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Diana Salow

MÖRDERISCHES Schwerin

Todschicke Frauen

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Für Steffen

Inhalt

1 Emma Wiese wird vermisst

2 Amanda recherchiert

3 LaLeLu

4 Ein Besuch im Schweriner Zoo

5 Sonnenbrand

6 Beste Freundin

7 Amanda Lindner

8 Mallorca

9 Aquavit

10 »Wer ist diese Frau?«

11 Vermisstenmeldung

12 Suizidwetter

13 Vermisstenanzeige, Nr. 2

14 Besuch beim Polizeipsychologen

15 Antidepressivum

16 Darknet

17 Indien

18 Papa Berger

19 Geheimnisse

20 Mädchenhandel

21 Eine heiße Spur

22 Ertappt?

23 Noteinsatz

24 Urlaub in Österreich

25 Befreiung

26 Weiße Folter

27 Pertisau, Tirol

28 Traumland oder Traumzeit

29 Bahamas

30 Tessa Joost en dehors du Louvre à Paris

31 Der Weiße Ring

32 Türme des Schweigens

33 Liebe auf den ersten Blick

34 Haftbefehl

35 Explosion

36 Motivsuche

37 Ausgrabungen

38 Antrag

39 Versicherungsbetrug?

40 Der Kamm der Prinzessin

41 Das Überwachungsvideo

42 Die Leiche im Schloss

43 In der Rechtsmedizin

44 Verdunklungs- und Fluchtgefahr

45 Endspiel

46 Aussichten

Danksagung

Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen oder Gegebenheiten sind rein zufällig, nicht beabsichtigt und entsprangen meiner Fantasie.

-1-

Emma Wiese wird vermisst

»Ihre Frau ist seit zwei Wochen spurlos verschwunden? Und Sie kommen erst jetzt zur Polizei?«, fragte Kriminalhauptkommissar Thomas Berger. Er sah den Mann, der ihm gegenübersaß, fragend und mit weit aufgerissenen Augen an. Er schätzte sein Alter auf Mitte dreißig. Berger trank einen Schluck von seinem abgestandenen Kaffee und wartete auf eine Antwort.

»Wir hatten uns gestritten und dann ist sie einfach verschwunden«, antwortete er. Er senkte seinen Blick und wusste in seinem Innersten, dass der Kommissar mit seinem Vorwurf recht hatte.

»Ich kann nicht glauben, dass Sie sich erst nach zwei Wochen zur Polizei begeben und nun bei mir eine Vermisstenanzeige aufgeben wollen!« Berger schüttelte den Kopf und nahm seinen Kugelschreiber in die Hand. »Es ist wertvolle Zeit verstrichen! … Und nun fehlt Ihnen Ihre Frau auf einmal?« Berger grinste sarkastisch. »Verstehe ich das richtig? – Wie heißen Sie?«, fragte Berger und zog seinen Notizblock auf dem Schreibtisch an sich heran.

»Mein Name ist Oliver Wiese und meine Frau heißt Emma Wiese. Sie ist öfter mal für ein paar Tage verschwunden«, setzte er kleinlaut nach.

»Ach sooo?« Berger zog seine rechte Augenbraue hoch und antwortete süffisant mit einem aufgesetzten Lächeln: »Und nun ist sie länger als üblich weg und wir sollen sie suchen.« Der Polizist hatte schlecht geschlafen und war gereizt. Er griff ohne hinzusehen nach seiner Kaffeetasse und stieß sie fast um. »Ja, dann müssen wir wohl nach ihr fahnden.« Seine Stimme hatte einen scherzhaften Unterton. ›Was mache ich hier eigentlich‹, dachte Berger. ›Sucht der Kerl seine Frau oder wollte er ins Tierheim und seinen entlaufenen Labrador finden?‹ So makaber kam Berger die Szene, die sich gerade abspielte, vor. »Sie selbst haben aber nichts mit dem Verschwinden Ihrer Frau zu tun, oder?« Berger provozierte ihn absichtlich und beobachtete genau Wieses Mimik.

»Ich muss doch wohl bitten! Ich liebe meine Frau über alles. So eine Frechheit! Das muss ich mir nicht länger anhören. Wer ist Ihr Vorgesetzter? Ich werde mich über Sie und Ihre Arroganz, die Sie an den Tag legen, beschweren!«, drohte Oliver Wiese. Er holte ein Taschentuch aus seiner Jeans heraus und tupfte sich den Schweiß von der Stirn. Gleichzeitig erschrak er über seine Wortwahl.

»Tut mir leid, Herr Wiese! Aber wenn meine Frau nur eine Nacht nicht nach Hause kommen würde, dann wäre ich schon in Sorge. Zwei Wochen würde ich niemals abwarten! Dafür habe ich kein Verständnis! Aber um meine Frau geht es hier ja Gott sei Dank nicht!« Berger versuchte sein Verhalten zu rechtfertigen und sich zu mäßigen.

»Wir haben uns öfter mal heftig gestritten. Unsere Ehe haben wir aber niemals aufs Spiel gesetzt. Andere Paare hätten schon längst aufgegeben! Meine Frau hat bei dem Streit von einer Auszeit gesprochen. Sie wollte einen Wellnessurlaub am Achensee in Tirol machen. Dort ist sie aber nie angekommen.« Oliver Wiese rutschte nervös auf seinem Stuhl hin und her. »Wir waren dort im vergangenen Jahr an unserem zehnten Hochzeitstag im Urlaub. Sie war so begeistert von den Bergen, dem Gletschersee und von dem Hotel«, fuhr er fort und geriet ins Schwärmen.

Wiese kramte sein Handy aus der Tasche und zeigte Berger ein Foto von Emma.

Eine hübsche junge Frau mit dunkelblonden schulterlangen Haaren lächelte dem Polizisten vom Display aus an. Ihre grünen Augen hatten etwas Geheimnisvolles. In den drei Sekunden, in denen Berger sich meistens entschied, ob ein Mensch auf ihn sympathisch wirkte oder nicht, hatte er sich für »mehr als sympathisch« entschieden. Emma Wiese hatte eine sinnliche Ausstrahlung, jedoch nicht ordinär oder geschmacklos. Eine attraktive Frau mit einer enormen Anziehungskraft, stellte Berger für sich fest. »Wie heißt der Ort am Achensee und das Hotel?«, fragte der Kommissar.

»Pertisau in Tirol und das Hotel gehört zur Travel-Charme-Kette. Ich kann Ihnen auch gleich die Telefonnummer geben«, bot Wiese an. »Ich habe dort so oft angerufen. Die Nummer kenne ich schon auswendig!«

»Haben Sie Kinder?«, fragte Berger und notierte auf seinem Block alle Fakten.

»Nein, bisher stand nur unsere Arbeit im Vordergrund. Wir sind beide 35 Jahre alt, hatten für heutige Verhältnisse früh geheiratet und wollten später mal ein Kind. Emma drängte in letzter Zeit jedoch immer mehr auf Nachwuchs.«

»Die Familie Ihrer Frau, eine Freundin, Arbeitskollegen und so weiter … sicherlich haben Sie dort auch schon nachgefragt, wo Ihre Frau sich aufhalten könnte, oder?« Berger trank einen großen Schluck und verzog sein Gesicht. Er hatte Kaffeesatz im Mund, so vertieft war er plötzlich. »Hat sich denn niemand bei Ihnen gemeldet und sich nach Ihrer Frau erkundigt?«

»Nein, die Eltern meiner Frau sind vor Jahren ausgewandert. Wir sehen uns nicht oft. Sie leben in Alcúdia im Norden von Mallorca. Meine Frau ist freischaffend als Übersetzerin tätig und arbeitet zu Hause. Sie hat ein hochmodernes Homeoffice, verstehen Sie? Und ihre beste Freundin spricht nicht mit mir. Sie hält zu meiner Frau. Die beiden kennen sich seit ihrer Kindheit. Die war schon immer gegen mich und kann mich nicht ausstehen! Bestimmt wissen alle Bescheid … nur ich, der Ehetrottel, nicht!« Oliver Wiese redete sich in Rage.

›Kein Wunder‹, dachte Berger im Stillen. Der Mann war augenscheinlich nicht nur ihm unsympathisch. Der Kommissar legte seinen Kugelschreiber ab und blickte Oliver Wiese in die Augen: »Dann werde ich die Freundin als erstes befragen.« Berger notierte sich alle Informationen zur vermissten Frau und deren Umfeld.

Oliver Wiese erhob sich schwerfällig von seinem Stuhl: »Herr Berger, ich habe von einem Bekannten aus Wittenförden gehört, dass Sie einer der besten Ermittler sein sollen. Sie haben doch diesen Frauenmörder aus Schwerin vor Kurzem in Potsdam gefasst.«

Berger fühlte sich geschmeichelt und fuhr sich mit der rechten Hand durchs Haar.

»Bitte finden Sie meine Frau! Ich liebe sie über alles!« Oliver Wieses Gesicht verfärbte sich rot. Er kam sich so naiv vor und wäre vor Scham am liebsten im Boden versunken. Er hätte Emma nicht gehen lassen dürfen. Sie davon abhalten müssen! Aber nun war es zu spät und er machte sich insgeheim Vorwürfe. Er hätte gleich am nächsten Tag zur Polizei gehen sollen. ›Hätte, hätte …‹, das half ihm jetzt nicht weiter. Diese Peinlichkeit vor dem Kommissar wäre ihm erspart geblieben. Er schluckte, atmete tief ein und langsam wieder aus. Er öffnete den obersten Knopf seines Oberhemdes.

»Tut mir leid, dass ich vorhin etwas ungehalten zu Ihnen war.« Berger öffnete eine Flasche Wasser und goss ein Glas voll. »Ich habe die Nacht kaum geschlafen. Mein Sohn schläft momentan aufgrund einer Bronchitis sehr schlecht und raubt mir mit seinem festsitzenden Husten den Schlaf.« Berger reichte Wiese das Wasserglas.

Dieser nahm es dankend, trank hastig aus und stellte es auf den Tisch. Dann stand er auf.

Berger gab Wiese die Hand und brachte ihn zur Tür seines Büros. »Eine kurze Frage noch: Was hat Ihre Frau denn von zu Hause mitgenommen? Was fehlt? Sieht es nach einem Kurzurlaub oder vielleicht doch nach einem endgültigen Entschluss, Sie für immer zu verlassen, aus?«

Wiese schluckte wieder. »Ihr Laptop ist weg, Kleidung, Schuhe, Kosmetikartikel. Mehr nicht. Sie ist nicht ausgezogen, falls Sie das meinen«, antwortete er mit hängenden Schultern und traurigem Blick. »Wir wollen Ende des Jahres eine große Reise machen. Es ist alles gebucht und auch schon angezahlt.«

»Okay. Ich melde mich bei Ihnen. Die wichtigsten Informationen habe ich.« Berger sah auf seine Mitschrift auf dem Notizblock und nickte Oliver Wiese zum Abschied zu. »Eine Bitte noch: Wenn Ihre Frau auftaucht, dann sagen Sie sofort Bescheid! Wir haben schon mehrmals erlebt, dass vermisste Personen wieder so plötzlich aufgetaucht sind, wie sie verschwunden waren, wir aber immer noch gesucht haben!«

»Selbstverständlich! – Vielen Dank, Herr Berger! Ich wünsche Ihrem Sohn gute Besserung.«

Wiese verließ erleichtert die Polizeiinspektion auf dem Schweriner Großen Dreesch. Er fuhr, in Gedanken bei seiner Emma, langsam mit dem Wagen vom Parkplatz herunter.

Im Nachhinein ärgerte Berger sich, dass er etwas von sich preisgegeben hatte. Den Husten seines Sohns Willi als Begründung für die eigene schlechte Laune vorzuschieben, war nicht seine Art. Andererseits stellte er fest, dass er Oliver Wiese nicht nach dessen Beruf gefragt hatte und worüber sich das Ehepaar Wiese gestritten hatte. Das war dem routinierten Berger bisher noch nie passiert.

-2-

Amanda recherchiert

Amanda schloss die Tür ihrer kleinen Wohnung auf, schmiss ihre Sporttasche in die Ecke und setzte sich auf die Couch. Sie war froh, nach einem anstrengenden Tag in ihren eigenen vier Wänden zu sitzen. Der Job als Journalistin und der fast tägliche Besuch im Fitnessstudio als Ausgleich hatten wieder einmal Kraft gekostet. Für einen Mann, Kind und Familie fehlte ihr die Zeit. Das musste sie beim Checken ihrer zahlreichen Nachrichten feststellen, die sie überflog und gedanklich nach Priorität sortierte.

Sie klappte eine halbe Stunde später den Laptop zu und ging in die Küche. Das laute Geräusch des Stabmixers, mit dem sie ihren Eiweißshake zubereitete, raubte ihr den letzten Nerv an diesem Spätsommerabend. Zum Einkaufen war sie nicht gekommen. Viel lieber hätte sie einen leckeren Salat mit gebratenen Putenstreifen zubereitet und sich auf ihren großen Balkon gesetzt, um die Abendsonne zu genießen.

Amanda trank hastig ihren Vanilleshake auf der Couch aus. Sie verschluckte sich und stellte den Becher hustend auf dem Tisch vor sich ab. Dann sah sie ihre nackten Beine an. An den Oberschenkeln drückte sie mit Daumen und Zeigefinger die Haut zusammen, bis sie den Ansatz einer sich bildenden Cellulite sehen konnte. Sie war kritisch und ehrgeizig, was ihren Job und erst recht ihren Körper anbelangte. Ihre Mutter lobte sie jedes Mal, wie schön sie wäre, und zeigte ihr beim Stadtbummel oftmals Beispiele, wie unförmig und unsportlich manch junge Frauen heutzutage aussahen und sich gehenlassen würden. »Sei nicht so hart mit dir selbst!«, mahnte ihre Mutter sie oft. Das war für Amanda kein Maßstab. Sie wollte immer und überall die Beste sein. Beim Abitur und beim Studium erzielte sie mit Abstand hervorragende Ergebnisse.

Vor Kurzem hatte sie sich bei der Schweriner Volkszeitung beworben und wurde vom Chefredakteur – fast mit Handkuss – sofort nach ihrer Probezeit mit einem guten Gehalt unbefristet eingestellt. Amanda berichtete über die Stadt Schwerin und schlug – von Ehrgeiz besessen – immer interessante Themen für die Wochenendausgaben der Zeitung vor. Neidisch wurde dies von anderen Redakteuren beobachtet. Es ging manchmal so weit, dass behauptet wurde, die hübsche Amanda hätte sich hochgeschlafen und würde eines Tages auf dem Stuhl des Chefredakteurs thronen.

Vier Wochen hat sie selbst als Deadline vorgeschlagen, um einen Bericht über vermisste Frauen in Deutschland abzuliefern. Sie telefonierte, recherchierte und ging Hauptkommissar Thomas Berger auf die Nerven. Die Pressesprecherin der Polizeiinspektion Schwerin nahm manchmal schon nicht mehr den Hörer vom Telefon ab, wenn sie die Nummer der Journalistin auf dem Display erkannte. Sie war zunehmend genervt, Amandas lästige Fragen zu beantworten.

Amanda sah gerade das Nordmagazin im NDR-Fernsehen, als ihr Handy klingelte. Sie nahm es und überlegte kurz, ob sie sich melden sollte oder lieber ihre abendliche Ruhe haben wollte. »’n Abend, Lindner!«, meldete sie sich. Für die Worte »Guten Abend« und mehr Freundlichkeit in ihrer Stimme war es deutlich zu spät. Nach dreiundzwanzig Uhr, zeigten ihr die Zeiger auf der alten Uhr an. Ein Erbstück ihrer Großmutter, das sie so auf einem Regal im Wohnzimmer platziert hatte, sodass sie immer in ihrem Blickfeld war. Die Uhr bedeutete ihr sehr viel und passte überhaupt nicht zu ihrer ansonsten modernen Einrichtung.

»Guten Abend, Frau Lindner! Hauptkommissar Berger am Apparat. Recherchieren Sie immer noch für unsere Schweriner Leser über vermisste Frauen?«

»Ja, klar!« Amanda wurde hellhörig und gleich freundlicher. »Das ist aber nett, dass Sie mich auch mal anrufen und nicht ich Sie! Haben Sie Informationen für mich?«

»In meinen derzeitigen Ermittlungen bahnt sich scheinbar ein interessanter Fall an. Ich muss Sie aber an unsere Pressesprecherin verweisen und darf Ihnen nicht eigenmächtig Informationen zuspielen. Diese wiederum ist verpflichtet, alle Medien nach dem Gleichheitsprinzip zu behandeln und niemanden zu bevorteilen. Aber ich dachte, das könnte ein interessanter Fall für Sie sein!«

Amanda sah Berger gedanklich vor sich und spürte förmlich, wie er in das Telefon lächelte. Sie hatte sich schon mehrfach beim Hauptkommissar einen Gesprächstermin geben lassen und viel mehr Zeit mit ihm verbracht, als für die Recherchen eingeplant war. »Herr Berger, darf ich offen mit Ihnen reden?«

»Selbstverständlich«, antwortete er und überlegte, keinesfalls auf Fragen zu antworten, die ihm seinen Job bei der Polizei kosten könnten.

»Der Draht zwischen Ihrer Pressesprecherin und mir ist nicht so, wie ich mir das vorstelle …«

»Stutenbissigkeit zwischen zwei …« Er brach den Satz sofort ab und wollte seine Kollegin nicht in Misskredit bringen. ›Da sind zwei Ladys aufeinander getroffen‹, dachte er, ›die sich nur allzu sehr ähnelten.‹

»Richtig, genau das ist der Punkt. Passender kann ich es nicht formulieren, Herr Berger.« Der Hauptkommissar hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. »Die Chemie zwischen uns stimmt nicht. Das dürfte meine Arbeit eigentlich nicht beeinflussen. Tut es aber!«, stellte Amanda in sachlichem Ton fest.

Berger fühlte sich geschmeichelt. »Wir können uns ja mal privat bei einem Abendessen treffen und dann reden wir in Ruhe über das Thema ›Vermisste Frauen‹. Meine Dienstvorschriften hinsichtlich Ihres Wissensdurstes werde ich jedoch nicht verletzen. Da können Sie mich auch noch so hilflos anlächeln, liebe Frau Lindner. Ich möchte Ihnen bei Ihrem Bericht helfen, weil Sie mir sympathisch sind, nicht mehr. – Einverstanden?«, fragte er nach einer kurzen Pause.

»Das freut mich. Es beruht auf Gegenseitigkeit. Vielen Dank!«

»Melden Sie sich in den nächsten Tagen bei mir! Es deutet alles darauf hin, dass wir es mit einem äußerst interessanten Fall zu tun haben. Achten Sie auf Pressemitteilungen! Aber das tun sie ja täglich! Mehr kann ich Ihnen erst einmal nicht sagen.« Berger beendete das Gespräch.

Amanda speicherte sofort Bergers Handynummer in den Kontakten ihres Smartphones ab, klappte ihren Laptop wieder auf, schaltete den Fernseher ab und las alle Informationen, die sie für ihren Beitrag schon gesammelt hatte. Sie änderte die Gliederung und überlegte, an welcher Stelle sie noch intensiver recherchieren wollte. Die Auswertung statistischer Daten stand für den nächsten Tag im Vordergrund. Amanda wollte einen perfekten Text abliefern und nicht nur Fakten und Daten aneinandergereiht darstellen.

Ihr Perfektionismus und ihr Streben nach Anerkennung nervten nicht nur sie, sondern auch ihre Mitmenschen. Ihre Mutter war die Einzige, die sie manchmal ausbremste. Ihren leiblichen Vater kannte Amanda nur von alten Fotos. Er hatte ihre Mutter und sie sitzengelassen, als sie eingeschult worden war. Die Anerkennung und der Schutz durch einen starken Vater, wie andere Mädchen ihn vorweisen konnten, hatte Amanda nie kennengelernt. Ihr Onkel Fred war ihr Vater-Ersatz. Sie schleppte ihn als Jugendliche mit zu Handballspielen. Er saß geduldig am Spielfeldrand und applaudierte, wenn Amanda ein Tor nach dem anderen warf und die gegnerische Mannschaft ins Staunen versetzte. Fred war ihr Vater und neben ihrer Mutter ihr Ein und Alles. Vor ein paar Jahren war er infolge eines schweren Schlaganfalls verstorben. Amanda vermisste ihn, die Gespräche und seine liebenswürdige, väterliche Art sehr.

-3-

LaLeLu

»Schön, dass du auch schon nach Hause kommst!« Lea Engel sah Thomas Berger vorwurfsvoll im Flur an. »Wolltest du Willi nicht immer freitags von der Kita abholen? Ich musste in der Praxis alles stehen und liegen lassen und hinrasen, um noch rechtzeitig vor der Schließung da zu sein! Ich habe der Kindergärtnerin vor vierzehn Tagen gerade erst ein äußerst großzügiges Trinkgeld gegeben, weil sie mit Willi eine halbe Stunde länger immer noch im Spielzimmer gesessen und nicht einmal eine Miene verzogen hat, obwohl ich ihn die Woche bereits schon einmal zu spät abgeholt hatte.«

»Du hast ja recht! Es tut mir leid.« Thomas ging auf Lea zu. Er nahm ihr seinen Sohn ab und sah ihr dabei nicht ins Gesicht. Willi lachte und freute sich, als sein Vater ihn mehrmals hoch in die Luft hob, ihn dabei neckte und immer wieder rief: »Na, mein kleiner Dicker, wie war dein Tag?«

Willi strahlte über das ganze Gesicht. Zwei Grübchen auf den Wangen und die kleinen Zähnchen, die beim Lachen zu sehen waren, ließen Thomas die unfreundliche Begrüßung von Lea vergessen. Willi wollte aus den Armen seines Vaters gar nicht mehr auf den Boden zurück. Er quengelte und hatte offenbar jetzt nicht vor, seinem Vater zu beweisen, dass er schon mindestens fünf Schritte allein gehen konnte. Jeden Tag kamen ein paar Schritte hinzu. Der Junge stand aber lieber auf seinen wackeligen Beinen und ließ sich durch das Haus tragen. Oder er saß gerade, wie ein kleiner Buddha, auf dem Boden mit gestreckten Beinen und beobachtete sein Umfeld.

Thomas und Willi wohnten jetzt schon über ein halbes Jahr in Leas Haus in Wittenförden. Anfangs war Thomas skeptisch, wie es wohl sein würde, wenn er mit seinem Kind bei seiner Lebensgefährtin einzieht. Konnte Lea für Willi eine Ersatzmama sein oder würde die Beziehung sich verändern oder gar scheitern? Leas Tochter Charlotte war bereits erwachsen und studierte im vierten Semester in Greifswald Kunstgeschichte. Der kleine Willi hätte Leas Enkelkind sein können. Thomas und Lea, beide fast 50 Jahre alt, waren manchmal mit dem Kleinen überfordert. Willi benötigte viel Aufmerksamkeit und Zuwendung. Lea bemühte sich, dem gerecht zu werden. Thomas hatte meistens nur seine polizeiliche Arbeit im Kopf. Er liebte seinen Sohn über alles. Manche Tage bemerkte er schon, dass seine Arbeit, die Anerkennung als Hauptkommissar, oft im Vordergrund stand.

Lea hatte den kleinen Willi in ihr Herz geschlossen und ihren Tagesablauf angepasst. Andererseits sah sie in Willi die Ähnlichkeit zu dessen Mutter. Ellen Arnold, Thomas’ Kollegin, die auf tragische Weise ums Leben gekommen war, hatte Thomas das gemeinsame Kind hinterlassen. Lea Engel kannte Ellen aus der Sprechstunde in ihrer Frauenarztpraxis. Sie war ihre Patientin gewesen und hatte damals die Schwangerschaft bei ihr festgestellt. Ellen Arnold hatte ihr erzählt, dass sie mit ihrem damals noch verheirateten Vorgesetzten eine Affäre gehabt hatte und schwanger von ihm wäre. Dass der besagte Vorgesetzte Hauptkommissar Thomas Berger war, der nun mit ihr unter einem Dach zusammenlebte, erfuhr sie erst viel später. Zu spät! Da hatte sie sich bereits in Thomas verliebt.

»Ich bade Willi und bring ihn dann ins Bett«, schlug Thomas vor. Lea hatte mit ihrem Vorwurf recht. Er wollte Willi immer freitags abholen. Es sollte ein Vater-Sohn-Ritual und ihr gemeinsamer Freitag werden. Aber musste Lea ihm das gleich an den Kopf werfen? Sie hatte ihm nicht einmal die Chance gegeben, zu erklären, warum er nicht rechtzeitig loskam, um Willi wie vereinbart von der Kita abzuholen.

Lea war erschöpft von ihrem Arbeitstag in der Praxis, der Hitze und dem lebhaften Jungen. Sie goss sich ein Glas Apfelschorle ein und setzte sich auf die Terrasse. Dort musste sie das Streitgespräch ihrer Nachbarn ungewollt mit anhören. Es begann damit, wann die Hecke geschnitten werden sollte, und endete damit, dass sie immer zu viel Geld beim täglichen Einkauf lassen würde. Dann gab ein Wort das andere. Laut und unsachlich schrien sie sich an. Er drohte ihr mit Scheidung.

Das Wortgefecht wurde Lea zu viel und sie ging ins Haus zurück. In der oberen Etage sang Thomas ein Kinderlied. Es hörte sich von der Melodie her so schlecht an, dass Lea schmunzeln musste. Sie stellte ihr Glas auf dem Wohnzimmertisch ab und schlich die Treppen hinauf. »Na, Jungs, jetzt ist aber Nachtruhe!«

Willi sah mit Entsetzen auf die Spieluhr, an der sein Vater zog und das Lied »LaLeLu« begann. Das war für Willi der Moment, bei dem er wusste, dass er gleich allein in seinem Zimmer sein würde. Sein lustiges Gesicht änderte sich von einer Sekunde zur anderen. Er riss die Augen auf und begann zu weinen.

»Komm, Thomas, da muss er jetzt durch! Sonst sitzen wir in zwei Stunden noch hier. Wir dürfen uns nicht von dem kleinen Schelm erpressen lassen«, forderte Lea Thomas auf. »Reibe ihm lieber noch einmal die Brust mit Pulmotin ein! Sonst hustet er wieder die ganze Nacht.«

»Mache ich, Frau Doktor!«, sagte Thomas sarkastisch. Skeptisch erhob er sich aus dem Schneidersitz vor dem Bett und gab dem weinenden Willi noch einen Kuss auf die Stirn.

Willi griff mit seiner kleinen Hand sofort nach dem Ohr seines Vaters und hielt ihn fest.

Thomas freute sich über das forsche Auftreten seines Sohnes, zog noch einmal an der Spieluhr und setzte sich wieder.

Lea schüttelte den Kopf, zog die gelben Gardinen mit einem Schwung zu, sodass die roten Autos auf den Vorhängen zum Vorschein kamen. Sie verließ wortlos das Zimmer und Thomas fiel ein, dass er vergessen hatte, eine neue Tube Pulmotin aus der Apotheke im Sieben-Seen-Center mitzubringen. Er hatte Lea morgens versprochen, das Medikament in der Mittagspause abzuholen.

In der Wohnstube hörte Lea, dass Thomas die Spieluhr noch ein drittes Mal betätigte. Er sang laut »… nur der Mann im Mond schaut zu«. Hatte der kleine Schauspieler es doch wieder geschafft, seinen Vater zu beeindrucken und an sein Bettchen zu fesseln.

Nach einer Viertelstunde kam Thomas mit einem Bier in der Hand in die Wohnstube und gähnte. Er sah müde und blass aus.

Lea schaltete den Fernseher an, um das Schweigen im Zimmer zu brechen. Sie hatte jetzt keine Lust mehr, den Tag auszuwerten, so wie sie es früher immer getan hatten, bevor Willi ihr gemeinsamer Lebensmittelpunkt wurde.

Thomas verabschiedete sich nach einer Stunde mit den Worten: »Ich bin müde!« Er küsste Lea flüchtig auf den Mund und ging hoch ins Schlafzimmer. Vorher vergewisserte er sich noch, ob Willi fest schlief.

Lea schaltete den Fernseher aus und nahm sich ein Buch. Sie machte es sich bequem auf der Couch und begann zu lesen. Sie ging grundsätzlich nicht mehr so früh wie Thomas schlafen. Die Wechseljahre kündigten sich bei ihr mit Schlafstörungen an. Als Gynäkologin beriet sie jeden Tag Frauen in der gleichen Situation. Ihr selbst nahm jedoch niemand die Angst vor dem letzten Abschnitt des Lebens. Die ersten einzelnen grauen Haare schnitt sie sorgfältig aus ihrem vollen Haar heraus. Ihre Mutter hatte sehr spät graue Haare bekommen. Sie hoffte, dass dies auch bei ihr erblich bedingt so sein würde. Zum Friseur ging Lea unregelmäßig und eher spontan. Meistens schickte sie ihrer Friseurin per WhatsApp eine Nachricht, um einen kurzfristigen Termin für einen Trockenhaarschnitt zu vereinbaren. Sie bekam nie eine Absage. Ihr Haarschnitt passe immer zwischen zwei Dauerwellen, so antwortete ihr ihre Friseurin prompt. Den Pony schnitt Lea sich oft selbst vor dem Spiegel. Sie hatte keine komplizierte Frisur, die regelmäßig in Form gebracht werden musste. Ihr schönes schulterlanges und glänzendes Haar wollte sie sich später auf keinen Fall durch ständiges Färben schädigen.

Als Lea um Mitternacht vor dem Waschbecken stand und ihre Zähne putzte, überlegte sie das erste Mal, an welcher Stelle bei ihr ein Schönheitschirurg mit seiner Arbeit beginnen könnte. Vor zehn Jahren hatte sie sich immer darüber amüsiert, wenn sie die operierten Gesichter der 60-jährigen Schauspielerinnen in Talkshows im Fernsehen sah. So etwas würde sie nie an sich machen lassen, gab sie oft von sich. Nur noch Masken, keine Makel, keine Falten … grauenvoll! Heute zog Lea ihre Haut von den Wangen vorsichtig in Richtung Ohren zurück und stellte mit Erstaunen fest, was so ein kleines Facelifting doch bewirken konnte. ›Nicht schlecht! Da muss natürlich ein Profi ran, damit es nicht zu sehr auffällt.‹ Sie cremte die Haut um ihre Augen sorgfältig und klopfte die teure Kosmetik vorsichtig mit zwei Fingern ein. Dann schlich sie sich zu Willi und sah, dass er fest schlief. Sie hoffte, dass er nicht durch seinen Husten aufwachen würde.

Dann legte sie sich neben Thomas, der gleichmäßig tief ein- und ausatmete. Sie hoffte, dass er diese Nacht nicht schnarchen würde. Im Zimmer, in das sie früher ausweichen konnte, wenn Thomas’ Schlafgeräusche zu laut wurden und sie gar nicht zur Ruhe kam, residierte nun Berger Junior.

-4-

Ein Besuch im Schweriner Zoo

Willi hatte die Nacht durchgeschlafen. Thomas stand gegen sieben Uhr als Erster auf und bereitete das Frühstück in der Küche vor. Er deckte liebevoll den Tisch, kochte Kaffee und schob tiefgefrorene Vollkornbrötchen in den Backofen. Willi saß in seinem Hochstuhl, brabbelte vor sich hin und beobachtete seinen Vater. Thomas stellte außerhalb der Reichweite seines Sohnes Erdbeermarmelade, Honig und Butter auf den Tisch.

Nicht nur Willi erschrak, als Thomas die Backofentür laut zufiel, sondern auch Lea. Sie hörte den Lärm eine Etage höher im Bett liegend, stand auf und ging barfuß im Nachthemd die Treppen hinunter. »Warum habt ihr mich denn nicht geweckt?«, fragte sie und gab Thomas liebevoll zuerst einen Kuss. Dann strich sie Willi zärtlich über den Kopf.

»Habe ich doch gerade. Entschuldigung für den Lärm.« Thomas lächelte Lea an. »Ich wollte dich eigentlich etwas sanfter in ein paar Minuten wecken kommen.«

Willi war ungeduldig. Ihm dauerte alles zu lange. Er schob seinen bunten Plastikteller vor sich hin und her und forderte sein Frühstück.

Lea lachte.

Thomas war erleichtert, dass ihre schlechte Laune scheinbar über Nacht verschwunden war.

Sie frühstückten gemeinsam und besprachen, was sie am Wochenende unternehmen wollten. Lea schlug vor, da das Wetter wechselhaft vorausgesagt wurde und schon dicke Wolken am Himmel sichtbar waren, mit Willi in den Schweriner Zoo zu fahren.

»Findest du das nicht zu früh für Willi?«, widersprach Thomas. »Das können wir doch noch machen, wenn er etwas älter ist und allein längere Abschnitte laufen kann. Lass uns doch lieber an die Ostsee nach Boltenhagen fahren. Wir bummeln dort ein bisschen herum und dann setzen wir uns an den Strand. Da kann er buddeln und eine Sandburg bauen und wir entspannen uns. Die Seeluft wird seinem Husten gut tun!«

»Da hast du auch wieder recht. Dann lass uns losfahren und hoffen, dass es nicht regnen wird«, stimmte Lea zu.

Auf halber Strecke zogen sich die Wolken zu einer dicken Schicht zusammen. Die Sonne war verschwunden. So entschied Lea, nun doch umzukehren, und in den Zoo zu fahren. Thomas gab nach und wendete kurz vor Grevesmühlen den Wagen. Willi saß in seinem Kindersitz und schlief.

Als sie auf dem Parkplatz am Zoo eintrafen, stellten sie fest, dass offenbar halb Schwerin an diesem Samstag die gleiche Absicht zu haben schien. Der Zoo, 1956 als Heimattierpark zwischen Schweriner See und Faulem See gegründet, war ein großer Anziehungspunkt aufgrund seiner heimischen und exotischen Tiere. Die Schaufütterungen sind besonders beliebt und für Kinder ein Magnet.

»Wir können ja einen schönen Spaziergang durch den Zoo machen und müssen nicht gleich alle 120 Tierarten bewundern«, schlug Lea vor. Sie holte Willi aus seinem Kindersitz. Der öffnete die Augen und wurde allmählich wieder wach.

Thomas klappte in der Zwischenzeit schon die Sportkarre auseinander, die er aus dem Kofferraum herausgeholt hatte. »Oh, man hat sich schon belesen und vorab informiert … 120 Tierarten«, wiederholte Thomas und lächelte Lea an.

»Ja, Affen interessieren mich besonders!« Lea lachte laut über ihre spontane und zweideutige Antwort.

»Werde mal nicht frech, mein Fräulein!« Thomas kniff Lea zärtlich in die Seite und zwinkerte ihr verführerisch zu.

So machten sie sich auf den Weg, um einen Teil des fünfundzwanzig Hektar großen Areals an diesem Samstag zu erkunden. Lea und Thomas interessierten die Tiere natürlich mehr als Willi. Er beobachtete kleine Kinder, die in der Nähe waren, lachten und sangen.

Gerade noch rechtzeitig erreichten sie den Gasthof am Hexenberg auf dem Zoogelände, bevor ein heftiger Regenschauer einsetzte. Thomas wählte in dem gemütlichen und urigen Restaurant einen schönen Tisch am Fenster aus, sodass sie Aussicht auf den Faulen See hatten. Der Gasthof füllte sich mehr und mehr. Besucher kamen herein und schüttelten ihre nassen Jacken ab. Dabei sahen sie sich suchend nach leeren Plätzen um.

Lea bestellte für Willi einen Kartoffelpuffer mit Apfelmus und für Thomas einen kleinen Salat mit Hähnchenstreifen. Für sich orderte sie eine Tomatencremesuppe ohne das angepriesene Sahnehäubchen.

»Sag mal, Lea, wann würdest du zur Polizei gehen, wenn ich abends nicht nach Hause kommen würde?«, fragte Thomas, nachdem der Kellner mit der Bestellung den Tisch verlassen hatte.

»Thomas, wir wollten doch nicht mehr so häufig über deine Polizeiarbeit reden. Hast du das vergessen?«

»Das war nur so ein Gedanke.«

Willi schmatzte genüsslich an seinem Kartoffelpuffer, den er als Erstes serviert bekommen hatte. Seine Mundwinkel waren mit Apfelmus vollgeschmiert. Seine kleinen dicken Finger glänzten vom Fett.

»Ich würde dich spätestens nachts anrufen und fragen, wo du bleibst. Und wenn ich dich nicht erreiche, dann würde ich deinen Kollegen Lars kontaktieren. Warum fragst du?«

»Ich soll doch nicht von der Arbeit erzählen!« Thomas lächelte. Er hatte Lea neugierig gemacht und schwieg einen Moment.

»Nun sag schon! Warum? Lass dich nicht so betteln, Thomas!«

»Ich habe gestern eine Vermisstenanzeige aufgenommen. Der Mann vermisst schon seit zwei Wochen seine Frau und ist erst gestern zur Polizei gekommen.«

»Vielleicht wollte er mal seine Ruhe vor dem Hausdrachen … Nein, Scherz beiseite, das ist schon eigenartig.«

»Das wollte ich hören. Aber noch viel mehr wollte ich aus deinem Mund hören, dass du mich nachts sofort vermissen würdest. Ich wiederum, hätte dich erst nach einer Woche suchen lassen«, scherzte Thomas und lachte laut auf.

»Genau, deshalb liebe ich dich, Thomas! Dein Humor ist fantastisch. Schau mal auf den Busfahrplan, wie du vom Zoo Schwerin nach Wittenförden kommst. Ich fahre jetzt nämlich mit Willi allein nach Hause«, konterte Lea.

»Das glaube ich nicht«, sagte Thomas und schwenkte die Autoschlüssel vor ihrem Gesicht hin und her. »Es sei denn, du hast an die Zweitschlüssel gedacht!« Thomas nahm Lea in den Arm und küsste sie, währenddessen Willi seine leere Trinkflasche vom Tisch gestoßen und die Aufmerksamkeit so auf sich gezogen hatte.

Der Regen war vorbei. Nachdem Thomas bezahlt hatte, verließen sie den Gasthof und machten sich auf den Weg zum Parkplatz. Am Ausgang kaufte Thomas für Willi ein kleines Plüschtier als Erinnerung an seinen ersten Zoobesuch. Willi hielt den kuscheligen Affen fest in seinen kleinen Händen. Dessen lange Arme waren an den Pfoten mit einem Klettband versehen, sodass man das Äffchen überall anhängen konnte.

Zufrieden fuhren sie nach Hause. Die Wolkendecke riss auf und ein herrlich blauer Himmel kam wieder zum Vorschein.

-5-

Sonnenbrand

»Moin, Moin Thomas! Haben wir uns einen kleinen Sonnenbrand am Wochenende geholt?«, begrüßte ihn sein Kollege Lars Paulsen am Montagmorgen in der Dienststelle. Er nahm gegenüber von seinem Kollegen Platz und goss sich unaufgefordert eine Tasse Kaffee ein.

»Hör bloß auf! Samstag waren wir mit Willi im Zoo und gestern an der Ostsee in Boltenhagen.« Thomas fasste sich mit beiden Händen vorsichtig ins Gesicht. »Lea und Willi haben eine riesige Sandburg gebaut und ich bin in der Sonne eingeschlafen. Wenn Willi nicht dagewesen wäre, hätte Lea bestimmt nur auf mich geachtet. Sie ist sonst so fürsorglich. Diesmal hat sie aber leider nur den Kleinen eingecremt.«