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BEVOR ER BEGEHRT

 

(EIN MACKENZIE WHITE MYSTERY—BUCH 3)

 

B L A K E   P I E R C E

 

 

Blake Pierce

 

Blake Pierce ist die Autorin der Bestseller RILEY PAGE Mystery Reihen, die sechs Bücher (und mehr) umfasst. Blake Pierce ist ebenfalls Autorin  der MACKENZIE WHITE Mystery Reihe, die aus drei Büchern (und mehr) besteht; der AVERY BLACK Mystery Reihen, die drei Bücher (und mehr) umfässt und der neuen KERI LOCKE Mystery Reihe.

An alle eifrigen Leser und lebenslangen Fans des Mystery und Thriller Genres, Blake liebt es von Ihnen zu hören, bitte besuchen Sie www.blakepierceauthor.com um mehr zu erfahren und in Kontakt zu bleiben.

 

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BÜCHER VON BLAKE PIERCE

 

RILEY PAIGE KRIMI SERIE

VERSCHWUNDEN (Band #1)

GEFESSELT (Band #2)

ERSEHNT (Band #3)

GEKÖDERT (Band #4)

GEJAGT (Band #5)

VERZEHRT (Band #6)

VERLASSEN (Band #7)

ERKALTET (Band #8)

 

MACKENZIE WHITE KRIMIREIHE

BEVOR ER TÖTET (Buch #1)

BEVOR ER SIEHT (Buch #2)

BEVOR ER BEGEHRT (Buch #3)

BEVOR ER NIMMT (Book #4)

 

AVERY BLACK MYSTERY SERIE

DAS MOTIV (Buch Nr. 1)

LAUF! (Buch Nr. 2)

DAS VERSTECK (Buch Nr. 3)

GRÜNDE DER ANGST (Buch Nr. 4)

 

KERI LOCKE MYSTERY-SERIE

EINE SPUR VON TOD (Buch 1)

EINE SPUR VON MORD (Buch 2)

EINE SPUR VON SCHWÄCHE (Buch 3)

 

INHALT

 

PROLOG

KAPITEL EINS

KAPITEL ZWEI

KAPITEL DREI

KAPITEL VIER

KAPITEL FÜNF

KAPITEL SECHS

KAPITEL SIEBEN

KAPITEL ACHT

KAPITEL NEUN

KAPITEL ZEHN

KAPITEL ELF

KAPITEL ZWÖLF

KAPITEL DREIZEHN

KAPITEL VIERZEHN

KAPITEL FÜNFZEHN

KAPITEL SECHZEHN

KAPITEL SIEBZEHN

KAPITEL ACHTZEHN

KAPITEL NEUNZEHN

KAPITEL ZWANZIG

KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG

KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG

KAPITEL DREIUNDZWANZIG

KAPITEL VIERUNDZWANZIG

KAPITEL FÜNFUNDZWANZIG

KAPITEL SECHSUNDZWANZIG

KAPITEL SIEBENUNDZWANZIG

KAPITEL ACHTUNDZWANZIG

KAPITEL NEUNUNDZWANZIG

CHAPTER THIRTY

KAPITEL EINUNDDREIßIG

KAPITEL ZWEIUNDDREIßIG

KAPITEL DREIUNDREIßIG

KAPITEL VIERUNDDREIßIG

KAPITEL FÜNFUNDDREIßIG

KAPITEL SECHSUNDDREIßIG

KAPITEL SIEBENUNDDREIßIG

 

PROLOG

 

Pam setzte sich auf den umgefallenen Baumstamm am Rande des Campingplatzes und zündete sich eine Zigarette an, voll mit Energie nach dem Sex. Hinter ihr stand Hunter’s Zelt in einer verbeulten Kuppelform. Sie konnte ihn leise im Inneren schnarchen hören. Sogar hier im Wald, war es dasselbe, hier war sie wach und voll Energie nach dem Sex, während er wie ein Stein schlief. Hier im Wald machte es ihr aber nicht so viel aus.

Sie grub ein kleines Loch für die Asche ihrer Zigarette in den Boden, in dem Bewusstsein, dass Rauchen im Wald während eines so trockenen Sommers ziemlich unverantwortlich war. Sie starrte in den Himmel und schaute die Sterne an. Es war eine kühle Nacht, der Herbst hatte an der Ostküste Einzug gehalten und die Temperaturen bedeutend fallen lassen. Sie schlang die Arme um sich selbst. Sie wünschte sich, dass Hunter’s Zelt eine dieser netzförmigen Öffnungen hätte, wo man rausschauen kann, aber sie hatte kein Glück. Trotzdem war es irgendwie romantisch gewesen wegzufahren, allein im Wald zu sein. Es war das was einem Zusammenleben am nähsten kam und was sie zulassen würde, bis dieser Idiot endlich um ihre Hand anhielt. Wenn man den Nachthimmel, das perfekte Wetter und ihre verrückte Chemie bedachte, war es eine der glücklichsten Nächte, die sie je hatte.

Sie wollte wieder reingehen, um sich an ihn zu schmiegen, aber zuerst musste sie auf die Toilette. Sie ging in den Wald und nahm sich einen Moment Zeit, um ihre Umgebung wahrzunehmen. Es war schwer auszumachen, wo sie hingegangen war, da es dunkel war, nur das Licht der Sterne und der Halbmond boten etwas Licht, aber nicht genug. Sie beobachtete ihre Umgebung und war sich sicher, dass sie scharf nach links gehen musste, um die Toiletten zu finden. Sie schlich weiter und ging für ca. 30 Sekunden in diese Richtung. Als sie sich umdrehte konnte sie das Zelt nicht mehr sehen.

“Mist,” hauchte sie und fühlte Panik in sich aufsteigen.

Reiss dich zusammen, sagte sie zu sich selbst während sie weiter ging. Das Zelt ist direkt dahinten und -- Ihr linker Fuß verhakte sich und ehe sie sich versah, fiel sie auf den Boden. Sie schaffte es, sich im letzten Moment mit den Händen abzustützen, sodass sie nicht mit dem Gesicht auf den Boden fiel. Der Wind wehte über sie hinweg wie ein kleiner Atemzug und sie zog sich peinlich berührt sofort wieder hoch.

Sie schaute zurück auf das Holz über das sie gestolpert war, wütend darauf wie ein Kind. Im Dunkeln sah die Form merkwürdig und fast abstrakt aus. Eines wusste sie dennoch sicher. Es war kein Zweig.

Die Nacht spielte ihren Augen wohl einen Streich. Es musste ein merkwürdiges Spiel des Schattens in der Dunkelheit sein.

Aber als sie die Kälte in sich spürte, wusste sie warum. Leugnen war zwecklos.

Es war ein menschliches Bein.

Und wie es aussah, war das alles. Es gab keinen Körper dazu. Es lag da auf dem Boden, teilweise versteckt vom Laub und anderem Waldschutt. Der Fuß steckte in einem Laufschuh und in einer Socke die mit Blut getränkt war. Pam ließ einen Schrei los. Und als sie sich umdrehte und in der Schwärze der Nacht zurückrannte, hörte sie nicht auf zu schreien.

 

KAPITEL EINS

 

Mackenzie saß auf dem Beifahrersitz eines vom Büro gestellten Sedans mit einer Standard Ausgabe Glock in ihrer Hand – eine Waffe die so familiar für sie erschien wie das Gefühl ihrer eigenen Haut. Aber heute fühlte es sich anders an. Nach heute würde alles anders sein.

Erst die Stimme von Bryers holte sie aus ihrer Mini-Trance. Er saß auf dem Fahrersitz und schaute sie auf eine Art an von der Mackenzie dachte, dass es ähnlich war, wie das Starren eines enttäuschten Vaters.

 “Du weißt … du musst das nicht machen”, sagte Bryers. “Niemand wird weniger von dir denken, wenn du hier sitzen bleibst.”

“Ich denke, ich muss es tun. Ich glaube, ich schulde mir das selbst.”

Bryers seufzte und schaute aus dem Fenster. Vor ihnen lag ein großer Parkplatz nur beleuchtet vom schwachen Straßenlicht, der Straßenlaternen an der Seite und im Zentrum des Parkplatzes. Drei Autos standen da draußen und Mackenzie konnte die Formen von drei Männern erkennen, die unruhig herum liefen.

Mackenzie streckte den Arm aus und öffnete die Beifahrertür.

“Ich werde es schon schaffen”, sagte sie.

“Ich weiß”, sagte Bryers. “Sei einfach vorsichtig. Wenn dir heute Nacht etwas passiert und die falschen Leute herausfinden, dass ich mit dir hier war …”

Sie wartete nicht. Sie stieg aus dem Auto und schloss die Tür hinter sich. Sie hielt die Glock heruntergebeugt und lief lässig über den Parkplatz in Richtung der drei Männer, die hinter dem Auto standen. Sie wusste, das es keinen Grund gab nervös zu sein, aber sie war es trotzdem. Sogar als sie Harry Dougan’s Gesicht unter ihnen erkannte, waren ihre Nerven immer noch gespannt.

“Musstest du unbedingt Bryers mitbringen?” fragte einer der Männer.

“Er passt auf mich auf”, sagte sie. “Er mag niemanden von euch.”

Alle drei Männer lachten und schaute dann auf das Auto, aus dem Mackenzie gerade ausgestiegen war. Sie winkten Bryers in perfekter Synchronie zu. Als Antwort gab Bryers ihnen ein falsches Lächeln und zeigte ihnen den Mittelfinger.

“Er mag mich immer noch nicht, hm?” fragte Harry.

“Nein, tut mir leid.”

Die anderen Männer schauten Harry und Mackenzie mit derselben Resignation an, an die sie sich in den letzten Wochen gewöhnt hatten. Sie waren zwar kein Paar per se,  waren aber jetzt nah genug, um die kleinste Spannung unter ihren Kollegen aufzubauen. Der kleinste der Männer war ein Mann names Shawn Roberts und der andere, ein kräftiger Mann, der 2 m groß war, war Trent Cousins.

Cousins nickte wegen der Glock in Mackenzies Hand und löste dann seine eigene von seiner Hüfte.

“Wir ziehen es also durch?”

“Ja, wir haben wahrscheinlich nicht so viel Zeit”, erwiderte Harry.

Sie schauten sich alle verschwörerisch auf dem Parkplatz um. Ein Hauch von Aufregung lag in der Luft und als sie das bemerkte erkannte Mackenzie plötzlich etwas; sie würde tatsächlich Spaß haben. Zum ersten Mal seit ihrer frühen Kindheit war sie berechtigterweise wegen etwas aufgeregt.

“Auf drei”, sagte Shawn Roberts.

Alle begannen sich hin und her zu wiegen und zu hüpfen, als Harry den Countdown begann.

“Eins… zwei … drei!”

Blitzartig verschwanden alle vier. Mackenzie lief nach links, lief in Richtung eines der drei Autos. Hinter ihr hörte sie die weichen Geräusche der Schüsse, die aus den Waffen der anderen kamen. Diese Waffen waren natürlich Attrappen … Farbballwaffen, die so echt wie möglich aussehen sollten. Das war nicht das erste Mal, dass Mackenzie an einer simulierten Munitionsübung teilnahm, aber es war das erste Mal, dass sie ohne einen Anweiser – oder ohne irgendwelche Art von Stütze mitmachte.

Rechts von ihr explodierte ein roter Farbstrich auf dem Bürgersteig, nicht weiter als fünfzehn Zentimeter von ihrem Fuß entfernt. Sie duckte sich hinter das Auto und rutschte zum vorderen Teil. Sie ließ sich auf die Hände und Knie fallen und sah zwei verschiedene Paar Füße die sich vor ihr trennten, ein Paar verschwand hinter einem weiteren Auto. 

Mackenzie hatte sich die Umgebung gründlich angeschaut, während sie zusammengestanden hatten. Sie wusste, dass der beste Ort auf dem Parkplatz der unter einer Steinsäule war, die das Straßenlicht im Zentrum des Parkplatzes hielt. Wie der Rest der Hogan Allee, war dieser Parkplatz so willkürlich wie möglich zusammengesetzt worden, aber mit Blick auf die Auszubildendenakademie. Damit wusste Mackenzie, dass es immer einen optimalen Ort für Erfolg in jeder Situation gab. Für diesen Parkplatz war es diese Straßenlichtsäule. Sie hatte es nicht geschafft direkt dort hinzukommen, weil dort bereits zwei der Typen gestanden hatten, als Harry anfing zu zählen. Aber jetzt hatte sie herausgefunden wie sie dort hinrennen konnte, ohne erwischt zu werden.

Sie würde das Spiel verlieren, wenn man sie erschoss. Hier standen fünfhundert Dollar auf dem Spiel. Sie fragte sich wie lange dieses kleine Vor-Abschlussritual schon von Auszubildenden angewendet wurde und wie es zu einer kleinen geheimen Legende unter den besten jeder Klassen geworden war.

Während sie darüber nachdachte, bemerkte sie dass Harry und Cousins sich in einem kleinen hin-und-her Schießgelage auf der anderen Seite des Parkplatzes befanden. Cousins befand sich hinter den Autos und Harry hatte sich an die Seite eines Müllcontainers gepresst.

Mit einem Grinsen zielte Mackenzie auf Cousins. Er war gut versteckt und sie konnte ihn nicht von dort wo sie sich befand erschießen, aber sie konnte ihn erschrecken. Sie zielte auf die Ecke des Autos und schoss. Ein blauer Farbball platzte, als ihr Schuss ins Leere ging. Sie sah wie Cousins ein wenig zurückzuckte, abgelenkt von Harry. Harry nutzte seinen Vorteil stattdessen und feuerte zwei Schüsse ab.

Sie hoffte, dass er mitzählte. Der ganze Sinn ihrer ein wenig unerlaubten spätnächtlichen Übung war es, der einzige zu sein, der nicht schoss. Jeder Spieler hatte die gleiche Waffe – eine Waffe die Farbbälle abfeuerte – und jeder von ihnen durfte die Standardzahl der Runden spielen, die mit der Art von Glock kamen, nach denen ihre Farbwaffen modeliert worden waren. Das bedeutete, dass jeder nur fünfzehn Runden hatte. Mackenzie hatte jetzt vierzehn übrig und sie war sich sicher, dass die drei Männer je mindestens 3 oder 4 mal geschossen hatten.

Da Harry und Cousins beschäftigt waren, blieb nur noch Shawn übrig, mit dem sie fertig werden musste. Aber sie hatte keine Ahnung wo er sich befand. Dafür das er so groß war, machte er gute Arbeit darin sich davonzuschleichen.

Sie ging vorsichtig auf die Knie und hob ihren Kopf über die Seite des Autos, mit den Blicken nach Shawn suchend. Sie sah ihn nicht, aber sie hörte das kleine puffähnliche Geräusch von einer Waffe, aus der in der Nähe gefeuert wurde. Sie zuckte zurück als gleichzeitig ein Farbball die Spitze der Stoßstange des Autos traf. Ein wenig grüne Farbspritzer trafen ihre Hand als sie zurückzuckte, aber das zählte nicht als erschossen.

Um auszuscheiden musste man in den Arm, das Bein, in den Rücken oder in den Körper getroffen werden. Das einzige was keine Einschränkungen besaß waren Kopfschüsse. Obwohl die Kügelchen klein waren und aus dünnem Plastik bestanden, waren sie dafür bekannt Erschütterungen hervorzurufen. Und wenn einem eine im Auge erwischte, könnte man für immer blind sein. Das war eine der Hauptgründe warum diese kleine Übung so vom Büro gefürchtet war. Sie wussten das es jedes Jahr passierte, aber sie liessen den Absolventen einfach ihren geheimen Spaß haben und drückten beide Augen zu.

Der Schuss gab Mackenzie dennoch einen guten Anhaltspunkt darüber, wo Shawn sich versteckte. Er kauerte hinter dem Betonpfosten. Und so wie sie es für sich selbst angedacht hatte, hatte er jetzt eine tolle Schußlinie für alle. Er drehte sich von Mackenzie weg und feuerte einen schnellen Schuß auf Harry ab. Der Schuss ging daneben und streifte nur die Spitze des Müllcontainers, ein paar Meter über Harrys Kopf. Er fiel auf den Boden, als sowohl Cousins und Shawn auf ihn zu schießen begannen.

Mackenzie versuchte auf Shawn zu schießen und erwischte ihn fast an der Schulter. Er duckte sich dennoch als sie auf ihn feuerte und der Schuss ging ins Leere. In der Zwischenzeit hörte sie Cousins frustriert und schmerzvoll aufschreien.

“Ich bin raus”, sagte Cousins und lief langsam in eine Ecke des Parkplatzes. Er setzte sich auf eine Bank, wo die die raus waren, still saßen. Mackenzie sah einen Fleck gelber Farbe auf seinem Fuß, wo Harry hin geschossen hatte.

Harry nutzte die Ablenkung und kam aus seinem Versteck hinter dem Müllcontainer hervor. Er lief in seinem gewöhnlichen Tempo in Richtung des dritten geparkten Autos.

Als er lief, rollte Shawn aus seinem Versteck hervor. Er schoss erst auf Mackenzie, um sie im Versteck zu halten und schwenkte dann um, um Harry zu erwischen. Er feuerte einen weiteren Schuss auf Harry ab und fiel auf den Boden nur fünf Zentimeter von Harrys linkem Fuß entfernt, als er hinter dem Auto hervorsprang.

Mackenzie nutzte den Moment, um zum Motor des Autos zu gelangen, sie glaubte, dass sie Shawn hervorlocken könnte. Sie schoss nach links auf den Betonpfosten, derselbe Ort den sie angepeilt hatte, als sie noch am vorderen Ende des Autos hockte. Als die Farbbälle dort explodierten, wartete er einen Moment und schwenkte dann seinen Blick auf die Vorderseite des Autos. Als er das tat, sprang Mackenzie hinter dem Motor des Autos hervor und rannte schnell und leise davon. Als sie im richtigen Winkel war, feuerte sie einen Schuss ab der ihn direkt an der Hüfte traf. Grüne Farbe explodierte auf seiner Hose und seinem T-shirt. Er war so erschrocken von der Attacke, dass er zurück hinters Heck fiel.

 “Ich bin raus”, rief Shawn und warf Mackenzie einen wütenden Blick zu.

Sobald er begonnen hatte zur Ecke des Parkplatzes zu laufen, um sich zu Cousins zu setzen, sah Mackenzie von links ein Flattern.

Hinterhältiger Bastard, dachte sie.

Sie ließ sich auf den Boden fallen und ging hinter dem Betonpfosten in Deckung. Das Licht schien hell über ihrem Kopf, wie ein Rampenlicht. Aber sie wusste, dass das nur zu ihrem Vorteil sein konnte, wenn ihr Angreifer sich noch im Schatten befand. Das Licht könnte zu hell sein und so sein Vorhaben auf jeden Fall verwerfen.

Als sie ihren Rücken gegen den Beton presste, hörte sie eine Farbkugel den Rücken des Pfostens streifen. In der Stille die folgte, hörte sie wie Cousins und Shawn auf der Bank kicherten.

“Das wird lustig”, sagte Cousins.

“Du sagst lustig”, erwiderte Shawn. “Ich sage das wird schmerzhaft.”

Bei ihrem dünnen Gelächter konnte Mackenzie nicht anders, als über die Situation zu schmunzeln. Sie wusste, dass Harry sie erschießen würde; sie hatten nicht die Art von Beziehung bei der er sie übermäßig behütete und sie einfach gewinnen lassen würde. Sie saßen beide im selben Boot – sie würden beiden morgen als neue Agenten ausgezeichnet werden.

Sie hatten eine Menge Zeit zusammen verbracht, sowohl in der Akademie als auch in angenehmeren Situationen. Mackenzie kannte ihn gut und wusste, was sie machen musste, um ihn zu erwischen. Sie fühlte sich schon fast schlecht dabei, Mackenzie lehnte sich nach vorne und feuerte los, sie streifte das Rad des Autos, hinter dem er sich versteckte.

Er kam sofort aus seinem Versteck und tauchte über der Motorhaube auf. Sie täuschte vor nach rechts zu gehen, als wenn sie hinter den Pfosten zurückgehen wollte. Tatsächlich schoss er dorthin. Mackenzie drehte sich um und rollte sich nach links. Sie legte sich flach auf den Bauch, hob die Waffe und schoss.

Der Schuss traf Harry rechts in die Brust. Die gelbe Farbe war schon fast so hell, wie die Sonne im Schatten, in dem er sich versteckte.

Harry ließ die Schultern sinken und warf seine Waffe auf den Parkplatz. Er kam hinter dem Auto hervor und schüttelte verwundert den Kopf.

“Ich bin raus.”

Mackenzie kam auf die Beine, neigte den Kopf und schaute ihn stirnrunzelnd an.

“Bist du böse?” fragte sie neckend.

“Überhaupt nicht. Das war ein süßer Zug.”

Hinter ihnen klatschten Cousins und Shawn Beifall. Noch weiter hinten stieg Bryers aus seinem Auto und kam zu ihnen herüber. Mackenzie wusste, dass er sich Sorgen um sie gemacht hatte, aber das er sich auch geehrt fühlte, mit ihr gekommen zu sein. Ein Teil der Tradition dieser Übung war, dass ein erfahrener Agent mitkam, falls etwas schief ging. Das passierte manchmal. So wie Mackenzie es gehört hatte, wurde ein Mann einmal von hinten am Knie erwischt, im Jahr 1999. Er musste auf Krücken zur Abschlussfeier gehen.

Bryers kam zu ihnen, als sie sich an der Bank versammelten. Er griff in seine Tasche und zog die fünfhundert Dollar, die er für sie aufbewahrt hatte, heraus – in Bar, alle hatten gemeinsam in den Topf geworfen. Er gab es Mackenzie und sagte:

“Hattet ihr wirklich irgendwelche Zweifel, Männer?”

“Gute Arbeit, Mac”, sagte Cousins. “Mir ist es lieber, wenn du mich rauskickst, als eine von diesen Witzfiguren.”

 “Danke, das dachte ich mir”, sagte Mackenzie.

“Ich hasse es mich wie ein alter Furz anzuhören”, sagte Bryers, “aber es ist fast ein Uhr morgens. Geht nach Hause und ruht euch aus! Ihr Alle. Bitte komm nicht total müde und neben der Spur zur Abschlusszeremonie.”

Das merkwürdige Gefühl von Glück breitete sich wieder in Mackenzie aus. Das war ihre Clique – eine Gruppe an Freunden, die sie gut kennengelernt hatte, seitdem sie wieder zu einem normalen Leben zurückgekehrt war, nach McGrath’s kleinem Experiment mit ihr vor neun Wochen.

Morgen würden sie alle von der Akademie graduieren und wenn alles so lief wie es sein sollte, dann würden sie nächste Woche schon alle Agenten sein. Während Harry, Cousins und Shawn sich keine Illusionen darüber machten, ihre Karriere auf berühmten Fällen zu starten, hatte Mackenzie mehr auf das sie sich freute und zwar die besondere Gruppe von Agenten, die McGrath in den Tagen nach ihrem unerwarteten Fall erwähnt hatte. Sie hatte immer noch keine Ahnung was das mit sich bringen würde, aber sie war trotzdem aufgeregt deswegen.

Als sich die kleine Gruppe trennte und ihre Wege ging, fühlte Mackenzie etwas, was sie schon lange nicht mehr gefühlt hatte. Es war die Ahnung, dass die Zukunft noch vor ihr lag, sich entfaltend und innerhalb ihrer Reichweite. Und zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte sie, dass sie eine tolle Kontrolle über die Richtung hatte, in die es ging.

 

Mackenzie sah sich die Prellung auf Harry’s Brust an und obwohl sie wusste, dass ihr erstes Gefühl Mitleid sein sollte, konnte sich nicht anders als zu lachen. Die Stelle, wo sie ihn getroffen hatte, war flammend rot, die Reizung breitete sich auf fünf Zentimeter in alle Richtungen aus. Es sah aus wie ein Bienenstich aber sie wusste, das es viel mehr weh tat.

Sie standen in ihrer Küche und sie wickelte einen Eisbeutel in ein Geschirrtuch für ihn. Sie gab es ihm und er hielt es auf komische Art. Es war klar, dass es ihm peinlich war, aber das er auch gerührt war, dass sie ihn zu sich eingeladen hatte, um sicherzugehen das es ihm gut ging.

“Es tut mir leid”, sagte sie ehrlich. “Aber, weisst du, vielleicht darf ich dich auf einen Kaffee als Entschädigung einladen.”

“Das muss aber ein richtig guter Kaffee sein”, sagte Harry. Er nahm den Eisbeutel von seiner Brust und rümpfte die Nase, als er auf die Stelle blickte.

Als Mackenzie ihm dabei zusah, erkannte sie, dass obwohl er bereits mehr als ein Dutzend Mal in ihrer Wohnung gewesen war und sie sich manchmal geküsst hatten, dies das erste Mal war, dass sie einen Mann so nah teilweise nackt gesehen hatte. Vielleicht war es das Adrenalin vom Gewinnen des Wettbewerbs oder wegen dem Abschluss morgen, aber es gefiel ihr.

Sie macht einen Schritt nach vorne und legte ihre Hand auf die unverletzte Seite seiner Brust, über seinem Herz. “Tut es noch weh?”, fragte sie und kam noch näher.

“Jetzt gerade nicht”, sagte er und grinste nervös.

Sie ließ ihre Hand langsam über das Mal gleiten und berührte es behutsam. Dann, nur mit den weiblichen Instinkten arbeitend, die sie vor Jahren schon unter Verschluss getan hatte und durch Verpflichtungen und Langeweile ersetzt hatte, beugte sie sich rüber und küsste ihn. Sie fühlte, wie er sich sofort anspannte. Ihre Hände fanden seine Taille, zogen ihn näher zu sich heran. Sie küsste sein Schlüsselbein, dann die Oberfläche seiner Schulter, dann seinen Nacken. Er seufzte und zog sie näher zu sich heran.

Wie immer küssten sie sich, bevor sie wussten wie ihnen geschah. Es war erst vier Mal vorher passiert, aber jedes Mal war es wie ein Drängen der Natur gewesen, etwas ungeplantes und ohne jegliche Erwartungen.

Es dauerte weniger als zehn Sekunden, bevor er sie sanft gegen die Küchentheke presste. Ihre Hände entdeckten seine Brust, während seine linke Hand ihren Weg unter ihr T-shirt fand. Ihr Herz hämmerte in ihrer Brust und jeder Muskel in ihrem Körper sagte ihr, das sie ihn wollte, das sie bereit dafür war.

Sie waren sich schon vorher nahe gewesen – zwei Mal tatsächlich. Aber bei beiden Malen hatten sie aufgehört. Eigentlich hatte sie es abgebrochen. Das erste Mal hatte sie es beendet, als er begonnen hatte an den Knöpfen ihrer Hose zu fummeln. Das zweite Mal, war er ziemlich betrunken gewesen und sie war auch nicht mehr so nüchtern. Keiner von ihnen hatte es so dargelegt, aber das Zögern miteinander zu schlafen, kam vom gegenseitigen Respekt für einander und von der ungewissen Zukunft. Sie dachte viel zu oft an Harry, als ihn nur als sexuelle Erleichterung zu sehen. Sie war mehr und mehr von ihm angezogen, aber Sex war immer eine sehr private Angelegenheit. Vor Zack hatte es nur zwei Männer gegeben und einer von denen war eher eine Art Überfall, als gleichvernehmlicher Sex gewesen.

All dies ging ihr durch den Kopf während sie Harry küsste, sie bemerkte, dass ihre Hände jetzt viel niedriger als seine Brust lagen. Er hatte das auch bemerkt; er spannte sich wieder an und atmete scharf aus.

Sie zog ihre Hand plötzlich weg und hörte auf ihn zu küssen. Sie schaute auf den Boden, besorgt, dass sie die Enttäuschung in seinen Augen sehen könnte.

 “Warte”, sagte sie. “Harry…. Es tut mir leid …. Ich kann nicht—“

“Ich weiß”, sagte er ein wenig frustiert. “Ich weiß es ist –“

Mackenzie nahm einen tiefen Atemzug und trat von ihm zurück. Sie drehte sich um, unfähig die Verwirrung und den Schmerz in seinen Augen zu sehen. “Wir können das nicht. Ich kann nicht. Es tut mir leid.”

“Es ist okay”, sagte er nervös. “Morgen ist ein großer Tag und es ist spät. Ich gehe nach Hause, bevor ich mich darum sorge, dass ich schon wieder abgewiesen wurde.”

Sie drehte sich wieder zu ihm um und nickte ihm zu. Die bissigen Kommentare machten ihr nichts. Sie hatte sie verdient.

“Das ist wohl das Beste”, sagte sie.

Harry zog sein voll mit Farbe gespritztes Shirt wieder an und ging langsam Richtung Tür. “Guter Job heute”, sagte er als ging. “Es gab keinen Zweifel, das du gewinnen würdest.”

 “Danke” sagte Mackenzie ausdruckslos. “Und Harry … wirklich, es tut mir leid. Ich weiß nicht, was mich davon abhält.”

Er zuckte mit den Schultern als er die Tür öffnete. “Es ist okay”, sagte er. “Es ist nur… Ich mach das nicht mehr lange mit.”

“Ich weiß”, sagte sie traurig.

“Gute Nacht, Mac.”

Er schloss die Tür und Mackenzie war alleine. Sie stand in der Küche und schaute auf die Uhr. Es war 1:15 Uhr und sie war nicht müde. Vielleicht hatte die kleine Übung an der Hogans Allee zu viel Adrenalin in ihre Blutlaufbahn gepumpt.

Sie versuchte trotzdem ins Bett zu gehen, aber verbrachte die meiste Zeit der Nacht damit sich hin und her zu wälzen. In einer Art Halbschlaf, hatte sie Träume an die sie sich kaum erinnern konnte, aber die einzige bewusste Sache in allen war das Gesicht ihres Vaters, lächelnd, stolz auf sie, dass sie es so weit geschafft hatte, dass sie morgen ihren Abschluss an der Akademie machte.

Aber neben dem Lächeln gab es noch eine weitere beständige Sache in den Träumen, etwas, an das sie sich schon vor langer Zeit gewöhnt hatte, das als häufiger Spuk kam sobald die Lichter ausgingen und der Schlaf sie überkam: der tote Blick in seinen Augen und das ganze Blut.

 

KAPITEL ZWEI

 

Obwohl Mackenzie ihren Wecker auf 8 Uhr gestellt hatte, wurde sie von der Vibration ihres Handys um 6:45 Uhr geweckt. Sie stöhnte als sie aufwachte. Wenn das Harry ist, der sich für etwas entschuldigen will, was er nicht einmal getan hatte, bringe ich ihn um, dachte sie. Immer noch im Halbschlaf griff sie nach ihrem Handy und las das Display durch ihre verschwommen Augen.

Sie war erleichtert zu sehen, dass es nicht Harry war, sondern Colby.

Verblüfft nahm sie ab. Colby war normalerweise keine Frühaufsteherin und sie hatten seit einer Woche nicht mehr miteinander gesprochen. Colby war wahrscheinlich aufgeregt wegen dem Abschluss und der ungewissen Zukunft. Colby war die einzige Freundin die Mackenzie hier in Quantico hatte, sie hatte getan was sie konnte, um diese Freundschaft am Leben zu erhalten – auch wenn das bedeutete einen frühen Anruf am Morgen der Abschlussfeier entgegenzunehmen, nachdem sie nur viereinhalb Stunden vorher eingeschlafen war.

“Hey Colby”, sagte sie. “Was ist los?”

“Hast du geschlafen?”, fragte Colby.

“Ja.”

“Oh mein Gott, das tut mir leid. Ich dachte du bist schon ganz früh auf, mit allem was hier los ist.”

“Es ist nur die Abschlussfeier”, sagte Mackenzie.

“Ha! Ich wünschte das wär alles”, sagte Colby in leicht hysterischem Tonfall.

“Geht’s dir gut?” frage Mackenzie und setzte sich langsam im Bett auf.

“Es geht schon”, sagte Colby. “Hör mal … kannst du zum Starbucks an der Fünften Straße kommen?”

“Wann?”

“Sobald du kannst. Ich gehe jetzt raus.”

Mackenzie wollte nicht gehen – sie wollte nicht einmal aufstehen. Aber sie hatte Colby noch nie so gehört. Und an einem solch wichtigen Tag dachte sie, müsste sie für ihre Freundin da sein.

“Gib mir 20 Minuten”, erwiderte Mackenzie.

Mit einem Seufzen stand Mackenzie auf und erledigte nur die schnellsten Dinge, um sich fertig zu machen. Sie putzte ihre Zähne, zog sich einen Kapuzenpulli und Laufhosen an, knotete ihr Haar in einen losen Ponyschwanz und ging los.

Als sie die sechs Blöcke zur 5. Straße lief, begann das Gewicht des Tages auf ihr zu lasten. Sie machte heute noch vor Mittag ihren Abschluss von der FBI Akademie, als eine der Top 5 ihrer Klasse. Anders als die anderen Absolventen die sie im Laufe der letzten 20 Wochen oder so kennengelernt hatte, würde sie keine Familie dabei haben, um ihre Leistung zu feiern. Sie wäre alleine, wie die meiste Zeit in ihrem Leben, seit sie 16 Jahre alt war. Sie versuchte sich selbst davon zu überzeugen, das ihr das nichts ausmachte, aber es machte ihr was aus. Es erschuf keine Traurigkeit in ihr, aber eine merkwürdige Art von Angst die so alt war, dass seine Kanten schon abgestumpft waren.

Als sie bei Starbucks ankam, bemerkte sie, dass der Verkehr ein wenig mehr als üblich war – wahrscheinlich die Angehörigen und Freunde von anderen Absolventen. Sie schüttelte den Gedanken dennoch ab. Sie hatte die letzten zehn Jahre ihres Lebens damit verbracht, sich nicht den Dreck darum zu scheren, was ihre Mutter und ihre Schwester von ihr dachten, warum sollte sie jetzt damit anfangen?

Als sie Starbucks betrat, sah sie, dass Colby bereits da war. Sie nippte an einer Tasse und schaute nachdenklich aus dem Fenster. Eine zweite Tasse stand vor ihr; Mackenzie nahm an, dass die für sie war. Sie setzte sich Colby gegenüber und machte eine Show daraus, wie müde sie war und verengte ihre Augen in mürrischer Weise als sie Platz nahm.

“Ist das meiner?” fragte Mackenzie und griff nach dem zweiten Becher.

 “Ja”, sagte Colby. Sie sah müde, traurig und überhaupt mürrisch aus.

“Was ist den los?” fragte Mackenzie und erstickte damit jeden Versuch um den heißen Brei herumzureden.

“Ich mache keinen Abschluss”, sagte Colby.

“Was?” fragte Mackenzie ehrlich überrascht. “Ich dachte, du hast alles mit Bravour bestanden.”

“Hab ich. Es ist einfach … ich weiß nicht. Die Akademie alleine hat mich schon ausgebrannt.”

“Colby… das meinst du nicht im Ernst.”

Ihr Ton war ein wenig schärfer, aber das war ihr egal. Das war nicht Colby. So eine Entscheidung war mit tiefer Betrachtung daher gegangen. Das war kein Zufall, kein letzter dramatischer Atemzug einer Frau, die von Nervosität geplagt war.

Wie konnte sie jetzt einfach aufhören?

“Ich meine es ernst”, sagte Colby. “Ich war nicht mehr mit Leidenschaft dabei die letzten drei Wochen oder so. Ich bin manchmal nach Hause gegangen und habe geweint, weil ich mich so gefangen gefühlt habe. Ich will das einfach nicht mehr.”

Mackenzie war fassunglos; sie wusste kaum noch was sie sagen sollte.

“Tja, der Tag des Abschluss ist eine schwierige Zeit um eine Entscheidung zu treffen.”

Colby zuckt mit den Ackseln und schaute wieder aus dem Fenster. Sie sah fertig aus. Besiegt.

“Colby … du kannst nicht aufhören. Tu das nicht.” Was ihr auf der Zunge lag, sie aber nicht sagte war: Wenn du jetzt aufhörst, dann haben die letzten zwanzig Wochen keine Bedeutung gehabt. Es macht dich außerdem zum Aufgeber.

 “Naja, aber ich höre nicht wirklich auf”, sagte Colby. “Ich werde zur Abschlussfeier heute gehen. Ich muss tatsächlich. Meine Eltern kommen aus Florida, also muss ich hingehen. Aber nach heute, wars das.”

Als Mackenzie an der Akademie begann, hatten die Lehrer sie gewarnt, dass die Abbrecher Rate unter den potenziellen Agenten während der zwanzigwöchigen Akademie Ausbildung bei zwanzig Prozent lag – und in der Vergangenheit auch bis auf dreißig angestiegen war. Aber das Colby jetzt dazu gehörte, machte einfach keinen Sinn.

Colby war zu stark – zu bestimmt. Wie zum Teufel konnte sie so eine Entscheidung auf so leichtfertige Art treffen?

“Was machst du dann?” fragte Mackenzie. “Wenn du all das jetzt hinter dir lässt, was sind deine neuen beruflichen Pläne?”

 “Ich weiß nicht”, sagte sie. Vielleicht etwas mit Verhinderung des Menschenhandels. Forschung und Ressourcen oder so etwas. Ich meine, ich muss keine Agentin sein, stimmts?”

Es gibt viele andere Möglichkeiten. Ich will nur keine Agentin sein.”

“Du meinst das wirklich ernst”, sagte Mackenzie trocken.

“Ja, das meine ich ernst. Ich wollte dir das nur sagen, denn nach dem Abschluss werden meine Eltern mich voll in Beschlag nehmen.

Oh, du arme, dachte Mackenzie sarkastisch. Das muss schrecklich sein.

“Ich verstehe das nicht”, sagte Mackenzie.

“Das erwarte ich auch nicht. Du bist toll als Agentin. Du liebst es. Ich glaube du bist dafür gemacht, weisst du? Bei mir …. Ich weiß es nicht. Abgestürzt und ausgebrannt, glaube ich.”

“Gott, Colby… Es tut mir leid.”

“Das muss es nicht” erwiderte sie. “Wenn ich meine Eltern erst einmal zurück nach Florida geschickt habe, dann ist der ganze Druck weg. Ich werde ihnen sagen, das ich einfach nicht für diese Ausbildung gemacht war, die mir zugetragen wurde. Und dann kann ich machen was ich will, denk ich.”

“Tja,… dann viel Glück, sag ich mal”, sagte Mackenzie.

 “Nichts davon bitte”, sagte Colby. “Du schließt als eine der Top 5 heute ab. Lasse dich nicht von meinem Drama herunterziehen. Du warst eine sehr gute Freundin, Mac. Ich wollte, dass du das von mir hörst und nicht erst in ein paar Wochen merkst, das ich nicht da bin.”

Mackenzie machte keinen Versuch ihre Enttäuschung zu verbergen. Sie hasste das Gefühl, dass sie auf kindische Taktiken zurückgreifen musste, aber sie bleib eine Weile still und nippte an ihrem Kaffee.

“Was ist mir dir?” fragte Colby. “Kommen Familie oder Freunde von dir?”

“Keiner”, sagte Mackenzie.

“Oh”, sagte Colby ein wenig peinlich berührt. “Das tut mir leid, dass wusste ich nicht—“

“Kein Grund sich zu entschuldigen”, sagte Mackenzie. Es war jetzt an ihr starr aus dem Fenster zu schauen, als sie hinzufügte: “Ich mag das eigentlich so.”

 

***

 

Mackenzie war unbeeindruckt von der Abschlusszeremonie. Es war wirklich nichts weiter als eine formalisierte Version ihres High School Abschlusses und nicht so klassisch und formal wie ihr College Abschluss. Während sie darauf wartete, dass sie aufgerufen wurde, hatte sie viel Zeit an diese Abschlüsse zurückzudenken und wie ihre Familie mit jedem Abschluss weiter und weiter in den Hintergrund gerückt war.

Sie konnte  sich darin erinnern fast geweint zu haben, als sie bei ihrem High School Abschluss auf die Bühne ging, traurig von der Tatsache, dass ihr Vate sie nie aufwachsen sehen würde. Sie hatte das schon während ihrer Teenager Jahre gewusst, aber es war die Tatsache die wie ein Stein einschlug, als sie zur Bühne ging, um ihr Diploma in Empfang zu nehmen. Es war nichts, was sie sehr im College aufgeregt hätte. Als sie bei ihrem College Abschluss auf die Bühne gegangen war, hatte niemand von ihrer Familie im Publikum gesessen. Es war, wie sie während der Zeremonie der Akademie erkannte, der ausschlaggebende Moment als sie ein für allemal entschied, dass sie es vorzog, bei den meisten Dingen in ihrem Leben alleine zu sein. Wenn ihre Familie kein Interesse an ihr hatte, dann hatte sie auch kein Interesse an ihnen.

Die Zeremonie endete ohne viel Fanfare und als sie vorbei war, entdeckte sie Colby die Fotos mit ihrer Mutter und ihrem Vater auf der anderen Seite der großen Lobby machte, die die Absolventen und ihre Gäste anschließend ausfüllten. Von dem was Mackenzie sagen konnte, machte Colby einen tollen Job dabei, ihren Unmut vor ihren Eltern zu verbergen. Die ganze Zeit strahlten ihre Eltern stolz.

Mit einem unwohlen Gefühl und mit nichts anderem zu tun fragte Mackenzie sich, wie schnell sie aus der Versammlung kommen, nach Hause gehen und aus ihrer Abschlussrobe steigen könnte und das erste, der wahrscheinlich mehreren Biere an dem Nachmittag öffnen könnte. Als sie zum Ausgang ging, hörte sie eine bekannte Stimme hinter ihr, die ihren Namen rief.

“Hey Mackenzie”, sagte die männliche Stimme. Sie wusste sofort, wer es war – nicht nur wegen der Stimme selbst, sondern auch weil es nur wenige Menschen gab, die sie Mackenzie in dieser Umgebung riefen, anstatt nur White

Es war Ellington. Er trug einen Anzug und sah genauso unwohl aus, wie Mackenzie sich fühlte. Trotzdem war das Lächeln, dass er ihr schenkte ein bisschen zu angenehm. Aber in diesem Moment war ihr das egal.

“Hi, Agent Ellington.”

“Ich glaube, in so einer Situation ist es in Ordnung mich Jared zu nennen.”

“Ich bevorzuge Ellington”, sagte sie mit einem kurzen Lächeln.

“Wie geht es dir?” fragte er.

Sie zuckte mit den Achseln, erkannte gerade, wie gerne sie hier raus sein würde. Sie könnte sich selber alle Lügen die sie wollte erzählen, aber die Tatsache, dass sie keine Familie, Freunde oder einen Freund dabei hatte, begann auf ihr zu lasten.

“Nur ein Achselzucken?” fragte Ellington.

“Naja, wie sollte ich mich fühlen?”

“Erledigt. Stolz. Aufgeregt. Nur mal um ein paar Dinge zu nennen.”

“Ich bin all diese Dinge”, sagte sie. “Es ist nur …. Ich weiß nicht. Die ganze Zeremonie ist ein wenig viel.”

 “Das kann ich verstehen”, antwortete Ellington. “Gott, ich hasse es Anzüge zu tragen.”

Mackenzie wollte gerade was erwidern – vielleicht darüber, wie gut ihm der Anzug stand – als sie McGrath hinter Ellington auftauchen sah. Er lächelte sie ebenfalls an, aber anders als Ellingtons Lächeln schien seins aufgesetzt. Er streckte die Hand nach ihr aus und sie nahm sie, überrascht davon wie schlaff sein Griff war.

“Ich freue mich, dass Sie es geschafft haben”, sagte McGrath. “Ich weiß, dass Sie eine glänzende und vielversprechende Karriere vor sich haben.”

“Kein Druck oder so, ja?” erwiderte Ellington.

“Die Top 5”, sagte McGrath und gab Mackenzie gar nicht die Gelegenheit irgendwas zu sagen. “Tolle Arbeit, White.”

 “Danke Sir!”, war alles was sie sagen konnte.

Mc Grath lehnte sich ganz geschäftlich zu ihr herüber. “–”