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Plädoyer für Poesie

Klaus Wohlschak

Plädoyer für Poesie

Aus dem Leben eines Romantikers

Paralipomena

Zum 70. Geburtstag des Autors

© Klaus Wohlschak, 2017

Herausgeber und für den Inhalt verantwortlich:

Prof. Klaus Wohlschak, A - 1050 Wien, Gießaufgasse 28/3.

klaus.wohlschak@gmx.at

Für die organisatorische Buch-Projekt-Betreuung danke ich sehr herzlich meinem langjährigen Freund Dr. Manfred Greisinger (Edition Stoareich).

Die Zeichnungen zum Thema „Blumen der Romantik“ sind von Nadja Vejvoda. Auch ihr bin ich sehr dankbar dafür.

Verlag: Mymorawa von Morawa Lesezirkel GmbH

ISBN 978-3-99057-365-5 (Paperback)
ISBN 978-3-99057-366-2 (Hardcover)
ISBN 978-3-99057-367-9 (E-Book)

Dieses Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Widmung

Es säuselt der Wind,

die Luft ist lind,

guten Morgen,

geliebtes

Geburtstagskind !

Der Himmel ist blau,

die Luft ist lau,

guten Tag, geliebte

Geburtstagsfrau !

Ein Gewitter hebt an,

mit Blitzen voran,

guten Abend, geliebter

Geburtstagsmann !

Für Gabriele, Gerti, Claire und Marc

INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort

LYRIK

Kindheit und Jugend

Liebe und Enttäuschung

Phantasien und Gedanken

Kritik und Widerstand

Sprache und Dichtung

Heimat und Wurzeln

Selbstporträt und Ausblick

Gemischtes und Dialekt

KURZGESCHICHTEN

Nach der Heimat

Im Bett ober mir

Besuch in der Kaserne

Hinauf ins Büro

Edi kommt nicht

Perpetuum Mobile

Zur vereinbarten Zeit

Amando. Vier Episoden

Zum Autor

VORWORT

Die Sprache war meine lebenslange Geliebte. Ich habe sie nie betrogen. Viele Jahre habe ich sie missbraucht und mit ihrer Hilfe die Neugier der Massen befriedigt. Das nannte sich Journalismus. Jetzt, im Alter, kehre ich liebevoll zu der Sprache zurück, die mir immer wichtig war, die mich mein Leben hindurch beglückt und getragen hat: zur Sprache der Poesie.

Die ersten Äußerungen meiner gequälten und verwirrten Seele, der eines vierzehnjährigen Knaben, im Internat statt in einem geordneten Elternhaus lebend, waren poetisch. Es waren Hilfeschreie, Schreie nach Liebe, Schreie nach Antwort auf die Fragen nach dieser Welt, die so unverständlich war und in die ich hineinwachsen sollte.

Mein Schreien, mein Fragen, mein Leiden, mein Unverstand, all das äußerte sich poetisch. Kurze Notizen, Ausdruck meines Befindens, Reflexion über Eindrücke und Erfahrungen im Außen, bis hin zu langen Erörterungen, meist in Form gereimter Verse, das blieb bis ins Leben als junger Erwachsener hinein mein Rettungsring, mein Hilfsmittel, um meine inneren Konflikte auszutragen und mit dem Leben zurecht zu kommen.

Das Poetische floss in der Jugend aus mir wie das Magma aus einem Vulkan. Es wollte und musste ans Licht, und ich fühlte mich dabei nicht unbedingt als Urheber dessen. Aber ich war der Autor, und ich musste einsehen, dass in mir eine literarische Begabung war, der ich gehorchen musste, der ich verpflichtet war, und die mich zu einem Dichter machte.

Ein Dichter, was ist das ? Ich sammelte meine Texte, war lange Zeit zu scheu, sie herzuzeigen, geriet in den Geruch eines Romantikers, der sich schwer tat, das reale Leben zu bewältigen. Und in der Tat, ich war ein Romantiker und bin es noch. Ein zweigespaltener Mensch zwischen Realität und Utopie. Ich habe mein Leben bewältigt, es aber im Grunde immer als Kampf empfunden, als Kampf um eine bessere Welt.

Viele Dichter haben mich durch das Leben begleitet: Zuvorderst Goethe, der Geistesgigant mit der tiefen inneren Gespaltenheit seines Faust, Heine, der vielgesichtige Liebende und Spötter, der die Frauen verehrte und die Könige verachtete, Rilke, der Gott suchte und ihn in sich selber fand, Hesse nicht zu vergessen, den weisen Erklärer meines eigenen Magischen Theaters, Villon, mit seiner exemplarisch nackten und klaren Poesie der Liebe und des Leidens, die beiden früh erloschenen Franzosen Baudelaire und Rimbaud, und andere, die mir selbst gewählte Schutzpatrone wurden. Später auch Zeitgenossen, wie zum Beispiel der wortgewaltige und treffsichere Kritiker des gesellschaftlichen Miefs und des kapitalistischen Staates, Franz Josef Degenhardt, und der Sänger des geteilten Deutschland, Wolf Biermann.

Beide waren sie großartige Dichter, über beide ist die Geschichte hinweg gegangen. Wenn der Kapitalismus wieder einmal irgendwo kollabiert und in einer Diktatur versinkt, dann werden ihre politischen Botschaften vielleicht nachklingen. Nicht überholt sind aber ihre Grundanliegen, nämlich Freiheit, Gerechtigkeit und Humanismus.

Für mich ist Poesie kein Spiel im Elfenbeinturm. Sie ist eine innere Begabung, etwas Unteilbares in mir, ins Leben mitgegeben, für das Leben bestimmt. Meine Weltsicht ist sicher von vielen äußeren Eindrücken und Erfahrungen geprägt. Von Jugend an hat mich aber die Poesie wie ein Filter begleitet, durch den ich doppelt wahrnahm. Das Reale, Faktische und das Leben Bewegende, dahinter aber und gleichzeitig das Wahre und Sinnhafte, das von innen heraus immer auf das Gute und Schöne gerichtet war.

Poesie ist von Gesellschaft und damit auch von Weltanschauung nicht zu trennen, sie ist kein Spielzeug für Reimeschmiede, sondern eine Verantwortung, sich für eine gute, ja bessere Welt einzusetzen, für eine Welt, die eines Menschen, dieses Homo Sapiens, würdig ist. Poesie ist ein geistiges Werkzeug, um unsere Aufgabe als Poeten in der Welt zu erfüllen und die Botschaft der Wahrheit, Gerechtigkeit und Menschenliebe in die Welt hinaus zu tragen, und sei unsere persönliche Welt noch so klein.

Ich kann nicht schweigen, obwohl ich es lange musste. Meine Poesie war wie ein Fluss in der Wüste versickert, nun ist sie wieder da, Poesie ist unverwüstbar, sie strömt wie ein Fluss, aus dem ich nun wieder schöpfen darf. Ich würde, wenn ich könnte, als junger Poet gerne dort weiter machen, wo ich aufgehört habe. Vielleicht habe ich noch die Chance, es im Alter zu tun.

In diesem Gedichtband, meinem fünften, finden sich „Paralipomena“, also alles bisher Unveröffentlichte und Zerstreute, dessen ich noch habhaft werden konnte: Lest es bitte mit Nachsicht, es sind die Gedanken eines jungen Mannes, der mit dreißig Jahren mit dem Schreiben aufgehört hat, und sie erheben eher dokumentarischen als in jedem Fall literarischen Anspruch. Manche Texte muten uns heute vielleicht kitschig oder sogar peinlich an, aber ich stehe dazu. Ich war jung.

Vielleicht wird dieses „Plädoyer für Poesie“ nicht mein letztes sein. Ich habe nämlich wieder begonnen, Gedichte zu schreiben. Das ist zwar keine Drohung, aber doch ein fester Plan.

Bei der Ordnung der hier abgedruckten Texte habe ich mich entschlossen, sie nach Themenbereichen aufzuteilen und innerhalb dieser wenn möglich eine Chronologie einzuhalten. Damit sollte einerseits die inhaltliche Breite, andererseits aber die poetische Entwicklung von der noch orientierungslosen Jugend bis ins frühe Mannesalter angedeutet werden.

Die Leserin, der Leser möge selbst urteilen, ob und wie weit dies gelungen ist. Wie so oft im Leben kann ich nur sagen, ich habe mich bemüht. Menschen, die mich kennen, werden vielleicht neue Seiten an mir entdecken, die ihnen fremd sind, weil sie mich in jenem Lebensalter noch nicht gekannt haben. Bei anderen werden die Gedichte neue Saiten zum Klingen bringen, und das wäre mir noch lieber.

Den breitesten Raum nehmen die Themen Liebe, Widerstand und Sprache ein. Die Liebe wohl deshalb, weil die Suche nach dem anderen Geschlecht in der Pubertät im Vordergrund steht. Der mühsame Weg, zum Mann zu reifen, wird hier mit all seinen Verzweiflungen und Niederlagen dokumentiert. Insofern ist dieses Buch zwar sehr privat, aber jedenfalls authentisch, und das an manchen Stellen bis zur Selbstentäußerung.

Das Thema Widerstand beleuchtet die inneren Kämpfe, die da ein junger Mann in sich ausgefochten hat, der sich im Staat, wie er war, nicht wohl fühlte. Schule, Internat, Universität, Rundfunk, überall strenge Vorschriften, starre Ordnungen, gegen die sich alles strebte, denen man sich aber doch unterwerfen musste, wenn man niemand war und nichts hatte.

Die Falle, in den Journalismus einzusteigen, gegen gutes Geld, aber unter Verrat an der Poesie und an großen gesellschaftlichen Träumen, diese Falle war gefährlich und verlockend, und sie schnappte zu. Wir reden von den Sechziger- und Siebzigerjahren des vorigen Jahrhunderts, und die Themen der Zeit waren die Studentenbewegung von 1968, die von alten Nazis verseuchte Atmosphäre in Deutschland mit nachfolgendem Entstehen der RAF, oder der Vietnamkrieg, der 1975 mit der Kapitulation der USA endete. In Österreich herrschten damals „Ruhe, Ordnung, Sicherheit“. Wie viel hätte man als Autor darüber diskutieren und schreiben können. Von all dem war aber für einen jungen Rundfunkredakteur keine Rede. Die Devise hieß: Maul halten und weitermachen. Die Sprache, die vielgeliebte, war ab da nur noch für die Befriedigung öffentlicher Neugier nutze. Damit wurde es mir so gut wie unmöglich, weiterhin Literatur zu schreiben.

Drittens, das Schreiben an sich, das literarische wohlgemerkt: Was für ein schmerzhafter Geburtsprozess ist jedes Gedicht einerseits, und wie übermächtig ist die Inspiration, der sich ein Dichter nicht entziehen kann. Mit letzter Kraft fand ich oft bittere Worte, um mein Leid an und in meiner geliebten Sprache auszudrücken. Poesie ist nicht selbst gewählt, sie ist auferlegt. Der Poet steht außerhalb aller Ordnungen und Systeme. Wie könnte er sonst ihr Beobachter und Kritiker sein ?

Im Rückblick finde ich in vielen Gedichten des jungen Mannes Anschauungen und Träume wieder, die ich heute mit 70 immer noch teile, zu denen ich immer noch stehe, die, wie ich glaube, immer noch aktuell sind: es sind dies Freiheitsliebe, Mitgefühl, Selbstkritik, Nächstenliebe, Menschlichkeit. Ohne Menschlichkeit sind wir keine Menschen. Seien wir menschlich, immer und überall. Ein großartiger Weg zum Mensch-Werden, zum Mensch-Sein, ist die Poesie.

In meinen jungen Jahren habe ich aber nicht nur Lyrik geschrieben, sondern auch Kurzgeschichten. Einige davon wurden in „Ich erkläre den Krieg“ (1977) publiziert. Während „Krieg“ dort den geistigen Widerstand gegen die Inhumanität meinte, geht es bei den Texten in diesem Band vorwiegend tatsächlich um meine Erlebnisse beim Militär, die im Grundwehrdienst nahezu traumatisierend waren und trotz späterer Verarbeitung jedenfalls ambivalent geblieben sind. Ich denke, auch darüber zu lesen, ist informativ. In weiteren Geschichten geht es um Beziehungen und um die Liebe.

Mit Dankbarkeit hinweisen möchte ich Sie noch auf den Grafik-Zyklus zum Thema „Blumen der Romantik“, den Frau Nadja Vejvoda eigens für dieses Buch geschaffen hat. Sie ist zu bescheiden, um sich selbst zu loben.

Ich wünsche Ihnen eine angeregte Lektüre.

Klaus Wohlschak

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Der Autor im Alter von zehn Jahren

KINDHEIT UND JUGEND

Die Sonnenblume

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Dieser Stern

Leuchtende Fenster. Schwarze Fassaden.

Dunkelnder Mond. Sternenschwaden.

Vorhang aus Blumen. Dämmerlicht.

Mittendrin seh´ ich dein Gesicht.

Mattblauer Himmel. Kühle Luft.

Das ist die Freiheit, die mich ruft.

Fenster erlöschen. Mond verdunkelt.

Klar sich lösend ein Stern karfunkelt.

Dieser Stern soll mein Führer sein.

Weit entfernt, ist er dennoch mein.

In der Bedrängnis an ihn sich wenden.

Freie Gedanken der Freiheit senden.

 

Traurige Stunde

Über dem Strom liegt Dunst.

Autos parken am verwachsenen Ufer,

es ist schon Abend, nur wenige Menschen

sitzen noch auf den Steinen.

Sie sehen den jungen Leuten zu,

die, von einem schnellen Boot gezogen,

spitze Fächer empor werfend,

das Wasser zerschneiden.

Ein Schlepperzug

weckt mich vom Träumen auf – leider.

Denn ich kann nicht jung sein,

nicht froh – ich bin einsam.

 

Abend

Heut ist es Abend geworden.

Einer mehr in der Reihe der Abende,

die ich liebe und doch hassen müsste.

Liebe, weil sie mir Gedankenfreiheit

und Besinnung, Erinnerung schenken.

Der Abend hat Raum für Melancholie.

Für Wehmut. Für den Schmerz der Seele.

Es ist ein heißer Sommertag gewesen,

heiß auch der Abend. Nur leichter Wind

kühlt den, der am offnen Fenster sitzt

und in der mondeshellen Stille

bessere Zeit zu finden glaubt.

Wiewohl ich fernen Idealen den Mond

zum Paten setze: Hassen kann ich ihn nicht.

Wenn die Erinnerung mich mit Tränen erfüllt,

schlucke ich den Schmerz und will ruhen.

 

Herbst

Zitternd neigt sich,

kaum schwankend, schlank der Baum.

Federnd streckt er leere, welke Äste,

ein wenig Gelb dabei, ein wenig Braun.

Leuchtender Herbst von Westen,

kaum mehr hell, mehr fern,

ohne Sonne grau

und ohne Gestalt

braust das Wasser heran.

Leise kräuseln sich weiße Wellen,

Krone hell, ohne Horizont.

Gern möchte ich Meer malen,

weiße Inseln finden,

immer im Winde segeln.

Schwarz zuckt im lichten Blitz

der kahle Ast. Er sinkt

zum Grund hinab,

ins Dunkel zurück.

Ein Zweig wird im Frühjahr herangespült,

ein toter Zweig auf einer toten Welle

und ein toter Specht.

Und ein Maler war da, der Meer malen mochte,

und den toten Baum und die See.

Das Grab ist alt und kahl und fremd

und leer zu schauen,

und manchmal leuchtet es fahl

in einem traurigen Morgengrauen,

wenn die Sonne schüchtern aufgeht

und ein weicher Wind weht.

 

Hoffnung

Atme in tiefen Zügen den blauen Nachthimmel.

Sauge der Sterne Schein taumelnd ein.

Siehe die Schatten der hohen Helle sein.

Blaue Unendlichkeiten leuchten, goldene Weiten.

Kerzen tauchen braune Räume in Samt und Seide.

Strauch und Baum zittern, feines Gewebe

zarter Äste erbebt, kaum zu schauen.

In weißem Hauch leuchten seidene Leiber.

Weit dehnt sich blitzend die matte Nacht.

Entfernungen werden klein.

Gern werde ich einst in jenem Stern sein.

Ahne, dass du an fernen Rätseln gerührt.

Fürchte die Ahnung nicht, die in die Ferne führt.

Wisse, du bist, den glückhaft die Nacht küsst.

Wisse, wie weit die Zeit ist, da du auf Wacht bist.

Sieh nicht, wie diese Welt

aus den Gelenken fällt.

Frei lockt ein Reich, neu und rein.

Wenn ein Stern

an seiner Hitze verglühend flieht

und in weitem Schweif über den Himmel eilt,

der ohne Sonne droht,

wo nur ein runder Mond ruhig thront,

wenn ein Licht über den Himmel zieht,

das samtene Kissen aus reinem Blau,

ein feines Kleid, eingestickt Edelsteine

glitzern in hellem Scheine,

wenn ein Stern seine ganze Kraft verglüht

und zum letzten Mal aufflammt und aufwallt

und aufwühlt und dann erstirbt und verblüht

und im weiten wehenden Blau aufgeht

und sein letztes Licht ausweht, dann

dürfen wir einen Wunsch wählen.

Wir dürfen anflehen,

auch wenn wir nicht wissen, wen.

Ich habe am Himmel großes Weh gesehen

und dennoch muss ich meiner Wege gehen.

Freudig will ich alles tragen und Neues wagen.

Unbekanntes will ich kennen lernen.

Den Sternen will ich Verwandtes werden.

Den Pfad will ich gehen,

der mich zum Sterne führt.

In ihm und mit ihm sein, in ihm glühen

und meine Bahn durchs Universum ziehen.

Am schnellsten den Glanz verglänzen,

das letzte Licht, mein höchstes Glück,

mein schönes Leben in den Himmel malen.

Im Erlöschen über das Blau hin ziehen

und an der Hitze verglühend

fliehen.

 

Kindheit

Warum starb meine Märchenfee

wie eine Möwe in der See ?

Mir ist so kalt, mir ist so weh

wie rotes Blut im weißen Schnee.

Das Wunderland ist abgebrannt,

die Asche glüht, es weht der Sand.

Mein Zauberreich ist unbekannt

und keiner gibt mir seine Hand.

 

Sterne

Findest du`s nicht ungeheuer,

dass sich Tag für Tag ein neuer

Himmel über Bergen hebt,

Winde wirft und Wolken webt ?

Das Kaleidoskop der Sterne,

ist`s nicht ein Symbol der Ferne,

die uns voneinander trennt,

die in uns friert und in uns brennt ?

 

Lotterie

Wir alle spielen Lotterie

und investieren täglich.

Den ersten Preis macht man fast nie,

doch ist es nicht unmöglich.

Jeder gewinnt ein bisschen Glück,

ein Pfund, vielleicht auch mehr.

Man muss gut achten auf sein Stück,

verlieren ist nicht schwer.

Man muss es hüten wie ein Kind,

denn es soll lange reichen.

Gewitter, Wolken, Regen, Wind

sollen es nicht verscheuchen.

Verschleuderst du das große Los,

dann gleichst du über ´s Jahr

dem Lottokönig, der einst groß,

doch bald ein Bettler war.

 

In einer Gasse

Hinter diesem Kirchturm in einer Gasse

ist meine Großmutter zu Hause.

Sie hatte unlängst ihren 80. Geburtstag,

aber ich habe sie nicht besucht.

Mein Vater lebt

fünf Autostunden weg von hier.

Er ist ein Angestellter und hat eine Frau.

Mein Halbbruder heißt Karl und ist vierzehn.

Ich hab keine Lust, die drei nochmals zu sehen.

Meine Mutter hat einen Mann

und der einen Sohn

und der eine Frau und die eine Tochter, Elisabeth.

Sie ist gerade fünfzehn und bezaubernd.

Sie ist der positive Teil

meiner Verwandtschaft.

Ich habe Kollegen,

mit denen ich gut auskomme,

und Sekretärinnen, die mir gefallen.

Wirkliche Freunde habe ich zwei, drei, vier.

Einer davon hat eine Frau, die ich gerne mag.

Doch meine Frau lieb ich mehr als alle andern,

und mein Beruf ist auch nicht mehr so wichtig.

Meist lasse ich ihn im Schreibtisch im Büro.

Man könnte sagen,

ich bin fast ein bisschen glücklich.