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Bobby ist ein aufgeweckter, kleiner Mischlingshund, der auf Ibiza das Licht der Welt erblickt. Ausgesetzt von seinen Besitzern, schlägt er sich mehrere Monate als Streuner auf den Strassen der Insel durch. Krank und unterernährt liegt er eines Tages in einem Strassengraben und ist kurz davor, seinen Überlebenskampf aufzugeben. Doch er wird in letzter Minute gerettet. Durch glückliche Umstände kommt er in ein Land, wo Milch und Honig angeblich durch die Strassen fliessen. Doch dort erwartet ihn ein Tierheim. Trotz des unglücklichen Starts in seinem Leben kennt er keinen Gram gegen die Menschen. Im Gegenteil, er liebt sie. Mit der Zeit entwickelt er sich zu einem kleinen Frechdachs mit vorlautem Mundwerk und mit der Gabe, Menschen und Situationen ziemlich gut beschreiben zu können. Und er findet die Zweibeiner manchmal zum Bellen komisch!

Marie-Louise Hunkeler

Bobby,
der kleine Frechdachs

Ein Charmeur im Pelz erobert alle Herzen

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhalt

Vorwort

Trauminsel?

Leben auf der Strasse

Utopia, ich komme!

Das lange Warten

Adios!

Im falschen Film?

Ich muss zur Schule

Meistens folgsam!

Morgenritual

Skulpturen- und Begegnungsweg

Hunde bleiben draussen!

Besuch für mich

Frauchen schreibt einen Brief

Ich muss zu Hause bleiben

Wieder daheim

Ich darf mit!

Oh Schreck!

Stille Nacht, heilige Nacht …

Puderzucker

Bunte Sterne fallen vom Himmel

Wir entfliehen der Kälte

Es gibt Tage …

Frühlingsgefühle

Gartenarbeit

Einkaufsbummel mit Frauchen

Spinne am Morgen …

Juhui, ich war im Spa

Grillparty

Erziehung ist keine Einbahnstrasse

Ich bin verliebt!

Danke

Vorwort

Wenn Sie beim Lesen dieses Buches glauben, sich darin zu erkennen, dann täuschen Sie sich. Zugegeben, in meinem Umfeld gaben mir diverse Zweibeiner den einen oder anderen Input. Die beschriebenen Personen oder Begebenheiten sind jedoch »mehr oder weniger« fiktiv. Da ich eine überbordende Fantasie habe und dazu neige, masslos zu übertreiben, hat sich fast alles nur in meinem Kopf so abgespielt. So auch grösstenteils die Szenen mit Frauchen und Herrchen. Beide sind auf keinen Fall so skurril und schrullig, wie ich sie dargestellt habe!

Und wenn Sie trotzdem immer noch überzeugt sind, dass Sie sich erkannt haben, dann entschuldige ich mich prophylaktisch für mein vorlautes Mundwerk. Mich über die Homo sapiens lustig zu machen und ab und zu über sie zu lästern liegt mir halt in den Genen. Ich kann nicht anders!

Übrigens, Martin Rütter, der Hundeflüsterer, ist in meinem Buch die einzige reale Person! Und natürlich die Orte, wo ich mit Frauchen und Herrchen war. Alles andere ist – wie schon erwähnt – meiner immensen Fantasie zuzuschreiben!

Wuff, Wuff
Euer Bobby

Trauminsel?

Jedes Jahr verbringen Menschen aus aller Welt ihren Urlaub auf Ibiza. Sie sind begeistert von dem azurblauen Meer, schwärmen von den traumhaften Stränden, bewundern die alten Dörfer mit den engen Gassen und geniessen die kulinarischen Köstlichkeiten, welche die Insel zu bieten hat. Zudem sind sie voll des Lobes von der Gastfreundschaft der Einheimischen. Also das Paradies auf Erden! Sollte man meinen. Ist aber nicht so! Vielleicht gibt es hier tatsächlich paradiesische Zustände, aber sicher nicht für eine Menge Hunde und Katzen, die als Streuner auf der Strasse leben. Und die somit jeden Tag um ihr Überleben kämpfen müssen. Die meisten von uns wurden nämlich von ihren Besitzern schmählich im Stich gelassen. Schlicht, wir wurden ausgesetzt, entsorgt oder entledigt! Wie eine Ware, die man nicht mehr braucht. Auch mir blieb dieses Schicksal nicht erspart. Aber alles der Reihe nach.

Das Licht der Welt – prosaisch gesprochen – habe ich vor zirka vier Jahren erblickt, als ich nackt und blind als Erstgeborener, nebst sechs Geschwistern, aus meiner Mama herausflutschte. Vage erinnere ich mich, dass ich in den ersten Wochen meines Daseins weder das vielgepriesene Licht der Welt noch sonst etwas erblickte. So lebte ich die erste Zeit also in völliger Finsternis. Verlassen konnte ich mich nur auf meinen Riecher, der – so nebenbei erwähnt – ziemlich gross geraten ist. Und da meine Beinchen damals noch aus Gummi waren, konnte ich auch nicht laufen. Wollte ich mich von der Stelle bewegen, musste ich umständlich auf dem Bauch robben. Doch eines Tages öffneten sich meine Augen wie von Zauberhand. Hosianna, ich konnte sehen! Zu Anfang war ich jedoch von der gleissenden Helligkeit ziemlich geblendet, gewöhnte mich aber schnell daran. Der Grundstein für meine sprichwörtliche Neugierde war somit gelegt. Doch es gab leider nicht viel zu sehen oder zu erforschen. Mein Universum bestand gerade mal aus einer Kartonschachtel, die in einem kahlen Raum stand, welcher in etwa so viel Wärme ausstrahlte, wie ein Eisberg in der Antarktis. Meine Geburtsstätte war also alles andere als luxuriös. Sie war schlicht erbärmlich!

Meine Tage bestanden vorwiegend aus Fressen, Schlafen und Herumbalgen mit meinen Geschwistern. Das tägliche Einerlei fing bald an, mich zu langweilen. Gähn und nochmals Gähn! Ich wollte Abenteuer erleben! Mittlerweile konnte ich bereits laufen, wenn auch immer noch auf etwas wackeligen Beinen. Das brachte wenigstens ein wenig Abwechslung in meinen öden Hundealltag. Doch zuallererst nahm ich Mama und meine Geschwister genauer unter die Lupe. Meine Fresse, waren wir eine bunte Truppe! Von Schwarz, Weiss, Rot bis hin zu Braun und Gelb schillerten wir in allen Farben und Mustern. Unser Erzeuger muss sprichwörtlich ein »bunter Hund« gewesen sein. Oder unsere Mama hatte während ihrer Hitzezeit ungehemmten Sex mit verschiedenen Rüden! Katzenfrauen praktizieren Vielmännerei übrigens seit jeher. Während ihrer heissen Phase oder sogenannten Rolligkeit treiben es die durchtriebenen »Miezekätzchen« mit verschiedenen Katern ohne jegliches Schamgefühl! Und dies meist noch in aller Öffentlichkeit! Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie etliche Kater in Reih und Glied dasassen respektive Schlange standen und geduldig warteten, bis ihre königliche Hoheit sie ranliess. Allein vom Zusehen stieg mir die Schamesröte ins Gesicht. Ob Hündinnen dazu auch fähig oder willens sind, entzieht sich meiner Weisheit. Und was die weibliche Spezies betrifft, da habe ich ebenfalls null Ahnung. Sollten sie es aber wie die Katzen treiben, praktizieren sie das Bäumchen wechsle dich Spiel wenigstens nicht in aller Öffentlichkeit, sondern im Versteckten unter fremden Bettdecken. Das ist aber nur eine Vermutung von mir! Vielmännerei ist auf jeden Fall die glaubwürdigste Erklärung, warum jeder von uns anders aussah. Und keiner, wirklich keiner, von uns hätte damals einen Schönheitswettbewerb gewinnen können. Denn wir waren wahrlich eine schrille Bande. Mama hingegen war eine echte Schönheit. Sie hatte ein seidenweiches Fell, das goldgelb leuchtete und einen Körper, der rank und schlank war. Das Schönste an ihr waren jedoch die grossen, rehbraunen Augen, die uns durch lange, dichte, schwarze Wimpern hindurch voller Liebe und Güte anblickten. Wir liebten sie bedingungslos! Und sie liebte uns. Mama kümmerte sich rund um die Uhr rührend und aufopfernd um uns nimmersatte Vielfrasse! Einer von uns hatte nämlich immer Heisshunger auf ihre süffige Milch. Und so suchten wir von morgens bis abends abwechselnd Mamas Tankstelle auf und tranken von dem leckeren Gesöff. Zuvor rauften wir uns meistens um einen Platz an der heissbegehrten Milchbar. Somit trug ich bereits im Babyalter die ersten Scharmützel aus. Oft ging ich als Sieger aus einem Zweikampf hervor. Hurra! Die spielerischen Zweikämpfe waren – das wusste ich damals allerdings noch nicht – bereits ein erstes Überlebenstraining, damit ich mich später auf der Strasse behaupten konnte. Nachdem ich nach einem erfolgreichen Gerangel eine Zitze erobert hatte, gab ich mich dann hemmungslos der Schlemmerei hin und trank jeweils so viel, bis ich ein kugelrundes Bäuchlein hatte. Waren wir dann endlich alle satt, musste sich Mama noch unserer Körperpflege annehmen. Jeder von uns wurde von vorne bis hinten und von hinten bis vorne mit ihrer Zunge gründlich abgeleckt, bis wir vor Reinlichkeit nur so strahlten. Hätte uns Meister Proper gesehen, er hätte sich vor Neid in den Po gebissen! Die tägliche Wäsche liess ich gerne über mich ergehen, denn danach fühlte ich mich immer pudelwohl. Und am Ende eines jeden Tages lagen wir dann müde und selig bei Mama und kuschelten uns dicht gedrängt aneinander. Ich genoss den engen Körperkontakt und fühlte mich sicher und geborgen. Hätte ich geahnt, wie bald meine unbeschwerte Kindheit vorüber sein würde, hätte ich sie bestimmt noch intensiver ausgekostet!

Schnell wurde ich grösser und mutierte langsam zu einem ausgewachsenen Hund mit stolzer Schulterhöhe von fünfzig Zentimetern. Mutig begab ich mich alleine auf Entdeckungstouren und erforschte den grossen Garten von meinem Zuhause. Mit Leidenschaft scharrte ich in den Blumenbeeten und steckte dabei meinen grossen Zinken in die herrlich duftende Erde. Und ich buddelte mit Hingabe die Blumenzwiebeln aus. Damit liess sich nämlich toll Fussball spielen. Ich staunte, wie die Zwiebeln lustig durch die Gegend flogen oder einfach nur wild herumkullerten. Doch meine unbändige Spielfreude wurde jeweils durch das Familienoberhaupt getrübt. Der bärtige Griesgram (ein anderer Name fällt mir für den Kerl nicht ein) schimpfte lauthals, wenn er mich bei meinem Spiel erwischte. Mit hochrotem Gesicht, dem Herzinfarkt nahe, stiess er unaussprechliche (nicht für Kinderohren geeignete) Verwünschungen aus. Wenn ich auf meinen kurzen Beinen nicht schnell genug davonrannte, trat er mich in meinen Allerwertesten. Auaaa! Das tat jeweils höllisch weh! Und dann segelte ich, anstelle der Blumenzwiebeln, durch die Luft! Wäre ich grösser und kräftiger gewesen, ich hätte den Arsch voller Inbrunst in die Waden gebissen! Aber so musste ich jeweils klein beigeben und mit hängendem Kopf von dannen trotten. Dabei fragte ich mich oft, ob wohl alle Menschen solche Spassverderber und Miesepeter sind? Meine Geschwister entdeckten natürlich das Blumenzwiebel-Spiel auch für sich. Sie buddelten ebenfalls munter darauf los und gruben dabei mehrere Gartenbeete um. Auch das Salatbeet blieb nicht verschont. Ich muss zugeben, gemeinsam stellten wir so manchen Unfug an und strapazierten damit auch die Nerven der Hausherrin. Aber diese trat wenigstens nicht nach uns! Sie rannte uns lediglich mit dem Besen hinterher. Wir waren halt schlicht und einfach fröhliche und unbeschwerte Hundekinder, die vom wirklichen Leben noch keine Ahnung hatten! Mit anderen Worten, wir waren vierbeinige Naivlinge.

Die Menschen, die hier auf der Insel leben, sind mehrheitlich Hundenarren. Aber dies nur, solange die Vierbeiner keine Probleme bereiten. Der Traum von fast jedem Hundebesitzer ist es, einmal flauschige, seidenweiche Hundebabys in den Armen zu halten. Denn Welpen sind schlechthin zum Verlieben! Was die Zweibeiner dabei vergessen: Der Welpen-Weichspüleffekt dauert gerade mal ein Jahr. Vielleicht ein bisschen länger. Aber dann wird aus dem süssesten Hundebaby ein ausgewachsener Hund. Und dann fangen die Probleme aber so richtig an! Und genauso war es bei unserer Familie Griesgram. Wir wurden zur Last. Sie wollten uns wilde Rackerbande nicht behalten. Der Ehrenrettung halber möchte ich hier erwähnen, dass Familie Griesgram versuchte, uns irgendwo zu platzieren. Sie wollten uns sogar umsonst abgeben. Doch in der Regel will niemand einen Hund, der keinen Stammbaum hat. Mit anderen Worten, niemand will eine ordinäre Strassenmischung! Die meisten Menschen wollen unbedingt einen Rassehund! Und er muss, wenn möglich, aus einer adligen Hundefamilie mit einer langen Ahnengalerie stammen. Also ein Von und Zu! Der Versuch, uns zu platzieren oder gratis abzugeben, konnte also nur scheitern. So entledigten oder besser gesagt, setzten Familie Griesgram mich und meine Geschwister schlussendlich am Strassenrand in einer Kartonschachtel aus. In eben jener Schachtel, in der wir das Licht der Welt einst erblickten. Es war der blanke Horror! Im Detail davon zu erzählen, wäre für mich viel zu schmerzlich! Nur so viel, wir krochen irgendwann total verängstigt und von Hunger geplagt aus der Schachtel und verteilten uns in alle Himmelsrichtungen.

Ich wüsste so gerne, was aus meinen Geschwistern geworden ist. Und wie es Mama erging, als ihre Kinder plötzlich weg waren? Und ob sie sich wohl von diesem Verlust je erholt hat? Mein kleines, verletztes Hundeherz hofft ganz fest, dass alle wohlauf sind. So ganz nach dem Motto: Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heut! Doch ein Happyend gibt es meistens nur in den Märchen. Das weiss selbst ich. Seufz!

Leben auf der Strasse

Bin gerade mal ein Jahr alt und lebe nun auf der Strasse. Weil mein Magen vor Hunger dauernd knurrt, bin ich ständig auf der Suche nach Futter. An guten Tagen finde ich Reste von Speisen, welche Urlauber weggeworfen haben oder ich stibitze eine Kleinigkeit von einem Marktstand. An schlechten durchwühle ich Abfallsäcke! Hauptsache, ich finde etwas zum Fressen. Am Hafen gibt es einen Fischer, der mir ab und zu einen kleinen Fisch hinwirft, den ich dann gierig mitsamt den Gräten verschlinge. Gracias! Komme ich auf der Suche nach Futter einem Haus zu nahe, werde ich meistens mit üblen Schimpfwörtern bedacht oder mit Steinen beworfen. Will ich mich irgendwo ausruhen, werde ich von Menschen, Artgenossen oder sogar von Katzen verjagt. Mein Leben auf der Strasse ist schlicht trostlos, zermürbend und auch gefährlich. Doch mein Überlebenswille ist trotz alledem ungebrochen. Zum Überleben gehört auch, dass ich so manchen Kampf mit anderen Hunden ausfechten muss. Mein Körper ist nach solchen Streitereien übersät von Blessuren. Danach muss ich mich tagelang irgendwo verkriechen, um meine Wunden zu lecken, damit sie heilen. Dabei fällt meine Moral oft unter den Gefrierpunkt und mein Wille zum Überleben gerät nun doch arg ins Wanken. Aber es gibt auch Lichtblicke! Einmal durchstreife ich ein Anwesen, da wohnen ganz nette Leute. Wenigstens jagen die mich nicht sofort weg. Sie locken mich sogar mit beruhigenden Worten zu sich. Nur mit äusserster Vorsicht wage ich mich – weil ich zu Menschen kein Vertrauen mehr habe – in ihre Nähe. Doch dann werde ich gestreichelt und sogar mit Koseworten überhäuft. Ich geniesse das Zusammensein mit diesen fremden Zweibeinern und das Vertrauen kehrt langsam zurück. Jedes Mal, wenn ich nun hier vorbeigehe, steht Futter für mich bereit. Bald wähne ich mich im Schlaraffenland oder im siebten Hundehimmel. Im Glauben, eine neue Familie gefunden zu haben, bin ich selig. Doch leider ist diese Glückseligkeit nur von kurzer Dauer. Denn eines Tages steht das Haus leer. Die netten Leute sind weg! Und meine Odyssee auf der Strasse geht weiter.

Die Zeit, in der die Insel von Urlaubern überflutet ist, nähert sich dem Ende. Und so wird es für mich immer schwieriger, Nahrung zu finden. Ich bin abgemagert. Mir geht es dreckig. Zudem juckt meine Haut unsäglich. Ich muss mich ständig kratzen. Selbst meine Ohren bleiben vom Juckreiz nicht verschont! Das Leben auf der Strasse fordert nun doch seinen Tribut. So liege ich eines Tages ausgemergelt und geschwächt in einem Strassengraben. Ich habe die Schnauze gestrichen voll von diesem unwürdigen Dasein und will nur noch sterben. Denn ein räudiger Strassenköter will ich nicht mehr sein. Plötzlich hält ein Auto neben dem Strassengraben und eine Dame steigt aus. Sie kniet vor mir nieder und schnappt entsetzt nach Luft. Ich sehe wohl wirklich arg aus.

»Den armen Kerl können wir hier nicht so liegen lassen«, sagt sie zu jemandem im Hintergrund.

Obwohl ich krank, schmutzig und bestimmt voller Ungeziefer bin, nimmt sie mich hoch und trägt mich zum Auto. Auf dem kurzen Weg dorthin schmiege ich mich an die fremde Frau und geniesse ihre Nähe. Für einen klitzekleinen Moment wähne ich mich im Paradies für Hunde! Die Autofahrt dauert nicht allzu lange und wir halten vor einem grossen Haus. Dort hat es bereits viele Hunde. Ich werde zur Begrüssung von allen intensiv beschnuppert. Dazu wedeln sie mit ihren Ruten freudig erregt vor meinen Augen hin und her. Mir wird ganz schwindelig davon. Vielleicht wird mir aber schwindelig, weil ich seit Tagen nichts mehr gefressen habe. Wie sich dann herausstellt, ist meine Retterin sehr begütert und kommt aus einem Land, wo Milch und Honig angeblich durch die Strassen fliessen. Also aus Utopia! Sie hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, Strassenhunde zu retten und eben in dieses sagenhafte Land zu bringen. Wir Streuner sollen dort die Chance bekommen, ein hundewürdiges Leben zu führen.

Ich bekomme nun jeden Tag genug zu fressen und lege innerhalb kürzester Zeit an Gewicht zu. Es ist ein tolles Gefühl, satt zu sein! Eines Morgens werde ich kurzerhand in eine Transportkiste gesteckt. Meine Retterin bringt mich zu einem freundlichen Mann, der einen weissen Kittel trägt und sich bei mir höflich als Tierdoktor vorstellt. Als erstes horcht er meine Herztöne ab, schaut mir danach in den Rachen, begutachtet dabei meine Beisserchen und fummelt hinterher auch noch an meiner Analdrüse herum. Was ziemlich schmerzt! Und zu guter Letzt tastet er meinen Körper mit kalten (brrrr!) Händen rundum gründlich ab.

»Du bist ein robustes, kleines Kerlchen«, sagt er abschliessend.

Spricht’s und pikst mich danach mit einer langen Nadel in meinen Allerwertesten. Auaaa! Danach macht er noch einige Fotos von mir. Die sind angeblich für meine Reiseunterlagen bestimmt. Ich habe keinen Schimmer, von was die Rede ist. Und so lasse ich – bleibt mir ja nichts anderes übrig – die ganze Prozedur stoisch über mich ergehen. Mit anderen Worten, ich bin brav und fügsam! Denn alles ist besser, als weiterhin auf der Strasse zu leben! Wie lange ich mich als Streuner durchgeschlagen habe, weiss ich nicht. Rechnen ist halt nicht so meine Stärke. Es kam mir aber unendlich lange vor!

Utopia, ich komme!

Es ist so weit, die Reise kann beginnen. Ich verlasse Ibiza, Trauminsel der Urlauber. Albtraum der Strassenhunde und der herrenlosen Katzen! Als erstes werde ich wieder in eine Transportkiste verfrachtet, was mich total stresst. Sie ist nämlich ziemlich eng und ich bekomme darin Platzangst. Aus Protest wimmere ich zuerst leise, knurre dann unüberhörbar wütend und belle zuletzt hysterisch laut, um meinem Unmut Ausdruck zu verleihen. Dies kümmert aber keinen Arsch. Meine Begleiter haben wohl Gurken auf den Augen und Tomaten in den Ohren! Und so fahren wir also zu einem Ort, der sich Flughafen nennt. Von dort aus soll mich ein Flugzeug in meine neue Heimat bringen. Als ich den »grossen Vogel« sehe, bekomme ich eine Scheissangst. Meine Beine zittern wie Espenlaub. Und vor lauter Schreck ist meine Stimme weg. Ich kann also nicht einmal mehr wimmern, knurren oder bellen! So bleibt mir mein Protest buchstäblich im Halse stecken. Meine allergrösste Sorge ist jedoch, ob dieser monströse Vogel überhaupt vom Boden hochkommt. Darum bete ich zu allen Göttern und zum Hundegott insbesondere! Nach bangen Stunden des Wartens bin ich dann endlich im Innern des Vogels respektive in seinem Bauch. Bald danach hebt er problemlos ab und schwingt sich elegant in die Lüfte. Ich versinke augenblicklich in einen nebulösen Zustand und bekomme vom Flug fast nichts mit. Der Weisskittel verabreichte mir nämlich vor dem Abflug eine Pille gegen Reisekrankheit. Davon bin ich nun gottlob die meiste Zeit »high«. Darum gaukelt mir wohl auch mein umnebeltes Hirn Strassen voller Milch und Honig vor. Und dazu liegen am Wegrand erst noch haufenweise köstliche Knochen! Sabber, schmatz, mampf, kau! Ich werde dem guten Doktor, der mir diese Träume bescherte, ewig dankbar sein. Halleluja! Der Flug geht gottlob ohne grösseren Zwischenfall vorbei. Und schon werde ich samt Kiste ausgeladen.

Anscheinend braucht es für meine Einreise viele Dokumente. Und bis alle erbsenzählenden Beamten oder Korinthenkacker meine Papiere abgesegnet und abgestempelt haben, dauert es dann nochmals gefühlte Stunden! Und ich muss mich – trotz meines südländischen Temperaments – in Geduld üben. Was nicht gerade meine Stärke ist. Und weil das Prüfen der Einreisepapiere so lange dauert, bin ich mir sicher, dass die Ureinwohner oder die sogenannten Eidgenossen das gewissenhafte und akribisch penible Arbeiten erfunden haben. Also haben sie nicht nur die »Ricola-Kräuterbonbons« erfunden. Schmunzel! Weitere Kritik wegen meiner verzögerten Einreise wäre meinerseits unangebracht, gewährt mir dieses Land doch Asyl!

Dann ist es endlich so weit und ich darf ohne weitere schikanöse Verzögerung den Boden meiner neuen Heimat betreten. Betreten ist eigentlich nicht korrekt, denn ich sitze noch immer in der verhassten Kiste. Vor dem Flughafen nehmen mich wildfremde Menschen in Empfang. Sogleich werde ich wieder in ein Auto verfrachtet. Gerne würde ich mir vor der erneuten Autofahrt die Pfoten ein wenig vertreten, denn langsam sind meine Glieder steif und die Blase macht sich auch bemerkbar. Gottlob habe ich vor der Reise nichts zu fressen gekriegt, sonst würde sich bestimmt auch noch mein Mastdarm melden. Hoffe nun inständig, dass die Fahrt nicht allzu lange dauert. Nun bin ich also in einem fremden Land, in einem Auto mit fremden Menschen, deren Sprache ich nicht verstehe und habe keine Ahnung, wann und wo die Reise endlich endet. Sie endet in einem Tierheim!

Mit ohrenbetäubendem Gebell heisst mich dort ein ganzes Rudel Hunde willkommen. Ich kläffe anstandshalber aus voller Kehle zurück. Auch zaghaftes Miauen dringt an mein Ohr. Doch dies überhöre ich geflissentlich, denn auf diese Begrüssung kann ich gut und gerne verzichten. Hatte ich doch in der Vergangenheit einige Scharmützel mit dominanten Katzen. Danach ging ich meistens als Verlierer vom Platz und trug erst noch auf der Nase blutige Kratzer davon! Also kann man verstehen, warum sich meine Begeisterung für diese Mitbewohner in Grenzen hält. Die Begrüssungszeremonie ist vorüber und ich kann endlich meine Blase erleichtern. Ahhh, welche Wohltat! Daraufhin nimmt mich ein Mann in Empfang. Es ist der Heimleiter, Big-Boss genannt. Er begrüsst mich mit vornehmer Zurückhaltung. Ich ihn hingegen voller Überschwang, indem ich wie ein Jojo an ihm hoch und nieder hüpfe.

»Bobby ist ab jetzt dein Name. Gefällt er dir?«, fragt mich der Heimleiter. Was für eine Frage. Natürlich gefällt er mir. In meinem früheren Leben nannte man mich »el quiltro« (der Köter!). Somit ist alles besser, als dieser unwürdige Schimpfname.

Scheu lasse ich in meiner neuen Bleibe meinen Blick umherwandern und begutachte die gesamte Umgebung voller Argwohn. Zu meinem Erstaunen ist es hier aber sehr schön. Es gibt viele Auslaufmöglichkeiten, damit wir Hunde uns so richtig austoben können. Zur Verfügung stehen uns auch grosse Hundehütten mit beheizbaren (meine Fresse!) Böden für kalte Tage. Hütten, in die ich mich jederzeit zurückziehen und ein Nickerchen machen kann. Aber das Wichtigste ist, es gibt immer genug zu mampfen. Für unser leibliches Wohl sind nette Frauen, die sich Tierpflegerinnen nennen, verantwortlich. Ab und zu haben sie auch Zeit, mit uns zu spielen oder uns ein wenig hinter den Ohren zu kraulen. Ich stehe dafür stundenlang in der Schlange an! Mittlerweile habe ich viele Spielkameraden, mit denen ich den ganzen Tag herumtollen kann. Eigentlich fehlt mir zum Glücklichsein fast nichts. Aber eben nur fast nichts. Ich will nicht undankbar sein, aber ab und zu sehne ich mich nach einem Zuhause mit Menschen, die mich bedingungslos lieben.

Kaum habe ich mich richtig eingelebt, steht ein erneuter Besuch bei einem Tierdoktor an. Natürlich steckt man mich wiederum in die verhasste Kiste. Der Heimleiter chauffiert mich höchstpersönlich zum Arzt. Dort angekommen, schnüffle ich interessiert sämtliche Räume ab. Viele fremdartige und teilweise unangenehme Düfte reizen meine Nase. Zwei nette Fräuleins stellen mich dann auf einen Tisch. Spätestens jetzt müssten bei mir die Alarmglocken schrillen. Tun sie aber nicht! Und so lege ich mich total unbekümmert hin und harre der Dinge, die da kommen. Und es kommt ein Doktor, den ich noch nicht kenne. In der Hand hält er ein Ding mit einer langen, spitzen Nadel. Das kenne ich hingegen. Noch immer keine Alarmglocken! Nein. Ich strecke ihm sogar arglos und willig meinen Po entgegen, damit er mich piksen kann. Unmittelbar danach wird mir schwarz vor den Augen und ich trete weg. Als ich erwache, fühle ich mich schwindlig und orientierungslos. Die ganze Sache ist mir nun doch ein wenig ungeheuer. Ich möchte zu gerne wissen, was der gute Mann zwischenzeitlich mit mir angestellt hat. An intimster Stelle meines werten Körpers, spüre ich nämlich ein Zwicken und Reissen. Also versuche ich mit der Zunge, der Ursache auf den Grund zu gehen und lecke dort, wo es weh tut. Dabei stelle ich fest, dass »Etwas« fehlt, was vorher noch da war. Ich vermisse »mis cojones«!!! Auf gut Deutsch, ich vermisse meine Eier, Klöten, Hoden oder wie auch immer man die Dinger nennt. Während ich über deren Verbleib nachgrüble, sind der Heimleiter und der Tierarzt in ein Gespräch vertieft.

»Eine Kastration ist für ein Tier ja gar nicht so schlimm. Bobby weiss eh nicht, was ihm im Leben dadurch entgeht!«

Beide haben bei diesem Gespräch ein anzügliches Grinsen auf ihren Visagen. Ich hingegen finde es kein bisschen komisch und mache auf beleidigte Leberwurst. Wuff! Ein aufklärendes Gespräch zwischen Arzt und Patient wäre hier nun wirklich angebracht. Aber anscheinend hält es der gute (?!?) Mann nicht für nötig, mich aufzuklären. Ich grüble noch heute manchmal darüber nach, was die beiden mit »entgeht« meinten! Es wird wohl bis ans Ende meiner Tage ein ungelöstes Rätsel bleiben. Vielleicht ist dies gar nicht so schlecht. Denn wie heisst es doch so schön? Selig sind die Unwissenden!

Das lange Warten

Die Tage im Tierheim vergehen und es werden Wochen, ja sogar Monate daraus. Eine gewisse Alltagsroutine hat sich bei mir eingeschlichen. Ab und zu wird diese jedoch durch Besucher unterbrochen, die durchs Gehege latschen und uns wie auf einem Viehmarkt begutachten. Entspricht ein Hund ihren Vorstellungen, wird dieser meistens zügig adoptiert und verlässt dann ebenso zügig das Tierheim. Ist es ein Spielkamerad von mir, macht mich das immer ein wenig traurig. Gottlob verlassen uns aber auch solche, die mir mit ihren aufgeblasenen Egos jeden Tag das Leben schwer machten. Sie spielten sich nämlich als Rudelführer auf und mir blieb nichts anderes übrig, als mich zu unterwerfen. Vorausgesetzt, ich wollte keinen Stunk. Und so warf ich mich zigmal am Tag pflichtschuldigst auf den Rücken und signalisierte Unterwürfigkeit oder ging mit demütig gesenktem Blick und eingezogener Rute an diesen Kotzbrocken vorüber. Was mir insgeheim total auf den Sack ging!

Es ist schon mehr als einmal vorgekommen, dass Besucher auch an mir Interesse zeigen. Unvermittelt verwandle ich mich dann in eine unscheinbare, graue Eminenz. Dazu hocke ich mit niedergeschlagenen Augen desinteressiert da oder stiere mit leerem Blick Löcher in die Luft. Oder ich schaue so richtig dumm und dämlich aus der Wäsche. Und die Rechnung geht immer auf. Denn wer will schon einen unscheinbaren und erst noch doofen Hund. Niemand! Unerschütterlich glaube ich nämlich, dass ich sofort spüren werde, wenn der Mensch respektive die Menschen, die zu mir passen, endlich vor mir stehen. Es muss halt einfach Liebe auf den ersten oder mindestens auf den zweiten Blick sein!

Um im grauen Alltag ein wenig Abwechslung zu haben, mache ich mir immer mehr einen Spass daraus, meinerseits die Besucher zu beobachten. Ich sehe junge, alte, greise, kleine, grosse, dicke, dünne, schöne oder äusserst hässliche Menschen durch die Anlage watscheln. Über das vielseitige Aussehen der Zweibeiner kann ich nur immer wieder staunen. Manchmal rennen auch Kinder durchs Gehege. Und wenn die kleinen Ungeheuer nicht gerade brüllen oder markerschütternd schreien, grapschen sie mit ungeschickten Patschhänden nach uns und ziehen uns unsanft an den Ohren, kneifen uns in die Flanken oder hängen sich an unsere Ruten. Ich krieg dann jeweils voll die Panik und mache mich deshalb so schnell wie möglich vom Acker. Voller Angst verkrieche ich mich dann in eine der Hundehütten und mache mich dort so klein wie möglich. Und hoffe dabei, dass ich nie von einer Familie mit solch kleinen Monstern adoptiert werde.

Eines Nachmittags holt mich eine der Tierpflegerinnen aus dem Gehege. Sie leint mich an und sagt: »Bobby, draussen steht ein Ehepaar, welches sich eigentlich für deinen Spielkameraden Timo interessiert. Der wurde aber heute Morgen bereits vermittelt. Also kam mir die Idee, dich den Leuten zu zeigen. Reiss dich also bitte zusammen. Sei nett und vermurks es nicht! Den Doofen oder die graue Eminenz vorzugaukeln, kannst du auch gleich vergessen. Hast du gehört?«