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Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Vorspiel
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Fünfte Runde
Sechste Runde
Siebente Runde
Achte Runde
Neunte Runde
Zehnte Runde
Nachspiel
Glossar
Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Nr. 2246
Kavuron, der Spieler
Der Imperator stellt ein Ultimatum – Gucky und das Specter gehen in den Einsatz
Leo Lukas
Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt
Die Lage des Jahres 1333 NGZ ist in der Milchstraße so bedrohlich und zugleich offen wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Und alles geht eigentlich auf eine winzige Veränderung zurück: die Erhöhung des Hyperphysikalischen Widerstands.
Durch ihn fiel nahezu jede hochwertige Technologie aus. Dieser Ausfall stürzte alle Hightech-Kulturen der Milchstraße ins Chaos und beendete die moderne Raumfahrt. Es folgte ein Nachfrageschub nach alten Technologien, vor allem nach Positroniken und bestimmten Hyperkristallen. Nicht zuletzt dadurch stehen sich nun die Liga Freier Terraner und das arkonidische Imperium am Abgrund des Krieges gegenüber.
Eine andere Folge: Der so genannte Sternenozean von Jamondi stürzt derzeit zurück in die Milchstraße – und mit ihm dessen geheimnisvolle Herren. Im Sektor Hayok scheinen all diese Ereignisse derzeit zusammenzulaufen.
Einer von denen, die alles kontrollieren zu können glauben, ist KAVURON, DER SPIELER ...
Gucky – Der Multimutant muss alle Register seines Könnens ziehen.
Kavuron da Untrach – Ein gnadenloser Gott bekommt Schwierigkeiten in seinem Paradies.
Reginald Bull und Julian Tifflor – Die Residenz-Minister sehen ihren großen Plan gefährdet.
Das Specter – Die Reinkarnation des »Maulwurfs« lässt sich auf tödliche Spiele ein.
Fanfarenstöße: spitz und hoch und ohrenbetäubend grell.
Dazu Trommelschläge: so schnell, scharf, präzise wie Salven aus einer Batterie von Strahlenkanonen.
Dann die wuchtigen Bässe einer monströsen Orgel: brutal tief, kaum mehr hörbar, doch umso intensiver zu fühlen; markerschütternd im wahrsten Wortsinn.
Exakt synchron zum rasenden Rhythmus der Musik explodieren überall an den Wänden Feuerwerkskörper. Flammenfontänen schießen aus den Grünflächen und Zierteichen hoch, fünfzig, sechzig, siebzig Meter empor. Von oben ergießen sich flirrende, Myriaden Funken sprühende Katarakte über die Balustraden der unzähligen Terrassen und Söller. Das Innere des Prachtbaus wird in blitzende, blendende, schimmernd verschwimmende, jedoch perfekt aufeinander abgestimmte Farbfluten getaucht.
Nun setzen die Chöre ein. Hunderte heller, makellos intonierender Stimmen von Frauen, Knaben und Countertenören addieren sich zu Oberton-Kaskaden von unwirklicher, übersinnlicher Schönheit. Der ganze, oben offene Trichterkelch beginnt zu vibrieren, scheint wie eine kolossale Glocke zu schwingen. Und dennoch hebt sich der kristallklare Sopran der Solistin mühelos davon ab.
»Dayme Chi'e son, dayme hil eyphon«, singt sie, »Fama Tran-Atlan korià Ailohii. Dayme Chi'e son, dayme Gos'eyron: A Zarakhbin Tantor ya, Taigonii!«
Es handelt sich um eine der berühmtesten Passagen aus dem hymnischen Oratorium »Tai Arbaraith«, ein Teil der ebenso tragischen wie fulminanten Schlusskantate, betitelt »Entrückung und Abschied«.
In einem minutenlangen, furiosen Crescendo steigert sich das Klagelied von Verwundung und Tod des vorzeitlichen Helden Tran-Atlan zu einzelnen markanten, durch plötzliche Pausen zerhackten Akkorden. Und wandelt sich dann, nach einer überraschenden, eleganten Kadenz, zu einer berückend schlichten Melodie. Die sich emporschwingt, hoch und immer höher, über den Rand des Khasurn hinaus, gen Himmel ... Noch einige Male scheint ihr zartes, immer schwächer werdendes Echo umzukehren, bis es endgültig im Geglitzer der Sterne entschwindet.
Ergriffenes Schweigen erfüllt den Trichter, der an seiner Oberkante über vierhundert Meter durchmisst. Dann brandet Applaus auf, tosend, frenetisch – und verstummt schlagartig wieder, als alle Lichter erlöschen.
*
Dies war der Moment, auf den der Rote Rächer gewartet hatte.
Er kannte das Programm der Veranstaltung in- und auswendig, hatte es zur Vorbereitung seines Coups wieder und wieder für sich durchgespielt. Als Nächstes kam der große Auftritt der Gastgeberin, effektvoll eingeleitet durch einige Sekunden vollkommener Dunkelheit. Diese kurze Zeitspanne musste ihm genügen, um unbemerkt den Standort zu wechseln und sein Erscheinungsbild radikal zu verändern.
Er startete. Die Distanz war in wenigen Augenblicken überwunden. Seine Finger flogen mit traumwandlerischer Sicherheit über die Kontaktflächen der Maske, gruppierten die Module in rasantem Tempo um.
Nur noch drei, vier Handgriffe ...
Er hatte sein Werk kaum vollendet, als das Licht wieder anging. Sechs starke, extrem eng fokussierte Strahlenbündel stachen vom Rand des mehr als zweihundert Meter hohen Kelchs in die Tiefe und vereinten sich, millimetergenau, im Mittelpunkt der Basisfläche zu einem perfekten Kreis.
Dort stand, auf einem kleinen, sich langsam drehenden Podest, eine einzelne Gestalt.
Sie wirkte winzig im Verhältnis zu den Dimensionen des Bauwerks. Doch ihr eng anliegendes, die Figur betonendes, über und über mit Pailletten besetztes Kleid spiegelte das gleißende Weiß der Scheinwerfer wider, warf es als silberne und goldene, zitternde und tanzende Sprenkel tausendfach, millionenfach zurück; sodass alles im weiten Rund davon gestreift und erleuchtet wurde, bis hinauf zu den Emporen der letzten Stockwerke.
Eine Lichtgestalt. Atemberaubend fragil, umwerfend in ihrer verletzlichen Grazie.
Dayme Gos'eyron, »leicht wie das Funkeln des Kristalls«.
Ascari da Vivo, Mascantin der Arkonidischen Kriegsflotte, Lehnsherrin des Planeten Hayok und des gesamten gleichnamigen Sternenarchipels, breitete die schlanken Arme aus und verneigte sich vor ihren Gästen. In dieser gebückten Haltung verharrte sie reglos, drei volle Umdrehungen des Podestes lang.
Dann richtete sie sich wieder auf und rief, unverstärkt und dennoch deutlich vernehmbar: »Dashe Tussan Gosner! Ich begrüße euch und erkläre den Festball zu Ehren Seiner millionenäugigen Erhabenheit, Imperator Bostichs des Ersten, für eröffnet!«
Zugleich mit dem Beifallssturm setzte das Orchester ein. Die Chöre jauchzten und jubilierten, die Pyrotechniker und Holographen gaben ihr Letztes. Heerscharen von Debütantinnen und Debütanten überschwemmten das Tanzparkett.
Und der Rote Rächer machte sich auf den Weg.
*
Niemand durchschaute seine Maske.
Man schenkte ihm ebenso wenig Beachtung wie den anderen livrierten Dienern. In gewisser Weise war er, obwohl er sich inmitten der Hochedlen und sonstigen Würdenträger bewegte, unsichtbar. Er wurde als Teil des Mobiliars angesehen, so wie die Spaliere der Kampfroboter oder die blütenumkränzte Säule, als die er sich zuvor getarnt hatte.
Aber nicht nur die notorisch hochnäsigen Arkoniden wie Krislyrr, der Tato, und dessen Hofschranzen ignorierten ihn. Auch Reginald Bull, der die terranische Abordnung anführte, würdigte den Roten Rächer bloß eines flüchtigen Seitenblicks.
Der Residenzminister für Liga-Verteidigung unterbrach seine von viel Gefuchtel untermalten Ausführungen nur kurz, um drei Sektflöten von dem Tablett zu nehmen, das der vermeintliche Kellner ihm darbot. Zwei der Gläser reichte er an Julian Tifflor und Fran Imith weiter.
Der Außenminister der LFT und Bulls Lebensgefährtin – die, wie manche Lästermäuler sie nannten, »ewige Braut« – stießen mit dem terranischen Oberkommandierenden an. Sobald sie an ihren Getränken genippt hatten, nahm Reginald Bull den Faden wieder auf.
»Und wisst ihr, was dieser steinalte, wurmstichige Mausbiber darauf geantwortet hat? – Das glaubt ihr mir nicht!«, röhrte er, Speichelflocken um die Mundwinkel. Unter seinen Achseln zeichneten sich dunkle, feuchte Flecken auf der lächerlich bombastischen Galauniform ab.
»›Karotten haben keine Tränen!‹ Ist das nicht der komplette Wahnsinn? ›Karotten haben keine Tränen!‹ Ich dachte, ich werd nicht mehr. Ja sag du mir – weiß der noch, wo er wohnt? Ha, ha, ha ...«
Tifflor und die knallig geschminkte Blondine an seiner Seite stimmten in das gekünstelte Gelächter ein. So übertrieben enthusiastisch, als müssten sie sich jeden Moment in die Hose machen vor lauter Begeisterung.
Der Rote Rächer zog von dannen, angewidert vom peinlichen Gehabe der höchsten anwesenden Repräsentanten der Liga Freier Terraner. Er hätte alle drei auf einmal töten können, und die Bonussumme dafür wäre durchaus beachtlich gewesen. Aber für heute hatte er sich Größeres vorgenommen.
*
Über den Personal-Antigravschacht in der Außenhülle des Gebäudes erreichte er den Zugang zur Imperialen Loge.
Zwei Kralasenen schoben vor der reich mit animierten Schnitzereien verzierten Tür Wache. Sie trugen schwere Kampfuniformen. In ihren Händen hielten sie schussbereite Stregas neuester Bauart.
Der Rote Rächer sah sich als mit allen Wassern gewaschener Assassine. Gleichwohl schlug ihm das Herz bis zum Hals, während er das Wort an die beiden Elitesoldaten richtete.
»Die Mascantin Ascari da Vivo«, sagte er in devotem Tonfall, doch mit dem unerschütterlichen Sendungsbewusstsein eines geborenen Befehlsempfängers, »entbietet dem heimlichen Ehrengast ihre persönliche Aufwartung.«
Er zeigte auf die Flasche, die er mitgebracht hatte. »Sie hat mich geschickt, ihm den feinsten Tropfen darzureichen, den die Weinberge Hayoks in den letzten Jahrzehnten produziert haben.«
Der linke Kralasene ließ, Furcht erregend flink, seine Waffe ins Halfter gleiten und zückte stattdessen ein mattschwarzes, eiförmiges Gerät, mit dem er das Tablett und dessen Träger scannte. Äußerlich entspannt, so gut es ging, doch innerlich bebend, harrte der Rote Rächer auf das Ergebnis der Überprüfung.
Falls sein teuer entlohnter Informant geflunkert hatte, hieß es an dieser Stelle »Game over«.
Zwei orangefarbene Lämpchen begannen hektisch zu blinken. Der Assassine, der sich den Namen »Roter Rächer« gegeben hatte, versteifte sich, bereit, die Entlarvung und die unmittelbar darauf folgende Exekution zu akzeptieren.
»Negativ. Kann passieren«, bellte der Bluthund des Imperators.
*
Bostich lag, barfüßig, lässig dahingestreckt, auf einem mit weichen Teppichen bedeckten Sofa.
Es stimmte also doch! Der Tipp, den der Rote Rächer in einer nur wenigen Eingeweihten bekannten Info-Zone des interplanetaren Netzwerks bekommen hatte, erwies sich als goldrichtig.
Unglaublich, aber wahr: Bostich I. war hier, und man konnte auf diese Weise hautnah an ihn herankommen!
Der biologisch unsterbliche Kristallimperator sah blendend aus. Unter der leichten Freizeit-Toga, die ihn umhüllte, zeichneten sich die ausgeprägten Muskeln seines bestens trainierten Körpers ab. Aus der Nähe wirkte sein edles, klassisches Profil noch beeindruckender als auf den im Netz kursierenden Darstellungen.
»Was bringst du mir, junger Freund?«
»Ein Geschenk Ascari da Vivos, Höchstedler: Schaumwein von den Sonnenhängen des Pen'rakli-Gebirges, den allerbesten Lagen des gesamten Sternenarchipels.«
»Wie nett. Stell den edlen Tropfen dort auf jenem Tischchen ab. Wenn mich später dürstet, werde ich mir davon zu Gemüte führen.«
Imperator Bostichs satte Baritonstimme klang angenehm samtig, freundlich und zugleich voll natürlicher Autorität. Es fiel schwer, ihn nicht sympathisch zu finden.
»Bitte vergebt mir meine abscheuliche Penetranz, Höchstedler. Aber die Mascantin wüsste zu gerne, wie Euch der Wein mundet. Könntet Ihr nicht wenigstens ein kleines Schlückchen ...?«
Seufzend setzte sich der Imperator auf. »Wer bin ich, die Wünsche Ascaris gering zu achten? Also los, schenk schon ein, mein Freund!«
Der Diener tat, wie ihm geheißen ward. Bostich trank. Er schnalzte anerkennend mit der Zunge.
»Richte der Mascantin aus, ich sei entzückt. Es ist ein schöner Wein, er hat mich sehr erfreut und so weiter.« Er winkte gähnend. »Nun geh. Ich bin müde und möchte ruhen.«
Der Rote Rächer schritt gemächlich Richtung Tür. Davor blieb er stehen und blickte über die Schulter zurück. Sein Herz hämmerte wie wild.
Gaumarol da Bostich war eingeschlafen.
Es hat funktioniert, es hat tatsächlich funktioniert!
Der präparierte Wein, den er um Unsummen erworben hatte – über reichlich zwielichtige Kanäle –, hatte seine Schuldigkeit getan. Befand sich jetzt auch noch die verborgene Tapetentür an der Stelle, die sein Informant genannt hatte, dann ...
Er trat ans Sofa und blickte auf den mächtigsten Mann der Milchstraße hinab, der tief und fest schlummerte. Was für ein Gefühl, das Leben des gottgleichen Arkonidenherrschers in der Hand zu halten! Es jetzt, in diesem Augenblick, nehmen zu können, wenn er wollte.
Doch er wollte nicht; heute nicht.
Die Geheimtür war rasch gefunden. Der Rote Rächer öffnete sie und schlüpfte in den spärlich beleuchteten Gang.
*
Er wandte sich nach links, kam aber nur wenige Meter weit. Schritte erklangen, und noch eher er sich umdrehen konnte, wurde er von hinten ergriffen, zur Seite gerissen und unsanft in eine Nische gezogen.
»Sieh einer an, wen haben wir denn da?«, zischte eine Frauenstimme. »Wenn das mal nicht mein alter Kamerad, der Rosarote Zimmertiger, ist!«
Im Halbdunkel machte er einen grobschlächtigen, dreiäugigen Wächter vom Volk der Naats aus, dessen äußere Erscheinung so gar nicht zu der weiblichen Stimme passen wollte. Der Rote Rächer blinzelte, kniff die Augen zusammen, konzentrierte sich ... und hinter dem durchscheinend gewordenen Riesen wurde eine schlanke, braunhäutige Akonin sichtbar. Sie trug einen schwarzen, hautengen Latexanzug, um dessen Ärmel sich hellgrüne Schlangen wanden.
»Viper!«
»Die nämliche. – Respekt, Roter, ich hätte nicht gedacht, dich hier zu treffen. Scheinst mächtig zugekauft zu haben.«
Es verdross ihn, hier auf die junge Frau zu stoßen, die sich Viper nannte. Sie waren einander schon öfter über den Weg gelaufen und hatten sich manch heftiges Gefecht geliefert. Wobei meistens er den Kürzeren gezogen hatte.
»In der Tat bin ich gut gerüstet. Leg dich heute besser nicht mit mir an, Schlangenmädchen«, flüsterte er drohend. »Ich habe einige neue Spielzeuge bei mir, mit denen du lieber nicht Bekanntschaft machen möchtest.«
»Das zu entscheiden, darfst du getrost mir überlassen. – Du kommst aus der Imperialen Ehrenloge. Gestehe: Ist Bostich da drin? Hast du ihn ... Nein«, korrigierte sie sich selbst. »Dann hätten wir bereits Vollalarm. Den zu unterdrücken, schafft deine Software nicht.«
»Ja, er ist da. Und nein, ich habe ihn nicht terminiert.«
»Wie bist du dann an ihm vorbeigekommen?«
»Habe ihn betäubt. – Und jetzt lass mich in Frieden, ich möchte hier keine Wurzeln schlagen.«
»Wieso hast du ... Ah, ich verstehe. Du wolltest zuerst noch den Fluchtweg erkunden. Tja, Kumpel, da war die Viper wieder einmal schlauer. Ich bin gleich durch den Hintereingang rein.«
»Ja, ja. Hör zu. Du kannst Bostich haben, klar? Er gehört dir. Brauchst nur noch in sein Zimmer zu schleichen und ihm deine Giftzähne in den Hals zu schlagen. Aber halt mich nicht länger auf.«
»Du verzichtest? Einfach so?«, fragte die Akonin misstrauisch. »Bostel bringt mit Sicherheit einen höheren Score als Ascari und Qertan zusammen.«
Damit hatte sie wohl Recht. Bislang hatte das höchste erreichbare Ziel darin bestanden, gleichzeitig die Mascantin und ihren Dron-Leibwächter auszuschalten. Aber jetzt, da der Kristallimperator persönlich im Spiel war ...
»Verdammt, glaub mir endlich, dass ich nichts von ihm will. Und von dir schon gar nicht.«
Viper wiegte nachdenklich den Kopf. Dabei leckte sie sich mit ihrer langen, gespaltenen Zunge über die Lippen. Schließlich leuchteten ihre geschlitzten Pupillen auf.
»Ich durchschaue dich, Roter. Jetzt verstehe ich, was du vorhast. Du willst tiefer hinein, nicht wahr? In den inneren Kreis. Ins Allerheiligste.«
Widerwillig bejahte er.
Die junge Frau wurde plötzlich ernst. »Sei kein Narr! Weißt du überhaupt, worauf du dich da einlässt?«
»Jetzt klingst du wie meine Mutter. Oder wie einer der ewigen Nörgler aus der Info-Gruppe.«
»In den letzten beiden Tagen hat es mindestens fünf von uns erwischt. Fünf!«
»Pah. Schauermärchen. Die höre ich, seit das positronische Netzwerk in Betrieb gegangen ist. Immer dieselben Horrorgeschichten, und sie fangen immer gleich an: ›Ein Freund von einem Freund von einem Freund‹ ... Ich jedenfalls kenne kein einziges dieser angeblichen Opfer.«
»Sagt dir der Name Stachelbaron etwas?«
»Hältst du mich für blöd? Natürlich kenne ich den Stachel. Einer der Besten auf diesem Planeten.«
»Er ist mein Bruder. Und seit vorgestern verschollen. Das Letzte, was ich von ihm hörte, war, dass er da reinwollte.« Sie deutete in Richtung der schweren Metalltür an diesem Ende des Ganges.
»Er wird schon wieder auftauchen«, murmelte der Rote Rächer, etwas unsicher geworden.
Die halb transparenten Naat-Pranken umfassten seine Oberarme und schüttelten ihn. »Stachels Wohnung ist ausgebrannt. Komplett. Da war nichts mehr zu finden außer Ruß und Schlacke.«
»Unfälle kommen vor ...«
»Bei zwei meiner Bekannten war es genau dasselbe. Verdammt, ich habe ihre abgefackelten Behausungen gesehen, mit eigenen Augen.«
»Das ist ein Test, was? – Dein Bruder. Dass ich nicht lache! Und Perry Rhodan ist deine Tante, oder? – Du willst mir doch bloß Angst einjagen. Sehen, ob ich kneife. Und wenn ich's tue, verhöhnst du mich in allen Netzforen. Aber mit mir nicht, du verschlagenes Gewürm!«
Er riss sich los, drehte sich um und stapfte auf die Metalltür zu.
»Tu's nicht, Roter, ich bitte dich. Du gehst in den Tod ...«
Sie folgte ihm, versuchte ihn zurückzuhalten, doch er wischte ihre Hände zur Seite. »Ich habe schon hunderte Leben verloren. Na und?«
»Aber das ist kein Spiel. Sobald du durch diese Türe gegangen bist, nicht mehr. Da gibt es keinen Neustart. So glaub mir doch, ich lüge dich nicht an!«
Innerlich war er sich keineswegs sicher, was er von ihrer Erzählung halten sollte. So aufgewühlt hatte er Viper noch nie erlebt.