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Meus Anima, meus Vita Alexander

Meus Cor, meus Vita Maximilian

Mit freundlicher Unterstützung von

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Andreas Lipp

Satuku

träumt vom Meer

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© 2017 Andreas Lipp

Illustrationen: Marion Auer

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN

Paperback: 978-3-7439-2301-0
Hardcover: 978-3-7439-2302-7
e-Book: 978-3-7439-2303-4

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Inhalt

Vorwort

1. Eine neue Nacht beginnt

2. Bindadur`s Geschichten

3. Die Blütezeit

4. Der Ausflug zum Boden

5. Neue Bekanntschaften

6. Eine Nacht ohne Satuku

7. Tag oder Nachtaktiv

8. Bindadur und Matiba

9. Museka greift an

10. Der Tote Baobab

11. Die Oase

12. Freunde und Feinde

13. Nicht aufgeben

14. Nicht alles ist so wie es scheint

15. Auf der Spur

16. Alleine unterwegs

17. Das Wiedersehen

18. Das Meer

19. Heimreise

20. Wieder daheim

Vorwort

Was passiert, wenn ich einmal nicht mehr da bin? Oder besser gesagt, was passiert mit meinen Kindern wenn ich nicht mehr lebe? Wie schaffe ich es, sicher zu stellen, dass ich meinen Kindern die Werte übermitteln kann, die mich im Leben prägten?

Diese Gedanken waren die Triebfeder, um diese Geschichte zu verfassen. Nicht, dass ich je vorhätte, meinem Leben frühzeitig ein Ende zu setzen, aber man kann schließlich vorher nicht wissen, wann es Zeit ist, zu gehen. Sollte dies in den ersten Lebensjahren meiner Kinder passieren, so würde die Erinnerung an mich nicht nur mit Laufe der Zeit verblassen, sondern noch viel wichtiger, all meine Mühen, ihnen vor zu leben, wie man das Leben Lebenswert gestalten könne, wären umsonst.

In der Geschichte geht es darum, den Mut zu finden, für seine Träume einzustehen, sich nicht unterkriegen zu lassen und um die Definition von Liebe. Die Liebe zu sich selbst und zu den Menschen, die einem die Welt bedeuten.

1. Eine neue Nacht beginnt

Ein langer Tag neigte sich dem Ende zu. Die glühende Sonne verlor allmählich an Kraft und ehe sie hinter den weit entfernten Bergen verschwand und sich zu ruhe legte, strahlte sie noch einmal hell auf, berührte ein letztes Mal die Steine und Bäume, wanderte über den Boden hinweg und wurde immer kleiner, bis sie schließlich vollends verschwand. Das war das Zeichen für die Elefanten, sich in der Gruppe zu versammeln und ihr Nachtlager aufzuschlagen. Auch die Löwenmama sammelte Ihre kleinen ein und kuschelt sich mit ihren Babys hinter einem Strauch. Schon bald war es Mucksmäuschen still und alle schliefen. Alle?

Ein kleines Rascheln war zu hören, so leise das es in der weite der Südafrikanischen Wüste fast verstummte. Doch da! Wieder ertönte dieses Rascheln. Nur jetzt war es lauter als zuvor. Und noch einmal! Es kam von einem Nahegelegenen Baobab, auf dem schon bald reges Treiben herrschte. Es waren die Galagos, kleine Äffchen mit weit abstehenden Spitzohren, wollig weichen Fell, großen Klubschaugen und einen langen dünnen Schwanz. Eine ganze Kolonie von ihnen bewohnte diesen Baobab und hatte sich in den Baumhöhlen eingenistet. Jetzt in der Blütezeit, wo der Baum ein schönes grünes Blättergewand trug, hatten sich einige von ihnen in Blätternestern ein gemütliches Zuhause geschaffen.

Die Gemeinschaft befand sich in heller Aufregung. Es wurden Blätter zusammen getragen, Baumhöhlen geräumt um Platz zu schaffen und viele weitere Vorkehrungen wurden getroffen. Es war nämlich mit dem heutigen Tage vier Wochen her, seit der Baobab sein schönes, saftig grünes Kleid bekommen hatte.

Und genau in diesem Zeitraum begannen auch die schmackhaften Blüten zu blühen, die von den Galagos so gerne verspeist wurden. Die Blütezeit war zwar mit Vier Wochen recht lange, so dass man glauben könnte, sie hätten genug Zeit für die Ernte, doch jede Blüte blühte genau Vierundzwanzig Stunden und nur in diesem Zeitraum konnte man das Fruchtfleisch und die Samen pflücken. Das besonders Tolle daran war aber, dass die Früchte ohne großes Risiko gepflückt werden konnten. Außerhalb der Blütezeit mussten die kleinen Galago Äffchen sich das Futter von entfernten Büschen klauben oder aus der Erde ausgraben.

Die Äffchen waren recht klein und am Boden konnten sie sich vergleichsweise nur langsam fortbewegen, was sie zu einem gefundenen Fressen für die Löwen aber auch für Hyänen machte. Darum wurde es, wenn möglich gemieden den Baum zu verlassen, denn auf den Ästen war man schnell wie der Wind.

Die Galagos sprangen ganz einfach von Ast zu Ast, schneller als sonst ein Tier klettern konnte, und so schafften sie es jeden Feind zu entwischen. Die einzigen die man fürchten müsste waren Geier, doch waren die im Anflug zu langsam für die wendigen Tierchen. Die Galagos sahen sich als eine große Gemeinschaft und so wurde das gesammelte an alle gerecht verteilt. Jedoch musste auch jeder seinem Beitrag leisten.

Es gab zum Beispiel Jäger, das waren diejenigen die am Boden und auch am Baum für die Nahrungssuche zuständig waren. Dann gab es noch Sammler, die hatten die meiste Arbeit während der Blütezeit. Natürlich gab es auch Wasserträger oder Schaber, die die Rinde abschälten umso an das darunter liegende Wasser des Baumes zu kommen. Wobei man immer vorsichtig mit den Ressourcen umging, da man ja auf den Baum angewiesen war, als Lebensraum und auch als Nahrungsquelle. Aufpasser durften natürlich auch nicht fehlen, genauso wie ein Oberhaupt namens Mendoza und wie könnte es anders sein, es gab es auch Lehrer! Die Schulen hatten auch eine fixe Uhrzeit an dem der Unterricht begann, vorausgesetzt natürlich das die Kinder auch erschienen.

Das bringt uns zu den kleinen Satuku. Satuku lebte mit seiner Mama Asafi und seinem Papa Matiba in einem der Blätternestern. Matiba wollte lieber in den Baumhöhlen bleiben, da die Nester nur mühsam zu bauen waren und nach der Blütezeit immer mehr verfielen, bis sie irgendwann nicht mehr bewohnbar waren. Danach mussten sie mit Sack und Pack wieder zurück in die Höhle. Satuku hatte aber seinen Papa so lange sekkiert, bis dieser nachgegeben hatte.

Das kleine Äffchen wollte den Sternen so nah wie nur möglich sein. Er träumte von der unendlichen Weite der Wüste, von den weit entfernten Bergen und dem unwirklichen Meer. Zumindest konnte sich Satuku nicht vorstellen das es so etwas wie das Meer gab. Hier war ein großer Teil der Gesellschaft damit beschäftigt, Wasser aufzutreiben und am Meer, von diesem Ort er bisher nur gehört hatte, soll Wasser einfach so am Boden herum liegen. Soweit das Auge reichte, bis zum Ende des Horizontes.

Aber zu dem später mehr. Mama Asafi war gerade damit beschäftigt, Satuku aus dem Bett zu bekommen. Der kleine Galago war ein Langschläfer, der es in der Früh nicht eilig hatte, ins Bett zu kommen aber am Abend nur schwer aus diesem wieder hinaus zu bekommen war. Papa Matiba war schon längst aus dem Haus um zu arbeiten, doch Satuku lag noch regungslos im Bett.

Asafi hatte ihn geküsst, angestupst, an der Nase gekitzelt, ins Ohr geblasen und in die Hände geklatscht. Doch der Nachwuchs reagierte auf keine dieser Versuche. Das Frühstück wurde angerichtet und der Duft von warmen Früchten stieg dem Knirps in die Nase und siehe da, zaghaft öffnete sich das erste Auge einen Spalt weit, um dann ganz geöffnet zu werden. Schon folgte ihm das zweite nach und Satuku war auf einmal hellwach. Er sprang aus dem Bett, striegelte sich hastig das Fell und hopste zum Küchentisch. Mama schmunzelte, drückt dem Nachwuchs einen Schmatz auf die Stirn und stellte den Becher mit frischem Wasser auf dem Tisch. Schon voller Vorfreude auf die Schule und seine Freunde, schmiedete Satuku einen Plan für den Tag. Auch gab es so viele Fragen, die ihm auf der Zunge brannten und die er Lehrerin Sanene stellen wollte. Er ging gerne zur Schule, nur hatte er manchmal das Gefühl, das die Lehrerin seinen Fragen über die Welt und das Meer aus dem Weg ging. Das Aufwachen bereitete Satuku einige Schwierigkeiten, doch nach dem ersten Biss vom Frühstück kam sein Körper langsam auf Touren. Die Früchte wurden mit Genuss zerkaut und mit einem Schluck wohligen Wasser die Kehle hinuntergespült. Nachdem der Teller leergefegt und der letzte Tropfen aus dem Becher ausgeschlürft war, drehte sich Satuku zu seiner Mama um, zog die Mundwinkel zu einem Schmollmund hinunter und fragte >>Duu, Mamaaa?<<

Asafi wusste natürlich schon was jetzt kommen würde, da der Knirps jeden Tag mit derselben Frage einläutete. >>Ja mein Kind?<<

ließ sie über die Lippen gleiten.

>>Kann ich nach der Schule Papa bei der Arbeit besuchen?<<

Ohne die Antwort seiner Mutter abzuwarten plätschert er los.

>>Ich möchte so gerne Abenteuer erleben und sehen was so alles am Boden herumwuselt. Ich möchte mit den Löwen Ringen, Schlangen zu Knoten zusammenbinden, Tausendfüßler die Schuhe ausziehen und den Hyänen die Schneid abkaufen.<<

Schließlich gehörte Satuku`s Papa Matiba zu den Jägern in der Gemeinschaft.

>>Papa’s Arbeit ist sehr gefährlich. Er riskiert sein Leben um Futter für die Gruppe zu sammeln. Das ist kein Abenteuer sondern ein großes Risiko. Wenn er ein Raubtier sieht, muss er so schnell wie möglich das weite oder den nächste Baum suchen, damit er nicht gefressen wird.<<

Satuku hörte seiner Mama gar nicht zu.

>>Ich wäre für alle ein Held und würde die tollsten Dinge erleben.<<

>>So genug geträumt.<<

Unterbrach Asafi Ihren Sohn und brachte ihn in die Realität zurück.

>>Die Schule wartet und selbst die größten Helden müssen dahin!<<

Schnell den Mund abgewischt, die Schultasche umgehängt, ein Bussi von Mama abgeholt und schon war Satuku bei der Tür hinaus, artig Richtung Schule unterwegs. Er kletterte das Nest hinunter, am Ästchen entlang bis zur Astgabelung, von dort weiter rechts dem langen Ast entlang Richtung Stamm. Von hier ging es dem Weg weiter ein Stückchen höher zu den oben gelegenen Baumhöhlen. Die Siedlung war nahezu leergefegt, da schon alle Erwachsenen Galagos bei der Arbeit und die meisten Kinder schon auf dem Weg zur Schule waren. Satuku war immer einer der letzten der zur Schule kam, wenngleich er es meist noch vor Unterrichtsbeginn schaffte. Es gab eigentlich nur einen Sprössling, der schwerer aus dem Bett zu bekommen war und das ist Saktuku’s Freund Kadogo. Kadogo’s Eltern waren eifrige Arbeitstierchen und mussten zeitig aus dem Haus. Sie weckten den kleinen zwar bevor sie das Haus verließen, doch zeitgleich wie die Türe zufiel, fiel auch Kadogo wieder wie ein Stein ins Bett auf dem Weg zum Land der Träume. Darum war Satuku so etwas wie der Wecker seines Freundes. Er läutete beharrlich solange bis der Langschläfer aus dem Bett kroch und wartete Geduldig bis Kadogo angezogen und Abmarschbereit war. Satuku nahm es locker, da er sich schon daran gewöhnt hatte, dass dies etwas länger dauern konnte. Der Umstand das Kadogo eigentlich immer daran schuld war, das man mal zu spät zum Unterricht kam, ärgerte ihn zwar, doch nachdem sein Freund alles etwas ruhiger und chilliger anging, hatte er das mittlerweile akzeptiert.

>>Morgen!<<

kam es lakonisch von Kadogo’s Lippen, nachdem er schlürfenden Schrittes seine Füße vor die Haustür setzte und diese hinter sich zu fallen ließ. Man setzte sich zaghaft in Bewegung und aus dem watscheln wurde nach kurzer Zeit sogar so etwas wie gehen. Plötzlich wurde der leeren Körperhülle Kadogo’s Leben eingehaucht und seine Roboterartige Bewegungen erhielten einen natürlichen Anschein. Er lächelte, biss vom Samenkorn, das er als Frühstück to Go bei sich trug, ab und fing noch bevor das gekaute die Kehle hinunter flutschte an zu Reden.

>>Alder, weist was ich heut Nacht geträumt hab?<< Satuku wusste aus Erfahrung das sein Freund nicht auf eine Antwort wartete und zuckte daher nur mit den Achseln.

>>Ich lieg also in dieser schönen saftigen grünen Wiese, denk an nichts Böses und auf einmal erscheint ein Muzungu vor mir. Er kniet sich hinab zu mir, lächelt mich an und stellt mir einen saftigen Teller voller Früchte vor die Füße. Während ich mein Mahl genieße, streichelt und frisiert der Muzungu mich. Ich muss mich um nichts kümmern, alles erledigt er für mich. Wenn Sanene kommt und mich tadelt, das ich nicht zum Unterricht erscheine, dann scheucht er sie fort und alle halten mich für den vollen Checker!<< Muzungus sind Menschen, genauer gesagt eigentlich weiße Menschen, wobei die Galagos das nicht unterscheiden. In diesem Fall waren es Afrikaans, die in einer Siedlung im Südafrikanischen Distrikt Uasin Gishu wohnten. Die nächste Siedlung der Menschen war etwa Zwanzig Kilometer vom Baobab entfernt in der Wildnis, doch ab und zu verirrte sich ein Mensch in diese Gegend. Keiner in der Gemeinschaft hatte je schlechte Erfahrungen mit Ihnen gemacht, nichts desto trotz haben die Galago’s Respekt vor den Menschen.

>>Hmm<< setzt Satuku zur Antwort an.

>>Wenn ich so einen Muzungu Freund hätte, dann würde ich ihm bitten, mir die Welt zu zeigen. Ich würde mich auf seine Schulter setzen und gemeinsam würden wir Berge besteigen und bis zum Meer könnten mir Wandern. Ich möchte es unbedingt kosten und auf in ihm schwimmen!<< verfiel er in einen Wunschtraum.

>>Ach du und deinen Fabeln<< entgegnete ihm Kadogo.

>>So viel Wasser das man sich darauf bewegen kann, also schwimmen wie dein Freund das nennt, wo wir hier doch um jeden Tropfen kämpfen müssen! Und außerdem ist so eine Wanderung beschwerlich und für was überhaupt? Letzten Endes wird es dort auch nichts anderes geben als hier. Unmengen an Sand! Ich bleibe lieber hier und genieße das Leben mit meinem Muzungu Freund!<<

Kadogo war kein Freund von Abenteuern. Er genoss lieber das Leben, lies sich treiben und was sich außerhalb des Baobab und seiner Umgebung abspielte, konnte ihm eigentlich gestohlen bleiben. Wenngleich Satuku diese Diskussion schon oft geführt hatte, nicht nur mit seinem Freund, sondern eigentlich mit allen in der Gemeinschaft denen er seine Träume erzählt hatte, so erzürnte Satuku der Starrsinn dem er begegnete, wie er fand, jedes Mal aufs Neue. Seine Eltern hatten noch am ehesten Verständnis für die Träumereien, waren aber auch der Meinung, er solle sich auf die Schule konzentrieren und auf das was er einmal werden wollte. Satuku`s Antwort darauf war immer das er Abenteurer und Entdecker werden wollte, was sowohl von Matiba als auch Asafi mit einem Seufzer zur Kenntnis genommen wurde. Der Rest der Gemeinschaft stand dem schon deutlich ablehnender Gegenüber. Vor allem dem Anführer Mendoza waren solcherlei Träumereien ein Dorn im Auge. Galt es doch das Überleben der Gruppe zu sichern und nicht mit wirren Gedanken Unruhe zu stiften. Das alles war Satuku egal. Er glaubte an die Geschichten die ihm der Nilflughund erzählt hatte.

>>Das ist kein Blödsinn! Bindadur war dort! Er hat das Meer und die Berge mit seinen eigenen Augen gesehen!<<

Kadogo sah das eher skeptisch und sagte >>Dieser Fliegende Hund erzählt dir ja nur diese Geschichten, damit du ihm beim Pflücken der Samen hilfst! Wenn das Mendoza erfährt, dass du die Gruppe verratest und diesem Vogel hilfst uns die Samen zu stehlen! Die Früchte wachsen auf unserem Baum und darum haben wir Anspruch darauf und nicht so ein dahergeflogener, der auch noch Lügen erzählt!<<

Satuku verteidigte seinen Freund.

>>Ich glaube daran und du könntest das ruhig akzeptieren!<<

>>Du weißt doch das mir das egal ist und ich dich nie bei Mendoza verraten würde. Allein schon weil ich diesen aufgeblasenen Kauz nicht leiden kann. Der will doch auch nur das wir alle Schuften bis wir umfallen.<<

Mittlerweile hatten die beide das Schulgelände erreicht und standen vor dem Riesigen Blättergewölbe, in dem sich die Klassenzimmer befanden. Bevor Satuku etwas darauf entgegnen konnte, schrillte die Grille, die auf einem erhöhten Ast saß und damit den Schulbeginn einläutete auf und die zwei Freunde mussten sich beeilen, doch noch rechtzeitig zum Unterricht zu erscheinen, um so gerade noch einer Rüge zu entgehen.

2. Bindadur`s Geschichten

Lehrerin Sanene erklärte gerade wie wichtig es sei, im Einklang mit dem Baobab zu leben, seinen Zyklus zu akzeptieren und sich an die Gegebenheiten anzupassen. Das gehörte zu dem langweiligen Teil im Unterricht. Satuku war mehr an den praktischen Lernstunden interessiert, also diejenigen die im freien stattfanden. Was der Baum alles für Eigenheiten hatte und wie man darauf am besten lebte, entrang ihm nur ein Gähnen. Interessanter war, wie man vom Baum am besten runter kam! Er wollte die Welt sehen, wollte wissen wie groß die Berge, die von hier aus am Horizont wie kleine Sanddünen aussahen, in Wirklichkeit waren. Satuku wollte wissen ob die Geschichten wahr waren, die Bindadur erzählt hatte. Der Nilflughund berichtete noch über saftig grüne Wiesen soweit das Auge reichte, über Bäume die das ganze Jahr über Blätter trugen und... über das Meer!

Das faszinierte Satuku am meisten. Soviel Wasser, dass der Boden gänzlich damit bedeckt war! Man konnte darauf schwimmen oder sich einfach treiben lassen. Es musste das Paradies sein! Darin lebten Lebewesen, die sich nur im Wasser bewegen konnten, Bindadur nannte sie Fische. Sie hatten Flossen, das waren Fächerförmige Füße und Hände mit denen sie sich schneller fortbewegen konnten. Es gab sie klitzeklein, nicht größer als der Kopf eines Ausgewachsenen Galagos, und Riesengroße, fast noch größer als ein Baobab. Satuku sah verträumt aus dem Fenster, beobachtete die Nilflughunde, die jetzt nun vermehrt um die Baobab`s in der Umgebung kreisten und fragte sich, ob Bindadur schon unter Ihnen war. Seit zwei Tagen waren Schwärme der Nilflughunde in diese Gegend zurückgekehrt und erwarteten die Blütezeit. Sie kreisten umher und nisteten sich in anderen unbewohnten Affenbrotbäumen ein. Sobald die Blütezeit vorüber war, verschwanden sie auch wieder und zogen ins nächste Gebiet weiter. Ein Grund warum Satuku unbedingt jedes Jahr in die Blätternester übersiedeln wollte, war das er sich so besser davon stehlen konnte, um sich mit seinem Freund an der Spitze eines Astes zu treffen. Bisher war der Nilflughund noch nicht aufgetaucht, doch da die Blütezeit unmittelbar bevor stand, war sein eintreffen nur eine Frage der Zeit. Satuku konnte sich nur schwer auf den Unterricht konzentrieren, der gerade außerhalb seiner Wahrnehmung, aber im selben Raum stattfand. Zu groß war die Freude auf das Wiedersehen mit Bindadur und die neuen Geschichten, die er mitzunehmen pflegte.

>>Also, um das soeben gelernte zu wiederholen, wie alt muss ein Affenbrotbaum werden, um das erste Mal Früchte tragen zu können?<<

Sanene rief diese Frage laut in den Raum, beobachtete die Reaktion der Kinder und schritt in Richtung der letzten Reihe, als sie merkte dass da jemand dem Unterricht nicht folgte.

>>Satuku!<< Schrie die Lehrerin fast schon.

>>Kennst du die Antwort auf diese Frage?<<

Das es fast mehr wie ein Vorwurf klang, als eine Frage. Satuku, der jäh aus seinem Tagtraum gerissen wurde, schreckte hoch, sodass sein Oberkörper nun steif aufgerichtet war und riss die Augen auf. Das einzige was ihm in der Eile über die Lippen kam, war ein schrilles >>Häää?<< In der Klasse breitete sich Gelächter aus, sodass der kleine Galago am liebsten unter dem Tisch verschwinden mochte.

>>Tut mir leid, meine kleine Schlafmütze, aber das ist keine Korrekte Antwort!<<

Zischte Sanene und bewegte sich ohne weitere Worte zu verlieren, wieder nach vorne in Richtung Tafel. Das Lachen der Mitschüler begleitete sie dabei, bis dem ausgelassenen toben mit einer strengen Handbewegung schließlich Einhalt geboten wurde. Satuku schlug die Hände über seinen Kopf zusammen und ließ diesen auf dem Tisch sinken. Der Unterricht wurde unterdessen fortgesetzt, wobei die Lehrerin von Zeit zu Zeit zu Satuku hinüberblickte, um sich zu vergewissern das dieser auch Aufpasste. Kadogo saß gleich neben seinem Freund, er beugte sich zu hinüber und flüsterte ihm ins Ohr

>>Sie ist doch selber schuld daran, dass keiner Aufpasst, wenn sie dauernd uninteressantes Zeug labbert.<< versuchte er ihn aufzumuntern.

Der Restliche Schultag verlief unspektakulär. Satuku war bemüht nicht mehr aufzufallen und versuchte zumindest den Eindruck zu erwecken, dass er aufpasste und mitmachte. Sanene ließ die wichtigsten Punkte vom Lernstoff unentwegt von der Klassengemeinschaft laut wiederholen, wobei Satuku immer brav mitsummte, fühlte er sich doch bei jeder Lippenbewegung beobachtet. Danach war Mitternachtspause. Im unteren Teil des großen Schulnest Areals, zwischen zwei kräftigen Astgabeln, wurden große Blätter zusammengebunden und über die Äste wie ein einziger Riesiger Teppich gespannt. Darauf hatten alle Kinder ausreichend Platz. Die beiden Freunde verspeisten zusammen das mitgebrachte Mitternachtsmahl und ließen sich anschließend auf dem weichen Untergrund sinken. Die zwei legten sich auf den Rücken, verschränkten die Arme hinter Ihrem Kopf um damit einen Polster zu bilden und blickten zwischen den unzähligen Blättern und Ästen über Ihnen hinauf zu dem Sternenklaren Himmel. Den Trubel von den spielenden Kindern ringsherum hörten sie jetzt kaum noch, nur ein leises Rauschen, nicht mehr als ein Nebengeräusch, drang zu ihnen durch. Kadogo, mittlerweile völlig entspannt, drehte seinen Kopf zu Satuku hinüber, seufzte und sprach

>>Du, wir könnten heute nach der Schule bis ganz hinauf auf die Baumkrone klettern, bis zum Aussichtsturm. Und wenn wir ganz oben sind...<<

Kadogo ließ sich für die letzten Worte besonders viel Zeit, umso die Spannung zu erhöhen.

>>Spucken wir runter! Und wer es weiter schafft der hat gewonnen!<<

Kadogo grinste. Er war stolz auf seine Erzählkunst, wie er das geplante Abenteuer dramatisch geschildert hatte. Satuku musste ja fast platzen vor Aufregung und die Ausführung des Planes kaum erwarten können. Als er jedoch von seinen Tagträumen abließ und wieder auf seinen Kumpel blickte, sah er keine helle Freude und auch keine Begeisterungsstürme. Satuku blickte ganz cool drein, gluckste hörbar und meinte nur

>>Ich weiß nicht, wir haben heute nach Mitternacht Turnen mit Lehrer Koos. Der lässt uns sicher wieder Baumschwingen und Ast Weitsprung üben. Und zufrieden ist er erst wenn alle Kinder vollkommen erschöpft sind.<<

Lehrer Koos war ein eifriger, aber recht kleiner Galago für einen Erwachsenen. Er trug einen kleinen Schnauzer, den er seit seiner Jugend hatte, den er zwar von Zeit zu Zeit stutzte, aber noch nie rasiert hatte. Der Sportlehrer meinte es sehr ernst mit der Fitness der Kinder. Schließlich mussten die kleinen ja auch für den Ernstfall gerüstet sein.

Außerdem fehlten ihm schon einige Haare am Kopf. Diese hatte er aber im Kampf gegen einen garstigen Pavian verloren und war nicht, wie allgemein behauptet wurde, aus Alters gründen kahl. Zumindest war das seine Version. Paviane überragten die kleinen Galagos doch um einiges, außerdem hatten sie viel kräftigere Arme, weshalb man ihm keinen Glauben schenkte. Von diesem Umstand machten die Paviane aber auch gerne Gebrauch, wenn es um die Früchte des Baobabs ging. Das Pflücken war sehr mühsam und wie wir wissen, war die Ernte mit viel Wartezeit verbunden, da man ja den Zeitpunkt abpassen musste bis die Pflanze blühte. Daher ließen die Paviane den Galagos die Arbeit machen und wenn alles geerntet war, holten sie sich „Ihren Anteil“ wie sie es nannten. Im Gegenzug wurden die kleinen Affen von Ihren großen Verwandten das restliche Jahr in Ruhe gelassen. Bis jetzt hatte es noch kein Galago gewagt, sich gegen die Paviane aufzulehnen, da diese einfach zu stark für sie waren. Koos behauptete aber genau das getan zu haben und mit der Düpierung dafür bezahlt zu haben.

Er behauptete auch weiter, dass er einen von Ihnen dabei sogar Verletzt hätte und dass sie nicht unbesiegbar seien. Wenn sich nur alle aus der Gemeinschaft zusammenschließen würden, könnten diese Bösen Affen gemeinsam fort gejagt werden.

Bei dem Kampf gab es aber leider keine Zeugen und so wollte ihm niemand diese fantastische Geschichte glauben. Dabei war Koos ein großer Krieger, soweit man das von einem Galago behaupten konnte. Zumindest war er Teil der hoch angesehenen Truppe der Bodenjäger. Ihre Aufgabe war ungemein gefährlicher als die der Baumjäger. Obwohl beide Trupps nach Früchten oder kleinen Insekten suchten, gab es am Erdboden weit mehr und vor allem weit gefährlichere Wildtiere als in den oberen Baumwipfeln und in der Baumkrone. Die Baumjäger mussten lediglich die Geier fürchten, vor denen konnten sie sich aber mit kräftigen, weiten Sprüngen leicht in Sicherheit bringen. Dagegen mussten die Bodenjäger auf der Hut vor Löwen, Hyänen, Paviane, Schlangen und auch vor Elefanten sein. Diese fraßen zwar keine Affen, doch wenn eine Herde von Ihnen stampfend über die Steppe jagte, mussten die Tapferen Jäger Acht geben, um nicht zertrampelt zu werden.

Koos war unter den Jägern sehr angesehen, zumindest bis zu jenen Tag, als er mit zerzaustem Fell und kahlen Kopf von einem Streifzug zurückkam. Als er von seinem Erlebnis berichtete, erklärte man ihn kurzerhand für verrückt und als er den Aufstand gegen die Paviane forderte und sich Mendoza der Anführer dagegen entschied, wollte Koos das nicht hinnehmen. Mendoza führte ein strenges Regiment und so ahndete er den Ungehorsam indem er seinen einstigen ersten Jäger kurzerhand seines Amtes enthob.