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Silvia Violet

 

Neue Ordnung

 

Aus dem Amerikanischen von Florentina Hellmas

 

 

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen 2017

http://www.deadsoft.de

 

© the author

Titel der Originalausgabe: Sorting out

(Fitting in Vol. 2)

 

Übersetzung: Florentina Hellmas

 

Cover: Irene Repp

http://www.daylinart.webnode.com

 

Bildrechte:

© vladorlov – fotolia.com

 

1. Auflage

ISBN 978-3-96089-120-8

ISBN 978-3-96089-121-5

Inhalt:

Jack, Gray und Mason haben akzeptiert, dass sich Liebe in vielen verschiedenen Varianten zeigen kann – auch in einer Beziehung zu dritt.

Doch die Dinge sind nicht wirklich einfacher geworden, jetzt, wo Mason erneut die Schulbank drückt und Gray an einer Position als Detective interessiert ist. Da wird Jack während eines Einsatzes ernsthaft verletzt. Jetzt braucht er die Hilfe seiner beiden Liebhaber, um zurück ins Leben zu finden und nicht nur die physischen, aber vor allem die psychischen Verwundungen heilen zu lassen.

 

2. Buch der Fitting-in-Reihe

 

Für alle, die sich um Jugendliche und junge Erwachsene kümmern, die keinen Platz haben, an dem sie sich sicher fühlen können.

 

Kapitel 1

 

Jack zog gerade eine Pfanne mit heißem Karamell-Popcorn vom Herd, als er hörte, dass die Haustür geöffnet wurde. Perfektes Timing. Mason war zu Hause und hoffentlich war es Gray gelungen, einen guten Teil seiner Schreibtischarbeit zu erledigen. Dann könnten sie es sich zu dritt gemütlich machen und damit fortfahren, sich zum dritten Mal die vierzehn großartigen Folgen von Firefly reinzuziehen. Wie konnte diese Serie bloß abgesetzt werden? Und wie kam es, dass er erst davon erfahren hatte, wie toll sie war, als Mason in sein Leben getreten war? Ihre Arbeitszeiten hatten sie während der letzten Abende getrennt und Jack hatte sich den ganzen Tag darauf gefreut, dass sie sich auf der Couch zusammenkuscheln und fernsehen würden, bis sie irgendwann wegdösten wie ein altes, verheiratetes … Dreiergespann. Wer wollte schon ausgehen, wenn er zwei faszinierende Männer zu Hause hatte? Er hätte sich wochenlang einigeln können, um einfach nur mit ihnen zu kuscheln, zu vögeln und für sie zu kochen.

 

Mason ließ seine Tasche auf den Tisch fallen und trat hinter Jack. Er drückte ihm einen Kuss in den Nacken, schnappte sich eine Handvoll Popcorn und beförderte es mit dem Aufschrei heiß! sofort zurück in die Pfanne.

„Natürlich ist es heiß! Ich hab die Pfanne gerade erst vom Herd genommen.“ Jack griff lachend nach Masons Hand und küsste die Handfläche. „Ist es so besser?“

„Nein, aber das wird helfen.“ Mason küsste ihn und ließ seine Zunge über Jacks Lippen gleiten. Jack gewährte ihm Einlass, sodass er ihn schmecken konnte. Verlangen regte sich in ihm. Er packte Masons Hüften, zog ihn zu sich und ließ ihn seinen Schwanz fühlen, der bereits hart und gierig war. Vielleicht würde Captain Mal ein wenig warten müssen.

 

Grays Räuspern brachte die beiden dazu, Luft zu holen. Mason trat einen Schritt zurück und grinste Jack an.

„Das war eine leckere Art, hallo zu sagen.“

Er wandte sich Gray zu, aber als Jack den Ausdruck auf dem Gesicht ihres Liebsten sah, wusste er, dass sie von ihm keine solche Begrüßung erwarten konnten. Er sah ernst aus und … ängstlich? Jack fühlte, wie sich in seiner Magengrube ein Knoten bildete.

„Was ist los?“

„Ich muss mit euch reden. Ich habe gewartet, bis Mason zu Hause ist. Aber ich … vielleicht solltet ihr euch setzen.“

„Gray, was ist denn passiert?“, fragte Jack und das Popcorn, das er beim Karamellisieren gekostet hatte, lag schwer in seinem Magen.

Mason legte eine Hand auf seinen Arm. „Bist du okay? Du siehst wirklich blass aus.“

Jack ignorierte die Frage. „Lass uns nicht warten.“

„Thornton, der Lieutenant von Major Crimes, von dem ich euch erzählt habe …“ Gray warf einen Seitenblick zu Mason. „Er hat mich ermutigt, die Prüfung zum Detective abzulegen. Er möchte mich in seiner Einheit haben.“

„Aber …“

Gray hob die Hand. „Das würde bedeuten, dass wir nicht mehr als Partner zusammenarbeiten. Dann könnten wir uns outen, wenn wir wollten. Wir haben ja darüber gesprochen, dass wir eine Veränderung anstreben, und du wusstest, dass ich über eine Beförderung nachdenke.“

„Ja, aber … ich …“

Jacks Kehle wurde eng und er fühlte, wie ihm übel wurde. Mason griff nach Jacks Hand und drückte sie.

„Das könnte für uns alle gut sein. Lass uns darüber nachdenken.“

Jack sah zu Mason. Natürlich hatte er gewusst, dass das früher oder später passieren würde. Gray hatte recht, dass es wahrscheinlich am besten wäre. Er hatte den Gedanken nur immer wieder verdrängt.

„Ich möchte nur, dass wir …“, setzte er an, aber Gray unterbrach ihn.

„Ich habe ihm gesagt, dass ich die Prüfung mache.“

„Du hast WAS?!“, schrie Jack und glühender Zorn verdrängte seine Angst. „Wie kannst du es wagen, so etwas zu tun, ohne mit uns vorher zu reden?“

„Das hätte ich nicht tun sollen. Aber er hatte mich schon früher einmal gefragt und ich hatte ihn hingehalten. Er meinte, er müsse es heute wissen, und du hattest gesagt, du würdest mich bei allem unterstützen, was ich tue. Also …“

„Damit hatte ich nicht gemeint, dass du es mir nicht sagen musst. Warum hast du es nicht erwähnt, als er dich zum ersten Mal gefragt hatte?“

„Ich …“ Gray fuhr mit der Hand durch sein extrem kurzes Haar. „Das hätte ich tun sollen. Es tut mir leid, aber …“

„Aber was?“, fragte Mason, als Gray für einige Sekunden schwieg.

Jack war froh, dass Mason sich einschaltete, denn er selbst fühlte sich gerade unfähig, auch nur irgendetwas Freundliches zu sagen.

Gray seufzte. „Ich wusste, dass Jack genau so reagieren würde.“

„Quatsch. Als es noch etwas zu diskutieren gab, hätte ich mit dir darüber geredet. Aber jetzt, wo du mich vor vollendete Tatsachen stellst und dich entschieden hast, mich im Stich zu lassen …“

„Ich lasse dich nicht im Stich.“

„Wir sind Partner, Gray. Und jetzt werden wir es nicht mehr sein“, fauchte Jack ihn an.

„Da wo es wichtig ist, werden wir auch weiter Partner sein.“

War das so? „Und was ist mit Mason? Denkst du nicht, er hätte vielleicht auch mitreden wollen?“

Mason warf Gray einen Blick zu und plötzlich war es Jack klar.

„Du hast es Mason gesagt, nicht wahr? Als Thornton zum ersten Mal gefragt hat, hast du es verdammt noch mal Mason erzählt und nicht mir.“

Gray schloss die Augen und atmete tief ein.

„Mason hat mir gesagt, dass ich mit dir darüber reden und nicht warten soll. Aber ich wollte in Ruhe nachdenken. Ich wollte nicht, dass du dich aufregst, falls ich es am Ende doch ablehne.“

„Dann habe ich Neuigkeiten für dich: Ich rege mich auf!“

„Jack …“

Mason wollte sich einmischen, aber Jack hob die Hand. „Ich will nicht mehr darüber reden.

Gray hat seine Entscheidung getroffen. Danke, dass zumindest du dich bemüht hast, mich einzubeziehen.“

„Ich habe mich entschlossen, die Prüfung zu machen. Das bedeutet nicht, dass ich den Posten annehme. Deshalb wollte ich darüber reden.“

Jack schüttelte den Kopf. „Ich weiß, dass du dich bereits entschieden hast. Wenn du den Job bekommst, wirst du ihn auch annehmen.“

„Ich will mich nicht mehr verstecken“, sagte Gray. „Aber ich will auch, dass es eine Entscheidung ist, die wir zu dritt treffen.“

„Nein, du willst nur, dass Mason und ich dir zustimmen“, giftete Jack.

„Das ist nicht wahr. Ich … verdammt, Jack. Ich liebe dich.“

Jacks Zorn verrauchte und er fühlte sich nur noch verletzt und elend.

„Ohne dich kann ich mir nicht vorstellen, ein Cop zu sein.“

Gray machte einen Schritt auf Jack zu.

„Ich werde immer noch da sein.“

„Ja, wir werden alle zusammen sein“, sagte Mason fast gleichzeitig. Er klang verängstigt, beinahe verzweifelt. Zum Teufel mit Gray, dass er Mason da mit reingezogen hatte. Dass er sich nur ihm anvertraut hatte, obwohl sie geschworen hatten, alles offen auszusprechen.

So offen wie damals, als du mit Mason geredet hast, weil Gray deprimiert wirkte, und er dir geraten hat, ihn darauf anzusprechen? Meinst du das? Gott, wie sehr Jack die mahnende Stimme in seinem Kopf hasste. Er hob abwehrend die Hand in dem Wissen, dass er einknicken würde, wenn Gray ihn berührte. Er würde Gray seinen Willen lassen und vergessen, wie verärgert und verletzt er war. Sein Zorn würde so lange vor sich hin köcheln, bis es zur nächsten Explosion kam.

„Wenn du es wirklich mit mir hättest diskutieren wollen, dann hättest du damit begonnen, sobald du ernsthaft in Betracht gezogen hast, die Prüfung zu machen.“

„Hättest du mir zugehört. Ich meine, wirklich zugehört?“

Jack wollte Gray anschreien, dass er ihm immer zuhörte. Dass er immer darauf achtete, was das Beste für seinen Liebsten war, ohne selbstsüchtig zu sein. Dass er keine Angst mehr haben wollte, dass er als Polizist nicht bestehen würde, wenn Gray nicht an seiner Seite war. Aber er brachte kein Wort heraus. Stattdessen griff er nach der Pfanne mit dem Karamell-Popcorn, schleuderte sie quer durch die Küche und genoss den ohrenbetäubenden Lärm, als die Pfanne über die Fliesen hüpfte. Dann stampfte er ins Schlafzimmer und schlug die Tür zu. Sekunden später hörte er die Haustür zuknallen.

 

***

 

Jack kauerte sich auf den Boden und schluchzte, bis keine Tränen mehr kamen. Er kroch zum Bett, zog sich hoch und rollte sich wie ein Baby zusammen, aber er konnte nicht einschlafen. Ganz gleich, wie sehr er sich wünschte, im Vergessen zu versinken. Jedes Mal, wenn er die Augen schloss, sah er vor sich, wie verletzt Gray ausgesehen hatte, als er aus dem Raum gestürmt war. Egal, wie oft er sich sagte, dass Gray es nicht besser verdient hatte, er wusste doch, dass er es nicht so meinte. Er wollte Gray in den Arm nehmen und dass wieder alles in Ordnung war. Er schlüpfte aus dem Bett in dem Wissen, dass es nur eines gab, was er tun konnte: Die Küche sauber machen. Nicht nur das Karamell-Popcorn, das er auf dem Boden verschüttet hatte, sondern alles bis zu den Fugen der Fliesen. Das tat er immer, wenn er aufgeregt war. Er konnte nicht stillhalten, er musste sich bewegen und den Ärger abarbeiten. Ein verdreckter Küchenboden war ein guter Anfang. Er hoffte nur, dass Mason, falls er zu Hause war, ihn in Ruhe lassen und ihm erlauben würde, sich durch seinen Schmerz und seinen Zorn hindurchzuarbeiten. Aber als Jack gerade lange genug in der Küche gewesen war, um die Hälfte des Popcorns einzusammeln und zurück in die verbeulte Pfanne zu befördern, kam Mason durch die Tür. Er war blass und sah nicht besser aus als Jack sich fühlte. Er konnte ihn nicht wegschicken, aber er streckte abwehrend die Hand aus.

„Erzähl mir nicht, er hätte versucht, das Richtige zu tun. Ich will das jetzt nicht hören. Er hat mich nicht eingeweiht und uns die Chance vorenthalten, es zu dritt zu entscheiden.“

Mason nickte. „Ich weiß. Ich habe ihm gesagt, dass er …“ Seine Stimme zitterte und in seinen Augen glänzten Tränen.

Jack stellte die Pfanne ab und zog Mason in seine Arme.

„Ich gebe dir keine Schuld. Wirklich nicht.“

Mason hielt Jack fest. „Gray liebt dich.“

„Ich weiß.“ Er stellte Grays Liebe nicht in Frage. Er zweifelte daran, wie weit er Gray noch vertrauen konnte. Er wusste, dass Gray das Leben im Schrank satt hatte. Es war egoistisch gewesen, ihn zurückzuhalten, ihn als Partner behalten zu wollen, auch wenn seine Beförderung überfällig war. Jack hatte Gray niemals direkt darum gebeten, die Prüfung nicht zu machen, aber er hatte deutlich gemacht, wie sehr er es mochte, ihn zum Partner zu haben. Er wusste sehr wohl, dass Gray bereits zuvor auf Möglichkeiten, seine Karriere zu verfolgen, verzichtet hatte. Wenn Jack ehrlich war, war er genauso zornig auf sich selbst, dass es so weit hatte kommen können, wie auf Gray, der ohne mit ihm zu reden, aktiv geworden war.

Mason zog sich zurück und wirkte nun gefasster.

„Was kann ich tun, um zu helfen?“

Jack bückte sich und begann wieder Popcorn aufzusammeln und in die Pfanne zu werfen.

„Ich erledige das hier. Wie wäre es, wenn du mir einen Drink machst?“

„Ist das eine gute Idee?“

„Offenbar eine bessere, als Karamell-Popcorn zu machen und einen Filmabend mit meinen Lebensgefährten zu planen.“

Mason musterte ihn ein paar Sekunden und nickte dann. „Okay.“

„Ich hatte mich wirklich darauf gefreut, dass wir zu dritt zu Hause sein würden.“

 

Mason öffnete den Kühlschrank und holte ihre Wodkaflasche heraus. Jack war nicht sicher, dass ihr Inhalt reichen würde, um ihn so betrunken zu machen, wie er sein wollte. Nun bereute er, dass er nicht beim Spirituosenhändler gehalten hatte, als er am Nachmittag einkaufen war. Nachdem Jack das letzte Popcorn aufgesammelt und ihren ungenießbar gewordenen Snack in den Müll geworfen hatte, platzierte Mason vor jedem von ihnen einen Wodka Cranberry.

„Willst du darüber reden?“

Jack schüttelte den Kopf. „Nein, ich will mich betrinken, bis ich umkippe.“

Mason sah in Richtung Wohnzimmer.

„Ich hatte mich auch auf den Filmabend gefreut.“

Jack seufzte und leerte das halbe Glas in einem Zug.

Mason holte sein Handy aus der Tasche und Jack griff danach, um es ihm wegzunehmen.

„Wage es ja nicht, ihm zu schreiben, dass er heimkommen soll. Ich will jetzt nicht reden. Ich bin nicht bereit für eure Versuche, es hinzubiegen.“

Mason atmete hörbar aus.

„Schön, aber ich möchte wissen, wie es ihm geht. Er ist genauso neben der Spur wie du und er ist da draußen allein.“

Jacks Magen verkrampfte sich bei dem Gedanken. Er wollte nicht, dass Gray damit allein fertig werden musste oder sogar verletzt war. Er war aber immer noch so zornig und konnte sich im Augenblick nicht vorstellen, es je nicht mehr zu sein.

„Okay.“

Mason sendete eine Textnachricht und während sie auf die Antwort warteten, mixte Jack sich einen weiteren Drink. Masons besorgten Blick ignorierend. Als sein Telefon piepte, war er erleichtert. Warum mache ich mir solche Sorgen um ihn, nachdem er so ein Arsch war? Weil du ihn liebst, du Idiot. Ja, verdammt, ich liebe ihn. Warum habe ich ihn dann dazu gebracht abzuhauen? Wie ist das alles passiert? Ich wollte doch nur …

Seine Gedanken wurden von Mason unterbrochen.

„Gray ist im Undertow.“

„Scheiße, ein Schwarm junger Hipster wird versuchen, ihn in die Pfoten zu kriegen.“

„Willst du hinfahren und ihn retten?“, fragte Mason hoffnungsvoll.

Jack wollte. Er wollte seinen Ärger loslassen, Gray finden und ihn nach Hause zerren. Er wollte ihn bitten, ihn und Mason bewusstlos zu ficken. Zum Teufel, ein oder zwei Wodka mehr und er würde vorschlagen, dass sie auf die Heimfahrt verzichteten und sich im Undertow auf die Toilette verzogen. Aber er würde nichts dergleichen tun. Er wollte Gray nicht glauben lassen, er könnte ihn so behandeln und hätte das Recht, für sie alle Entscheidungen zu treffen. So funktionierte ihre Beziehung nicht. Er schüttelte den Kopf.

Mason seufzte und tippte eine Antwort an Gray.

Nach einigen Minuten der Stille sagte Mason: „Du wärst auch auf ihn losgegangen, wenn er es dir früher gesagt hätte.“

Jack kämpfte gegen die Mischung aus Zorn und Reue, die in ihm tobte.

„Nein, verdammt, wäre ich nicht.“

Mason hob eine Augenbraue.

„Na schön. Aber deswegen ist es noch lange nicht okay, dass er es vor mir geheim gehalten hat.“

„Nein, ist es nicht.“

Jack leerte sein zweites Glas und griff nach der Flasche. Der Wodka betäubte ihn einfach nicht schnell genug.

„Jack, erinnerst du dich, dass ich versprochen habe, mir dir zu reden, wenn mir etwas Angst macht?“

Jack schenkte sich mehr Wodka ein und nickte. „Ja.“

„Jetzt habe ich Angst.“

Jack sah zu seinem Lover. Mason sah wirklich verdammt verängstigt aus. Jack glitt von seinem Barhocker und schob sich zwischen Masons Beine.

„Ich liebe dich“, murmelte er und schlang seine Arme um Mason. Er schwankte und stützte sich an der Küchentheke ab. Vielleicht hatte der Wodka ja doch mehr Wirkung gehabt, als ihm bewusst war.

„Ich liebe dich auch“, sagte Mason.

Jack saugte an seinem Hals und ohne Vorwarnung brach der Damm. Offenbar hatte er doch noch nicht alle Tränen geweint. Er schluchzte heftig und Mason hielt ihn fest, als er losließ und heulend Unsinn murmelte.

„Ich bin sauer … Aber ich weiß, er musste … Scheiße, ich weiß nicht, ob ich damit umgehen kann.“

„Das wird wieder.“ Masons Hände strichen über Jacks Rücken. „Es muss.“

„Ich liebe dich“, sagte Jack. „Ich liebe euch beide so sehr.“

Jack fühlte, wie Mason nickte, als er ihn an sich drückte. Er beruhigte sich und aus der Umarmung wurde ein Kuss. Mason fühlte sich so gut an. Die Hitze seines Mundes schien das Einzige zu sein, das die schreckliche Kälte in Jacks Körper vertreiben konnte. Jack ließ seine Zunge über Masons Lippen gleiten, fühlte die glatte Haut und als Mason sich ihm öffnete, drang er in ihn ein. Er stöhnte, als seine Zunge den Mund seines Lovers erforschte. Er zog Masons T-Shirt hoch und wollte ihn überall gleichzeitig berühren. Mason grub seine Finger in Jacks Hüften und zog ihn näher, sodass ihre Körper sich aneinander pressten. Mason war so hart wie Jack, der sich durch die Stoffschichten ihrer Kleidung an ihm rieb. Es würde sich so gut anfühlen, Mason in sich zu haben. Jack brauchte das. Er wollte sich einem Liebhaber überlassen, wollte genommen und benutzt werden. Er wollte alles vergessen können. Jack küsste Masons Hals und genoss den salzigen Geschmack seiner Haut. Er knabberte an seinem Schlüsselbein und biss ihn dann fester in die Schulter. Mason zischte und drückte sich weg.

„Verdammt, Jack!“

Jack saugte an der gereizten Haut, als wollte er Mason einen Knutschfleck machen. Er wünschte sich so sehr Gray herbei. Beinahe verzweifelt genug, um ihn anzurufen. Er wollte, dass Gray sie beide liebte, ihnen zeigte, dass alles irgendwie in Ordnung kommen würde. Jack hatte Angst davor, sich am Arbeitsplatz zu outen. Er fürchtete, dass er den Anfeindungen nicht standhalten würde. Er war ein erbärmlicher Feigling und wollte nicht, dass Gray das herausfand. Mason ließ seine Hände über Jacks Brust wandern, kniff in seine Nippel und zog so fest daran, dass Jack aufschrie. Jack küsste ihn daraufhin wild. Er biss in Masons Unterlippe und drückte seine Hüften gegen ihn.

„Ich brauche dich“, winselte Jack. „Fick mich.“

Mason drückte ihn weg und Jack stolperte nach hinten gegen den Küchentisch. Mason sah ihn mit großen Augen an und schüttelte den Kopf.

„Nein, das können wir nicht. Nicht ohne Gray. Wir haben noch nie … Und das können wir auch jetzt nicht. Schon gar nicht, wenn du so sauer bist.“

Er hatte recht. Jack hielt sich an der Tischplatte fest, um nicht zu schwanken. Mason ging zur Tür.

„Ich brauche eine Dusche.“

Jack streckte die Hand nach ihm aus. „Geh nicht.“

Er machte einen Schritt und stolperte. Verdammt, er hatte doch nur zwei Drinks gehabt. Davon konnte er doch nicht so betrunken sein.

„Hast du was gegessen?“, fragte Mason.

„Ein bisschen. Ich wollte noch Platz für die Snacks lassen und …“

„Ich bringe dich ins Bett.“

Jacks Kopf war benebelt, als Mason den Arm um seine Taille legte.

„Komm schon.“

„Es war aber nett. Ich wollte nicht aufhören.“

„Jack!“ Mason sah ihn ernst an.

„Ich liebe dich“, sagte Jack und brachte Mason zum Lächeln. „Und Gray, den verdammten, sturen Bastard, liebe ich auch.“

„Und er liebt dich, Jack. Er will das doch auch für uns tun. Es bedeutet mehr Geld und die Möglichkeit, dass wir sein dürfen, wer wir sind. Wo immer und wann immer wir wollen.“

„Ich weiß nur nicht, ob ich den Nerv habe, auf der Arbeit geoutet zu sein und all den Mist auszuhalten, der da auf uns zukommen wird.“

Mason drehte Jack zu sich herum.

„Sieh mal, du führst das Leben, das du haben willst, mit zwei Männern. Das ist mehr, als sich die meisten Menschen wünschen würden.“

„Aber Gray kümmert es nicht, was die Kollegen denken, und du hast dich gegen die Wünsche deiner Familie gestellt, während ich …“

„Jack, bitte. Du bist wunderbar.“

Egal, was Mason sagte, nichts würde ihn aufheitern oder ablenken können. Seit Gray begonnen hatte ihn zu einer Veränderung am Arbeitsplatz zu drängen, hatte er diesen Moment gefürchtet. Der Alkohol machte es nicht besser. Warum konnte er nicht einfach bewusstlos werden?

„Ich brauche noch einen Drink.“

„Du brauchst ein Bett, Schlaf und morgen mit Gray und mir ein klärendes Gespräch.“

Jack schüttelte den Kopf, was ihn nur noch schwindliger machte.

„So kann ich nicht schlafen.“

„Komm schon, ich helfe dir.“ Mason zog ihn durch den Flur zum Schlafzimmer.

„Du hast gesagt, ohne Gray dürfen wir nicht ficken.“

Mason lachte. „Es gibt andere Möglichkeiten, dir beim Einschlafen zu helfen.“

Jack dachte über diesen Einwand nach, während Mason ihm half, sich auszuziehen, und ihn ins Bett brachte. Mason brachte ihn dazu, sich auf den Bauch zu drehen und legte sich neben ihn.

„Mason?“ Seine Stimme zitterte. Er wusste, dass Mason recht hatte. Sie konnten nicht miteinander schlafen, wenn Gray nicht dabei war, aber er wollte Mason so sehr.

„Ganz ruhig“, sagte Mason leise. „Ich will dir nur beim Einschlafen helfen.“

Er strich mit den Händen in langsamen, kreisförmigen Bewegungen über Jacks Rücken. Zunächst blieb Jack angespannt und wollte mehr als die zarte Berührung. Aber Mason setzte die ruhige, hypnotische Massage fort, bis Jack sich schließlich erlaubte, tiefer in die Matratze zu sinken. Mason musste die Veränderung wahrgenommen haben, denn seine Hände glitten zu Jacks Schultern und festigten ihren Griff, um die Verspannungen dort zu lockern.

Jack seufzte. „Das ist gut.“

„Lass einfach los“, flüsterte Mason.

Jack wollte all seine Ängste loslassen und Mason half ihm dabei mehr, als er für möglich gehalten hätte, aber nichts konnte je hilfreicher sein, als wenn Gray ihn nahm. Was, wenn er nun nie mehr …

„Jack, woran auch immer du gerade denkst, hör auf damit. Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt dafür, du sollst jetzt schlafen.“

Seine Stimme war tief und beruhigend. Jack wollte mehr davon.

„Rede mit mir, erzähl mir von deinem Tag, von allem, von irgendwas.“

Mason kam der Aufforderung nach und Jack achtete nicht auf die Worte, nur auf den Tonfall.

Masons Stimme und die Berührung seiner Hände ließen ihn sanft in den Schlaf gleiten.

 

Das Nächste, was Jack wahrnahm, war das Geräusch eines Weckers, das sich in seinen Kopf bohrte. Sein Mund war so trocken, dass er seine Lippen auseinanderziehen musste, und wenn das Geräusch nicht bald aufhörte, würden ihm noch die Augen aus seinem Brummschädel fallen. Er hob den Kopf, aber die Übelkeit, die in seinem Magen wütete, brachte ihn ganz schnell dazu, sich wieder hinzulegen.

„Wa… Was ist das?“

„Masons Handy.“

Gray. Jack scheiterte daran, sich zu erinnern, warum Gray gar nicht da sein sollte, als der Lärm aufhörte. Er wollte schon wieder wegdösen, aber die Unterhaltung seiner Lover hielt ihn ab.

„Warum zum Teufel ist das Ding auf vier Uhr morgens gestellt?“

„Ich muss lernen“, sagte Mason.

„Ach du Scheiße, du hast heute einen Test“, erwiderte Gray.

„Ja.“

„Ich wusste das. Ich habe dir das echt versaut, nicht wahr?“

„Wenn du es wieder gut machen willst, kümmere dich um Jack und lass mich lernen.“

Wie hatte Jack nur vergessen können, dass Mason einen wichtigen Chemietest hatte? Hatte er überhaupt noch lernen können, nachdem er Jack ins Bett gebracht hatte? Er wollte sich entschuldigen und anbieten, für ihn Frühstück zu machen. Aber beim bloßen Gedanken an Frühstück drehte sich ihm der Magen um und er musste ein paar Mal tief einatmen, um ihn wieder zu beruhigen. Als Gray seinen großen, warmen Körper an ihn schmiegte und ihn auf die Stirn küsste, beschloss Jack, sich nicht zu bewegen, ehe er nicht unbedingt musste. Gray legte sich wie ein wärmender Kokon um ihn. Bei dieser liebevollen Geste konnte er weder angespannt noch ärgerlich sein. Er musste jetzt schlafen. Wenn er sich erst erlaubte, ganz wach zu werden, wäre alles anders.

Kapitel 2

 

Als Jack erwachte, waren seine beiden Lover fort. Er schaffte es, den Kopf zu heben und auf die Uhr zu sehen. Zehn. Mason war sicher schon zum Unterricht gegangen, aber Gray war vielleicht noch zu Hause. Er konnte sich nicht entscheiden, ob er Gray sehen oder ihm lieber aus dem Weg gehen wollte. Ein klapperndes Geräusch aus der Küche bestätigte ihm, dass er nicht allein war. Er zwang sich trotz pochender Kopfschmerzen aufzustehen. Gray sollte lieber nicht selbst Frühstück machen, jedenfalls keines, für das er Töpfe oder Pfannen benötigte. Das Fläschchen mit den Ibuprofen-Tabletten stand noch auf dem Nachttisch. Jack versuchte nachzurechnen, wie viel Zeit vergangen war, seit er zuletzt welche genommen hatte. Er gab es auf, kippte drei Stück in seine Hand und schluckte sie trocken. Sein Magen wollte rebellieren, aber nachdem er ein paar Sekunden ganz still gehalten hatte, zeichnete sich ab, dass er sie bei sich behalten würde. Er putzte sich die Zähne, um den schalen Geschmack aus seinem Mund zu bekommen. Dann duschte er schnell, in der Hoffnung, die Küche zu erreichen, ehe Gray sie abfackelte. Als er sauber und etwas wacher war, ging er mit klopfendem Herzen durch das Haus, unsicher, welchen Empfang er von Gray erwarten konnte. Als er die Küche erreichte, zog Gray gerade eine Pfanne vom Herd. Bei aller Spannung, die zwischen ihnen herrschte, konnte Jack nicht umhin, Grays prächtigen Arsch zu bewundern. Er wollte seine Hände darüber gleiten lassen. Verdammt, eigentlich lieber seine Zunge. Wenn sie doch nur das unsinnige Gequatsche überspringen und einfach ficken könnten. Gray konnte mit seinem Körper viel besser kommunizieren als mit Worten, aber leider ließen sich Details im Bett nur sehr begrenzt herausarbeiten. Gray hatte ihn noch nicht bemerkt, also beobachtete Jack ihn weiter.

„Scheiße!“

Gray schrie auf, weil er beinahe die Pfanne hatte fallen lassen. Waren das Zimtschnecken? Jack atmete tief ein. Ja, es waren welche. Sie sahen aus wie fertig gekauft, aber für Gray war das eine beachtliche Leistung. Bei dem Gedanken, dass Gray für ihn sein Lieblingsfrühstück gemacht hatte, zog sich Jacks Herz zusammen. Es gab einfach keinen besseren Start in den Tag als Zimtschnecken.

„Gray?“

Der große Mann fuhr herum und versuchte, die Pfanne hinter sich zu verstecken.

„Ich wusste nicht, dass du schon auf bist.“

„Ich dachte, du hättest die Dusche gehört, aber ich schätze, du warst abgelenkt. Hast du wirklich Zimtschnecken gebacken?“

„Ähm … ja. Ich weiß, dass du sie magst. Die sind nicht frisch gemacht und nicht annähernd so gut wie deine, aber …“

Jack durchquerte die Küche, schlang die Arme um Gray und küsste ihn, damit sie nicht weitersprechen mussten. Gray erwiderte den Kuss mit offensichtlichem Verlangen. Er umklammerte Jack, als hätte er Angst, dass er ihm davonlaufen könnte. Jack ging gerade genug auf Distanz, um „ich liebe dich“ zu murmeln, ehe er seine Zunge zwischen Grays Lippen schob. Er fuhr mit den Händen über Grays Rücken, um ihn wissen zu lassen, dass er keinesfalls vorhatte, davonzulaufen.

Einen Augenblick später befreite sich Gray, trat einen Schritt zurück und zischte. Jack streckte die Hand nach ihm aus.

„Scheiße, hast du dich verbrannt?“

„Es geht schon.“ Gray rieb über die Stelle an seinem Rücken, mit der er die heiße Pfanne berührt hatte, und deutete auf die Zimtschnecken. „Ich glaube, die sollten wir verspeisen.“

„Darf ich anschließend dich verspeisen?“, fragte Jack.

Seine Worte zauberten ein Lächeln auf Grays Gesicht.

„Ich wäre auch damit einverstanden, die Vorspeise zu sein.“

Jack wollte ihn beim Wort nehmen, vor ihm auf die Knie fallen und ihm einen blasen. Aber so gut es auch wäre, Sex würde das, was zwischen ihnen stand, nicht in Ordnung bringen.

„Sehr verlockend, aber wir sollten die Zimtschnecken essen, solange sie warm sind.“ Trotz der Übelkeit beim Aufstehen hatte Jack plötzlich Heißhunger.

Gray schmunzelte. „Setz dich, ich hole Teller und Kaffee.“

Jack schnappte sich einen Topfhandschuh und stellte die Pfanne auf einen Untersetzer. Gray servierte Kaffee und stellte Teller auf die Theke. Dann hielt er inne und sah Jack unsicher an.

„Setz dich und iss etwas“, forderte Jack ihn auf.

„Okay.“ Er umrundete die Theke und setzte sich auf den Hocker neben Jack. Einige Sekunden starrten sie einander schweigend an. Dann sagte Gray: „Ich liebe dich.“

Jack griff nach seiner Hand. „Ich liebe dich auch. Wir bekommen das schon hin.“

„Du warst gestern so wütend. Ich dachte, vielleicht …“

Jack schüttelte heftig den Kopf und drückte Grays Hand. „Nein, ich … Ich habe mir auch Sorgen gemacht, aber nein. Wir finden eine Lösung.

Gray nickte und schnappte sich eine Zimtschnecke. Sie verschlangen beide gleich mehrere der süßen Köstlichkeiten.

Nachdem er die erste Tasse Kaffee geleert hatte, fragte Jack: „Wie konnten wir nur vergessen, dass Mason heute eine große Prüfung hat?“

Gray schüttelte den Kopf. „Wenn er es nicht schafft, ist es unsere Schuld. Meine Schuld eigentlich. Er hatte mir gesagt, dass ich mit dir reden sollte.“

„Du bist in dieser Hinsicht stur und ich bin es auch. Ich kann dich nicht länger zurückhalten. Ich weiß das.“

„Du hältst mich nicht zurück …“

„Gray, wenn wir nicht Partner wären, hättest du längst dein Detective-Abzeichen.“

Gray zuckte mit den Schultern. „Wir arbeiten gut zusammen.“

„Das tun wir und ich will das nicht aufgeben. Aber ich bin egoistisch.“

„Ich muss mich weiterentwickeln und du auch. Ich wünschte, wir könnten es zusammen tun, und vielleicht ginge das auch, aber …“

„Aber du würdest dich lieber outen. Habe ich kapiert. Ich habe nur … Angst.“

Gray drückte Jacks Hand. „Ich auch.“

„Wirklich? Ich hatte den Eindruck, du wärst dir deiner Sache ganz sicher.“

„Ich habe auf die ganze Scheiße, die dann auf uns zukommt, genauso wenig Lust wie du. Ich habe nur einen Punkt erreicht, wo ich es noch schlimmer finde, mich zu verstecken. Ich bin ständig auf der Hut, mache mir immer Sorgen, dass jemand es rausfindet. Irgendwann wird das passieren. Ich möchte, dass wir bestimmen, wie es abläuft.“

Gray hatte recht. Sie konnten sich nicht ewig verstecken.

„Ich bin froh, dass du die Prüfung machst.“

Gray sah ihn mit großen Augen an. „Ehrlich?“

Jack nickte und ihm wurde bewusst, dass es tatsächlich so war. Gray musste vorankommen. Ihre Beziehung konnte nicht funktionieren, wenn er sich eingeschränkt fühlte. Wie befreiend müsste es sein, sich nicht jedes Mal Sorgen zu machen, wenn er Gray in der Gegenwart anderer Polizisten nur ansah? Er hatte immer Angst, er könnte etwas Unbedachtes tun, Gray berühren, ihn mit einem Kosenamen ansprechen oder ihn gar küssen. Ein paar Mal war er schon nahe dran gewesen, etwas Dummes zu tun. Wenn es jemand herausfand, würde man sie plötzlich auseinanderreißen und das wäre viel schlimmer. Dann dürften sie vielleicht nicht einmal mehr auf demselben Revier arbeiten.

„Was ist mir dir?“, fragte Gray.

Jack zuckte mit den Schultern. „Ich schätze, ich werde einen neuen Partner bekommen.“

„Du könntest die Prüfung auch machen.“

Jack überlegte. Er sollte bereit sein, aber er war es nicht.

„Ich glaube nicht. Nicht jetzt.“