelstücks, „Der Resident“, bezieht sich auf den neuen US-Botschafter Henry W. Mitchell, 44, Amateurdiplomat, liberaler Publizist und ein Kennedy-Mann, der Anfang März 1962 auf die Karibikinsel kommt. Im Geiste einer „Allianz für den Fortschritt“ will er die Dominikaner Demokratie lehren und das Land zu einem südlichen Schaufenster gestalten, das die kubanische Herausforderung überstrahlt. Drei Jahre zuvor hatte dort die Revolution unter Comandante Fidel gesiegt und bei vielen Menschen für Hoffnung gesorgt. Wie wird er sich machen, der neue Mann, der gleich zu Beginn seines Antrittsbesuch ein kleines Problem hat:
Mitchell betrat den Botschaftersaal. Ein mächtiger, prunkvoller Raum. Eine Meile Rokoko – Kristall, Plüsch und Marmor, in Rosenholz, Purpur und Gold. Am anderen Ende saßen in schneeweißem Dress die sieben Mitglieder des Consejo de Estado, jenes Staatsrats, der seit Balaguers Flucht im Januar das Land regierte. Jetzt standen sie auf, Mitchell hielt an und verbeugte sich mit seinen Begleitern, wie das Protokoll es befahl. Auch Presse war da, Rundfunk und Fernsehen, nur wenige Leute, war ihm versichert worden, aber sie störten, dort an den Wänden insektenhaft huschend, sie reckten sich, ließen Blitze zucken ... Jäh überkam den Botschafter ein Gefühl der Leere. Er schritt, gefolgt von seinem Stab, bis zur Mitte des Saals, hielt noch mal getreu der Instruktion, verneigte sich wiederum. Die sieben Herren erwiderten den Gruß – plötzlich wusste er nicht mehr, wer sie waren. Keinen der sieben hatte er je gesehen. Sie standen in einer Front, rührten sich nicht, sieben Staatsräte – wem das Beglaubigungsschreiben geben?
Wolfgang Schreyer, geboren 1927 in Magdeburg. Oberschule, Flakhelfer, Soldat, US-Kriegsgefangenschaft bis 1946. Debütierte mit dem Kriminalroman "Großgarage Südwest" (1952), seitdem freischaffend, lebt in Ahrenshoop. 1956 erhielt er den Heinrich-Mann-Preis für den Kriegsroman "Unternehmen Thunderstorm". Schreyer zählt zu den produktivsten und erfolgreichsten Autoren spannender Unterhaltungsliteratur in der DDR, schrieb Sachbücher, Szenarien für Funk und mehr als zwanzig Romane mit einer Gesamtauflage von 6 Millionen Exemplaren.
"Wie stecken Sie denn bei Nacht draußen Ihre Planquadrate ab?", fragte Mitchell wütend. "Das ist doch Schwachsinn! Jessika kann nur bei den Häftlingsbaracken sein. Sie sucht den Burschen, dessen Bekanntschaft sie Ihnen verdankt."
"Ich weiß, Sir. Aber sie ist bisher nur in einem der drei Camps gewesen – in diesem. Sie hat nach Pancho Valdez gefragt, und als sie hörte, dass es den hier nicht gibt, ist sie weiter und muss sich verirrt haben."
Erst jetzt wurde dem Botschafter bewusst, dass er sich in einem Internierungslager befand, im Essraum der Wache wohl; es roch penetrant nach Fischsuppe und schlechtem Tabak. Über ihm hing eine Petroleumlampe, sie beleuchtete trist ein Wandbild, auf dem man eben noch den Vorsitzenden des Staatsrats erkannte. Er dachte an eine Schlagzeile im Caribe, "US-Botschafter bei Deportierten", oder wie immer Tirado formulieren würde, wenn er von dem Besuch erfuhr. An der totalen Protokollwidrigkeit dieses Aufenthaltes wären Leute wie Thurston und auch sein eigener Botschaftsrat Smith erstickt, ihn trieb sie nur in bohrende Fragen: Wozu noch solche Lager? Wieso fand er sich damit ab? Hätte er doch wenigstens diesen Burschen losgeeist! Getuschel hatte er gefürchtet und bekam nun stattdessen einen Skandal. Im Grunde geschah ihm recht.
Draußen knallte es, Licht fiel herein, warf wandernde Schatten, dann bellten Hunde. Das erinnerte ihn an die Gefahr, in der seine Tochter schwebte. Warum zum Teufel fand man sie nicht? "Was hat man Ihnen denn gesagt?", drängte er. "In welchem Camp steckt nun der Mann?"
"Das ist es ja", antwortete King. "Angeblich in keinem. Er scheint gar nicht auf der Insel zu sein."
"Genug! Ich suche jetzt selbst!"
"Bitte nicht, Sir", sagte hinter ihm Tony Imbert, der von irgendwoher in den Lichtkreis der Lampe trat, die Hände beruhigend erhoben. "Sie sind ortsunkundig, könnten überhaupt nichts tun. Und es wird ja nicht mehr lange dauern. Die Wachboote strahlen das gesamte Ufer an. Es sind zweihundert Mann im Einsatz, mit Fackeln, Lampen und Leuchtpistolen..."
Wie viel Häftlinge gab es eigentlich, wenn man hier zweihundert Wächter hatte?

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