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Dritter Band der Lepso-Trilogie

 

Befreiung in Camouflage

 

von Michael Marcus Thurner

 

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

Kleines Who is Who

 

 

Atlan – Lordadmiral, Nebenjob: Taucher

Tipa Riordan – Piratin, Nebenjob: Lukull

Ohm Santarin – der USO-Agent fürchtet sich vor seiner Mutter

Aizela da Onur – die Arkonidin wurde konditioniert, Sadik zu entrümpeln

Gart da Tromin – Khasurnvorstand und absoluter Herrscher auf Sadik

Ulja da Tromin – Lieblingsneffe des Patriarchen Gart da Tromin

Ziabad da Tromin – missratener Sohn des Patriarchen

Anelle – die Frau des Patriarchen ist untreu aus gutem Grund

Camara Zaintz – das unscheinbare Mädchen hat es faustdick hinter den Psi-Ohren

Debakil – der stellvertretende Zollamtsleiter steht auf dicke Brieftaschen

Cymbal – nicht gerade ein süßer Transvestit, aber auch keine gute Mutter

Erikon – ein altsadikscher Revoluzzer

Ezio – Oberaufseher, liebt nur seine Neuropeitsche Oskar

Ylve – die schwangere Leidensgenossin Atlans erweist sich als das Mädchen mit dem goldenen Arm

Zippo Gull – Piratenkapitän der REVENGE, fürchtet nur das Schlafzimmer seiner Vorgesetzten

Kampt Ruyten – Tante Tipas organischer Erfolgsschnüffler

Artemio Hoffins – der Exchef der Schwarzen Garde geht über Leichen

Corus da Onur – Spieler um Camouflage

Opryn da Onur – Gegenspieler um Camouflage

Kerstayn und Difinit – zwei weitere der acht Namenlosen, gehören zu Opryn

Aerticos Gando – der Thakan von Lepso hat noch eine Hand frei

Sumbarn – Atlans Hautpartner, einstmals über eine Báalol-Priesterin gestülpt

Trenic – Hoffins’ bessere Haut

Sonda – erbarmungsloser Symbiont von Corus da Onur

 

 

Vergangenheit der Gavivis

 

Paritaun – seine Weisheit überdauert die Jahrhunderte

Zimbulian – Rektoride

Apetlon – der Raumfahrtphilosoph taucht tief in der lepsotischen Ursuppe unter

Jonstar – leidet an Wiedergeburt

Nada – Jonstars Enkelin

Ketelle – die erste Frau in einer Tyarez-Haut

Pinter – ein Talent entfaltet sich

Destin – ein weit gereister Gavivi

Suwjush – Symbiont von Destin

Trashewiu/Zoim – schlagen der Entropie ein Schnippchen

Cardio – die Leiterin des Raumfahrtprogramms ist eine gute Freundin Trashewius

Klamph – bedeutender Psychologe

Frauz – Ratsältester

Tchaun – dessen einzige Tochter

Gafeed – Tchauns ewig zweifelnder Tyarez

Voina – kündigt die lange Partnerschaft der beiden ungleichen Völker

Quinrill – der letzte Gavivi Camouflages

 

 

ERSTES BUCH

Kapitel 1

 

 

Schlamm und Stein, so weit das Auge reichte.

Dazwischen kleine Inseln gelbgrüner Vegetation, von sirrenden Insektenschwärmen umgeben. Krächzende Vögel erhoben sich aufgeregt auf ledernen, zweigeteilten Schwingen. Sie schnappten nach den Stechmücken, fraßen sie und ließen sich schließlich von der nachmittäglichen Wärmethermik hoch tragen. In Zugstärke flatterten sie davon, dem blutroten Horizont entgegen.

Ein Raub-Igob ließ die Schlingzunge vorschnellen. Er packte einen der Nachzügler, umwickelte ihn mit klebrigem Verdauungssud und presste gleichzeitig das Leben aus dem schwachen Körper. Mit einem beiläufig geführten Hieb der so plump wirkenden Tatzkrallen zerlegte der Raub-Igob das junge Vögelchen und würgte dann die Happen hinunter.

Ein Schlangenlegander war ihm unbemerkt auf den Leib gerückt. Er klinkte seinen Kiefer aus, lähmte den kleinen Jäger mit seinem einzigen Giftzahn und packte den Igob schwanzseitig, um den Fress- und Verdauungsvorgang zu beginnen. Er würde die ganze Nacht andauern.

Aber auch der Schlangenlegander durfte sich seines Lebens nicht sicher sein. In der Ferne erklang das Jaulen eines Sumpftrasten. Das Rudel kam näher und näher. Die Jäger, die mit ihren flachen und haarigen Tatzen über Wasser und Morast gleichermaßen zu tanzen schienen, würden allzu rasch da sein, um ihre Spitze der natürlichen Nahrungskette einzunehmen.

Nein. Das stimmte nicht mehr.

Pianot seufzte. Das Volk hatte vor wenigen Jahreswechseln beschlossen, sein Bewusstsein und seinen Intellekt über den aller heimischen Tiere zu stellen.

Es war dies ein bewusster Vorgang gewesen, der großteils mit dem Selbsterhaltungstrieb zu tun hatte – aber nicht nur. Das Volk besaß physische Nachteile, die ausgeglichen werden mussten, um ein Überleben zu sichern. Wie und warum diese Bewusstseinswerdung geschehen war, blieb ihnen allerdings unklar.

Pianot senkte seinen Körper tiefer in den Morast und ignorierte den Gestank, der von den modrigen Schlingpflanzen unter ihm ausging. Die Sumpftrasten waren nahe, angelockt vom Blutgeruch. Wie rasend würden sie sich in den Kampf gegen den Schlangenlegander werfen, alles um sich herum vergessen – und schließlich selbst zu Opfern werden.

Die Netze waren gespannt, die Bastkäfige bereitgestellt. Wenn alles so funktionierte, wie sie es geplant hatten, würden sie mit dem Beginn der Nacht den Großteil der Rudeltiere gefangen genommen haben.

Sumpftrasten waren Säuger. Ihre Milch war wohlschmeckend und nährreich. Die Tiere mussten so rasch wie möglich domestiziert, das Nahrungsangebot für das Volk weiter ausgedehnt werden. Nur dann würden sie ihrem noch von Mängeln und Verzicht geprägten Dasein einen weiteren Schub in die richtige Richtung geben können.

Am Beginn jener Nahrungskette, deren letztes Glied sie nunmehr geworden waren, standen Stechmücken und andere Insekten. Pianot wurde sich seiner Schuld bewusst. Er würde etwas opfern müssen, so verlangten es Vernunft und Moral. Er und seinesgleichen würden nach der Jagd als Dankeschön mehrere Haufen Kot hinterlassen.

Das erste Sumpftrasten-Weibchen schob seinen flachen Hals über das locker stehende Primolen-Gras. Es witterte mit der breiten Schnauze, sah sich um und gab dem Rest des Rudels mit einem kurzen Schlag einer Vordertatze ins schlammige Wasser das Signal zum näheren Heranpirschen.

Der Schlangenlegander hatte sich mittlerweile würgend zur Seite gelegt. Er verfügte während des Fressens über ein reduziertes Sinnesempfinden.

Da! Zwei Sumpftrasten-Männchen stürmten mit weiten Schritten heran, fielen über ihre Beute her, hieben dem Würgetier gegen Magen und Schädel. Wie auf Kommando folgte der Rest des Rudels, warf sich auf den fast fünfmal so großen Widersacher, um ihn in der Überzahl schlichtweg zu erdrücken.

Die Sumpftrasten sind nicht die stärksten Jäger, aber sie arbeiten in der Gruppe perfekt zusammen, dachte Pianot. Er gab Kinpin das verabredete Signal. Wir arbeiten in der Gruppe und verwenden darüber hinaus auch noch unseren Intellekt.

Niemand, so wusste er plötzlich, würde ihnen auf dieser ihrer Heimat widerstehen können. Es mochte vereinzelt Rückschläge geben, aber der Aufstieg seines Volkes erschien ihm unaufhaltsam.

Die Fallen schnappten zu, die Trasten jaulten verwirrt auf. Pianot schwang sich hoch, zog rasch die breiten Sumpfschuhe über und näherte sich gemeinsam mit Arulet einem isoliert dastehenden Männchen, das sich im vorbereiteten Strickwerk verfangen hatte.

Ja. Ihre Zukunft versprach Großartiges.

Kapitel 2

 

 

Nein, es war niemals ein besonderes Vergnügen, mit Tipa Riordan zu reisen. Die Alte war ein Born stetigen Missvergnügens. Ein schreckliches Jucken auf meiner Haut. Die fleischgewordene Ursache schwerer finanzieller Einbußen der USO. Immer wieder während der letzten zweihundert Jahre hatte sie es geschafft, Vorteile für ihren Piratenhaufen rauszuschlagen. Meist gelang es ihr auch, die Verantwortlichen auf Terra oder, noch viel schlimmer, mich selbst übers Ohr zu hauen.

Wenn sich Perry Rhodan von diesem vertrockneten, zahnlosen Monster übervorteilen ließ und dazu auch noch amüsiert grinste, so war es mir reichlich egal. Aber als Chef der United Stars Organisation, der treibenden Ordnungskraft in der Milchstraße, war ich keinesfalls bereit, weitere Schmähungen und Schande hinzunehmen.

»Musst ja nicht mitkommen!«, keifte Tipa Riordan und richtete ihren Stecken bedrohlich auf mich aus. »Kannst ja mit einem deiner eigenen Pötte nach Sadik reisen. Ich weiß ohnehin nicht, warum ich dich und dein blondes Flittchen mit an Bord genommen hab.«

Aizela da Onur erstarrte. Ihr ohnehin schon vornehm blasses Gesicht verlor jegliche Farbe.

»Du gehst zu weit, alte Giftschlange«, sagte ich möglichst ruhig. »Du wirst dich augenblicklich bei Aizela entschuldigen und sie zukünftig als Gast bester Herkunft behandeln! Haben wir uns verstanden?«

»Du willst mir an Bord meines eigenen Schiffes Vorschriften machen?« Mit dem Ende ihres Stützstockes fuchtelte sie bedrohlich vor meiner Nase herum. Ich blickte in das Abstrahlfeld ihrer Kombiwaffe.

»Hör mit deinen Spielchen auf, alte Vettel«, setzte ich mit möglichst kühler Stimme fort. »Bei all deinen Piratenfeldzügen bist du auf das Wohlwollen der USO angewiesen. Ein Wort von mir, und deine Flotten werden von nun an erbarmungslos verfolgt.«

Sie kniff ihre Augen kurzsichtig zusammen, überlegte kurz und senkte schließlich den Stock.

»Du meinst es wohl ernst, Söhnchen«, sagte sie nachdenklich zu mir und wandte sich dann an Aizela. »Also gut, meine Hübsche. Da ist mir wohl ein etwas zu harsches Wort entschlüpft. Ich entschuldige mich hiermit für meine etwas rüde Ausdrucksweise. Du bist selbstverständlich kein Flittchen.«

Ich ging nicht weiter auf Tipas schnoddrigen Tonfall und ihre dubiosen Erklärungen ein. Neben mir kämpfte Aizela schwer atmend mit ihrer Beherrschung. Die Kolonialarkonidin war, trotz der bescheidenen Möglichkeiten ihres Khasurn, in »allerbester« arkonidischer Tradition erzogen worden. In dieser Feudalgesellschaft, die auf archaischen Strukturen beruhte, konnte man mit einem falschen Wort Fehden auslösen, die über Jahrhunderte andauerten.

Hilf ihr!, forderte mich der Extrasinn auf.

»Aizela da Onur nimmt deine Entschuldigung gerne an«, sagte ich rasch. »Sie besteht allerdings darauf, dass du, um ihrer Ehre vollends gerecht zu werden, heute Abend ein Bankett gibst.«

»Den Teufel werd ich tun!«, fuhr Tipa auf. Sie marschierte im Kreis, stützte sich dabei schwer auf ihren Stock. »Mein teuer ergaunertes Geld soll ich für irgendwelche dekadenten Vergnügungen auf den Kopf hauen und darf dabei nicht einmal den Hauptpreis spielen, der zu gewinnen ist …«

»Wir nehmen deine Einladung gerne an«, sagte ich rasch, während die Alte kurz Atem holte. »Also um sieben Uhr Bordzeit?« Ich nahm Aizela galant am Arm und führte sie so schnell wie möglich aus der Kommandozentrale.

Das Schott schwang leise hinter uns zu.

»Man sollte sie töten«, sagte die Arkonidin nach einer Weile und löste sich von mir. »Wie kann sie es nur wagen, in einem derartigen Ton mit mir zu sprechen …«

»Tante Tipa ist ein besonderes Exemplar des terranischen Volkes«, gestand ich Aizela zu. »Sie sollten sich allerdings daran gewöhnen, dass der Umgangston nicht nur hier an Bord der DREADFUL weit rauer ist als im Khasurn der da Onur. Die Wirklichkeit ist ein ganzes Stückchen von jenem Elfenbeinturm entfernt, in dem Sie bislang gelebt haben.«

»Ich bin nicht so weltfremd, wie Sie annehmen, da Gonozal«, sagte die groß gewachsene Frau kühl. »Lepso bietet, wie Sie vielleicht wissen, in jeglicher Hinsicht ein abwechslungsreiches … Programm. Ich habe meine Erfahrungen mit dem Pöbel gemacht.«

»Verurteilen Sie Tipa Riordan nicht vorschnell. Sie besitzt bemerkenswerte Fähigkeiten. Ich habe Gründe, warum ich ihr Schiff für die Anreise nach Sadik gewählt habe und nicht eines meiner eigenen.«

»Für mich tut es nichts zur Sache, ob Sie sich mit Freibeutern oder mit diesem Ordnungsdienst von terranischer Gnade namens USO abgeben, da Gonozal. Sie dürfen von mir weder Verständnis noch Sympathie, noch Interesse für Ihre persönlichen Ziele erwarten. Uns verbindet lediglich eine gemeinsame Suche. Sie wollen diesem geheimnisvollen Tyarez auf die Spur kommen; ich möchte den Namen der da Onur reingewaschen wissen. Haben wir jenes Material gefunden, das beiden Seiten hilft, trennen sich augenblicklich unsere Wege.«

Aizela blieb vor ihrer Kabinentür stehen und nickte mir kurz zu. »Sie besitzen den Ruf, Frauen wie ein Großwildjäger zu jagen und bevorzugt im Schlafzimmer zu erlegen. Ihre Erfolgsquote soll beachtlich sein.« Ihre hellroten Augen glühten plötzlich auf. »Verzichten Sie auf jeglichen Versuch, Ihr Glück bei mir zu versuchen. Ich gebe mich nicht so einfach einem Mann hin; selbst wenn er Atlan da Gonozal heißt und unsterblich ist.«

Aizela drehte sich um und betrat ihre Kabine, ohne sich weiter um meine Gegenwart zu kümmern. Nachdenklich marschierte ich weiter. Die edle Dame wirkte äußerst selbstbewusst und resolut.

Man konnte über die Taten des unlängst verblichenen Patriarchen Penzar da Onur geteilter Meinung sein; mit seiner Tochter aber, deren Name so viel wie »Hoffnung« und zugleich »Optimismus« bedeutete, hatte er ausgezeichnete Arbeit abgeliefert. Ich hätte eine schlechtere Partnerin zugeteilt bekommen können.

 

»Du hast umdekoriert«, sagte ich zu Tipa.

»Ich lasse mich doch nicht lumpen!« Die Alte verzog ihr Gesicht zu einer Grimasse, sodass es nur noch aus Runzeln, Falten und wirren grauen Haaren zu bestehen schien. »Ich will nicht, dass ich unter schlechter Nachrede leide.«

Aizela betrat Tipas Räumlichkeiten, ohne auf Ohm Santarins angebotenen Arm zu achten. Kurz blickte sie sich um, musterte mit gerümpfter Nase die schwülstige Ausstattung und begab sich schließlich zu den Sitzpolstern. Vorsichtig ließ sie sich nieder.

»Flauschigste Epaqual-Daunen, sorgfältig aufgeschüttelt, überzogen mit ölgegerbtem Zumr-Leder, parfümiert mit den feinsten Düften, die in der freien Milchstraße erhältlich sind«, säuselte die Piratin, »und das alles für meine liebsten Freunde.«

»Du überraschst mich, Tante Tipa.« Ich setzte mich in geziemendem Abstand neben Aizela. Ohm Santarin nahm ihr gegenüber Platz. »Stecken doch ein paar kleine Körnchen Benimm und Anstand in deinem welken Körper?«

Für einen Moment sah es so aus, als würde die Alte über mich herfallen und mit dem Stock auf mich einprügeln; dann hatte sie sich wieder vollends unter Kontrolle. »Du wärst froh, dürftest du diesen ›welken Körper‹ kneten und dich darauf herumwälzen, Beuteterraner. Aber diese Gnade bleibt dir für alle Zeiten versagt.«

»Du nimmst mir die ganze Lebensfreude, meine prachtvolle Blume des Weltalls …«

Das Essen wurde serviert. Träger marschierten zu Trommelgewitter auf. Berge zart gebratenen Fleischs wurden uns auf silbernen Tabletts zu Füßen gelegt, umrahmt von kunstvoll arrangiertem Gemüse. Ich sah terranischen Blumenkohl auf sajovicischem Erdschlunk, gedünsteten Monenreis, gemischt mit halbgaren Parapalenzünglein, camouflierende Strankalan, garniert mit niedervoltigen Essigkernen, sowie sülzende Buckelhefe. All diese Delikatessen mussten ein Vermögen gekostet haben. Ich ahnte, dass Tipa sie nicht unbedingt auf redlichem Weg erworben hatte.

»Sind das zyphonische Marschnudeln?«, fragte Ohm Santarin. Vorsichtig langte er nach einem der zehn flachen Dekorstreifen, die beunruhigende Töne von sich gaben.

»So ist es«, antwortete Tipa Riordan. Ächzend beugte sie sich vor und griff nach einer der Nudeln. »Waren gar nicht leicht zu bekommen, die Dinger. Ein guter Bekannter schenkte mir eine ganze Kiste dieser Spezialitäten, bevor er freiwillig ins Exil auf Helldoor ging, um seine Sünden zu bereuen.« Die Nudel baumelte vor ihrem Mund hin und her und gab Töne von sich, als würde sie um ihr Leben betteln.

»Soviel ich weiß, gibt es Bestrebungen, die Zyphonier als kognitive Lebewesen anzuerkennen?«

»Das ist lediglich dummes Geschwätz allzu eifriger Moralapostel.« Tipa stopfte sich die Nudel in den Mund, kaute trotz der schrillen Töne mehrmals darauf herum und verdrehte schließlich genießerisch die Augen. »Nur weil sie uns im Augenblick ihres Verzehrs ein paar seltsame Glücksgedanken vermitteln, haben wir es noch lange nicht mit bewusstseinsfähigen Existenzen zu tun. Greift zu, meine arkonidischen Freunde, greift zu …«

Zwei Ertruser, die weite Beinkleider trugen und sich lächerlich anmutende Turbane um den Kopf geschlungen hatten, bedienten uns. Ihre Feinfühligkeit überraschte. Sie zerrissen das knusprig gebratene Fleisch geschickt in kleine Stücke und legten es mit Zangen, die in ihren Pranken wie Pinzetten wirkten, auf wertvolles Keramikgeschirr. Ich lehnte die zyphonischen Marschnudeln ab, genauso wie Aizela und Ohm, sprach aber dafür den latianischen Knackskecksen umso mehr zu. Zu jeglicher Art von Fleisch gemischt, erzeugten sie einen trüffelähnlichen Geschmack im Mund, der einen leicht alkoholischen Beigeschmack erkennen ließ.

»Du willst wieder in der Maske des Eli Pattri auftreten?«, fragte Tipa Riordan nach geraumer Zeit.

»So ist es.« Ich atmete tief durch. Die Schonfrist, die uns die Piratin genehmigt hatte, war also vorbei. Sie würde uns mit Fragen löchern, bis sie alles wusste, was ihr für diese Mission notwendig erschien. Es konnte nicht mehr allzu viel sein. Tipa hatte überall ihre Informanten sitzen. Nicht zuletzt hatte sie mich mit dem Hökerer zusammengebracht und verfügte darüber hinaus mit Kampt Ruyten über einen Ersten Wesir, der gute Geschäfte sprichwörtlich erschnüffelte.

Kann es sein, dass dieses Zeterweib die ganzen Dinge erst in Bewegung gebracht hat?, stellte mein Extrasinn zur Diskussion. Steckt sie hinter der Schnitzeljagd nach den Tyarez; hetzt sie dich vor sich her?

Der Gedanke war provokant und entbehrte sicherlich nicht eines Körnchens Wahrheit; aber die Fakten sprachen schlussendlich gegen diese Theorie. Die Spur der Tyarez, der ich seit einem Monat folgte, war von einem Hautträger gelegt worden, der die Physiognomie seines arkonidischen »Wirts« derart verändert hatte, dass er mir ähnelte. Es war ein bizarrer Hilferuf gewesen, der über die lepsotischen Medien verbreitet worden war und somit sein Ziel erreichte: mich auf die Sache aufmerksam zu machen, mich in ein mörderisches Spiel hineinzuziehen, das uralte technische Relikte, Geheimdienstaktivitäten und die üblichen Ingredienzien wie Gier nach Macht und Reichtum beinhaltete.

»Eli Pattri ist ein Prospektor, dessen Auftreten unverfänglich erscheint. Eine Allerweltspersönlichkeit, für die es ausreichend Gründe gibt, auf Sadik zu landen. Ich werde also um eine Sekundäre Schürflizenz für jene Bereiche im Milchstraßenzentrum anfragen, in denen Sadiks Flotten unterwegs sind. Elis Name ist in allen Unterlagen vermerkt, seine Schürfaktivitäten seit mehreren Jahrzehnten bestens dokumentiert.«

»Meinst du nicht, dass Eli Pattri ausgedient hat? Immerhin wurde seine Identität auf Lepso enttarnt.«

»Nein. Nachrichten reisen langsam, heutzutage. Insbesondere jene, die auf Lepso fabriziert werden. Auf einer Welt der Legenden, Mythen und Gerüchte ist es schwer, Geschichte und Geschichten voneinander zu trennen. Lediglich die großen Interessenblöcke der Milchstraße können es sich leisten, Informationsanalysen zu erstellen. Du erinnerst dich, dass die Nachricht meines Todes über die seltsamsten Kanäle transportiert wurde, bevor sie die USO-Hauptzentrale erreichte?«

Tipa Riordan nickte zögernd. Ich sah die Zweifel in ihr Gesicht geschrieben.

»Ich habe mich ausreichend mit Sadik beschäftigt«, fuhr ich fort. »Nach außen hin wird das Bild einer werteoffenen Gesellschaft projiziert, die durch riesige Erzflotten im Milchstraßenzentrum und durch geschickten Handel zu bescheidenem Wohlstand gekommen ist. In Wirklichkeit aber haben die da Tromin ein repressives, alles beherrschendes System entwickelt. Die Adelskaste beschäftigt sich hauptsächlich damit, die eigenen Leute unter Kontrolle zu halten. Da ist kaum Platz für großartige Geheimdienstarbeit, die nach außen hin wirkt. Und eine Nachrichtenbörse, an der man Informationen über Interna von zigtausend Planeten abrufen kann, ist mir nicht bekannt …«

»Hm. Bring mich bloß nicht auf schlechte Gedanken, Beuteterraner. Ich denke, dass meine … Handelsgesellschaft das Potenzial für eine derartige Agentur mit sich brächte.«

»Solltest du etwas Derartiges tatsächlich in die Gänge bringen, töte ich dich«, sagte ich.

Tipa Riordan blickte mich prüfend an. Ich setzte mein bestes Pokergesicht auf, um sie von der Ernsthaftigkeit meiner Worte zu überzeugen.

»Was ist, wenn man nach deiner Ankunft auf Sadik Boten nach Lepso schickt, um sich nach dir zu erkundigen?«

»Auch für diese Möglichkeit habe ich vorgesorgt. Meine Leute von der USO kommen schließlich nicht auf der Nudelsuppe dahergeschwommen. Sei versichert, dass sie meine Tarnidentität binnen kürzestem wieder so herrichten, als sei ich niemals enttarnt worden.«

»Ja«, murmelte Tipa Riordan nachdenklich, »das Gedächtnis der Einwohner auf Lepso scheint bemerkenswert kurz zu sein.« Abrupt wechselte die Piratin das Thema. »Was geschieht mit deinen beiden jungen Begleitern?«, fragte sie laut schmatzend. »Wirst du sie als Spielzeuge deiner Lust auf Sadik einführen?«

»Du überschreitest einmal mehr die Grenzen des guten Geschmacks«, sagte ich warnend, nach einem kurzen Seitenblick auf Aizela. Die da Onur beteiligte sich eher lustlos an der Völlerei. Ihr waren Opulenz und dekadentes Schwelgen sichtlich zuwider.

»Verzeih.« Die Piratin schenkte mir nach. Dunkelgelbe, harzige Flüssigkeit tropfte in meinen Becher, der eine zarte Melodie erklingen ließ. Chimpé-Wein, ein berauschender Jahrgang, seit Jahren hatte ich ihn nicht mehr getrunken.

»Eli Pattri benötigt, um auf Sadik Eindruck zu machen, selbstverständlich eine Entourage. Geschäftspartner, denen der Reichtum aus Mund und Ohren zu quellen scheint. Aizela und Ohm da Gonozal, aus einem Nebenzweig des Imperatorengeschlechts entstammend, werden bei einer oberflächlichen Überprüfung als Scheinidentitäten bestehen. Dafür sorgt soeben die bezaubernde Decaree, meine USO-Stellvertreterin.«

»Niemals werde ich meinen Namen da Onur ablegen!«, fauchte Aizela.

Stolz drückte sie das Kreuz durch und maß mich verächtlich von oben bis unten.

»Dann werden Sie wohl bereits am ersten Tag auf Sadik, der Heimat Ihrer Vorfahren, den Gang in die unterirdischen Verliese antreten«, erwiderte ich. »Glauben Sie, dass Ihre Erzfeinde die Anwesenheit einer da Onur dulden werden?«

Aizela blickte zur Seite, sagte nichts mehr.

»Kannst du uns hier an Bord die notwendigen Legitimationen anfertigen lassen, Tante Tipa?«, fragte ich unsere Gastgeberin.

»Warum lässt du das nicht ebenfalls diese sauberen Herrschaften von der USO erledigen?« Die Augen der Piratin gingen auseinander. Sie schien zu viel und zu schnell vom schweren Wein getrunken zu haben.

Lass dich nicht täuschen!, flüsterte mir der Extrasinn zu. Tipa simuliert. Ihr Zellaktivator tötet selbstverständlich die Wirkung des Alkohols ab. Sie tut alles, um noch mehr unterschätzt zu werden, als dies ohnedies der Fall ist.

So war es in der Tat. Wer würde diesem zahnlosen Weiblein zutrauen, eine der mächtigsten Spielerinnen auf dem politischen Schachbrett der Milchstraße zu sein? Die Flottenstärke und vor allem die Moral ihrer Piraten-Einheiten würden selbst die Truppen der USO in große Verlegenheit bringen.

»Es blieb wenig Zeit, die Dinge in die Gänge zu bringen, bevor wir Lepso verließen«, antwortete ich schließlich mit schleppender, scheinbar berauschter Stimme. Tipa sollte merken, dass ich sie durchschaute und nachäffte. »Darüber hinaus sind deine Fälschungswerkstätten angeblich bestens bestückt. Ich ahne, dass du mir für deine Hilfestellungen ohnehin das Weiße aus dem Auge nehmen wirst. Also tu gefälligst etwas für dein Geld!«

Sie blickte mich an, plötzlich wieder mit dem glasklaren Blick ihrer grünen Augen. »Es wird dich in der Tat einiges kosten«, murmelte sie.

Wir wurden handelseins, ohne weitere Worte über unseren seltsamen Pakt zu verlieren. Sie wusste, was ich wusste – und umgekehrt. Wir beide waren zu lange im Geschäft, um uns gegenseitig mit Feilschereien zu beleidigen.

Zumindest heute.

Die launische Alte konnte bereits morgen wieder ihre Meinung geändert haben und mit einem Forderungskatalog auf dem Teppich meiner Kabine stehen.

»Es warten anstrengende Tage auf euch«, sagte die Piratin, als könnte sie meine Gedanken lesen. »Heute jedoch seid ihr die Gäste der großartigsten Piraten, die jemals die Sternengefilde der Milchstraße bereist haben. Euch soll es an nichts mangeln. Kampt!« Tante Tipa klatschte zweimal in die Hände. »Die Tänzer mögen anfangen. Und du begibst dich ohne Umschweife in mein Gemach und wärmst das Bett vor!«

Der Bompaimer errötete sanft, wie ich es bereits öfters gesehen hatte. Es stand zu befürchten, dass der arme Kerl die Anweisungen seiner Chefin buchstabengetreu befolgen würde.

 

»Guten Morgen, Eli Pattri!«, begrüßte mich Tante Tipa in der Zentrale der DREADFUL am nächsten Morgen. »Es freut mich, dass du bereits wieder auf den Beinen bist. Wo sind deine Begleiter?«

»Sie richten sich soeben für den Abflug her«, antwortete ich.

»Du hast dir das Modulationsmittel für die Stimme bereits gespritzt, wie ich höre. Und deine Maske sitzt ausgezeichnet.« Sie kam auf mich zugehumpelt und begutachtete mich näher. »Diese Wampe ist für meinen Geschmack etwas zu feist. Als weißschopfiger Atlan da Gonozal gefällst du mir weitaus besser. Oder ist diese Identität etwa auch vorgetäuscht?«

Ich lächelte gezwungenermaßen über den kleinen Scherz. Dabei wusste die Piratin nicht, welch wunde Stelle sie mit ihren Worten in mir berührte. Ich hatte in meinem langen Leben derart viele verschiedene Rollen gespielt, dass selbst ich meine Probleme hatte, die verschiedenen Charaktere auseinanderzuhalten. Welche von ihnen hatten mir selbst entsprochen, welche waren vorgeschoben gewesen?

Tante Tipas Stock fuhr mir unsanft zwischen die Rippen. »Ich sehe dich ungern in grüblerischer Laune, Beuteterraner. Konzentrier dich gefälligst auf deine Aufgabe.«

Sie hatte Recht. »Wie lange noch?«, fragte ich.

»Wir werden euch in der nächsten Stunde ausschleusen. Die REVENGE ist startklar.«

Die REVENGE. Eine von der Piratin zur Verfügung gestellte Luxusjacht zweifelhafter Herkunft. Damit würde ich standesgemäß auf Sadik landen können.

»Du weißt, was du zu tun hast?«

»Wir bleiben in unmittelbarer Nähe«, bestätigte mir die Piratin. »Über die Funksatelliten, die ihr im Orbit über Sadik ausschleust, halten wir den Funkkontakt aufrecht. Im Notfall rufen wir über Decaree USO-Einsatztruppen herbei. Keine Angst – ich kenne lediglich jene Kodierungen, mit denen ich deine liebreizende Vertreterin über Umwege erreiche. Auch wenn ich zu gern wüsste, wo sich Quinto-Center befindet.«

Ich erwiderte nichts auf die indirekte Frage. Der Standort von USO-1, jenem ausgehöhlten Asteroiden, war eines der größten Geheimnisse der bekannten Milchstraße. Und solange es nach mir ging, würde es das auch bleiben.

»Was ist mit der Besatzung der REVENGE?«, hakte ich nach.

»Was soll schon sein? Die Jungs sind handverlesene Elitepiraten. Eine derart tolle Crew hast du niemals zuvor gehabt.«

»Oje …«

Tante Tipas Gesicht lief knallrot an. »Auf deine Frechheiten kann ich gut und gern verzichten! Jetzt verschwinde gefälligst aus meiner Zentrale und komm mir nicht mehr unter die Augen, bevor du deinen Auftrag erfüllt hast!«

Sie gab einem bislang stumm dastehenden Epsaler ein Zeichen. Der kaum 1,60 Meter große Kerl setzte sich in Bewegung, kam auf mich zu und schubste mich mit seinem Körper, der fast ebenso breit wie hoch war, vor sich her durch das Schott.

Der Abgang, den mir Tipa Riordan verschaffte, sollte also blamabel verlaufen. So hatte es die alte Vettel entschieden.

Ich lächelte den Epsaler so entspannt wie möglich an, während sich das Schott zwischen uns schloss. Vielleicht hätte ich den Umweltangepassten mithilfe einiger Dagor-Griffe in Verlegenheit bringen können, vielleicht auch nicht. Es würde der Zeitpunkt kommen, da ich es drauf ankommen ließ, um mir ein wenig mehr Respekt unter dieser Piratenhorde zu verschaffen. Aber nicht hier und nicht heute. Ich unterdrückte jenen Hauch von Zorn, der mich gepackt hatte, und marschierte zurück zu den Kabinen. Der Einsatz begann in wenigen Minuten.

Kapitel 3

 

 

Die Neuordnung der Heimat ging schnell vor sich. Drei Generationen lang hatte sich das Volk mit grundsätzlichen Planungen und einer Absicherung seiner Lebensumstände befasst. Nun, in den nächsten Tagen, würde der Startschuss zum Beginn der planetenweiten Umformung fallen.

Paritaun betrachtete die Pläne, die vor ihm lagen. Erst vor fünf Jahren war die Kartierung der Heimat ganz abgeschlossen worden. Neue Gedankenkonstrukte hatten initiiert, neue Techniken zur Praxisreife entwickelt werden müssen.

Es fiel ihnen schwer, Dinge, die sie theoretisch lösten, dann auch in die Tat umzusetzen. Befanden sich irgendwelche Schalter in ihren Köpfen, die nicht richtig schlossen oder lösten?

»Binnen einer Zehnjahresfrist haben wir uns die Heimat Untertan gemacht«, sagte Zermaut, sein Freund und Lebensgefährte.

»Und was geschieht dann?«, fragte Paritaun.

»Ich verstehe nicht.«

Paritaun blickte durch das Fenster. Sumpftrasten grasten friedlich vor sich hin. Ab und zu jaulten sie. Die Tiere warteten darauf, so wie jeden Tag gemolken zu werden. Ihre Domestizierung hatte vor sechzig Jahren begonnen.

»Das Volk hat sich ein klares Ziel gesetzt«, sagte er. »Mögliche Probleme wurden einkalkuliert, die Risiken punktgenau berechnet. Alles, was wir vorhatten, wird so geschehen, wie es geplant ist. Wir grenzen unseren Lebensraum von jenem anderer Fleischfresser ab und sichern damit unseren Fortbestand. Das Volk setzt sich an die absolute Spitze der Nahrungskette. Und zwar so weit oben, dass wir den Kampf des Lebens in den Sümpfen, den Bergen und Wüsten der Heimat aus unseren Überlegungen ausschließen werden können. Wie du sagtest, haben wir dieses Ziel in zehn Jahren erreicht. Was aber, so frage ich dich, machen wir dann? Bleiben wir in unseren selbst gewählten Reservaten sitzen und harren der Dinge, die da kommen? Verkommen wir zu sinnentleerten Figuren, die mit ihrer Existenz nichts mehr anzufangen wissen?«

Zermaut betrachtete ihn prüfend. »Du bist ein Anhänger der ›fürchtigen Philosophen‹? Du glaubst, dass geistige Inaktivität zur sofortigen Degeneration, zum Rückfall in ein tumbes Dasein führen könnte?«

»Ist denn der Kampf ums Dasein nicht unsere wichtigste Triebkraft? Kann das Volk überleben, wenn es keinen Antrieb mehr besitzt?«

»Damit sollten wir uns erst beschäftigen, wenn das Ziel erreicht ist. Bis dahin müssen wir uns mit ganzer Kraft auf die Arbeit konzentrieren.«

Paritaun zögerte mit seiner Erwiderung. »Da hast Recht«, sagte er schließlich. »Und jetzt gehen wir nochmals alle Parameter durch.«

Zermaut nickte ihm erleichtert zu.

Paritaun wusste, dass sein Freund definite Antworten liebte. Zweifel waren ihm ein Gräuel. Insgeheim würde er sich selbst Gedanken machen, wie es nach dem Ende der Kultivierung ihrer Heimat weitergehen könnte. Er musste verhindern, dass sie in ein tiefes schwarzes Loch fielen, sobald ihre Aufgaben erledigt waren. Es bedurfte weitreichender, tiefschürfender Überlegungen, die mit ihrem künftigen Lebensstil in Einklang standen, um ein Überleben zu sichern, das in Jahrtausenden messen würde.

Kapitel 4

 

 

Sadik war der dritte von fünf Planeten. Bei den beiden äußeren handelte es sich um jupiterähnliche Riesen mit atmosphärischen Bedingungen, die kein wie auch immer geartetes Leben zuließen. Auf den beiden inneren Gesteinskugeln brannten ewige Feuer. Dank ihrer exzentrischen und nahe am Muttergestirn vorbeiführenden Bahnen glühten sie immer wieder auf. Es mochte vielleicht noch fünf oder sechs Jahrzehntausende andauern, dann würden sie ausgebrannt sein und das ohnehin labile Gefüge des Sadik-Systems vollends aus dem Ruder laufen lassen.

Ich wandte mich von den Datenkolonnen, die über die Bildschirme an meinem Kommandantenplatz ratterten, ab und musterte unseren Zielplaneten über die optische Erfassung am Panoramaholo. Wenige, meist zerrissene Wolkenschleier umspielten die hellbraun marmorierte Kugel. Über dem Nordpol hatte sich das Auge eines massiven Sturms gebildet, entlang der virtuellen Äquatorlinie hatte ich freie Sicht auf zwei Kontinente.

»Aspirk und Theonie«, murmelte Ohm Santarin neben mir. »In der heimischen Mythologie präsentieren sie gewissermaßen Yin und Yang. Wenn du die einzelnen Landzungen und Halbinseln betrachtest, wirst du bemerken, dass sie sich in seltsamer Weise umarmen und scheinbar zärtlich miteinander spielen.«

Ich versuchte, diese mit vor Rührung heiser vorgetragene Liebeserklärung an die Heimat nachzuvollziehen. Ja – man konnte erkennen, dass Aspirk und Theonie irgendwann einmal eine Einheit gebildet hatten, wie der irdische Gondwana-Kontinent, und durch nicht unübliche thermische Aktivitäten irgendwann einmal auseinandergerissen worden waren.

»Wo bist du geboren?«, fragte ich ihn.

»Inmitten des großen Nirgendwo«, antwortete er. »In einer Wüstenstadt, deren Wohl und Wehe von Nahrungsmittellieferungen über Containerstraßen abhängig war. Man schürfte Erz dort, dessen minimaler Gehalt an hyperkristallisierter Beimengung uns ein halbwegs einträgliches Geschäft bescherte. Die Bewohner von Lipa verkauften rundgeschliffene Steine als Glücksbringer.«

Ich hatte von Lipanesen gehört und mehrmals welche in Händen gehalten, ohne allzu viel mit den banalen Schmuckstücken anfangen zu können. In niederen arkonidischen Ständen symbolisierten sie den Willen zu Aufstieg und Erneuerung.

»Wir haben niemals darüber geredet, warum du von Sadik verschwunden bist.«

»Verschwinden musstest«, verbesserte mich Ohm.

»Du scheinst eine seltsame Begabung zu besitzen, jedermann in deiner Umgebung zu reizen und dich selbst in Schwierigkeiten zu bringen.« Plötzlich flammten Bilder und Erinnerungen in mir auf, die noch frisch und keineswegs verarbeitet waren. Die Schweißöde kam mir in den Sinn, der Kampf in der Arena gegen Spinnen und Raubkatzen und unsere kurze Zusammenarbeit mit Flakio Tasamur, dem ehemaligen Thakan von Lepso, mit dem Ohm Santarin ein äußerst gespanntes Verhältnis gepflegt hatte.

»Ich meinte, gehört zu haben, dass es dir ab und zu ähnlich erging«, unterbrach der junge Arkonide meine Gedanken mit seiner kratzigen Stimme, ohne auf meine Frage einzugehen. Seine Augen tränten. Die Wiederkehr in seine Heimat schien ihn emotionell sehr zu berühren.

»Touché«, murmelte ich.

»Wie bitte?«

»Verzeih mir, Ohm. Ich meinte, dass du Recht hättest. Auch ich habe es nicht immer geschafft, der Stimme der Diplomatie zu gehorchen.«

Wir standen da, starrten schweigend auf den immer größer werdenden Planeten, während der Mond Kira in unser Blickfeld geriet. Seine Größe war beeindruckend. Mit 6430 Kilometern Äquatordurchmesser war er ungefähr so groß wie der Mars, während Sadik im Vergleich mit der Erde einen um 3000 Kilometer größeren Durchmesser aufwies. Ich konnte mir vorstellen, dass die beiden Körper heftig miteinander reagierten, verzichtete aber vorerst darauf, mir von der Schiffspositronik weitere Daten herunterbeten zu lassen.

Was war auf Sadik zu tun?

Die Unterlagen über die Tyarez beschaffen, sodass wir möglicherweise die Koordinaten von Camouflage herausfiltern können. Und das Geschlecht der da Onur rehabilitieren, fasste der Extrasinn unsere Aufgabe in zwei Sätzen zusammen.

Gart da Tromin, der Patriarch seines Khasurn, herrschte absolut. Das Material, das mir zur Verfügung stand, sagte nicht viel über das Wesen des Patriarchen aus. Kaltblütig sei er und er gebe sich niemals eine Blöße. Bloß wenige Arkoniden hätten ihn während der letzten Jahre zu Gesicht bekommen; die meisten entstammten dem in vielfältige Geschäfte verwickelten Familienclan. Der älteste Sohn, Ziabad, 55 Jahre alt, dränge in die Führungsrolle. Auch Anelle, seine dritte und überaus ehrgeizige Frau, sei begierig auf eine wichtigere Rolle im wirtschaftlichen Geflecht der da Tromin …

Du denkst zu kompliziert!, rügte mich der Extrasinn. Lass all diese Intrigenspiele aus deinen Überlegungen heraus. Das Ziel muss sein, die Unterlagen zu beschaffen. Das Problem der da Onur kann auch zu einem späteren Zeitpunkt gelöst werden. Möglicherweise reicht ein simpler Einbruch im Khasurn.

… wenn ich denn wusste, wo die Unterlagen versteckt gehalten wurden! Vielleicht existierten sie ja auch gar nicht mehr; aber daran wollte ich derzeit nicht einmal denken. Zumal ich begriff, welch großen Wert der arkonidische Adel auf Heraldik, Genealogie und ähnliche Dinge legte.

»Ein Kommandant der Wachflotte will Sie sprechen, Patriarch«, unterbrach Zippo Gull, der terranische Pilot der REVENGE, meine Gedanken.

»Legen Sie ihn mir auf den Bildschirm«, verlangte ich.

Sekunden später blickte ich einem typischen Kolonialarkoniden in die Augen. Er wirkte hoch konzentriert.

»Was wollen Sie auf Sadik, Patriarch?«, fragte er, ohne die üblichen Formen der Höflichkeit zu beachten.

»Geschäfte machen, mein Freund«, antwortete ich. »Es geht um Lizenzrechte, die ich von Sadik erwerben möchte. Ich übermittle Ihnen gerne die Basis-Unterlagen …«

»Tun Sie das, Patriarch«, unterbrach er mich schroff. »Folgen Sie anschließend den Kennungen, die Ihnen soeben übermittelt werden. Machen Sie sich während der nächsten Stunden auf eine Überprüfung durch eine Lotsenmannschaft bereit.«

»Ich protestiere gegen diese …«

»Sie wollen Geschäfte machen – also halten Sie sich an die Bedingungen, die Sadik Ihnen diktiert. Andernfalls fordern wir Sie auf, uns nicht weiter mit Ihrer Gegenwart zu belästigen und Ihr Glück woanders zu suchen.«

Die Verbindung war unterbrochen.

»Jetzt weiß ich, dass ich zu Hause angekommen bin«, sagte Ohm Santarin und grinste müde.

 

Im Grunde genommen war ich dem namenlosen Offizier der sadikschen Wachflotte nicht böse. Er hatte wach und aufmerksam gewirkt und mich mit jener typischen arkonidischen Arroganz behandelt, die im Großen Imperium gegenüber Angehörigen anderer Völker lange Zeit üblich gewesen war.

Das Große Imperium ist seit dem Jahr 2115 terranischer Zeitrechnung Geschichte, flüsterte mir der Extrasinn zu. Du und ich waren nicht ganz unbeteiligt am Ende dieser Epoche.

Ja. Glanz und Glorie der Arkoniden hatten in einem schmerzhaften Niedergang geendet, der von widerlicher Dekadenz begleitet gewesen war. Ich hatte dem Ganzen ein abruptes Ende gesetzt.

Die Wehrhaftigkeit, mit der mir der junge Offizier von Sadik begegnete, erinnerte jedoch an andere Zeiten. An … bessere Zeiten?

»Sie träumen«, konstatierte Aizela da Onur. Sie drehte ihren Sitz in meine Richtung. Sinnend betrachtete sie mich. Runzelfalten erschienen auf der sonst so glatten, jugendlichen Stirn.

»Es ist die Bürde des Alters«, sagte ich leichthin. »Immer wieder werde ich mit Erinnerungen aus der Vergangenheit konfrontiert. Ich hoffe, Sie verzeihen?«

Verwirrt zuckte sie mit den Schultern. Natürlich wusste sie von der Aktivierung meines Extrasinnes und den internen Zwiegesprächen, die ich immer wieder führte. Aber es fehlte ihr die Reife, um die Konsequenzen meines unsterblichen Daseins und meiner einmaligen Situation zu verstehen.

»Schickt die vorbereiteten Daten an die Wachflotte!«, befahl ich Zippo Gull. »Wir machen dieses Spiel mit. Die Lotsen werden an Bord gelassen. Ich hoffe, die Besatzung ist auf diese Situation vorbereitet?«

»Selbstverständlich«, antwortete der Pilot mit Verwunderung in der Stimme. »Tipa Riordan hat uns über unseren Auftrag genauestens instruiert. Es kann nichts schiefgehen.«

Es kann nichts schiefgehen …

Aus dem Terraner sprach jene Hochnäsigkeit, die seinem jungen und doch so alten Volk eigen war. Er kannte keine Zweifel. Er wusste, dass alles funktionieren würde. Und er besaß grenzenloses Vertrauen in die alte Piratenhexe, die ihn und seine zwölfköpfige Crew zu diesem Einsatz abkommandiert hatte.

Ich wandte mich ab, wollte mich wieder dem Studium der Planetendaten widmen. »Haben Sie Angst, Zippo, dass etwas schiefgehen könnte?«, fragte ich, bevor ich mich in die mittlerweile bereitliegenden Schreibfolien vertiefte.

»Angst?« Er sah mich verwundert an. »Selbstverständlich fürchte ich mich vor einem Versagen. Wenn ich diesen Auftrag versaue, kommandiert mich die Chefin in ihr Schlafzimmer ab. Brrr …« Zippo Gull bleckte seine vorstehenden Zähne und zwinkerte mir vertraulich zu, als wäre ich einer seiner besten Kumpels.

Terraner.

Sie waren der Eiter im Geschwür auf dem riesigen Hintern des Universums, und ich liebte sie.

 

Auf Terra schrieb man den 3. April 3102. In Terrania City ging soeben die Sonne auf; hier hingegen dämmerte es. Die Anpassung an die jeweilige Planetenzeit gehörte zu den unangenehmsten Dingen, denen sich ein Raumfahrer stellen musste. Ich würde mich wohl nie vollends daran gewöhnen, auch wenn ich mich auf die vitalisierende Wirkung des Zellaktivators verlassen konnte.

Drei Frauen in dunklen Uniformen geleiteten Aizela, Ohm und mich über eine Serie von Laufbändern in eine riesige Wartehalle. Sie sprachen kaum, gaben wenig bis gar keine Auskunft darüber, was uns im Zollgebäude erwartete.

Nun – ich hatte mir bereits ein Bild von der Situation auf Sadik gemacht. Die Sippe der da Tromin regierte offen – und das mit einem absolutistischen Anspruch. Mehr als 800 Anverwandte waren geschickt über Stadt- und Planetenparlamente, über die Schutzflotte und insgesamt 37 weitere Lehensplaneten verteilt. Der Anschein von Demokratie, der nach außen hin erweckt werden sollte, übertünchte die wahren Geschehnisse auf Sadik nur mangelhaft.

Ich kannte Bilder wie diese allzu gut. Feudalismus und Zentralismus vermengten sich in arkonidischen Kleinreichen oftmals mit unglaublichem Reichtum der oberen Zehntausend zu einem Knäuel von Intrigen und Scheinkämpfen, dem lediglich mit einem energisch geführten Schwerthieb beizukommen war.

»Hier hinein«, sagte eine der Frauen und wies uns den Weg.

Wir betraten einen schmalen Gang. Zwei Naats standen Wache; drei Meter hohe, fette Gestalten mit borkiger und dunkler Haut. Sie verhielten sich ruhig auf ihren Positionen, während wir an ihnen vorbeimarschierten.

Sie sind Wüstengeschöpfe und an große Schwerkraft gewöhnt, wisperte mir der Extrasinn zu. Sicherlich fühlen sie sich wohl in der Tageshitze Sadiks.

Mich irritierte ihre Anwesenheit dennoch. Schließlich musste man Naat-Söldner heutzutage teuer bezahlen. Sie hatten sich von arkonidischer Beeinflussung weitgehend losgesagt und ab dem 25. Jahrhundert begonnen, eigene Kolonien zu gründen. Die Zeiten, in denen sie billiges Frontmaterial in den vielen Schlachten Arkons darstellten, waren endgültig vorbei.

Der Gang endete. Rechts von uns blinkte ein Licht auf. Ich betrat den Raum, ohne anzuklopfen.

»Eli Pattri?«, fragte ein ungewohnt korpulenter Arkonide.

Er erhob sich von seinem Arbeitsplatz und kam mit ausgestreckten Armen auf mich zu, als wollte er mich überschwänglich begrüßen.

»Ja – das bin ich«, sagte ich mit einer abwehrenden Bewegung. »Ich muss allerdings sagen, dass ich diese seltsame Behandlung nicht verstehe …«

»Wollen Sie mir bitte Ihre Begleiter vorstellen?« Der Dicke war stehen geblieben. Er hatte nur noch Augen für die Arkonidin an meiner Seite. Wir hatten noch an Bord der REVENGE einige geringfügige kosmetische Veränderungen an ihr und meinem jugendlichen Begleiter vorgenommen, ihre Vornamen jedoch beibehalten. Es handelte sich um Allerweltsnamen, die millionenfach im ehemaligen arkonidischen Großreich vorkamen.

Niemand, so hoffte ich, würde Querverbindungen zu der Sippe der da Onur oder einem ehemaligen Bürger Sadiks namens Santarin ziehen.

»Aizela und Ohm da Gonozal. Cousin und Cousine vierten Grades. Meine Geschäftspartner. Seit geraumer Zeit miteinander verlobt.«

»Verlobt?« Sein freundliches Lächeln verrutschte etwas. »Jaja, die Heirat innerhalb der Familie verstärkt die Blutsbande, nicht wahr?« Er wandte sich ab, umkreiste den vollgeräumten Schreibtisch, ließ sich in sein schweres Sitzmöbel fallen. »Mein Name ist Debakil, meines Zeichens stellvertretender Zollamtsleiter dieses prachtvollen Raumhafens.«

Wenn ich bislang jeglichen Gedanken an Gefahr beiseitegeschoben hatte, so läuteten nunmehr alle Alarmglocken. Der zweitmächtigste Mann von Meotan-Hafen würde sicherlich nicht jeden beliebigen Händler empfangen. Irgendetwas stimmte mit unserer Tarnung nicht …

»Ich sehe, wie es in Ihnen arbeitet, Patriarch«, sagte der Fettleibige. »Sie wundern sich über die Anteilnahme, die Ihnen zuteil wird? Sie machen sich allerdings umsonst Sorgen. Die Planetenregierung Sadiks und ihre großzügigen Allväter der da Tromin achten lediglich auf einen reibungslosen Ablauf ihrer Geschäfte.«

Vorsicht!, warnte mich der Extrasinn. So nichtssagend dieser Debakil auch erscheinen mag – ein jedes Wort, das er sagt, ist von besonderer Bedeutung.

»Sadik und seine assoziierten Planeten«, so führte der Beamte weiter aus, »machen seit geraumer Zeit gute Geschäfte mit dem Handel von Erzen, die von unseren Flotten in Zentrumsnähe der Milchstraße gefördert werden.« Er strahlte mich an, zeigte ein pausbäckiges Lächeln und wischte mit einem parfümierten Tüchlein den Schweiß unter seinem hellblonden Haaransatz ab. »Langfristige Förderverträge binden uns an Geschäftspartner aus allen Teilen der Galaxis und umgekehrt. Blues, Akonen, Terraner – sie alle werden fair beliefert. Und stets achten wir darauf, uns jeglicher politisch missverständlichen Stellungnahme zu enthalten. Darauf beruht unsere vom Khasurn der da Tromin gesegnete Gesellschaft.«

Aizela neben mir ballte die Hände. Ihr Hass auf die da Tromin, die ihrer Sippe die Herrschaft über Sadik genommen hatte, kochte unvermittelt hoch. Hoffentlich wurde diese Reaktion nicht von zweifelsohne vorhandenen Spionsonden erfasst.

»Was wollen Sie uns sagen, Debakil?«, fragte ich ungeduldig. Ich konnte dieses Gerede nicht ausstehen.

»Stabilität ist alles. Änderungen sind uns auf Sadik ein Gräuel.« Er vertiefte sein Lächeln. »Vor allem, wenn sie scheinbar von einem Planeten mit äußerst zweifelhaftem Ruf herangetragen werden.«

»Wenn Sie auf Lepso als meinen Geschäftssitz anspielen, so seien Sie versichert, dass ich diesen Planeten lediglich aus steuerlichen Gründen bewohne. Meine Geschäftsmethoden sind über jeden Zweifel erhaben, wie Sie sicherlich erkennen werden, wenn Sie meine Unterlagen durchblättern.«

»Das habe ich bereits, mein guter Freund. Ich konnte nichts Verwerfliches finden; da gebe ich Ihnen Recht.« Er erhob sich ächzend, kam neuerlich auf mich zu. »Ihr Ersuchen auf eine Zweitschürflizenz wird von den zuständigen Behörden sicherlich mit allem Wohlwollen begutachtet werden, und mich persönlich würde es sehr freuen, einen neuen Freund für Sadik zu gewinnen. Ich möchte Sie allerdings darüber informieren, dass nicht jedermann derart liberal wie ich eingestellt ist. Wären Sie damit einverstanden, wenn ich Ihnen einen meiner persönlichen Mitarbeiter für die Dauer Ihres Aufenthalts zur Seite stellen würde?«

»Natürlich«, sagte ich mit zusammengepressten Zähnen. »Ihr freundliches Angebot ehrt uns.«

»Dann sei es so.« In rascher Abfolge drückte er mehrere unter seinem linken Ärmel verborgene Sensoren. Ein akustisches Signal erklang als Bestätigung dafür, dass er das Gespräch über unbekannte Systeme protokolliert hatte. »Ich würde mich freuen, Sie und Ihre charmanten Begleiter morgen zu einem Dinner in meinem bescheidenen Heim begrüßen zu dürfen.« Debakil reichte mir aus seiner Jackentasche einen kreisrunden Chip. »Ich werde Ihnen dort Ihren Verbindungsoffizier vorstellen und Sie gleichzeitig mit hochrangigen Persönlichkeiten der sadikschen Öffentlichkeit bekannt machen. Man wird für Ihre Anliegen sicherlich ein offenes Ohr haben.«

»Zu freundlich«, sagte ich und nickte knapp. »Wir werden kommen.«

Ich drehte mich um, wartete, bis Aizela und Ohm den Raum verlassen hatten, und marschierte ihnen schließlich nach einem weiteren Gruß in Richtung des Beamten hinterher.

Ich hatte soeben eine unmissverständliche Warnung erhalten, auf typisch arkonidische Art verklausuliert und verbunden mit einem Abschiedsessen. Man wollte mit Fremden wenig bis gar nichts zu tun haben. Ich sollte so rasch wie möglich verschwinden und mich niemals wieder blicken lassen, so hieß die eigentliche Botschaft.

 

Wir hatten also einen Tag, um unser weiteres Vorgehen in Ruhe zu beratschlagen. Ich konnte lediglich mutmaßen, ob uns Debakil diese Frist bewusst gesetzt hatte.

»Wir sollten nach den Regeln unserer … Freunde spielen«, begann ich das Gespräch in meiner Kabine an Bord der REVENGE. »Selbst wenn wir einen Wachhund an die Seite gestellt bekommen, so haben wir dennoch die Möglichkeit, bei diesem Empfang ein paar honorige Herrschaften kennenzulernen. Vielleicht ergeben sich Möglichkeiten, unseren Aufenthalt auf Sadik zu verlängern.«

»Wir sollen uns mit diesem neureichen Pöbel abgeben?«, fuhr Aizela auf. »Man will uns demütigen und so rasch wie möglich abschieben.«

»Ich gebe Aizela Recht«, sagte Ohm. »Ich besitze noch ein paar Kontakte in der Umgebung meiner ehemaligen Heimatstadt …«