Cover

Table of Contents

Titel

Impressum

Schwarz.

Ich und Depressionen?

Kapitel 1

2012:

Neues Schuljahr – neues Glück?

Abschied nehmen …

Absturz

Neue Freundin?

Einsicht

Es wird Sommer

Abschlussball

Sechs Wochen – alleine mit mir selbst

Die zehnte Klasse

Mein Leben mit den Depressionen

Wochen werden zu Monaten

Es gibt kein Entkommen

Meine Kraft verlässt mich vollkommen

Kapitel 2

Jeder Tag die reinste Qual

Und schon wieder ein neuer Tag …

Keine Spur von Vorfreude

Zurück in der Hölle

Außer Kontrolle

Zusammenbruch

Back to reality

Meine unzähligen Versuche, weiterzukämpfen

Ein Schritt in die richtige Richtung

Der Kampf geht weiter

Veränderung?

Die Pläne drohen zu zerbrechen

Ich schaff’ das nicht

So kurz vor meinem neuen Leben

Vogelfrei – nach 10 Jahren

Hola Mallorca!

Der Kampf mit dem Essen

Und noch viel tiefer …

Ein Sommer auf Mallorca – Rückblick

Neues Haus – neues Glück?

Es geht nicht mehr so weiter

Ein täglicher Überlebenskampf

Komplett überfordert

Finally 18?!

Kapitel 3

Back to school

Recovery?

Es wird nicht besser

Ein Schritt nach vorne – zehn zurück

Abitur oder doch Ausbildung?

In letzter Sekunde …

Zukunft ungewiss

Schlusswort

 

 

 

Brigitte Strehl

 

 

 

 

 

Am liebsten würde ich auf der Waage eine Null stehen haben

Mein Leben mit der Magersucht

 

 

 

 

AUTOBIOGRAFIE

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

DeBehr

 

Copyright by: Brigitte Strehl

Erstauflage: 2017

ISBN: 9783957534583

Herausgeber: Verlag DeBehr, Radeberg

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Schwarz.

Ich erkenne nichts mehr,

erkenne mich nicht mehr.

Bin eine Marionette am seidenen Faden,

ich lächle, spiele allen etwas vor,

doch innerlich ist da nichts mehr.

Bin gefallen, auf den Boden geknallt,

in tausend Scherben zerbrochen.

Es heißt, Scherben spiegeln das Licht,

doch ich sehe es nicht.

 

Ich und Depressionen? – Nein, das hätte ich mir vor ein paar Jahren niemals vorstellen können. Früher war ich meistens glücklich, habe viel gelacht und mich mit Freunden getroffen. Aber jetzt – Jahre später bin ich das komplette Gegenteil. Ich und mein Leben haben sich verändert, alles ging langsam bergab. Ich verlor den Sinn des Lebens immer mehr aus den Augen, bis ich ihn ganz verlor. Aber was bringt einen Menschen dazu, alles nur noch schwarz zu sehen, die Hoffnung aufzugeben?

Aber wäre das nicht schon genug gewesen, verschlimmerte sich auch mein Verhältnis zum Essen und ich begann, immer tiefer in die Magersucht zu rutschen. Als ich dies aber merkte, war es bereits zu spät, denn ich war tiefer darin gefangen, als ich glaubte.

Mir wurde dadurch so vieles genommen. Ich verlor nicht nur Gewicht, sondern vielmehr mich selbst. In diesem Buch möchte ich dir meine Geschichte erzählen, wie es sich für mich anfühlte, durch die Hölle zu gehen.

 

Kapitel 1

 

Wie alles begann

 

Aber jetzt willst du bestimmt wissen, wie das alles angefangen hat – nicht wahr?

Okay, wenn man mich so nach den Ursachen und Gründen für meine Depression fragen würde, hätte ich keine direkte Antwort darauf. So viele kleine Dinge, tagtäglich, haben dazu geführt.

Manchmal wäre mir eine ganz schlichte Antwort auf diese Frage auch viel lieber. Irgendein Ereignis, das ich nennen könnte. Aber das hab ich eben nicht, das macht es so viel schwieriger, Außenstehenden meine Situation und all meine Gedanken und Gefühle, die zu dieser Krankheit geführt haben, klar zu machen. Wenn ich mich mit jemandem darüber unterhalten habe, bin ich zuerst auf Unverständnis gestoßen, habe ein großes Fragezeichen in deren Kopf hinterlassen.

Denn wie soll man bitte Gefühle einem anderen Menschen so gut beschreiben, dass er es annähernd nachvollziehen kann? Das ist fast unmöglich.

Aber um noch mal darauf zurückzukommen, dass man bei den meisten Menschen wahrscheinlich auf Unverständnis stößt – davon, dass es mir seelisch immer schlechter ging, wusste am Anfang nur meine Mutter. Mit ihr konnte ich darüber reden, natürlich nicht über alles, ich hatte Angst, sie würde sich dann noch mehr Sorgen machen und das wollte ich auf keinen Fall. Da ich mich sowieso schon als Problemkind sehe. Ich bin ein Einzelkind. Das einzige Kind meiner Eltern und dann habe ich noch auf ganzer Linie versagt. Genau so fühle ich mich immer noch.

 

 

Meinem Papa habe ich erst vor kurzem von meinen Problemen erzählt. Ich denke, er hat schon länger mitbekommen, dass ich den Sinn des Lebens aus den Augen verloren habe, würde ich jetzt mal ganz vorsichtig ausdrücken. Aber er wollte es nicht wahrhaben.

Er wollte nicht wahrhaben, dass sein einziges Kind krank ist, im Kopf krank. Das passt nicht in sein Weltbild, denn schließlich hätte ich ja alles, um glücklich zu sein. Genau – ich bekam fast alle materiellen Dinge, dich ich mir gewünscht habe, aber ein Mensch braucht etwas anderes, um glücklich zu sein. Etwas, was man mit keinem Geld dieser Welt bezahlen kann. Das müsste mein Papa doch am besten wissen, denn er leidet an Parkinson, was wirklich schon sehr weit vorangeschritten ist. Auch das wird ein kleiner Teil sein, der zu meinem jetzigen Zustand geführt hat. Aber dazu später mehr.

Jetzt hast du schon einen kleinen Einblick in meine nicht so ganz perfekte Familie bekommen, für die ich aber trotzdem unglaublich dankbar bin.

Also nun wirklich zum Anfang – obwohl es gar keinen wirklichen Anfang gab.

 

2012:

 

In den Sommerferien dieses Jahres war ich noch relativ glücklich, ein „normales“ Kind oder besser gesagt Jugendliche? Da war ich gerade mal 13 Jahre alt. Ich hatte Freunde, mit denen ich mit gut verstand, bzw. waren wir zu dritt, Sara, Ramona und ich, wir haben oft zusammen etwas gemacht. Es war eine schöne Zeit für mich, auch die 6. Klasse war relativ in Ordnung. Aber nach den Sommerferien sollte ich die Schule wechseln, um meinen „Mittlere-Reife-Abschluss“ zu machen. Dieser Schulwechsel ist ein entscheidender Punkt, ab diesem Zeitpunkt ging mein Leben ganz langsam immer weiter bergab. Ich bin immer mehr in eine Depression geschlittert und habe es selbst nicht gemerkt. Oder wollte ich es vielleicht gar nicht bemerken?

Nun gut – genug geredet. Als ich nun in die neue Schule kam, änderte sich einiges für mich. Ich verlor sozusagen fast meine „Freundin“, obwohl ich die Bezeichnung jetzt sehr falsch für sie finde. Die Dreiergruppe, die ich weiter oben schon einmal erwähnt hatte, löste sich auch immer mehr auf, da eine von uns dreien nicht die Schule wechselte. So war nur noch eine meiner guten „Freundinnen" auf dieser Schule. Auch sie fand natürlich schnell neue Leute, mit denen sie sich besser verstand. Wer möchte auch schon was mit mir zu tun haben, mal ganz ehrlich? Unsere Beziehung zueinander löste sich immer mehr, sie nutzte mich fast nur noch aus. Wenn sie etwas Schulisches von mir brauchte, war ich immer gut genug, doch schon lange nicht mehr für private Dinge. Aber ich wollte es mir selbst nicht eingestehen, dass ich eigentlich als Freundin überhaupt nicht mehr gebraucht wurde. Denn dann wäre ich ja ganz ohne Freunde dagestanden, genau davor hatte ich auch damals die größte Angst – alleine zu sein, vom niemanden gemocht zu werden. Doch so war es – traurig, aber wahr, so ist die Realität nun mal.

Leute aus meiner neuen Klasse, welche ich teilweise aber auch schon von meiner alten Schule kannte, fingen an, mich immer mehr zu kritisieren, mich zu verurteilen und in eine Schublade zu stecken. Ich war nie beliebt in meiner Klasse, hab andere immer in Ruhe gelassen, nie irgendetwas getan. Aber sie hatten es eben auf diese Art Mensch abgesehen, denn so jemand ist doch leicht fertigzumachen – oder nicht?

Ich muss zugeben, ich hatte nicht die schönsten Klamotten an, achtete nicht besonders auf mein Aussehen und wollte am liebsten ganz unauffällig, am besten unsichtbar sein.

Aufgrund dessen haben mich die Leute eben verurteilt, so oberflächlich ist die Menschheit eben! Sie hatten auch nie das Interesse, mich näher kennenzulernen.

Und wenn ich doch mal mit jemanden ins Gespräch kam, war meine alte „Freundin“ immer zur Stelle, hat mir doch tatsächlich verbieten wollen, mit „solchen“ Leuten, wie sie sagte, zu reden. Außerdem kam es noch so weit, dass ich von ihr gezwungen wurde, ja so könnte man es wirklich nennen, mich zu schminken, dies und jenes zu tun, was weiß ich alles.

Hört sich doch unglaublich an oder? Sie drohte mir damit, wenn ich … nicht machen würde, mir die Freundschaft zu kündigen. Das war doch Erpressung, zwar auf einem ganz geringen Level, aber immerhin. So etwas Kindisches musste ich dann fast jeden Tag ertragen. Ach ja, da gab es ja noch so ein „nettes“ Mädchen … die mir auch jeden Tag aufs Neue klarmachte, wie gern sie mich doch hatte. (Achtung Ironie!)

Diese ganzen Leute, ich könnte noch ein paar aufzählen, aber das ginge zu sehr ins Detail und ich denke, dass interessiert dich nicht, stimmt’s?

Na ja, das ging dann eben wochenlang so weiter, jeder Tag war für mich eine Qual, besonders den Montag hasste ich am meisten. Da hatten wir Soziales (also Kochen), gleich in den ersten beiden Stunden, danach Technik, weiter möchte ich erst gar nicht drauf eingehen. Jedenfalls bekam ich in diesen Stunden am meisten zu spüren, wie wertlos und scheiße ich doch bin. Man behandelte mich wie Dreck, als hätte ich es überhaupt nicht verdient zu leben. („Hast du auch eigentlich nicht!“, flüstert mir meine Depression schon wieder zu, während ich den Satz gerade tippe.“)

Ich kann nur sagen, dass ich jeden Sonntag weinend in meinem Zimmer saß, am Fenster, ich hab das Bild noch genau in meinem Kopf. Ich hatte mir gewünscht, dass endlich alles besser wird, hab verzweifelt zu Gott gebetet, weil ich doch einfach nicht mehr konnte. Doch niemand hat meine flehenden Schreie nach Erlösung gehört und so ging alles weiter.

Zur Hälfte der 7. Klasse ungefähr kam ein Mädchen aus meiner alten Schule noch in meine Klasse, sie hatte einen Unfall, weshalb sie so lange nicht in der Schule war.

Wenn ich ehrlich bin, war es eine kleine Erleichterung, dass sie nicht da war.

Als sie dann, wie gesagt, in unsere Klasse kam, wurde sie natürlich relativ gut von den anderen aufgenommen, das anfängliche gespielte Mitleid eben, du weißt, was ich meine.

Aber irgendwie hatte sie, glaub ich, das Gefühl, „Sonderrechte“ zu besitzen, alles zu dürfen, denn sie war ja schließlich „krank“. In der 5. Klasse waren wir beide mal engere Freunde, doch jetzt hatte sich so vieles geändert. Wir passten nicht mehr zusammen, sie fühlte sich jetzt viel besser. Was man ja schon an Äußerungen wie „Boah, du bist voll uncool“ merkte. „Cool“ sein, ab wann ist man das? Will das denn überhaupt jeder? – Nein, ich denke nicht. Aber sie fühlte sich so, als wäre sie die Allertollste, obwohl sie auch nicht gerade beliebt war.

Aber sie hatte so ein unglaubliches Selbstbewusstsein, welches sie versuchte, anderen Leuten mit ihren Sprüchen zu entziehen. – Ach genug geredet von einer Person und bevor ich es vergesse, ich nenne sie mal Lea.

So ging es das ganze Schuljahr weiter, es wurde nicht besser, doch die Hoffnung hatte ich zu dieser Zeit noch nicht aufgegeben. Aufgeben ist sowieso das Schlimmste, hast du es einmal getan – so bist du verloren. Und ich hab aufgegeben, ich bin verloren, verloren in dieser dunklen Welt, in meiner eigenen Welt, die mir so schwarz und kalt erscheint.

Zu dieser Zeit, als ich ungefähr 13 Jahre alt war, hab ich angefangen, meine Gedanken aufzuschreiben. Nein – kein normales Tagebuch, ich habe darin nicht erzählt, was ich alles am Tag so gemacht hatte, Einzelheiten, die sowieso in ein paar Jahren niemanden mehr interessieren würden. Ich habe nur meine Gedanken und Gefühle darin festgehalten, denn ich wollte nicht darüber so offen reden. Nach außen hin hab ich immer so getan, als wäre alles okay, ich könnte nicht mal vor meinen Eltern weinen. Tränen bedeuten in dieser Welt Schwäche, die du niemals zeigen darfst. Ich habe mich hinter einer Mauer versteckt, doch diese Mauer ist im Laufe der Zeit zusammengebrochen, in tausend einzelne Trümmer. Und da stand ich nun – in einem Trümmerhaufen und wusste nicht, wo ich anfangen sollte, meine „Schutzmauer“ nenne ich sie mal, wieder aufzubauen.

 

Neues Schuljahr – neues Glück?

 

Ganz tief in meinem Inneren hatte ich die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass das neue Schuljahr bzw. die 8. Klasse besser werden könnte. Die Hoffnung, die mich gerade noch am Leben hielt. Obwohl ich doch genau wusste, dass es auch nicht besser werden würde. Manchmal ist die Realität so unglaublich hart – ach, was sag ich denn, die ist doch für mich eigentlich schon immer hart gewesen, wenn ich ehrlich bin!

Zuerst hatte ich natürlich Sommerferien, bevor das neue Schuljahr wieder anfing. Am letzten Schultag, als ich nach Hause kam, hab ich mich auf mein Bett geworfen und geweint. Eigentlich hätte ich doch froh sein können, endlich sechs Wochen Ferien zu haben, doch diese Ferien waren auch nichts Besonderes. Wir sind sonst immer jedes Jahr in den Urlaub geflogen, ich hatte die Zeit immer so genossen. Aber das ging nun leider nicht mehr, wegen der Krankheit meines Papas. Deswegen saß ich einfach diese ganze Zeit fast nur zu Hause, von dem Schuljahr konnte ich mich sozusagen sowieso nicht erholen. Doch zu dieser Zeit wusste ich noch nicht, wie viele schlimme Jahre darauf folgen würden …

Am Anfang der 8. Klasse ging alles genau so weiter wie es im letzten Schuljahr aufhörte. Nichts wurde besser, doch genau das ahnte ich doch sowieso. Ich zog mich immer mehr in meine eigene so dunkle Welt zurück, wollte nichts mehr von diesen schlechten Menschen oder dieser ganzen Realität wissen. Ich fing an, immer und immer mehr für die Schule zu tun. Zu diesem Zeitpunkt waren meine Noten schon relativ gut, deswegen bekam ich dafür auch oft dumme Sprüche wie z. B. „Streber“ usw. hinterhergeworfen. Das übliche eben, in diesem Alter, da ist es ja ziemlich „peinlich“, gute Noten zu schreiben.

Ich merkte, wie es auch mir jedes Mal aufs Neue unangenehm wurde, sobald ich eine gute Note schrieb, da ich nur wieder auf diese Sprüche meiner „Freundinnen“ warten konnte.

Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, war das ziemlich dämlich von mir! Ich lerne doch für mich und welche Noten, was weiß ich schreibe, hat eigentlich niemanden zu interessieren – klingt doch so logisch, doch das erkenne ich erst jetzt. Irgendwie traurig, wie man sich nur von anderen Menschen so manipulieren lässt und das jetzt auf so viele Bereiche im Leben bezogen.

 

Abschied nehmen …

 

von einem geliebten Menschen. Im Februar starb meine Oma. Alle meine anderen Großeltern waren bereits gestorben, meine beiden Großväter lernte ich nie kennen, da sie bereits vor meiner Geburt starben, auch meine zweite Oma, die Mutter meines Papas, hatte uns bereits verlassen. Doch das war für mich persönlich kein Verlust, da ich sie nur sehr selten sah und deshalb kaum Kontakt zu ihr hatte. Aber meine Oma Birgit war für mich wie eine zweite Mutter und zugleich Freundin, wir hatten zusammen so viel Spaß. Eine so tolle Zeit, wir verstanden uns perfekt. Schon seit meiner Geburt hatte ich eine sehr enge Beziehung zu ihr, als Kind spielte sie mit mir tagelang, diese Zeit war für mich immer die schönste. Da sie ca. zwei Stunden von uns entfernt wohnte, freute ich mich umso mehr, wenn sie uns oder wir sie besuchen kamen.

Und dann kam an einem Sonntagmittag plötzlich der Anruf meiner Tante, sie hätte einen Herzinfarkt gehabt.

Das Schicksal wollte mir noch einmal eins reinhauen, würde ich so sagen. Meine Mum war am Boden zerstört, als sie es erfuhr. Ich versuchte, mir die Trauer nicht anmerken zu lassen, wollte stark sein. Doch das war ich nicht, vielleicht nach außen hin, aber innerlich zerbrach ich immer mehr. Ich habe oder hatte nur drei Menschen in meinem Leben, die mir wichtig sind. Meine beiden Eltern und meine Oma und einen davon nahm mir das Schicksal. Wieso gerade sie, fragt man sich dann? Birgit war ein wundervoller Mensch, ich liebte sie, das tue ich auch jetzt noch. Denn für mich wird sie nie gestorben sein, in meinen Gedanken lebt sie weiter. Nun habe ich nur noch zwei wichtige Menschen, ich glaube, ich würde es nicht verkraften, wenn mir das Schicksal diese auch noch nehmen würde.

Wenn ich daran denke, fühle ich mich noch viel einsamer auf dieser riesigen Welt. Vielleicht ist das Leben einfach nicht für mich…

 

 

Absturz

 

Mir ging es seelisch immer schlechter, ich hatte jeden Sinn des Lebens verloren, hatte so viele Gründe alles zu beenden, doch keinen, um weiterzukämpfen. Weißt du, wie schwer das ist, wenn du dich nur noch durch jeden einzelnen Tag schleppst und hoffst, dass er nur ganz schnell vorbeigeht? Langsam aber sicher geriet ich auf eine falsche Bahn. Auf Instagram stieß ich auf andere Leute in meinem Alter, denen es ähnlich ging oder sogar noch schlimmer … wenn man noch relativ jung ist, gerade in der Pubertät, lässt man sich so leicht beeinflussen. Es hat mich irgendwie fasziniert, diese Welt der „psychisch Kranken“. Kann man das überhaupt so nennen? – Na ja, ich denke schon, denn meine Depressionen sind doch auch eine psychische Krankheit. Jedenfalls trieb ich mich immer mehr auf Blogs von Leuten herum, die sich selbst verletzen, an einer Essstörung oder Depression litten.

Ein falscher Weg und ich merkte nicht, wo ich da reingeriet.

Ich hatte schon seit einigen Jahren Probleme mit mir selbst, dass ich mich nicht mochte, mich dick und hässlich fand und das würde ich sagen, ist noch leicht ausgedrückt. Ist es nicht traurig, dass ich mich bereits mit ungefähr neun Jahren schon zu dick fand und davon träumte abzunehmen und endlich dünn zu sein? In diesem Alter sollte man meiner Meinung nach noch keine Gedanken an solche Themen verschwenden!

In der neuen Schule fühlte ich mich im Gegensatz zu den anderen hässlich, fett …

Ja – du denkst dir vielleicht jetzt, dass dies in der Pubertät doch ganz normal sei, nicht wahr? Dann gebe ich dir recht, denn ich denke, jedes Mädchen oder auch jeder Junge fühlt sich in diesem Alter mal nicht schön genug, doch bei den meisten vergeht dies nach einer Zeit wieder.

Bei mir hätte ich schon von Selbsthass sprechen können, ich schämte mich für mein Aussehen, hasste mich zu Tode. Jeden Tag bekam ich in der Schule sozusagen eine Bestätigung dafür, nicht gut genug zu sein, das hat mich ganz schön mitgenommen und innerlich beeinflusst. Ich wollte endlich Anerkennung, dass sich Leute für mich interessieren würden, mich sogar beneiden würden. Ja, das war immer mein kleiner, geheimer Traum, wovon ich natürlich niemanden so direkt erzählte.

Nun gut – fangen wir mit meiner Geschichte doch endlich an.

Ich hatte schon so lange versucht, abzunehmen, bin jedes Mal kläglich gescheitert. Natürlich hatte ich zu diesem Zeitpunkt null Ahnung von diesem Thema, aber dachte natürlich, so naiv wie man eben ist, ich wüsste völlig Bescheid darüber.

Auf Instagram und auf Blogs las ich viel von Diäten. Besonders die sogenannten „Mono-Diäten“ hatten mich angesprochen. Du isst einen Tag nur ein bestimmtes Lebensmittel und dir wird versprochen, bis zu 1000 g an einem Tag abzunehmen. Klingt doch verlockend oder? Dass man danach mindestens das Doppelte wieder zunimmt, war mir natürlich nicht klar. Oder wollte ich das vielleicht gar nicht wissen? – Ich weiß es nicht mehr genau.

Leider zog ich in diese Sache auch meinen Papa hinein, ich hatte ihn überzeugt, einige dieser Diäten auszuprobieren.

Er wusste ja nicht, dass ich diese von „Pro-Ana“-Blogs hatte.

Dadurch nahm er zwar ab, aber wie oben schon erwähnt, danach ca. das Doppelte wieder zu. Ich hatte das Gefühl, all diese Diäten würden bei mir nichts bringen, weshalb ich daran die Lust verlor. Ich stellte meine Ernährung um, würde ich es vorsichtig ausdrücken.

Ich versuchte, weniger zu essen und wenn es mir zu viel vorkam, fühlte ich mich so unglaublich schlecht danach. Na ja, eigentlich hatte ich dieses schlechte Gewissen nach jedem Essen, egal wie viel oder wenig es war. Ich merkte einfach nicht, dass ich immer tiefer in etwas reinrutschte, was aber auch nur ich selbst hätte verhindern können.

Mein Leben wurde immer mehr zur Qual, in meinem Kopf drehte sich fast alles nur noch ums Essen, ich dachte fast den ganzen Tag daran, was ich noch essen dürfte und was eben nicht. Ich war sogar froh, in der Schule zu sein, denn dort hatte ich wenigstens eine Aufgabe und war die meiste Zeit beschäftigt, obwohl es dort für mich auch keinesfalls einfach war. Aber wenigstens bemerkte niemand, wie ich innerlich immer mehr zerbrach.

 

Neue Freundin?

 

Ungefähr zum Halbjahr bekamen wir eine neue Mitschülerin, die von der Realschule zu uns wechselte, da sie angeblich gemobbt wurde. Aber man sollte immer zuerst beide Seiten der „Betroffenen“ sozusagen hören, denn wie sich herausstellte, war sie natürlich nicht unschuldig an der Sache. Tanja hieß sie übrigens. Am Anfang verstand ich mich ganz gut mit ihr, sie war quasi jetzt auch in unserer kleinen „Gruppe“. Doch auch sie versuchte, mich gleich von Anfang an auszunutzen, ich denke mal, dass es ihr nicht bewusst war und ich wollte es eigentlich auch nicht wahrhaben. Fast jeden Tag fragte sie mich, ob ich ihr irgendwelche Hausaufgaben, was weiß ich alles schicken könne, fragte mich immer nur nach schulischen Sachen. Wieder jemand, der mich als Person eigentlich überhaupt nicht brauchte? – Diese Einsicht war hart. Aber etwas später trafen wir uns auch öfter mal privat, gingen zum Beispiel zusammen in die Drogerie und danach meistens was essen … hört sich doch eigentlich ganz normal an oder? Nein, für mich nicht! Tanja war ziemlich „verfressen“, sagten auch so ziemlich alle aus ihrem Umfeld, aber sie hatte das große Glück und nahm einfach nicht zu. Wie gerne ich doch auch so wäre, doch Glück sucht man in meinem Leben vergeblich. Sie konnte einfach so viel essen und war immer noch schlanker als … als wer? Schlanker als ich – natürlich war sie das, das war doch sowieso jeder. Jedenfalls hab ich fast immer versucht, mich vor irgendwelchen Treffen mit Leuten aus meiner Klasse zu drücken, denn ich hatte das Gefühl, dass sie das nur aus Mitleid taten, eigentlich mochte mich doch niemand so richtig. Außerdem endeten diese Treffen meist, dass wir etwas essen gingen und davor hatte ich doch eigentlich am meisten Angst, wenn ich ehrlich bin. Wenn ich dann mitgehen musste, hatte ich danach jedes Mal ein unglaublich schlechtes Gewissen, hasste mich noch mehr als zuvor, für das, was ich getan hatte – ich hatte „gefressen“, was ich eigentlich nicht verdient hätte. Ich hatte nicht verdient zu essen, ich wollte nicht mehr Leben, da nichts mehr einen Sinn hatte.

Ich erinnere mich noch an einen Tag, an dem ich bei Tanja war. Zuerst sind wir zu „McDonald’s“ gegangen, der nicht weit von ihr entfernt war und später aßen wir bei ihr zu Hause Pizza.

Hört sich für einen „normal“ denkenden Menschen wahrscheinlich ganz normal an, nicht wahr? Aber ich wollte das alles nicht, aber das konnte ich doch nicht so direkt sagen. „Hey du, hör mal, ich hab’n Problem mit den Kalorien in dem Zeug, weißt du?“ Kommt ein wenig dumm, würde ich sagen! Also ließ ich es gleich, denn niemand sollte wissen, wie es in meinem Inneren wirklich aussah.

Als ich dann am Abend nach Hause kam, war ich so fertig mit mir, mit allem einfach. Ich hätte viel lieber meinen Joghurt mit Obst gegessen – wie fast jeden Abend eben, statt mir Pizza reinzustopfen. Ich hasste mich so sehr, dass ich anfing zu weinen, ich war am Ende. Kannst du dir das vorstellen? Wegen so etwas … klingt irgendwie krank, wenn man so darüber nachdenkt. Doch ich war krank, aber wollte es mir selbst nicht eingestehen.

Das war nur eine Situation an einem dieser vielen qualvollen Tage.

Doch das sollte noch nicht genug sein, von Tag zu Tag wurde es schlimmer, mein Verhalten immer kränker. Ich hatte das Gefühl, keinen Erfolg beim Abnehmen zu haben, ich würde nie etwas erreichen können, redete ich mir ständig ein. Ich fühlte mich wie ein fetter Wal, hasste mich abgrundtief, ich verabscheute mich. Alle anderen waren besser als ich, hübscher, schlanker …

Nach jedem Essen fühlte ich mich schlechter und schlechter, meine Gedanken spielten verrückt, sie spielten mit meinem Verstand.

Ich stieg mehrmals täglich auf die Waage, aber jedes Mal war es zu viel und das wirkte sich deutlich auf meinen seelischen Zustand aus, ich wollte nicht mehr leben, wie schon so oft erwähnt, hatte ich Selbstmordgedanken.

Am liebsten hätte ich überhaupt nichts mehr gegessen und wäre daran gestorben. Das erschien mir als ganz „schöne“ Todesursache. Einfach krank, sage ich jetzt dazu.

Aber das bin ich doch immer noch … genau in diesem Moment, in dem ich das schreibe, auch jetzt bin ich noch nicht von allem weggekommen, im Gegenteil. Aber dazu erst am Ende.

Ich machte mir ständig so einen Druck, die Beste von allen sein zu müssen, was ich natürlich wusste, dass ich dies nie schaffen würde. Ich wollte in der Schule die besten Noten schreiben, am besten aussehen und die kleinste Zahl auf der Waage sehen. Doch all diese Aspekte machten mich so psychisch krank, wie ich jetzt bin, aber das merkte ich zu dieser Zeit nicht.

Ach ja, ich werde keine genauen Zahlen über mein Gewicht, Noten usw. zu dieser Zeit nennen, denn mal ehrlich, Zahlen beeinflussen unser ganzes Leben und manchmal können sie einen sogar zerstören, ganz still und leise, bis du … aufgibst.

Diese Zahlen verfolgen dich dein ganzes Leben lang und zeigen anderen, ob du gut genug bist oder eben nicht. Sieh doch mal! Schon bei deiner Geburt spielt es eine Rolle, wie viel du wiegst, entspricht dies aber nicht der Norm, fangen bereits da die Leute an, dumme Sprüche zu reißen, welche von ihnen meist zwar gar nicht böse gemeint sind, aber es geht ja ums Prinzip. In der Schule sind es in der ersten Klasse zuerst noch Punkte, die du für deine Probearbeiten bekommst, dann werden es ganz normale Noten, Noten, die dein Leben ein Stück weit beeinflussen. Bist du später nicht gut genug, machst keinen spitze Abschluss, hast du sowieso kaum Chancen auf einen gewinnbringenden Beruf. Und genau da ist es wieder – beim Beruf spielt es eine sehr wichtige Rolle, wie viel zu überhaupt verdienst, auch hier begegnest du deinen altbekannten Zahlen wieder.

So zieht sich das durchs ganze Leben, aber du kannst daran nichts ändern – außer deine Einstellung zu dem Thema.

Aber jetzt genug Beispiele aufgezeigt. Damit wollte ich keinesfalls sagen, dass Zahlen falsch und schlecht für uns sind. Nein, ganz im Gegenteil – wir brauchen sie, es liegt in unserer Natur, uns vergleichen zu wollen. Das ist alles ganz normal. Doch da gibt es diese Menschen wie mich, die sich zu sehr mit anderen Menschen vergleichen.

Sich zu vergleichen ist das Schlimmste, was man je tun kann, denn jeder Mensch ist einzigartig. Das hört man doch so oft, nicht wahr? Aber trotzdem vergleichst du dich. Bist du besser, schlauer, dünner als die Person …? Gib zu, genau das hast du auch schon getan!

Ich bin an diesem ständigen Vergleich und dem Druck, den ich mir selbst gemacht habe, zerbrochen und eine zerbrochene Seele ist nicht mehr so einfach wieder zu reparieren.

Jedes Mal, wenn ich shoppen war und durch die Stadt ging, sah ich Mädchen, die viel hübscher usw. waren als ich. Dann fühlte ich mich wie der letzte Dreck, wollte einfach nur noch verschwinden, damit mich niemand mehr sehen musste. Und genau das tat ich auch immer mehr – ich ging fast nicht mehr nach draußen, saß fast nur noch zu Hause in meinem Zimmer. In meinem sicheren Zimmer. Doch das war nicht die Lösung, stattdessen wurde ich natürlich nur noch einsamer, ich war alleine, mit mir selbst und meinen Problemen. Zwar konnte ich mit meiner Mama über alles reden, doch kein Mensch dieser Welt hätte meine inneren Ängste und Sorgen wegzaubern können.

Nur ich hätte dagegen ankämpfen können, doch dazu fehlten mir die Kraft und der Lebenswille.

Ich wollte all diese Schmerzen tagtäglich nicht mehr ertragen. Konnte diesem Druck, den ich mir selbst machte, nicht mehr standhalten.

 

 

Einsicht

 

Das Schuljahr war nun fast du Ende, auch ich war am Ende. Meine Gedanken machten mich immer noch verrückt, ich lebte jeden Tag mit ihnen, obwohl man dies eigentlich nicht als „leben“ bezeichnen konnte. Ich existierte, schleppte mich durch jeden Tag, jede Woche, jeden Monat. Es wurde nicht besser. Ich wollte etwas ändern, doch mir fehlte die Kraft dazu, ich konnte einfach nicht, egal, wie sehr ich doch wollte.

Es ging einfach nicht so weiter, ich war am Boden, wenn nicht noch weiter unten. Wenn ich mit meiner Mum Lebensmittel einkaufen ging, kam für mich nichts in den Wagen, was zu viele Kalorien hatte. Aber was ist denn eigentlich „zu viel“? Das definiert doch jeder anders. Aber für mich hatte fast alles zu viele Kalorien, also stand ich vor dem Regal und suchte zum Beispiel das Joghurt mit den wenigsten Kalorien. Ohne den Blick auf die tolle Nährwerttabelle ging es nicht mehr, es war wie ein Zwang. Egal was ich in die Hand nahm, ich musste diese Tabelle, die Kalorien checken. In meinem Kopf drehte sich alles nur noch um Zahlen, ich wusste mittlerweile fast von jedem Lebensmittel, wie viele Kalorien es hatte. Nach jeder Mahlzeit rechnete ich im Kopf die ungefähren Kalorien aus oder benutzte dazu eine App auf meinem Handy. Ich war wie verrückt nach diesen Zahlen und ich konnte mich nicht dagegen wehren.

Als dann endlich Sommerferien waren, konnte ich das alles einfach nicht mehr aushalten, konnte ich zwar schon viel früher nicht mehr, aber jetzt war alles viel intensiver und schlimmer.

Ich ging fast jeden Tag mit meiner Hündin Sina spazieren, dabei hatte ich viel Zeit nachzudenken, was nicht immer gut war. Ich war ganz alleine, nur ich und Sina. Da ich in einer Kleinstadt wohne, gibt es gleich in der Nähe meines Hauses schöne Wege zum „Gassigehen“. Ich war immer froh, alleine zu sein.

Ich machte mir viele Gedanken, wie ich nur endlich etwas ändern könnte, denn es konnte nicht mehr so weitergehen, dachte ich! Zu diesem Zeitpunkt wusste ich auch noch nicht, dass alles noch viel schlimmer kommen würde.

Immer mehr versuchte ich, diese ganzen Gedanken aus meinem Kopf zu verbannen, doch es wollte nicht klappen. Deswegen fand ich die „schlaue“ Lösung, sie doch einfach zu verdrängen. Klappte nicht so gut, anfangs, aber ich wurde besser darin und bekam mich sozusagen unter Kontrolle. Wenigstens teilweise. Nach Monaten gelang es mir immer besser, diese Gedanken wurden immer weniger, jedenfalls dachte ich oder redete es mir ein. Natürlich nahm ich zu, als ich wieder mehr aß, ist ja eigentlich auch klar und genau davor, hatte ich immer die meiste Angst. Ich hasste mich sowieso schon, doch dieser Hass wurde immer größer und größer, bei jedem Gramm, was ich mehr wog. Ich verabscheute mich. Aber ich versuchte, alles zu verdängen, so zu tun, als wäre ich stark genug, alleine zu kämpfen. Du darfst deine Probleme niemals verdrängen, denn sie werden dich fast immer wieder einholen. Genau das taten sie, aber dazu später.

In der Schule war es für mich immer noch nicht leichter geworden, es verging fast kein Schultag, an dem mal nicht über mich „gelästert“ wurde. Lea konnte es einfach nicht lassen, zog Tanja immer mit hinein, die natürlich gerne mitmachte. Sie lässt sich sowieso im Allgemeinen so leicht von anderen beeinflussen. Lea machte sich über ganz einfache, kindische Dinge lustig, die es eigentlich überhaupt nicht waren. Lea war überhaupt noch sehr zurückgeblieben, wenn man das so sagen darf, benahm sich noch wie ein Kind, ich war durch all diese Probleme schon viel reifer geworden.

Doch das war nicht immer so toll, ich hab so vieles verpasst, wenn ich doch nur glücklich hätte sein können.

Ich erinnere mich noch zu gut an den Herbst/Winter der 9. Klasse. Dieses erste Halbjahr war für mich so eine dunkle Zeit, fast noch viel schlimmer als zuvor. Ich sah das Leben nur noch in schwarz-weiß, sah keinen einzigen Lichtblick mehr. Fühlte mich so einsam und verloren in dieser riesigen Welt, in die ich nicht gehörte. Ich kämpfte mit mir selbst, verabscheute mich, konnte mein Aussehen einfach nicht mehr ertragen. Wenn ich in den Spiegel sah, erkannte ich dort nur ein „fettes Schwein“ und genau so, dachte ich, sehen mich die anderen auch. Ich schämte mich für meinen Körper, für meine Persönlichkeit, für mein ganzes „Ich“. Ich kam mir immer und immer dicker vor, als würde ich den ganzen Tag nur fressen. All das machte keinen Sinn mehr, denn ich dachte, ich würde mich nie akzeptieren können.

Ungefähr im März musste ich ein Schulpraktikum machen, ich entscheid mich für einen Kieferorthopäden in meiner Stadt, was ein großer Fehler war. Vor Praktika hatte ich allgemein Angst, da ich ein Jahr zuvor schon zwei hinter mich gebracht hatte, die für mich persönlich wirklich sehr schlimm waren. Aber zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht, dass mein bevorstehendes noch viel schlimmer werden würde. Nach dem ersten Tag dort war ich psychisch am Ende, ich weinte, weil ich keinen weiteren Tag mehr dort hingehen wollte. Ich fühlte mich in diesem Praktikum so überflüssig, als würde ich die Leute dort stören, musste den ganzen Tag herumstehen und zuschauen. Von den Mitarbeitern wurde ich öfters dumm angeredet, was mein fehlendes Selbstbewusstsein schon in die Minusbereiche brachte, denn ich hatte sowieso keines mehr. Diese eine Woche verging für mich fast so langsam wie drei Wochen. Am Ende war ich so erleichtert, es endlich hinter mich gebracht zu haben. Während dieser Woche hatte ich ernsthafte Selbstmordgedanken, soweit brachte mich das. Und das war nur ein kleiner Ausschnitt aus meinem quälenden Leben.

Im zweiten Halbjahr der 9. Klasse änderte sich zum Glück Einiges, wenn es auch nur kleine Dinge waren, aber immerhin. Tanja wandte sich immer mehr von unserer „Gruppe“ ab und fand neue Freunde, auch mit Lea hatte sie nicht mehr so viel zu tun. Ich versuchte aber zu dieser Zeit auch schon, Abstand zu diesen falschen Leuten zu halten. Aber warte mal – eigentlich sind doch fast alle falsch in meiner Klasse, aber was soll’s.

Auch ich versuchte, mich zu verändern, aber nur in kleinen Schritten. Meinen Style änderte ich langsam seit Anfang dieses Schuljahres, traute mich immer mehr. Mittlerweile ist es mir so ziemlich egal, wie andere Leute meine Sachen finden, die ich trage. Denn mir muss es ja schließlich gefallen und nicht ihnen.

Es wurde für mich ein kleines bisschen besser, ich dachte, ich hätte das Schlimmste überwunden, doch da lag ich falsch! Jedenfalls kam der Frühling, in meinen Kopf. Es wurde ein klein wenig heller, ich sah ein paar Lichtstrahlen, durch meine sonst so dunklen, traurigen Augen.

Ich lernte immer mehr für die Schule, da ich bald meinen Qualifizierten Hauptschulabschluss machte. (Ich bin zwar auf einer Mittelschule, um meine Mittlere Reife letztendlich zu machen, aber von unserer Schule aus, mussten auch wir den „Quali“ mitschreiben“.) Mit dem Lernen versuchte ich, meinen schrecklichen und traurigen Gedanken, die immer noch in meinem Kopf hausten, zu entfliehen. Das gelang mir damit ziemlich gut, doch gelöst waren meine Probleme trotzdem nicht.

 

Es wird Sommer

 

So langsam ließ sich auch der Sommer in Deutschland blicken, es wurde immer wärmer.