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Nick Fancher arbeitet als Porträt- und Werbefotograf, gibt Trainings und schreibt Bücher. Seine Spezialität sind innovative Lichtkonzepte, die er mit minimalem Einsatz von Hardware und an den unkonventionellsten Orten umsetzt. Seine Arbeiten finden Sie auf nickfancher.com.

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Nick Fancher

Hartes Blitzlicht

Kreative Looks für kleine Sets

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Nick Fancher

Übersetzung: Christian Alkemper, alkemper.com

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

ISBN:

1. Auflage 2017

Authorized translation of the English 1st edition of Studio Anywhere 2: Hard Light © 2017 by Nick Fancher, ISBN: 978-1-68198-226-7. This translation is published and sold by permission of Rocky Nook, Inc., the owner of all rights to publish and sell the same

Die vorliegende Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung der Texte und Abbildungen, auch auszugsweise, ist ohne die schriftliche Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und daher strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen.

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Dieses Buch ist all jenen gewidmet, die sich auf dem Weg zur Erfüllung ihrer Träume von Hindernissen nicht aus dem Tritt bringen lassen. Geht immer weiter, kämpft immer weiter. Lasst euch nie reinreden. Blickt nicht zurück. Und hört niemals auf zu lernen.

Danksagung

Ich möchte mich zunächst bei Valerie Witte und den Leuten bei Peachpit Press bedanken, die dieses Projekt von Anfang an unterstützt haben. Leider wurde das Projekt aufgrund der Umstrukturierungen bei Pearson, dessen Tochterunternehmen Peachpit ist, gecancelt. Ted Waitt von Rocky Nook möchte ich dafür danken, dass er einen nahtlosen Übergang des Projekts von der Entwurfs- in die Produktionsphase ermöglicht hat.

Ohne die Unterstützung meiner Frau Beth hätte ich dieses Projekt nicht realisieren können. Ebenfalls zu Dank verpflichtet bin ich meiner Lektorin Linda Laflamme, meinem Grafiker Holly Beal Malone und meinem Korrektor Aaron Taylor, die mir alle sehr bei diesem Buch geholfen haben. Ferner Kim Scott bei Bumpy Design und Lisa Brazieal, Projektleiterin bei Rocky Nook. Ihr alle habt dafür gesorgt, dass dieses Buch in Sachen Inhalt und Gestaltung makellos wurde.

Schließlich möchte ich mich auch bei allen Lesern meines ersten (nur im US- Original erhältlichen) Buches Studio Anywhere bedanken. Euer Enthusiasmus über mein Buch hat meine Erwartungen mehr als übertroffen. Taggt eure Bilder auch weiterhin mit #studioanywhere, damit ich sehen kann, was für Ideen ihr habt und umsetzt. Dafür lohnt es sich einfach.

Nick

Inhalt

Einleitung Warum eigentlich hartes Blitzlicht?

Hartes oder weiches Licht?

Der große Hype ums Licht

Schall und Rauch

Blitzlicht entschleiert

Unterwegs mit leichtem Gepäck

Gezielter Lichteinsatz

Kapitel 1 Mit dem arbeiten, was da ist

Das Reich der Lichter

Nichts für Weicheier

Spaß mit Jalousien

Kapitel 2 Den Blitz in Form bringen

Blitz auf einem Blitzschuh

Am Fenster

An der Wand

Möglichkeiten für Lichtformer

Positionierung von Blitzen

Abwechslung ist das halbe Leben

Szene gestalten #1

Kapitel 3 Ausgewogenes Umgebungslicht

Draußen – am Tag

Drinnen – am Tag

Drinnen – am Abend

Draußen – am Abend

Profitipp: Fotografieren mit dem Smartphone

Kapitel 4 Lichtspiel über Bande

Geld auf der Bank

Wenn es eng wird

In Form kommen

Szene gestalten #2

Kapitel 5 Sonnensimulation

Ätherisches Licht

Blendenflecken (Lens Flare)

Wie Sie alles aus einem Blitz herausholen

Weitgehend niederschlagsfrei

Profitipp: Inspiration finden

Kapitel 6 Lange Belichtungszeiten

Perkussives Licht

Licht wie gemalt

Szene gestalten #3

Kapitel 7 Malen mit Schatten

Der Turmbau zu Gabel

Noch mehr Schatten

Profitipp: Festanstellung oder Freiberufler?

Kapitel 8 Folienfilter (Gels)

Farbtheorie

Anaglyph 3D

Additive Farbmischung

Szene gestalten #4

Kapitel 9 Gobos

Gobos basteln

Das richtige Gobo finden

Profitipp: Einen Hintergrund projizieren

Epilog

Und wie geht’s jetzt weiter?

Szene gestalten: Die Antworten

Index

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Einleitung

Warum eigentlich hartes Blitzlicht?

Zum Einstieg möchte ich zunächst einmal sagen, worum es in diesem Buch nicht gehen wird: wir werden uns hier nicht ausschließlich der reinen Lehre des harten Blitzlichts widmen. Zwar liegt der Schwerpunkt in diesem Buch auf Szenarios, in denen hartes Blitzlicht zum Einsatz kommt, aber es werden auch Situationen beschrieben, in denen die Kombination mit einer weichen Lichtquelle oder die Weichzeichnung eines eigentlich harten Lichts eine wesentliche Rolle spielen. Sie brauchen mich also nicht extra auf dieses »Versehen« hinzuweisen. Zweitens: Dieses Buch ist keine Gebrauchsanleitung. Ganz ehrlich: Ich lese solche Anleitungen eigentlich total selten. Sogar an Aufbauanleitungen von Ikea, die ja reich bebildert sind, verschwende ich keinen Blick. Ich lasse mich lieber auf eine Sache ein und versuche, selbst herauszufinden, wie die Dinge funktionieren. Was Sie aber in diesem Buch finden werden, ist eine Ansammlung von Techniken, Hacks und Tipps, die ich entweder selbst entwickelt oder im Laufe der Jahre aufgeschnappt habe. Sie bauen auf den Methoden auf, die nur im als US-Original erhältlichen Vorgängerbuch Studio Anywhere beschrieben wurden.

Warum ich so selten Anleitungen lese? Nun, ich bin ein extrem ungeduldiger Mensch. Wenn ich mir ein neues Gerät zulege, dann deswegen, weil ich mir darüber Gedanken gemacht und mich schon eine Weile damit beschäftigt habe. Und wenn dann der Paketbote kommt und es bringt, dann habe ich wahrlich besseres zu tun, als mich in eine Lektüre zu vertiefen. Da heißt es Verpackung aufreißen, Batterien rein und loslegen. Häufig begehe ich dabei Fehler, übersehe eine wichtige Funktion oder mache Dinge in der falschen Reihenfolge und muss deswegen wieder von vorne beginnen.

Ein solcher planloser Arbeitseinsatz ist sicher nicht jedermanns Sache, aber ich kann auf diese Weise Dinge so tun, wie es mir liegt, und dabei habe ich schon manches wunderbare und unkonventionelle Verfahren entdeckt.

Was Sie in diesem Buch auch nicht finden, ist die ultimative Einkaufsliste für Must-Have-Gear, das Sie sich im Zweifelsfall ohnehin nicht leisten können. Und dieses Buch ist auch kein erschöpfender Leitfaden zum Thema hartes Blitzlicht.

Stattdessen stelle ich mir vor, dass Hartes Blitzlicht diejenigen Informationen enthält, die ich gerne als Beilage für meinen ersten selbstgekauften Blitz gehabt hätte: teils eine Anleitung, teils eine Sammlung von Konzepten und Techniken, deren Entwicklung und Perfektionierung Jahre gebraucht hat. Die in diesem Buch beschriebenen Techniken beziehen sich in erster Linie auf Szenarios mit hartem Blitzlicht. Hartes Blitzlicht, gänzlich ohne Lichtformer. Aber es wird hier auch noch um anderes gehen. Zum Beispiel darum, wie man das Licht eines nackten Systemblitzes verändert, diffuser macht und formt. Überlegen Sie mal: Wenn Sie in jedem beliebigen Szenario nicht mehr bräuchten als ein oder zwei Systemblitze, am besten noch ohne Lichtformer, dann könnten Sie sich Ihr Assistententeam und die vielen unfassbar teuren Lampen und Softboxen sparen, die Sie bislang für Ihre Aufnahmen eingesetzt haben. Klingt gut? Dann lesen Sie doch weiter.

Hartes oder weiches Licht?

Vorlieben sind subjektiv. Dasgiltvorallem im Zusammenhang mit den Bedürfnissen eines Kunden. Manche Kunden lieben spontane und ungestellte Aufnahmen, andere wiederum bevorzugen eher umfassend nachbearbeitete und komponierte Bilder. Der Chef der Kreativabteilung wünscht sich natürliches Licht, während sein Vorgänger etwas anderes als Studiobeleuchtung gar nicht in Erwägung zog. Ich habe gelernt, dass man es sich in seiner kleinen Ecke der Branche nicht zu bequem machen und es auch nicht persönlich nehmen sollte, wenn ein Kunde es sich nach dem Betrachten der ersten Vorabaufnahmen anders überlegt. Vielleicht war zuerst hartes Licht gefordert, aber dann gefielen die damit einhergehenden Schatten nicht. Und schlussendlich lande ich bei einer Softbox, die zusätzlich noch durch einen großen Diffusor strahlt – also bei extrasuperduperweichem Licht.

Einer meiner Stammkunden ist Jeni’s Splendid Ice Creams, ein ursprünglich in Columbus, Ohio, heimischer Hersteller von hochwertigem Speiseeis, der allerdings im Laufe der letzten zehn Jahre über das ganze Land expandiert hat. Jeni’s buchte mich, damit ich mithilfe meiner Fotos die Marke aufwertete. Zunächst zeigte man mir das Bildmaterial, das man bis dahin zu Werbezwecken eingesetzt hatte. Das waren wirklich schöne und solide Arbeiten. Nun wollte das Unternehmen aber eine neue Richtung einschlagen. Sie mochten meine lebhaften Farben und die harten Schatten und fanden, dass wir gemeinsam ein starkes Team bilden könnten (was dann auch so war). Nun geht es aber beim Shooting nie darum, dass ich mit der Ausleuchtung einfach so nach persönlicher Tagesform improvisiere. Ich habe nämlich festgestellt, dass eben manchmal doch schönes weiches Licht gewünscht ist. Ich stelle also dem Kunden beim Setup die Möglichkeit für hartes und weiches Licht zur Auswahl – aus zeitlichen, finanziellen, ästhetischen oder kulinarischen Gründen.

Mein Setup sehen Sie in Abbildung 0.1. Von links strahlt ein Blitz ohne Lichtformer, der mir das harte Licht liefert. Ferner benutze ich das Einstein-Beleuchtungssystem von Paul C. Buff (rechts) in Verbindung mit einer Softbox. So entsteht das weiche Licht. Abbildung 0.2 ist eine Aufnahme mit hartem Licht. Beachten Sie die schwarzen, klar abgegrenzten Schatten, die zwischen den Objekten eine Menge Platz einnehmen und den blauen Bereich deutlich einschränken. Der Schatten wird hier zum Stilelement. Dagegen ist das mit weichem Licht aufgenommene Bild in Abbildung 0.3 fast schattenlos. Das Ergebnis ist ein blauer Hintergrund, der den gesamten Bereich im finalen Bild belegt. Mir persönlich gefällt das mit hartem Licht aufgenommene Bild besser. Was meinen Sie?

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Abbildung 0.1 Setup für eine Produktfotoreihe bei Jeni’s Ice Cream. Bei jedem Bild bot ich je eine Variante mit hartem Licht (von der linken Seite) und weichem Licht (rechts) an.

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Abbildung 0.2 Aufnahme mit hartem Licht. Die klar abgegrenzten Schatten erweitern das Bild um ein Element: Der blaue Untergrund zwischen den Objekten wird kleiner, das Bild wirkt voller.

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Abbildung 0.3 Aufnahme mit weichem Licht. Die Schatten sind weniger stark ausgeprägt, teils sogar nicht vorhanden. Der blaue Hintergrund nimmt mehr Raum ein.

Der große Hype ums Licht

Broncolor oder Profoto? Fender oder Gibson? Lamborghini oder Ferrari? Welches Spielzeug, welche Software, welche High-End-Technologie ist die beste, um genau solche Aufnahmen hinzubekommen, wie sie mein Lieblingsfotograf macht?

Das ist eine Denkweise, die viele Fotografen, Musiker und überhaupt Fans teilen. Klar, High-End-Gear ist eine tolle Sache. Mit Profoto- wie auch mit Broncolor-Lampen bekommen Sie eine hochwertige und leistungsstarke Beleuchtung, mit der sich Profi-Models in superschicker (und superteurer) Kleidung ausnehmend gut in Szene setzen lassen. Aber wie oft braucht man Systeme eines solchen Kalibers eigentlich? Die Frage sollte nicht lauten, welches kaum erschwingliche High-End-Lichtsystem Sie unbedingt kaufen müssen, sondern vielmehr: »Habe ich das Potenzial meiner aktuellen Ausrüstung bereits voll ausgespielt?«

Ich bin schon öfter gefragt worden, warum ich mich für einen solchen minimalen, quasi »hardwarefeindlichen« Ansatz entschieden habe, wo doch andere Fotografen immer ein gutes Wort für die neueste Hardware übrig haben. Nun, diese Entscheidung habe ich weder aus moralischen Gründen noch aus einer Notwendigkeit heraus getroffen – es ist schlicht eine Frage der persönlichen Vorliebe. Ich reise gerne mit leichtem Gepäck und arbeite am liebsten allein. Eine umfassende Ausrüstung will transportiert, gelagert und natürlich auch bezahlt sein. Nein, danke. Das war übrigens keine Entscheidung, die ich über Nacht getroffen habe, sondern die sich über viele Jahre hinweg herauskristallisiert hat, in denen ich nur mit den Geräten arbeiten konnte, die ich mir leisten konnte.

Als ich mich 2007 selbstständig machte, hatte ich an Equipment nur eine Canon 20D, einen 430 EX-Blitz (der keinen Synchronkabelanschluss hatte, sodass man ihn ohne einen Blitzschuhadapter nicht einmal entfesselt nutzen konnte), ein wirklich schrottiges Kit-Objektiv (18–55 mm, f/3.5–5.6) und ein weiteres Objektiv von Sigma (70–200 mm, f/2.8, ohne Bildstabilisator). Nehmen wir nun an, ich wollte eine Aufnahme mit entfesseltem Blitz machen. In solchen Fällen habe ich meine Kamera auf ein Stativ gestellt, dann eine lange Belichtung eingestellt und bin dann zum Motiv gegangen, um den Blitz manuell auszulösen (der Ansatz ähnelt dem bekannten Lightpainting). Das war alles andere als ideal, aber ich lernte so die Grenzen meiner Ausrüstung kennen. Zudem hatte ich auf diese Weise viel Zeit, um darüber nachzudenken, was für Geräte ich mir als Nächstes anschaffen würde.

Wenn Ihre Augen nicht in Ordnung sind, sieht alles, was Sie betrachten, unscharf und diffus aus. Gleiches gilt auch für Kameraobjektive. Deswegen entschied ich mich als erstes für die Anschaffung eines neuen Objektivs. Ich verkaufte mein Kit-Objektiv und erstand für das Geld ein (gebrauchtes) 24-70L. Damit war ich im Geschäft. Die Qualität meiner Bilder erhöhte sich beträchtlich. Im nächsten Schritt holte ich mir ein paar (erschwingliche) Blitze mit Funkmodulen, damit ich nicht mehr mit dem Blitzgerät in der Hand durch die Gegend laufen und darauf hoffen musste, dass es dunkel genug für eine lange Belichtungszeit war. Ich entschied mich für LumoPro LP160-Blitze, kaufte davon gleich zwei und nahm noch drei PocketWizard-Funkmodule dazu. Das Ganze kostete mich 600 US-Dollar, was seinerzeit für mich eine ganz schöne Stange Geld war.

Mit zuverlässiger Beleuchtung und hochwertiger Optik erkannte ich bald, dass der Kamerasensor – ein Crop-Sensor im APS-C-Format mit 8 Megapixeln – mir nicht das bot, was ich brauchte. Trotz gutem Licht und einem guten Objektiv konnte meine Kamera nicht mit anderen, aktuellen Bodys auf dem Markt mithalten. Allerdings konnte ich mir damals ganz gewiss keine Canon 5DII leisten, die gerade erschienen war. Deswegen holte ich mir eine 40D. Auch diese Kamera hatte einen Crop-Sensor im APS-C-Format, aber die Qualität war ein bisschen besser, und weil ich immer mehr bezahlte Fotosessions machte, brauchte ich etwas Zuverlässigeres – ganz zu schweigen von einem zweiten Kameragehäuse, damit ich im Notfall ein Ersatzteil hatte.

Sieben Jahre sind seitdem vergangen und heute habe ich die für mich ideale Ausrüstung, die aber wohl kaum mit dem Setup irgendeines anderen Fotografen identisch sein dürfte. Sie ist absolut mein Ding und perfekt auf meine Bedürfnisse zugeschnitten. Hätte ich damals, als ich mich selbstständig machte, einfach einen 10.000-Dollar-Kredit aufgenommen und mir einen Haufen Geräte gekauft, die von anderen Leuten als Must-Haves gepriesen wurden, dann hätte ich diese gesamte Lernphase wohl übersprungen. Meine Art, Fotos zu machen und Licht zu setzen, unterscheiden sich erheblich von den Ansätzen anderer Kollegen, denn ich hatte Zeit, zu wachsen und mich zu entwickeln. Und durch diesen Lernprozess konnte ich herausfinden, dass ich nur zwei Festbrennweiten brauche und Aufsteckblitze statt großer Studioblitze bevorzuge. Bei den seltenen Gelegenheiten, bei denen ich enge Innenbereiche fotografiere, leihe ich mir ein 16–35-mm-Objektiv aus, und für Fotos von kleinen Produkten (z. B. Schmuck) miete ich ein 100-mm-Makroobjektiv und stelle dem Kunden die Kosten für die Ausleihe in Rechnung.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Studioblitze wie etwa von Profoto sind fantastisch, aber sie sind Luxus, keine Notwendigkeit. Natürlich bieten sie eine konsistente (hohe) Ausgangsleistung und Farbtemperatur, und würde ich nur im Studio fotografieren, dann wäre ein Profoto-System perfekt. Tatsächlich habe ich sogar etwa ein Jahr lang ein solches besessen. Als ich genug Geld verdient hatte, um es mir leisten zu können, kaufte ich mir ein Acute2-Paket mit zwei Blitzköpfen. Ich war begeistert von den neuen Möglichkeiten, die diese Power mit sich bringen würde. Ich freute mich wahnsinnig darauf, Porträts bei Tageslicht schießen und die Sonne durch die hohe Blitzleistung buchstäblich in den Schatten stellen zu können. Allerdings hatte ich nicht nur das Problem, dass ich ein 5-Kilo-Akkupack zusätzlich zur bereits knapp 13 Kilo schweren Beleuchtung mitschleppen musste, sondern es störten auch die Zuleitungen von den Akkupacks zu den Blitzen. Ohne Verlängerungskabel konnte ich die Blitze nur knapp etwas über drei Meter vom Akkupack entfernt aufstellen, und diese Verlängerungskabel brachten zusätzliches Gewicht und zusätzliche Kosten mit. Außerdem lagen dann überall Kabel herum und ich brauchte einen Assistenten, um die ganze Ausrüstung durch die Gegend zu schleppen, die einschließlich Ständer und Sandsäcken (aber ohne Kamera und Objektive) fast 50 Kilo auf die Waage brachte. Ich musste also einen Assistenten anheuern, der Geld kostete, Planungerforderte und zudem noch meine Spontanität einschränkte (ich bin eher der Typ, der mit dem Finger auf dem Auslöser quer über das Set läuft).

Nachdem ich festgestellt hatte, dass dieses riesige Beleuchtungssystem mich eher behindert als unterstützt, verkaufte ich es und erwarb ein paar gebrauchte Canon 430EX Speedlites mit RadioPopper-Funkauslösern, die mir den Einsatz der High-Speed-Synchronisation (HSS) erlaubten. Das war die mobile Variante von »gegen die Sonne anblitzen« und plötzlich konnte ich mich beim Fotografieren wieder total frei bewegen. Weil ich jetzt Aufsteckblitze statt der großen Studioblitze einsetzte, konnte ich diese überall auf- und problemlos umstellen und in Sekundenschnelle das passende Licht für eine Aufnahme schaffen.

In der Zwischenzeit hat Profoto die tragbaren B1- und B2-Systeme herausgebracht. Der B1 ist ein 500-Ws-Blitzkopf mit integriertem Akku, während der B2 250 Ws hat und aus einem kleineren Kopf in der Größe eines Systemblitzes und einem abgesetzten kleinen Akkupack besteht. Um mir über die Möglichkeiten klar zu werden, die mir portable Beleuchtung heute bietet, habe ich einen Vergleich zwischen dem Profoto B1 und dem Cactus RF60-Blitz durchgeführt (Abbildung 0.4). Zwar bringen die Profoto-Lampen tatsächlich einen stärkeren Output, aber ich bevorzuge trotzdem die Cactus-Blitze. Warum? Nun, dafür gibt es mehrere Gründe. Da wäre zunächst einmal die Größe. Der Platz, den ein B1 im Kamerakoffer einnimmt, reicht für vier Cactus-Blitze aus. Zweitens: Licht- und Schattenqualität. In Abbildung 0.5 sehen Sie die SOOC-Datei (Straight Out of Camera), die ich mit den Profotos gemacht habe: vom Licht her eigentlich okay, aber die Schatten sind zu weich. Vergleichen Sie das einmal mit den kühlen und knackigen Schatten in Abbildung 0.6, in der ich die Cactus-Blitze eingesetzt habe. Wenn ich also mit wirklich hartem Licht arbeiten möchte, ist der Sieger wohl eindeutig.

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Abbildung 0.4 Ich wollte wissen, was mit portablen Blitzen heute möglich ist, und verglich deswegen den Profoto B1 mit einem Cactus RF60.

Eine Sache, auf die ich noch hinweisen möchte: Bei den Cactus-Blitzen ist die Lichtverteilung selbst bei 24 mm nicht so breit wie bei den Profoto-Systemen. Außerdem entspricht der Betrieb der Cactus bei maximaler Blitzenergie dem Einsatz der Profotos etwa auf Stufe 8,4. Sie werden diese nicht die ganze Zeit unter Volllast verwenden können, ohne dass es zu zahllosen Fehlauslösungen kommt. Ich bevorzuge Einstellungen von etwa einem Viertel der maximalen Blitzenergie (Einstellung 1/4) oder noch weniger, um die Nachladezeit möglichst klein zu halten. Das ist vor allem bei Indoor-Sessions unproblematisch, weil ich hier den ISO-Wert ein bisschen anheben kann, um mit einer kleineren Blende arbeiten zu können, ohne dass dies die Bildqualität beeinträchtigen würde. Schwieriger wird es erst, wenn viel Umgebungslicht vorhanden ist, das unterdrückt werden soll. In diesem Fall machen die leistungsfähigeren Profotos die Aufgabe sehr viel einfacher.

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Abbildung 0.5 Die mit den Profotos gemachte SOOC-Datei. Das Licht ist schön, aber die Schatten sind sehr weich.

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Abbildung 0.6 Die mit den Cactus-Blitzen erstellte SOOC-Datei. Die Schatten sind kühl und knackig.

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Abbildung 0.7