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Die beiden Lords


Die beiden Lords

Missouri - Band 4
Missouri, Band 4 1. Auflage

von: Stan Costner

1,99 €

Verlag: Novo Books
Format: EPUB, PDF
Veröffentl.: 28.10.2023
ISBN/EAN: 9783961273454
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 83

Dieses eBook erhalten Sie ohne Kopierschutz.

Beschreibungen

Zwei skurrile Gestalten - Lords von uraltem englischen Adel - durchstreifen den Wilden Westen. Aber wer glaubt, dass die beiden den harten Bedingungen des noch ursprünglichen und rauen Landes nicht gewachsen seien, der hat sich gewaltig getäuscht. Und als sich eine Gruppe Banditen den lang gesuchten Goldschatz unter den Nagel reißen will, legen die beiden Lords erst richtig los.

Ein spannender Western mit einer guten Portion Humor.

Stan Kostner ist das Pseudonym eines bekannten deutschen Autors.
Eine Staubwolke bewegte sich mit hoher Geschwindigkeit über die nur hier und da mit Grasbüscheln bewachsene Steppe. Der Reiter, der sie verursachte, trieb sein Pferd aufs Äußerste an, und er hatte offensichtlich einen guten Grund dafür: Keine fünfzig Meter hinter ihm folgte eine zweite Staubwolke. Zum wiederholten Mal blickte sich der vordere Reiter um, und als er feststellen musste, dass sein Verfolger rasch näher kam, zog er seinen Revolver und feuerte blindlings zwei Schüsse in dessen Richtung. Die Antwort kam unverzüglich und ebenso wirkungslos: Von einem galoppierenden Pferd aus mit einem Revolver auf diese Entfernung einen anderen Reiter zu treffen, war beinahe ein Ding der Unmöglichkeit.
Von einem nicht allzu weit entfernten Hügel beobachteten zwei gegensätzliche Gestalten das Geschehen. Die eine war sehr lang und sehr hager, die andere hingegen auffällig klein und dick. Letztere mochte etwa vierzig Jahre alt sein und trug neben kohlrabenschwarzem Haupthaar auch einen ebensolchen Backenbart. Die lange Gestalt schien einige Jahre älter zu sein, denn ihr ehemals schwarzes Haar und ihr Schnauzbart wiesen bereits einen leichten grauen Einschlag auf.
Als wollten die beiden Beobachter ihre körperlichen Gegensätze durch ihre Kleidung kaschieren, waren beide in Anzüge aus dem gleichen graukarierten Stoff gewandet, deren Schnitt erahnen ließ, dass zumindest die Anzüge, aber wahrscheinlich auch deren Träger, nicht aus dieser Gegend stammten. Dieser Eindruck wurde verstärkt durch die schwarzen Zylinderhüte, die die Kopfbedeckung der beiden bildeten.
Die Pferde, auf denen die beiden unterschiedlichen Gestalten saßen, wiesen beinahe dasselbe Grau auf wie die Anzüge ihrer Reiter, und auch das Fell der beiden Packmulis, die dahinter standen und die unerwartete Ruhepause genossen, war von dieser Farbe, so dass ein unvoreingenommener Betrachter unwillkürlich auf den Gedanken kommen musste, die beiden Gestalten hätten ihre Reit- und Packtiere nach der Farbe ihrer Anzüge ausgewählt.
Einer der beiden Reiter – der kleine Dicke – hatte ein im hellen Sonnenlicht blinkendes Teleskop an sein rechtes Auge gesetzt und folgte mit ihm der Route der beiden Staubfahnen.
„Jetzt halten sie an, Euer Lordschaft“, informierte er den Langen, ohne das Fernrohr abzusetzen.
Der Angesprochene nickte. Er hielt, in Ermangelung eines eigenen Glases, die rechte Hand zum Schutz gegen die bereits tief stehende Sonne über die Augen und starrte ebenfalls in Richtung der beiden Staubwolken, die sich nun langsam zu legen begannen.
„Ich sehe es, Euer Lordschaft“, antwortete er.
„Es sieht so aus, als wollten sie sich prügeln – mit den bloßen Fäusten, wie ordinär! Halt, nein, jetzt ziehen sie ihre Pistolen!“
Grauer Rauch kräuselte beinahe gleichzeitig aus den beiden Mündungen, und kurz darauf erreichte der doppelte Knall die Ohren der Beobachter. Der Lange kniff die Augen zusammen und fragte: „Was ist passiert, Euer Lordschaft?“
Der Dicke setzte das Glas ab und sagte, mit einem leichten Bedauern in der Stimme: „Sie haben sich gegenseitig erschossen, Euer Lordschaft!“
„Oh!“
„Schade“, fuhr der Dicke fort, während er das Teleskop zusammenschob und in seinem am Sattel hängenden Futteral verstaute, „nun werden wir wohl nie erfahren, welcher von beiden der Gute und welcher der Böse war!“
„Ach! Es gibt auch Gute in diesem Land?“

*

„Dead Man’s Point“ stand auf dem Schild, das am Beginn einer Anhäufung von einem guten Dutzend Gebäuden stand, zwischen die der Abendwind lange Sand- und Staubfahnen hindurch trieb. Für die meisten davon wäre die Bezeichnung „Hütte“ geschmeichelt gewesen; positiv heraus ragten lediglich drei Häuser: Der Saloon, unmittelbar rechts hinter dem Ortsschild, ein daran anschließendes Hotel sowie etwas, das wie ein Gemischtwarenladen aussah. Die beiden Graugekleideten stiegen vor dem Saloon ab und banden ihre Reittiere an, bevor sie gemeinsam das Etablissement betraten. Außer ihnen befand sich niemand in dem kleinen, düsteren Schankraum, dessen Mobiliar von jemandem zusammengezimmert schien, der niemals gehört hatte, dass es bereits seit Jahrtausenden so etwas wie ein Schreinerhandwerk gab.
Der Lange hüstelte verhalten, und als sich nach ungefähr einer Minute niemand blicken ließ, hüstelte auch der Dicke – deutlich lauter, aber mit ebenso wenig Erfolg. Schließlich trommelte der Lange mit dem Ende des verzierten, hölzernen Stockes, den er stets bei sich trug, aber nicht zum Gehen zu benötigen schien, auf die Bar. Jetzt endlich regte sich etwas im Haus; eine Tür knarrte protestierend in ihren Angeln, und aus dem Dunkel des hinter dem Schanktisch liegenden Ganges schälten sich langsam die Umrisse einer bulligen Gestalt.
„Was gibt’s?“
Der Mann, der diese unfreundlichen Worte ausgestoßen hatte, mochte vielleicht fünfzig Jahre alt sein. Sein breites, gerötetes Gesicht war von mehrere Tage alten Bartstoppeln sowie einer Narbe verunziert, die sich quer über die linke Wange hinzog. Zwei kleine, tief in ihren Höhlen liegende Augen musterten die beiden unerwarteten Gäste.
„Was gibt’s?“, wiederholte der Barkeeper, auf den die zwei Graugekleideten offensichtlich keinen besseren Eindruck machten als er selbst auf diese.
„Können wir bei Ihnen etwas zu trinken bekommen, guter Mann?“, fragte der Dicke.
Der Barkeeper zog eine Braue hoch, sah sich demonstrativ um und antwortete dann: „Was hätten die Herren denn gerne? Eine Flasche Champagner aus Paris vielleicht? Oder zwei Gläser lauwarme Milch?“ Unvermittelt brüllte er: „Natürlich können Sie hier was zu trinken bekommen, Mister! Das ist ein Saloon!“
Der Lange hatte bei diesem Ausbruch, um seine Fassung ringend, indigniert die Augen geschlossen, während der Dicke sich bemüßigt fühlte richtigzustellen: „Es heißt nicht Mister, Mister, sondern Euer Lordschaft, Mister, und wir hätten gerne zwei große Gläser schönen, kalten Bieres, Mister!“
Die Kinnlade des Barkeepers klappte herunter und sein ohnehin nicht gerade bleiches Gesicht nahm einen flammendroten Farbton an. Er schnappte hörbar nach Luft und es dauerte einige Sekunden, bis er sich wieder so weit gefasst hatte, dass er hervorstoßen konnte: „Fünfundvierzig Jahre lang musste ich jeden, der nicht aus unserem Dorf bei Kilkenny stammte, mit Euer Lordschaft anreden, Mister! Dann hatte ich endlich genug Geld zusammen, um die Überfahrt in ein Land bezahlen zu können, in dem angeblich alle gleich sind, und was passiert, Mister? Es kommen zwei komische Figuren in meinen Saloon und verlangen von mir, dass ich sie mit Euer Lordschaft anrede! Nur über meine Leiche, Mister, so wahr ich Patrick Kirkpatrick heiße, Mister!“
Der Lange räusperte sich und warf seinem Reisebegleiter einen vielsagenden Blick zu. „Nun“, meinte er dann, „in Anbetracht der Tatsache, dass wir uns hier in den Kolonien befinden, können wir, denke ich, auf diese Formalitäten verzichten. Nicht wahr, Euer Lordschaft?“
„Wenn Sie meinen, Euer Lordschaft!“, antwortete der Dicke. Dann wandte er sich an den irischen Barkeeper und fügte in versöhnlichem Ton hinzu: „Also, wir hätten gerne zwei große Gläser kalten Bieres und eine Auskunft, wenn Sie es, äh, einrichten können. Wir werden Sie auch nicht schlecht dafür bezahlen!“
Patrick Kirkpatrick, der sich genauso schnell wieder abgeregt hatte, wie er in Wut geraten war, zuckte mit den Achseln. Dann stellte er zwei Gläser auf den Tresen, und während er sie mit dem gewünschten Getränk füllte, brummte er: „Ist schon gut. Bin es nur einfach leid, das ewige Euer Lordschaft! Also, worum geht es, Mister?“
Die beiden Graugekleideten nahmen gleichzeitig ihre Biergläser zur Hand und führten sie zum Mund. Nach einem tiefen Zug setzten sie sie ebenso gleichzeitig wieder ab, und der Dicke erläuterte:
„Wir suchen eine, äh, Viehzuchtstation mit dem Namen Lost River Ranch. Sie soll irgendwo hier in dieser Gegend liegen. Kennen Sie sie zufällig?“
„Die Lost River?“ Der Barkeeper hob die Brauen. „Jeder kennt die, aber freiwillig wird Sie keiner dorthin führen! Sie liegt zwei kurze Tagesritte von hier in Richtung Westen. Sie können sie gar nicht verfehlen – wenn Sie an das ausgetrocknete Flussbett kommen, folgen Sie ihm einfach in Richtung Nordwest. Die alte Ranch liegt direkt an dem Flusstal. – Ich weiß noch mehr ...“ Er hielt dem Dicken die offene Hand hin, und dieser holte, ohne eine Miene zu verziehen, einen Silberdollar aus seiner Tasche und legte ihn hinein, sorgfältig bemüht, die schmutzige Hand des Barkeepers nicht zu berühren.
Der Ire ließ den Dollar blitzschnell in seiner Hosentasche verschwinden. „Vor ein paar Jahren ist hier so ein verrückter Engländer mit seinem Partner aufgekreuzt und hat die Ranch, die vorher lange leer gestanden hatte, gekauft. Sie haben wohl versucht, wieder eine Viehzucht aufzubauen, aber ohne genügend Wasser ...“ Kirkpatrick zuckte mit den Schultern. „Der Partner ging nach einiger Zeit weg, und ein paar Monate später war der verrückte Engländer dann tot – kam ganz plötzlich.“
„Das war mein Neffe“, ließ sich nun der Lange vernehmen, „Rutherford Rattley. Auf dem Totenschein steht, er habe Selbstmord begangen. Aber das ist ausgeschlossen; kein Englishman, der etwas auf sich hält, würde so etwas tun!“
„Rutherford!“ Der Barkeeper schüttelte den Kopf, verkniff sich aber eine weitere Bemerkung. Stattdessen streckte er wieder seine schmutzige Hand aus. „Ich weiß noch mehr ...“
Erneut landete ein Silberdollar in seiner Hosentasche. „Selbstmord? Na klar war das Selbstmord! Soweit ich weiß hat er versucht, mit so einem uralten Ding von Pistole gegen einen Mann mit einem Gewehr anzutreten! Das war’s dann.“
„Was hatte denn der Mann mit dem Gewehr von Rutherford gewollt?“, fiel der Dicke ein.
Der Barkeeper machte eine Geste, die sein Desinteresse ausdrückte. „Ihn umnieten, nehme ich an. Ist das wichtig?“
„Ich denke doch – zumindest für Rutherford! Vor allem wäre es wohl interessant zu wissen, wer dieser Mann war!“
Kirkpatrick hob abwehrend die Hände. „Ich bin nicht neugierig. Aber eines weiß ich: Seitdem ist es nicht mehr geheuer auf dieser Ranch! Einige Leute sind da verschwunden; keiner hier aus dem Ort, aber Leute, die nur mal so durchgekommen sind!“ Er senkte seine Stimme zu einem Flüstern: „Einen von ihnen hat man mit auf den Rücken gedrehtem Gesicht gefunden! Können Sie sich das vorstellen?“
„Nein.“
„Ist aber Tatsache! Ich hab’s von einem Kumpel, der einen kennt, dessen Bruder dabei gewesen ist, als die Leiche gefunden wurde! Seitdem wagt sich niemand mehr in die Nähe dieser Ranch, das kann ich Ihnen sagen. Trotz des Schatzes ...“
Der Lange zog die Brauen hoch. „Des Schatzes?“
Der Barkeeper zögerte, so, als hätte er zu viel gesagt und bedauere dies nun. „Nun, man munkelt, dass der Engländer vor seinem, äh, Ableben auf der Ranch einen Schatz vergraben hat.“ Wieder streckte er die Rechte aus. „Ich weiß noch mehr ...“
„Danke“, lehnte der Dicke ab, „ich denke, noch mehr brauchen wir nicht zu wissen!“ Er wechselte einen schnellen Blick mit dem Langen, dann leerten sie gleichzeitig ihre Gläser, warfen ebenso gleichzeitig jeweils einen Silberdollar als Bezahlung auf die Theke und wandten sich zum Gehen.
Der Barkeeper ließ die Dollars in seiner Hosentasche verschwinden und meinte dann mit einem beleidigten Unterton: „Bitte, wenn sich die Herren zu gut sind, um mit einem einfachen Iren zu sprechen ...“ Mit erhobener Stimme fügte er hinzu: „Ich muss auch sehen, wo ich bleibe! Früher war hier viel los; jeden Abend war die Bude gerammelt voll! Aber seit ungefähr einem Jahr macht eine Horde Banditen die Gegend unsicher, und seitdem ist hier tote Hose! Vor zwei Tagen ist auch noch meine letzte Hure spurlos verschwunden, sonst hätte ich Ihnen einen Service bieten können, den Sie nicht aus dem Vereinten Königreich kennen, darauf wette ich!“
Doch seine Gäste hatten den Saloon bereits verlassen.
Auf der Veranda blieben die beiden Graukarierten stehen. „Wenigstens wissen wir nun, wie Ihr Neffe ums Leben kam, Euer Lordschaft“, sagte der Dicke.
Der Lange nickte traurig. „Die Leute haben hier einen seltsamen Begriff von Selbstmord, Euer Lordschaft!“, antwortete er.
„Da Ihr Neffe kein Testament hinterlassen hat, sind Sie jetzt Besitzer einer verrufenen Ranch!“
Der Lange zuckte mit den Schultern. „Was soll ich damit? Rattley Castle und meine Ländereien in good ol’ England genügen mir vollständig.“
Der Dicke kratzte sich am Kopf. „Was mag er mit dem Schatz gemeint haben?“
„Wahrscheinlich ist das nur eines dieser irischen Ammenmärchen. Mein Neffe hatte, soweit ich weiß, kaum Geld bei sich – in der komischen Währung, die hier in den Kolonien gilt, bestimmt nicht mehr als zehn- oder fünfzehntausend Dollar. So gut wie nichts also.“ Er ließ seinen Blick über die traurige Ansammlung von Holzhütten schweifen, die den größten Teil von Dead Man’s Point ausmachten. „Ist alles fast wie in Indien hier“, konstatierte er dann.
Der Dicke nickte. „Kolonie bleibt eben doch Kolonie!“

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