Alfred Bekker: Die Fantasy-Bibliothek der Zwerge, Orks und Elben – 2126 Seiten Fantasy

Inhaltsverzeichnis

Titelseite

Die Fantasy-Bibliothek der Zwerge, Orks und Elben - 2126 Seiten Fantasy

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Elben - Gefährten der Magie

Kapitel 1: Thobin, der Dieb

Kapitel 2: Faragan, der Abenteurer

Kapitel 3: Pendrasil, der Finstere

Kapitel 4: Emwén, die Heilerin

Kapitel 5: Reiter in der Nacht

Kapitel 6: Das Schattenschiff

Kapitel 7: Das Dorf der Echsenreiter

Kapitel 8: Der Zentaur

Kapitel 9: Faragans Rubin

Das Schiff der Orks

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Alfred Bekker: Angriff der Orks

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Alfred Bekker: Der Fluch des Zwergengoldes

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Alfred Bekker: Die Drachen-Attacke

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Alfred Bekker: Sturm auf das Elbenreich

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Alfred Bekker: Überfall der Trolle

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DIE MAGIE DER ZWERGE

„Drei Zwergenkinder musst du finden!“

Tomli, der Zauberlehrling

In der Klemme

In die Stadt der Zwerge!

Olba, das Zwergenmädchen

Arro der Starke

Erd-Alben

Zwei Elben in Ara-Duun

Im Thronsaal des Zwergenkönigs

Die Gefahr aus der Tiefe

Das Amulett des Ubrak

Gefährten in der Finsternis

Am Weltenriss

In der Dunkelmetall-Schmiede

In der Halle der Diebe

DIE ZAUBERAXT DER ZWERGE

Im Weltenriss verloren

Lirandil und Saradul

Rettet Ubraks Amulett!

Olba und Arro

Das Wüstenschiff

Angriff der Schatten

Verglüht

An Bord des Wüstenschiffs

Der Felsentroll

In großer Gefahr

Trollzorn!

Nach Cosanien

Der Greif am Himmel

Der Geheime Tempel von Cosan

Ubraks Zauberaxt

DIE DRACHENINSEL DER ZWERGE

Schlangenköpfe und Zwergenmagie

An Bord der 'Sturmbezwinger'

Das magische Buch

Drohendes Unheil

Zur Dracheninsel!

Gefangene

Ein magischer Kampf

Gäste des Zauberkönigs

König Wendurs Geheimnis

Der Verfolger

Von Drachen umzingelt!

Die verlorene Zauberaxt

Im Land der Hundereiter

Am Berg des Drachenhüters

Die Entscheidung

DER KRISTALL DER ZWERGE

Schattenbringer und Weltenriss

Was vom Himmel fällt

Die Stunde des Schülers

Die Herberge des Echsenmenschen

Magier ohne Zauberstab

Ar-Don der Gierige

Gefangen in der belagerten Stadt

Angriff der Leviathane

Auf dem Markt von Hiros

Der Retter der Stadt

Vor dem Fürsten

Die Macht des Kristallschädels

Ein Räuber aus dem Himmel

Auf der Spur des Gargoyle

Der Turm von Gambalzôr

Ein magischer Kampf

Nachwort

Das Elbenkrieger-Profil

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Prolog

Die Tote in Telgte

Letzte Ausfahrt Ladbergen

Der Freak aus Kattenvenne

Ein Elbenkrieger in der Achtermannstraße

Traumhenker und Schwarzer Tod

Mit den Augen eines Elben

Elbenmagie in Borghorst

Eine Warnung in Tecklenburg

Der Würger von Osnabrück

Um ein Haar in Borghorst

Zwei Verhöre und der Traumhenker

Die Nacht der Toten

Morgengrauen

Leichenschau

Verdächtige und Zeugen

Zugriff in Kattenvenne

Gefährten

„Nichts als die Wahrheit, die reine Wahrheit!“

Die Augen der Mörderseele

Letzte Elfen

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Further Reading: Rote Schwerter - dunkle Magie: 1500 Seiten heroische Fantasy

Also By Alfred Bekker

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Dieses Buch enthält die  Romane:

Alfred Bekker: Elben - Gefährten der Magie

Alfred Bekker: Das Schiff der Orks

Alfred Bekker: Angriff der Orks

Alfred Bekker: Der Fluch des Zwergengolds

Alfred Bekker:  Die Drachen-Attacke

Alfred Bekker: Sturm auf das Elbenreich

Alfred Bekker: Überfall der Trolle

Alfred Bekker: Die Magie der Zwerge

Alfred Bekker: Die Zauberaxt der Zwerge

Alfred Bekker: Die Dracheninsel der Zwerge

Alfred Bekker: Der Kristall der Zwerge

Alfred Bekker: Das Elbenkrieger-Profil

Alfred Bekker: Letzte Elfen

Geschichten um Elben, Orks und  Zwerge – in unserer und in anderen Welten.

Eine einzigartige Fantasy-Abenteuer Sammlung von Alfred Bekker, dem Autor der Zyklen um DAS REICH DER ELBEN, die ELBENKINDER, GORIAN, die DRACHENERDE-SAGA und viele andere mehr.

Das Zwischenland ist in großer Gefahr. Um sie abzuwenden, folgt der Elbenkrieger Lirandil einer alten Prophezeiung. Drei Zwergenkinder muss er finden: Eines ist ein Zauberlehrling, eines kennt die Zukunft und eines hat die Kraft und das Geschick eines Schmieds. Diese drei ahnen noch nicht, dass nur sie allein die Macht haben, ihre Welt vor dem Untergang zu bewahren. Wird ihnen das gelingen?

Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.

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COVER: EDWARD MARTIN

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author, Cover Edward Martin

© dieser Ausgabe 2017 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

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Elben - Gefährten der Magie

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von Alfred Bekker

Ein CassiopeiaPress E-Book

© by Author

© der Digitalausgabe 2014 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

www.postmaster@alfredbekker.de

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Kapitel 1: Thobin, der Dieb

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Da ist er!“

Thobin wirbelte herum. Er sah, wie sich die Männer der Stadtwache von Aratania durch die enge Gasse drängten. Ein mit Stoffballen überladener Karren, der von einem vierarmigen zylopischen Riesen gezogen wurde, kam ihm entgegen.

„Vorsicht, Vorsicht!“, rief der gerade mal hüfthohe Gnom, der oben auf dem Wagen saß.

„Aus dem Weg!“, riefen die Stadtwachen.

Thobin sprang zur Seite, geradewegs in eine Türnische hinein während der zylopische Riese den Karren an ihm vorbeizog. 

Dass die Männer ihn verfolgten hatte seinen Grund. Thobin presste die Hand an die Brust. Unter dem Gewand aus grober Wolle, das ihm bis über die Hüfte reichte und von einem  breiten Gürtel zusammengehalten wurde, verbarg er einen Schatz.

Ein Schatz allerdings, der ihm nicht gehörte.

Und das war auch der Grund dafür, dass die Stadtwachen ihn verfolgten.

Thobin schnellte aus der Türnische heraus und rannte weiter die Gasse entlang. Der breite Karren des Riesen versperrte nun seinen Verfolgern den Weg.

Gut so!, dachte er.

Thobin trug weiche Fellstiefel, die ihm bis zu den Knien reichten. In diesen Stiefeln hatte er kleine Werkzeuge und einen Dolch verborgen. Alles, was ein richtiger Dieb so brauchte, um die Schlösser von Türen und Truhen zu öffnen. Am Gürtel trug er einen etwas längeren Dolch, eine kleine Ledertasche, in der er neben ein paar gestohlenen Münzen noch ein paar Kleinigkeiten aufbewahrte und einen Wurfhaken am Seil.

Thobin hetzte in Richtung des Endes der Gasse. Dort musste er auf den Markt am Hafen stoßen. Auf diesem Markt war stets so viel los, dass er leicht in der Menge untertauchen konnte.

Doch dann bogen mehrere bewaffnete Stadtwachen genau von dort um die Ecke.

„Packt den elenden Dieb!“, rief einer von ihnen.

Thobin blieb stehen. Er riss den Wurfhaken aus dem Gürtel, schleuderte ihn kurz entschlossen empor, sodass er sich an  einem Dächer festhakte. Das Seil, das am unteren Ende des Hakens befestigt war, reichte gerade. Er fasste es mit beiden Händen, zog es kurz stramm und überprüfte, ob es ihn halten konnte. Der Haken saß. Thobin schwang sich empor. Mit den Füßen stieß er sich an der Wand ab, während er am Seil hinauf kletterte. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Die pure Angst trieb ihn in die Höhe und ließ ihn auch die schmerzenden Arme vergessen.

Selbst das wertvolle Buch unter seinem Wams war plötzlich nicht mehr so wichtig.

Thobin hatte immer schon ein großes Klettertalent gehabt. Solange er sich erinnern konnte, war das so gewesen. Schwindelgefühl oder Ermüdung kannte er dann kaum. Wenn er Wände empor kletterte, kam er sich manchmal vor wie eine Spinne. Es erschien ihm einfach, und er fühlte sich leicht, und er hatte nie verstanden, weshalb anderen das so viel schwerer fiel.

Als die Wächter sich genähert hatten, befand sich Thobin bereits ein ganzes Stück über ihnen. Unerreichbar für ihre Spieße und Hellebarden. Er hatte das untere Ende des Seils zu sich heraufgezogen, so dass keiner der Verfolger es ergreifen konnte.

Thobin hörte sie fluchen.

„Warte nur, wir kriegen dich noch, du elender Dieb! Und dann geht es dir schlecht!“

Er zog sich bis hinauf auf das Dach, wickelte das Seil auf und löste den Wurfhaken, den er daraufhin wieder an seinem Gürtel befestigte. In einem der feucht-kalten Kerker von Aratania hatte er bereits mal eine kurze Zeit zubringen müssen, ehe ihm sein Geschick bei der Öffnung von Schlössern schließlich zur Flucht verhalf. Dorthin wollte er auf jeden Fall nie wieder zurück.

Thobin blickte sich kurz um. Von hier oben hatte man einen Blick bis zum Hafen, in dem hunderte von Schiffen aus aller Herren Länder angelegt hatten. Aratania – die Hauptstadt des  Reiches Aratan – erstreckte sich so weit das Auge reichte. Die Stadt war einziges Gewirr aus Straßen, Mauern und Häusern. Und in der Mitte erhob sich der Palast des Großkönigs. Thobin kannte hier jeden Winkel, jede Gasse, jede Straße und jedes Tor in den verschiedenen Stadtmauern. Und so schwer es manchmal auch für einen ehrlichen Dieb war, sein Auskommen zu finden und den Wächtern zu entkommen, so wenig konnte er sich vorstellen, irgendwo anders zu leben. Die Straßen dieser Stadt waren sein Zuhause. Thobin hetzte behände über die rutschigen Schindeln, sprang auf das Dach des nächsten Hauses, lief weiter und überwand auf diese Weise innerhalb kurzer Zeit fast ein ganzes Stadtviertel.

Zwischendurch tastete er nach dem Buch unter seinem Wams.

Es muss sehr wertvoll sein, ging es ihm durch den Kopf. Wie sonst war es zu erklären, dass die Stadtwache ihn so hartnäckig verfolgte?

Geschahen nicht jeden Tag in den unübersichtlichen, oft sehr engen Gassen von Aratania viel schlimmere Verbrechen? Wurden nicht wertvollere Dinge gestohlen, als ein altes Buch, das nun wirklich nicht zu den prächtigsten Exemplaren in der Bibliothek gehört hatte!

Wenn es wenigstens einen Einband mit Goldrand gehabt hätte! Dann hätte Thobin es verstehen können, dass man ihn so hartnäckig jagte.

Aber irgend etwas besonderes musste es mit diesem Buch auf sich haben. Schließlich hatte Thobin es nicht aus eigenem Antrieb gestohlen, sondern dafür einen Auftrag erhalten. Und sein Auftraggeber hatte ihm so viel Silber dafür versprochen, dass Thobin davon das ganze nächste Jahr hätte leben können.

Er erreichte das Ende des Daches und blickte auf eine menschenleere Gasse herab. Sie war so schmal, dass kaum zwei erwachsene Männer nebeneinander gehen konnten. Thobin ließ sich mit Hilfe seines Seiles und des Wurfhakens an der Mauer hinab. Dann rollte er das Seil um den Haken und steckte beides wieder hinter den Gürtel.

Am Ausgang der winzigen Gasse wurde es plötzlich dunkel. Ein Soldat der Stadtwache stand dort.

Er hielt einen Speer in der Linken und griff mit der Rechten zu einer Einhand-Armbrust, die er am Gürtel trug. Der Soldat richtete die Waffe auf Thobin. „Stehen bleiben, elender Dieb!“, rief er.

Thobin wirkte einen Moment wie erstarrt. Er sah auf der rechten Seite die Abzweigung zu einem schmalen Gang. Er  wusste zwar nicht, wohin der führte, aber das war ihm im Augenblick auch gleichgültig. Hauptsache so schnell wie möglich weg von hier!

Drei, vier Schritte waren es bis dort. Die Gedanken rasten nur so in Thobins Kopf. Konnte er es bis dorthin schaffen, ohne dass ihm der Soldat mit dem Bolzen seiner Einhand-Armbrust traf?

„Kommt hier her!“, rief dieser seinen Leuten zu. Dabei drehte er halb den Kopf. Diesen Augenblick nutzte Thobin aus. Er rannte los. Drei Schritte, das musste doch zu schaffen sein! Der Soldat drückte die Einhand-Armbrust ab. Es machte klack und der Bolzen zischte genau in Kopfhöhe durch die Luft. Thobin erreichte gerade die Stelle, an der der kleine Gang abzweigte, drehte sich halb herum und sah aus den Augenwinkeln heraus etwas auf sich zufliegen.

Doch der Bolzen veränderte plötzlich seine Flugbahn. Er stieg etwas empor und zischte haarscharf über seinen Kopf hinweg und prallte dann gegen das Gemäuer auf der rechten Seite.

Thobins Augen waren in diesem Moment vollkommen schwarz geworden. Pure Finsternis füllte sie und nichts Weißes war darin noch erkennbar.

Der Soldat erschrak sichtlich.

Thobin selbst konnte natürlich nicht sehen, was mit seinen Augen geschehen war. Er sah nur das Entsetzen im Gesicht des Wächters.

Mit einem Satz war der junge Dieb dann in dem noch schmaleren Gang verschwunden. Er rannte vorwärts. Es war finster hier. Er trat auf etwas Weiches. Mit einem durchdringenden Miauen stob eine Katze zwischen seinen Füßen davon, die sich hier wohl auf die Lauer nach Beute gelegt hatte.

Hinter sich hörte er Lärm, der von den Soldaten der Stadtwache herrührte, die ihm nach wie vor auf den Fersen waren. Jenes Buch, das er unter seinem Wams trug, musste wirklich von äußerst großer Bedeutung sein und er verfluchte sich schon dafür, diesen Auftrag überhaupt angenommen zu haben. Es war das erste Mal gewesen, das er nicht für sich selbst, sondern im Auftrag eines anderen gestohlen hatte. Etwas, das eigentlich dem Ehrenkodex der Straßendiebe von Aratania widersprach. Und es war ja nun auch prompt danebengegangen. Das muss wohl die Strafe dafür sein!, ging es Thobin durch den Kopf.

Er erreichte eine Mauer.

Na großartig!, durchfuhr es ihn ärgerlich.

Hinter sich hörte er die Schritte der Wächter.

Er saß in der Falle!

Thobin nahm erneut sein Wurfseil, ließ den Haken über die Mauer fliegen und zog sich dann wenig später empor. Gerade, als er rittlings oben auf der Mauer saß, sah Thobin sich noch einmal kurz um. In der Dunkelheit des engen Ganges bemerkte er eine Bewegung, Stimmen, Schritte...

Thobin sprang auf der anderen Seite herab und landete in einem Hinterhof. Ein Mann mit einem Schwert in der Hand stand ihm gegenüber. Er war kräftig, das Gesicht kantig und der Blick seiner meergrünen Augen wirkte durchdringend. Seine hervorspringende Nase erinnerte an einen Falken, das Haar hatte bereits graue Strähnen.

Neben ihm stand ein Trork. So nannte man die fellbehängten  Bewohner des Wilderlandes. Sie überragten normalerweise selbst den größten Mann noch um mehr als die Hälfte und wirkten wie eine Mischung aus Trollen und Orks. Zottelig hing ihnen das Haar herab und zumeist standen ihnen lange Zähne als Hauer aus dem tierhaften Maul heraus.

Dort, wo normalerweise die Augen hätten sein müssen, war bei einem Trork gar nichts.

Nur die blanke Stirn – denn Trorks besaßen keine Augen. Sie hatten andere Sinne, um sich zu orientieren. Sinne, die allerdings niemand wirklich zu verstehen vermochte, außer ihnen selbst. Dieser Trork hielt in seiner rechten, sechsfingrigen Pranke einen gewaltigen Hammer.

Thobin begriff, dass er offenbar geradewegs in eine Schmiedewerkstatt geraten war. Rauch quoll aus dem Abzug eines Ofens hervor.

Der Trork knurrte leise vor sich hin.

„Sei still, Shrrr!“, schimpfte der grauhaarige Mann mit dem Schwert, an dessen Griff Thobin ein leuchtender Rubin auffiel, der dort eingelassen war. Stirnrunzelnd trat der Grauhaarige etwas vor, während der Trork ihm tatsächlich gehorchte und zu knurren aufhörte.

Der Mann mit dem Schwert lauschte kurz den Stimmen der Stadtwachen. Dann deutete er auf einen Stapel alter, mottenzerfressener Decken und Lumpen. „Los! Versteck dich!“

Thobin ließ sich das nicht zweimal sagen.

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Kapitel 2: Faragan, der Abenteurer

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Die Lumpen, unter denen sich Thobin verbarg, stanken entsetzlich. Thobin musste einen Brechreiz unterdrücken. Allerdings konnte er es doch nicht lassen, wenigstens mit einem Auge aus seinem Versteck herauszublinzeln.

Inzwischen hatte es der erste Verfolger geschafft, die Mauer zu überwinden. Da die Soldaten ja weder ein Seil noch einen Haken zur Verfügung gehabt hatten, war das nicht so ganz einfach gewesen.

Es war der Kerl mit der Einhand-Armbrust. Er landete mit einem federnden Satz auf dem Boden. Inzwischen hatte er längst einen neuen Bolzen in die Waffe eingelegt. Er spannte sie jetzt.

„Wo ist der Kerl hin, der sich gerade über die Mauer schwang?“, fragte der Soldat schroff.

Der Trork knurrte wieder.

„Ganz ruhig, Shrrr!“, mahnte ihn der Grauhaarige mit dem Schwert. „Der Junge ist wie ein Wahnsinniger an uns vorbei gestürmt! So als wäre eine ganze Schar von Höllendämonen hinter ihm her.“ Mit dem Schwert deutete der Grauhaarige auf den offenen Eingang zu seiner Schmiedewerkstatt. „Auf der anderen Seite ist eine Tür, die zur Straße führt. Dort ist er hin! Beeilt euch, wenn ihr ihn noch aufhalten wollt!“

Der Soldat zögerte. Ein zweiter kletterte gerade über die Mauer. Ein dritter folgte.

„Na los, worauf wartet ihr?“, setzte der Grauhaarige noch hinzu.

„Ich kenne dich irgend woher“, sagte der Soldat mit der Einhand-Armbrust, während die beiden anderen Männer bereits die Tür zur Straße erreicht hatten, sie aufrissen und ins Freie liefen.

„Das muss ein Irrtum sein!“

„Nein, das glaube ich nicht! Wie heißt du?“

„Mein Name ist Faragan – und ich diente einst in der Garde des Großkönigs von Aratan!“

Der Soldat nickte leicht. „Ein Veteran also. Vielleicht werden wir noch einmal wiederkommen, um dich nach Einzelheiten über diesen flüchtigen Dieb zu befragen.“

Faragan hob die Schultern. „Ich kann dir darüber nicht mehr sagen, als du auch gesehen hast“, behauptete er.

Der Soldat folgte den beiden anderen und verließ das Haus des Schmieds durch die zur Straße gewandte Tür. Man hörte, wie sie wenig später wieder ins Schloss fiel.

Der Trork stieß ein wildes Knurren aus – so laut, dass ein paar Tauben, die auf einem der höheren Dächer ganz in der Nähe saßen und auf den Hinterhof herab blickten, augenblicklich davon stoben.

„Ist ja schon gut, Shrrr“, meinte Faragan an den Trork gerichtet. „Ich kann die Stadtwachen einfach nicht leiden. Und dass ich früher selbst mal dazugehörte könnte durchaus etwas damit zu tun haben. Aber das ist ein anderes Thema...“

Der Trork antwortete ihm mit einem tiefen, brummenden Laut, der schließlich in eine Art Gurgeln überging.

Faragan ging zu dem Stapel Lumpen, spießte ein paar davon mit dem Schwert in seiner Hand auf und ließ sie zur Seite gleiten, sodass Thobin darunter zu sehen war.

„Du kannst wieder hervor kommen, Dieb!“, sagt er in einem Tonfall, der Thobin überhaupt nicht gefiel.

Der Geruch der Lumpen war so scharf, dass er nur sehr schwer erträglich war. Ein Geruch, der Thobin an irgend etwas erinnerte, nur konnte er im Moment nicht so recht sagen, was es war. Es fiel ihm einfach nicht ein. Thobin verzog das Gesicht und stand unsicher auf. Er wagte sich gar nicht vorzustellen, wie lange dieser Gestank in seinen Kleidern bleiben würde.

Aber dafür hatten ihn die Soldaten des Königs nicht in die Hände bekommen und das war wichtiger als alles andere.

Einen Moment lang dachte Thobin darüber nach, dass der Geruch natürlich jetzt wohl auch von dem wertvollen Buch ausging, was er unter dem Wams trug. Wie sein Auftraggeber das Gesicht verzog, wenn der diesen übelriechenden kleinen Band ausgehändigt bekam, das mochte sich Thobin im Moment gar nicht weiter vorstellen. Er wird den Preis für meine Dienste drücken wollen, ging es dem Straßendieb sofort durch den Kopf.

Faragan wandte sich an den Trork. „Shrrr, sieh mal vor der Tür nach, was sich auf der Straße so tut!“

Der Trork erwiderte dies mit einem Knurrlaut und ging. Vorher warf er noch den großen Schmiedehammer auf den Boden.

Faragan musterte Thobin von oben bis unten und trat etwas näher. „Was hast du gestohlen, dass so viele Wachsoldaten hinter dir her sind?“, fragte er und senkte dabei das Schwert mit dem rubinbesetzten Griff.

„Ich? Ich weiß nicht.. Jedenfalls also...“

Thobin stotterte irgend etwas vor sich hin, was keinerlei Sinn ergab.

„Keine Angst, ich tue dir nichts“, sagte Faragan. Er deutete auf die ausgebeulte Stelle unter Thobins Wams. „Ist dort deine Beute... Meine Güte, nach dem gewaltigen Aufstand, den die Stadtwache hier veranstaltete, musst du ja die Kronjuwelen des aratanischen Großkönigs an dich gebracht haben oder irgend etwas anderes, das vergleichbar wertvoll wäre!“

„Es ist nur ein Buch, Herr!“, sagte Thobin.

„Ein Buch?“ Faragan runzelte die Stirn.

„Ja, ich bin in eine Bibliothek eingestiegen und habe ein Buch gestohlen.“

„Juwelen, etwas zu essen, meinetwegen auch noch ein gutes Schwert – für all das hätte ich Verständnis, aber bei der Hitze des Sonnengottes, was um alles in der Welt willst du mit einem Buch?“

„Herr, ich bin sehr wissbegierig“, behauptete Thobin. Dass er für dieses Buch eine hohe Summe an Silber angeboten bekommen hatte, erwähnte er ebenso wenig wie die Tatsache, dass er überhaupt nicht lesen konnte.

Inzwischen kam der Trork zurück.

„Sind draußen immer noch Soldaten?“, fragte Faragan.

Der Trork nickte und machte ein paar Zeichen mit den großen Pranken, von denen jede sechs Finger hatte.

Faragan schien diese Mischung aus Zeichen und Lauten zu verstehen.

Er wandte sich wieder an Thobin. „Ich kann dir nicht empfehlen, auf die Straße zu gehen. Offenbar sind die fest davon überzeugt, dass du hier irgendwo in diesem Viertel stecken musst...“

„Verflucht...“, murmelte Thobin.

„Hast du Hunger? Shrrr, mein Trork-Freund, und ich wollten gerade sowieso eine Pause machen und wenn du willst, kannst du mit uns essen...“

„Nun, ich...“

„Du siehst aus wie ein hungriger Straßenjunge, und es würde mich brennend interessieren, warum so einer wie du, Bücher anstatt ein paar Früchte auf dem Markt stiehlt...“

Im Moment hatte Thobin ohnehin keine andere Wahl, schließlich hatte er keine Lust, den Wachen geradewegs in die Arme zu laufen, sobald er das Haus verließ und auf die Straße ging.

Also war es in jedem Fall besser, Faragans Gastfreundschaft anzunehmen.

Das Haus bestand nur aus einem einzigen Raum, der Werkstatt und Wohnung zugleich war. Bevor sich Thobin an den großen Tisch setzte, sah er zunächst einmal durch eines der Fenster auf die Straße. Die Fenster waren nicht verglast, sondern wurden mit Holzläden geschlossen. Am Tag standen die Holzläden offen, aber die Öffnung war dann mit einem Vorhang aus Alabaster verhängt, den Thobin jetzt etwas zur Seite schob, um sehen zu können, was auf der Straße los war. Tatsächlich! Auf der anderen Straßenseite waren mehrere der Soldaten zu sehen, die ihn verfolgt hatten. Sie sprachen miteinander. Einer von ihnen fuchtelte ziemlich aufgeregt mit den Armen herum. Offenbar waren sie ziemlich ratlos.

„Setz dich ruhig!“, meinte Faragan. „Wenn sie nochmal zurückkommen, wird uns schon etwas einfallen.“

Faragan stellte Brot und Milch auf dem Tisch. Außerdem einen großen Holzeimer mit Haferbrei. Es dauerte ein paar Augenblicke, bis Thobin begriff, dass der Inhalt dieses Eimers ausschließlich für den Trork namens Shrrr gedacht war.

Sie setzten sich.

Thobin schlang ohne lange zu überlegen ein Stück Brot herunter. Er hatte tatsächlich ziemlich großen Hunger. Seit mehr als anderthalb Tagen hatte er schon nichts mehr gegessen. So lange dauerte die Hatz auf ihn schon und er war so sehr damit beschäftigt gewesen, den Soldaten zu entkommen, dass an Essen überhaupt nicht zu denken gewesen war. Dafür fiel ihm jetzt umso mehr auf, wie sehr ihm der Magen schon seit geraumer Zeit geknurrt hatte.

Nachdem er dann auch noch eine kräftigen Schluck Milch zu sich genommen hatte, fragte er an Faragan gerichtet: „Warum tust du das für mich?“

„Weil ich diese Wach-Soldaten nicht mag!“

„Und woher kannte dich der Soldat?“

„Er muss sich geirrt haben!“

„Aber er schien sich ziemlich sicher zu sein!“

Shrrr grunzte vor sich hin. Mit seinen sechsfingrigen Pranken nahm er jeweils einen riesigen Klumpen aus dem Eimer mit Haferbrei und stopfte ihn sich ins Maul. Ziemlich geräuschvoll schluckte er jeden Happen herunter und rülpste anschließend in verschiedenen Tonlagen, was ihn zu erfreuen schien.

„Auch wenn du es nicht gewohnt bist, aber wir haben einen Gast!“, wandte sich Faragan an den Trork. Dieser stutzte und machte eine Geste, die Erstaunen ausdrückte. Anschließend aß er etwas weniger geräuschvoll. „Shrrr denkt, dass ich mich nicht so haben soll!“, grinste Faragan.

„Du hast meine Frage nicht beantwortet“, stellte Thobin fest.

„Und du bist ein ziemlich hartnäckiger Quälgeist! Wie heißt du überhaupt?“

„Thobin, Sohn eines unbekannten Vaters und einer bei meiner Geburt verstorbenen Mutter. Ich wuchs im städtischen Waisenhaus von Aratania auf, bis ich es geschafft habe, von dort zu entfliehen.“

„Und von da an hast du dich als Dieb durchgeschlagen?“

„So ist es. Aber sei unbesorgt, jemanden, der mir geholfen hat, würde ich nicht bestehlen.“

„Und warum nicht?“

„Weil das gegen die Diebesehre wäre, die unter den Straßendieben von Aratania gilt! Also kannst du ganz unbesorgt sein, Faragan!“

Shrrr stieß einen grollenden Laut aus und Faragan musste schmunzeln. „Mein Trork-Freund scheint dir nicht so richtig zu trauen“, meinte Faragan.

„Versteht er denn überhaupt so richtig, was wir sagen?“, erkundigte sich Thobin. Die Trorks lebten schließlich weit ab im Wilderland und man erzählte sich alle möglichen und wundersamen Geschichten über diese wilden Gesellen und ihr noch wilderes Land. Da die meisten dieser Geschichten von Zentauren erzählt wurden und die Zentauren die uralten Feinde der Trorks waren, wurden diese natürlich als grausame Bestien und ungehobelte Wilde dargestellt, die sich vom Fleisch der Riesenmammuts ernährten, aber auch gerne jeden anderen Besucher des Wilderlandes aufspießten und am Feuer brieten, wenn ihnen danach war. Dass sich Shrrr offenbar hauptsächlich von Haferbrei ernährte, hatte Thobin daher vom ersten Augenblick an gewundert.

Nur äußerst selten gab es Trorks in Aratania zu sehen. Es gab inzwischen hier und da ein paar Handwerker, die sie wegen ihrer Stärke als Träger, Schmiedegehilfe oder Wächter beschäftigten.

Und genau das war auch wohl hier der Fall.

„Verlass dich drauf, er versteht jedes Wort, auch wenn er selbst kein Wort herausbringt. Aber ich habe mir das ehrgeizige Ziel gesteckt, ihm die Schönheiten unserer Sprache noch beizubringen.“

Wie zur Bestätigung dieser Worte ließ Shrrr daraufhin einen kräftigen Knurrlaut folgen, der mit einem ohrenbetäubenden Schnalzen endete. Thobin verzog das Gesicht. „Ah, das tut ja in den Ohren weh!“, beklagte er sich. „Kaum zu ertragen!“

„Na hör mal - ein Straßendieb, der so empfindlich wie ein Elb ist! Wer hat denn so etwas schon mal gehört!“, meinte Faragan lachend. Er beugte sich nach vorn. „Du wolltest wissen, warum ich dir helfe! Es ist ganz einfach. Früher gehörte ich selbst zur Garde des Großkönigs und war ein geachteter Mann, aber ich geriet unter falschen Verdacht. Angeblich hätte ich mit Dieben gemeinsame Sache gemacht, sie absichtlich entkommen lassen und ihnen sogar geholfen, ihre gestohlene Ware zu verkaufen. So warf man mich nach Jahren treuer Dienste mit Schimpf und Schande aus der Garde von Aratan, obwohl mir niemand eine Schuld nachweisen konnte.“

„Dann ist dir übel mitgespielt worden“, musste Thobin zugeben.

„Seitdem muss ich mich als Söldner, Reiseführer und hin und wieder sogar als Waffenschmied durchschlagen, obwohl ich damals kurz davor stand, zum Hauptmann aufzusteigen! Aber stattdessen sind die befördert worden, die mich damals verdächtigten... Aber ich will mich nicht beklagen. Ich hätte auch im Kerker landen können... Jedenfalls freue ich mich, den Soldaten des Königs eins auswischen zu können. Und wenn man mich schon dafür gestraft hat, dass ich mit Dieben gemeinsame Sache gemacht habe, dann soll es doch wenigstens der Wahrheit entsprechen, oder?“ Faragans Lachen klang rau und heiser. Thobin spürte, dass es ihn immer noch wurmte, auf so unrühmliche Weise aus der Garde des Großkönigs ausgeschieden zu sein. 

Thobin hatte inzwischen aufgegessen. Er stand auf, ging noch einmal zum Fenster und schob den Alabaster-Vorhang zur Seite, um hinaus sehen zu können. „Ich will dir ganz sicher nicht länger als unnötig zur Last fallen, Faragan, aber da dort draußen immer noch ein paar Soldaten herumlaufen, wäre ich dir sehr dankbar, wenn ich zumindest bis zum Einbruch der Dunkelheit noch hier bleiben könnte...“

Shrrr verschluckte sich an einer große Portion Haferbrei, die er sich gerade in diesem Augenblick in seinen Rachen hinein geschlungen hatte. Er fuchtelte mit den Armen herum und stieß dann einen tiefen Grunzlaut aus.

„Tja, ich glaube, mein Freund hier ist nicht so besonders begeistert von der Idee“, meinte Faragan.

Wie zur Bestätigung nickte Shrrr und schlug mit der Faust auf den Tisch. Dabei stieß er einen dumpfen Brummlaut aus, der wie eine Bestätigung klang.

„Er denkt wohl, dass du dich damit selbst in Gefahr bringst, wenn du mich länger beherbergst“, stellte Thobin fest.

„Ja, so könnte man das ausdrücken“, stimmte Faragan zu. „Und wenn du da noch lange am Fenster herum hängst, wird die Gefahr wohl noch größer, da dann damit zu rechnen ist, dass irgendwann einer der Soldaten bemerkt, dass da jemand andauernd die Straße beobachtet.“

„Ich würde ja gerne meines Weges ziehen“, versicherte Thobin. „Aber ich fürchte, dass ich damit die Aufmerksamkeit der Soldaten auf mich ziehe – und nicht nur auf mich, sondern auch auf euch beide! Es würde dann ziemlich schnell klar, dass ihr mir geholfen habt!“

Faragan nickte. Er erhob sich von seinem Platz. „Das ist ein Problem.“

„Ich mache dir einen Vorschlag, Faragan!“

„Ich höre?“

Thobin griff sich dorthin, wo das Buch sein Wams ausbeulte und erklärte: „Ich habe eine ziemliche Summe in Silber in Aussicht, wenn ich dieses Buch meinem Auftraggeber gegeben habe! Davon würde ich dir, sagen wir, ein Drittel abgeben, wenn ich hier noch eine Weile bleiben könnte.“

Faragan schien zu überlegen. Er kratzte sich nachdenklich am Kinn. „Dann bist du in Wirklichkeit gar nicht so wissbegierig wie du behauptet hast. Und ich soll darauf vertrauen, dass du wirklich zurückkommst und mir meinen Anteil am Silber bringst?“

„Was ist das Leben ohne Vertrauen, werter Faragan!“, erwiderte Thobin.

„Da hast du sicher recht“, gab Faragan zu. „Aber das ganze erscheint mir dich etwas windig. Wer ist denn derjenige, dem du das Buch versprochen hast?“

„Das darf ich leider niemandem sagen“, erklärte Thobin in fast feierlichem Ernst. „Tut mir leid, aber daran kann ich nichts ändern. Schließlich bin ich ein ehrenhafter Dieb.“

„Ja, ich verstehe schon. Und ich bin jemand, der nicht so dringend auf ein paar Silbermünzen angewiesen ist, dass er sie deswegen auch von einem Dieb annehmen würde. Also, lass dein Geld da, wo es ist. Ich will es nicht! Schon deshalb, weil ich ja nicht weiß, wem es vorher gehört haben mag.“

„Aber...“

„Ich habe dir eine anderen Vorschlag zumachen...“

„Und der wäre?“

„Zeig mir erstmal das Buch, da du gestohlen hast. Dann kann ich das Risiko vielleicht abschätzen und ahne, warum man dich so verfolgt... Keine Sorge, ich gebe es dir zurück, und selbst wenn ich das nicht täte, hättest du sicher das nötige Diebestalent, um es mir jederzeit wieder abzunehmen. Was ist? Traust du mir nicht? Dazu hast du keinen Grund, schließlich habe ich dich vor den Soldaten gerettet!“

Thobin zögerte. Er holte das Buch schließlich doch unter der Kleidung hervor. Es wirkte unscheinbar und war nur so groß wie die Handfläche eines Mannes. Er trat an Faragan heran und und gab es ihm.

„Kannst du es lesen?“, fragte Thobin.

Faragan sah es sich an, blätterte darin herum und schüttelte dann den Kopf. „Nein. Das ist Elbenschrift und obwohl ich schon in Elbiana gewesen bin, vermag ich die Schrift zwar wiederzuerkennen, aber nicht zu lesen. Hast du eine Ahnung, was für ein Buch das ist?“

„Nein.“

„Hat den Auftraggeber dir das nicht gesagt?“

„Mir wurde nur gesagt, wo es sich in der Bibliothek befindet und man zeigte mir ein Abbild der Elbenrune auf dem Einband“, erklärte Thobin. „Das war alles!“

„Und wer, wenn ich fragen darf, hat dir den Auftrag dazu gegeben?“

„Er wird Pendrasil genannt und ich hatte das Gefühl, dass er nicht von hier kommt. Er sprach mich in einem Gasthaus an, wo ich gerade damit beschäftigt war, die Gäste um das Silber in ihren Taschen zu erleichtern... Viel von ihm gesehen habe ich nicht – nicht einmal sein Gesicht, denn er trug eine weite Kutte und hatte die Kapuze immer tief herab gezogen, sodass sein Antlitz immer im Schatten lag...“

Faragan schüttelte den Kopf. „Du machst mit jemandem Geschäfte, dem du nicht einmal in die Augen schauen kannst? Meine Güte, dir muss man noch viel beibringen, wie mir scheint. Du erinnerst dich wirklich an nichts weiter als an den Namen?“

„Seine Hand hatte sechs Finger“, erklärte Thobin.

Shrrr stieß sofort einen Knurrlaut aus. Er hob seine eigene, ebenfalls sechsfingrige Pranke empor.

„Ist ja schon gut, ich weiß, was du sagen willst“, versicherte Faragan und der Trork beruhigte sich daraufhin etwas. Dann wandte sich Faragan wieder an Thobin. „Sechs Finger? Bist du dir da sicher?“

„So wahr ich die schärfsten Augen aller Diebe von Aratania habe!“, versicherte Thobin.

„Ein Abkömmling des legendären Volkes der Sechs Finger?“ Faragan zuckte die Achseln. Niemand wusste, was mit diesem Volk geschehen war, das einst den ganzen Zwischenländischen  Kontinent beherrscht hatte. Die Sechsfingrigen waren verschwunden. Allerdings gab es einige Völker, die offenbar von ihnen abstammten, wie die Gnome von Hocherde oder die Trorks des Wilderlandes.

Faragan gab Thobin das Buch zurück. „Ich habe keine Ahnung, worin der besondere Wert dieses Buches liegt und du magst Geschäfte machen, mit wem du willst. Aber eines Tages wirst du im Kerker oder am Galgen enden, wenn du so weitermachst.“

„Ich tue nur, was ich am besten kann – und ich habe nicht vor, mich erwischen zu lassen“, versicherte Thobin.

„Das haben viele vor dir auch schon gesagt. Und ihre Knochen bleichen heute in den Kerkern unter dem Palast des Großkönigs... Nein, du könntest mehr aus deinem Leben machen.“

Thobin sah Faragan etwas verwundert an. Er runzelte die Stirn, denn irgendwie war ihm nicht so recht klar, worauf Faragan hinaus wollte.

„Wie meinst du das?“, fragte er daher.

„Ich könnte einen Gehilfen brauchen.“

„Um einen schweren Schmiedehammer zu schwingen, bin ich wahrscheinlich nicht der Richtige“, gab Thobin zurück.

„Nein, für grobe Sachen habe ich ja auch Shrrr. Aber manchmal brauche ich auch andere Talente. Und du scheinst geschickt zu sein, so dass man dir einiges beibringen kann... Was ist? Die einzige Bedingung ist, dass du mich nicht bestiehlst, denn dann ginge es dir schlecht...“

Zur Bekräftigung ließ Shrrr ein dumpfes Grollen hören.

Thobin dachte einen Moment nach. Von draußen hörte er Schritte. Schritte, die weder Faragan noch Shrrr bereits gehört hatten. Thobin hatte schon immer ein besonders gutes Gehör gehabt. Er konnte Menschen am Schlag ihres Herzens wiedererkennen und wenn er sich darauf konzentrierte, vermochte er den Schritt eines Menschen bereits zu hören, wie niemand anderes es konnte.

„Einer der Soldaten kommt“, sagte er.

Faragan war irritiert.

Shrrr stieß ein gurgelndes Geräusch aus. Offenbar spürte der augenlose Trork mit seinen besonderen Sinnen dasselbe.

„In die Truhe da vorne!“, bestimmte Faragan und deutete auf eine schwere Holztruhe. „Aber wenn hinterher etwas fehlt, bringe ich dich eigenhändig zum städtischen Kerker!“

Thobin ließ sich das nicht zweimal sagen. Als er die Truhe öffnete und hinein kletterte, polterte bereits jemand gegen die Tür.

„Einen Moment!“ rief Faragan.

Er öffnete die Tür, nachdem von Thobin nichts mehr zu sehen war. Draußen stand tatsächlich jener Soldat mit der Einhand-Armbrust, der Thobin zuvor schon auf den Fersen gewesen war.

„Habt Ihr den Dieb erwischt?“, fragte Faragan.

„Nein. Halt die Augen offen. Jeder, der diesem Nichtsnutz Unterschlupf gewährt, wird schwer bestraft!“

„Das ist mir schon klar“, erwiderte Faragan.

Der Soldat blickte zum Tisch. „Dort haben drei Personen gegessen“, stellte er fest. „Ich sehe hier nur zwei!“

„Ich habe meinen Lehrjungen ausgeschickt, um ein paar Besorgungen zu machen“, log Faragan. „Aber vorher wollte er noch was essen, weil ihm der Magen so sehr knurrte. Nun, es soll ja niemand von mir behaupten, dass ich einen Lehrling hungern lasse!“

„So, so“, murmelte der Soldat. „Wie auch immer, halt die Augen auf. Es ist übrigens auch eine Belohnung auf den Kopf dieses Diebes ausgesetzt. Wer zu seiner Ergreifung beiträgt, bekommt zwei Silberstücke!“

„Dann werde ich die Augen besonders weit offen halten“, versicherte Faragan.

Wenig später war der Soldat gegangen. Thobin hörte seine Schritte noch längere Zeit. Er kletterte aus der Truhe heraus, in der sich Kleidungsstücke, Waffen und Riemen befanden, die wohl zum Zaumzeug eines Pferdes gehörten.

„Gilt dein Angebot jetzt auch noch, da du von der Belohnung erfahren hast?“, fragte Thobin.

Faragan nickte.

„Es gilt.“

„Die zwei Silberstücke wirst du von mir bekommen. Und auch dieses Versprechen gilt!“ 

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Kapitel 3: Pendrasil, der Finstere

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Thobin blieb also in Faragans Haus. Und obwohl der Trork Shrrr dem Straßendieb zuerst sehr kritisch gegenüberstand, schien auch der ungestüme, augenlose Riese sich an Thobin zu gewöhnen.

Davon abgesehen verstand Thobin auch immer besser, was Shrrr mit seinem Geknurre und Gegurgel jeweils wollte. Mitunter hatte der Straßendieb sogar das Gefühl, erspüren zu können, was der Trork dachte. Das war ihm schon früher so gegangen und gehörte zu den besonderen Fähigkeiten, die für ihn seit frühester Kindheit selbstverständlich waren. Er konnte auch bei sehr wenig Licht viel besser sehen, als andere Menschen. Katzenauge hatte man ihn deswegen früher manchmal genannt. Sein Gehör war äußerst empfindlich und ab und zu kam es vor, dass er glaubte, Gedanken hören zu können. Etwa dann, wenn er sich sehr stark in jemanden hinein versetzte, sich auf denjenigen einstellte und versuchte, vorherzusehen, was er als nächstes tun würde.

Für einen Dieb war das eine sehr praktische Fähigkeit, die ihm schon oft gute Dienste geleistet hatte. Dass andere Menschen darüber nicht verfügten, war ihm erst nach und nach aufgefallen.

Zu diesen Fähigkeiten gehörte es auch, mit der Konzentration von Gedanken die Flugbahn eines Armbrustbolzens abzulenken. Aber das war etwas, worauf er sich wirklich nur im Notfall verlassen wollte. Denn manchmal funktionierte es und manchmal auch nicht. Woran das dann lag, konnte er nicht erklären. Auf jeden Fall war es das Beste, bewaffneten Stadtwachen immer auszuweichen.

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IN DEN NÄCHSTEN TAGEN verließ Thobin Faragans Haus nicht.

Und das war auch sicher das Beste, was er tun konnte, denn in den Straßen des Hafenviertels von Aratania sah man in diesen Tagen besonders viele Soldaten der Stadtwache. Es sprach sich herum, dass ein besonders dreister Dieb in die Bibliothek des Großkönigs eingebrochen war, die bis dahin alle für vollkommen einbruchssicher gehalten hatten. Und es machte auch die Runde, dass der Dieb offenbar eine wertvolle magische Schrift gestohlen hatte.

Herolde verkündeten lauthals an den Straßenecken, dass jeder, der dieses Buch ankaufen würde, mit schlimmster Bestrafung zu rechnen hätte und als genauso schuldig angesehen würde wie der Dieb selbst.

Damit sollten wohl die Schwarzhändler von Aratania abgeschreckt hatten, von denen bekannt war, dass der Großteil ihrer Waren gestohlen waren oder aus anderen zweifelhaften Quellen stammten.

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IN DER DRITTEN NACHT, die Thobin in Faragans Haus verbrachte, klopfte es weit nach Mitternacht an der Tür.

Faragan und Shrrr erwachten sofort.

Thobin hingegen hatte sich längst von seinem Lager, das aus zwei Strohsäcken bestand und neben dem Ofen zu finden war,  erhoben. Er war bereits auf halbem Weg zu Tür, als Faragans Stimme ihn zurückhielt.

Es war ziemlich dunkel. Nur die Glut des Ofenfeuers spendete einen schwachen Lichtschimmer. Für Thobins Auge reichte das und Shrrr orientierte sich ja ohnehin mit seinen Trork-Sinnen. Nur Faragan konnte bloß ein paar Schatten sehen.

„Sag mal, erwartest du etwa Besuch oder hast du Sehnsucht nach dem Kerker?“, flüsterte der ehemalige Gardist des Großkönigs. „Verschwinde! Versteck dich oder flieh durch den Hinterausgang, du Narr! Über Mauern klettern kannst du doch!“

Es klopfte erneut, diesmal heftiger.

„Aufmachen!“, ertönte eine dumpfe, sehr tiefe Stimme.

„Einen Moment!“, rief Faragan laut, ging zum Ofen und entzündete mit einem Holzspan eine Öllampe, sodass es etwas heller war.

„Das ist für mich“, behauptete Thobin flüsternd. „Keine Sorge, es ist kein Soldat!“

Shrrr bestätigte das durch ein Knurren. Offenbar sagten die geheimnisvollen Trork-Sinne ihm dasselbe. Faragan hingegen griff nach seinem Schwert. Er schien der Sache nicht zu trauen.

Der Türriegel löste sich von selbst.

Mit einem Ruck flog jetzt die Tür zur Seite. 

Als ob eine unsichtbare Hand sie zur Seite gerissen hätte, knallte sie nur so gegen die Wand.

Eine dunkle, nur als schattenhafter Umriss erkennbare Gestalt stand dort im Freien, gekleidet in eine bodenlange Kutte deren Kapuze tief ins Gesicht gezogen war. Auch der Schein der Öllampe erhellte die Finsternis darunter nicht.

„Warum lässt du mich warten?“ Der Düstere sprach diese Worte nicht laut aus. Es war nur ein Gedanke, der Thobin erreichte. Ein Gedanke, der so intensiv und aufdringlich war, dass er in seinem Kopf schmerzte.

Thobin stöhnte auf.

„Pendrasil!“, entfuhr es ihm.

„Ich habe dir angekündigt, dass ich dich finden werde, nachdem du deinen Auftrag ausgeführt hast, Straßendieb!“, stellte Pendrasil fest – und diesmal nicht nur mit einem eindringlichen Gedanken, sondern auch mit seiner sehr tiefen, dröhnenden Stimme.

Der Düstere trat einen Schritt in den Raum hinein.

Dann streckte er seine linke Hand aus. Der schwache Schein der Öllampe zeigte sechs Finger, so knorrig wie die Finger einer Totenhand. „Gib mir, was mein ist!“

Thobin, der das gestohlene Buch in Elbenschrift die ganze Zeit über stets unter seinem Wams getragen und nie aus den Augen gelassen hatte, holte es nun hervor. Dass Pendrasil irgendwann einmal auftauchen würde, um sich die Beute abzuholen und ihn auszuzahlen, hatte er gewusst – nur nicht, wann das der Fall sein würde. Zwar hatte es den jungen Dieb anfangs verwundert, dass Pendrasil weder Ort noch Zeit für dieses Treffen festlegen wollte, aber der seltsame Sechsfingrige hatte ihm versichert, ihn überall aufspüren zu können. Vermutlich mithilfe von Magie. Aber da Pendrasil ihm bereits eine Münze im voraus gegeben hatte und die Menge an Silber, die Thobin für seinen Diebstahl erhalten sollte, so fantastisch hoch war, hatte er alle Zweifel beiseite geschoben.

Thobin hielt das Buch in Elbenschrift in der Rechten, aber er zögerte, es Pendrasil zu geben.

„Na, los!“, verlangte der Düstere und Thobin spürte plötzlich, wie eine unheimliche Kraft an dem Buch zu ziehen begann. Wenn er es nicht fest im Griff gehabt hätte, dann wäre es ihm in diesem Moment zweifellos einfach aus der Hand gerissen worden.

„Was ist mit dem Silber, dass du mir versprochen hast?“, fragte Thobin, der inzwischen ein sehr mulmiges Gefühl bei der Sache hatte.

„Gib mir das Buch!“, dröhnte jetzt ein Gedanke so schmerzhaft in Thobins Kopf hinein, dass ihm für einen Moment schwindelig wurde. Er machte taumelnd einen Schritt zurück.

Thobin versuchte alles an innerer Kraft zu sammeln, um sich gegen diesen Einfluss zu wehren. Der düstere Magier – oder wie immer man Pendrasil auch bezeichnen mochte! - hatte offenbar überhaupt nicht die Absicht, Thobin den Lohn für seine Dienste auszuzahlen.

„Gib her!“, drang nun ein weiterer Gedanke wie ein Pfeil in Thobins Geist ein. Er spürte wie ihm das Buch durch magische Kraft aus der Hand gerissen wurde. Einen Augenblick später umfassten es Pendrasils Finger.

Thobin schwankte. „Heh!“ rief er, aber es klang nur wie ein schwaches Ächzen.

„Was soll das?“, mischte sich Faragan ein. „Nennst du das einen fairen Handel!“ Faragan hatte nur eine einzigen Schritt nach vorn gemacht, da hob Pendrasil die andere Hand. Ein Blitz fuhr aus den dürren Fingern, traf Faragan und schleuderte ihn bis zur Wand. Das Schwert wurde ihm dabei aus der Hand gerissen. Zitternd steckte es im nächsten Moment im Holz eines Deckenbalkens.

Shrrr wütendes Knurren schien der Magier bereits als Ankündigung eines Angriff aufzufassen. Auch den Trork traf ein Blitz aus Pendrasils Hand. Shrrr wurde gegen ein Regal geschleudert, in dem sich allerlei Tongefäße und Krüge befanden. Das alle ging nun zu Bruch und stürzte auf den aufbrüllenden Trork ein.

Ehe Thobin noch in der Lage war, etwas zu sagen oder zu tun, hatte sich Pendrasil bereits umgedreht und war gegangen. Die Tür wurde genauso gewaltsam und wie von selbst geschlossen, wie in dem Moment, als Pendrasil Faragans Haus betreten hatte. Mit einem Knall schlug sie zu.

Das gibt’s doch nicht!, durchfuhr es Thobin, nachdem er wieder einigermaßen klar denken konnte.

Er griff nach seinem Wurfseil und dem Haken. Beides lag neben seinem Lager. Dann schnellte zur Tür und versuchte, sie aufzureißen. Doch das ging nicht. Obwohl nicht einmal der Riegel davor geschoben war, ließ sie sie sich zunächst nicht öffnen. Thobin nahm seinen gesamten Willen zusammen. Manchmal ließen sich Dinge einfach mit dem Willen beeinflussen. So wie die Bahn eines Armbrustbolzens. Er rüttelte am Türknauf, dann ließ sie sich öffnen.

Thobin rannte ins Freie.

Die Straße war dunkel. Selbst in den Gasthäusern war jetzt kein Betrieb mehr. Öllampen, die die ganze Nacht über entzündet waren, leistete man sich höchstens in den Stadtvierteln der Reichen oder im Palast des Großkönigs. Die einzige Ausnahme waren die Leuchtfeuer am Hafen, die Tag und Nacht brannten. Da die Straße, an der Faragans Haus lag, zum Hafen führte, leuchtete deren Licht von dort herüber. Der Magier war als dunkler Umriss zu sehen. Er ging schnellen Schrittes Richtung Hafen.

„So weit kommt es noch, dass sich ein ehrlicher Dieb bestehlen lassen muss“, murmelte Thobin vor sich hin. Er rannte hinter dem Magier her und schleuderte dann seinen Wurfhaken. Aber anstatt, dass sich das Seil um die Füße des Magiers schlang, wurde es durch die Kraft der Magie abgelenkt und zurückgeworfen. Der Wurfhaken kam auf ihn zu. Thobin sprang zur Seite. Der Haken verfehlte ihn knapp, umkreiste ihn mehrfach auf eine Weise, die allen Naturgesetzen widersprach und wickelte Thobin mit seinem eigenen Seil ein. Innerhalb eines Augenblicks lag Thobin eingewickelt und gefesselt am Boden. Er konnte sich nicht mehr rühren und versuchte verzweifelt, sich zu befreien.

Pendrasil hatte sich bisher nicht einmal umgedreht. Aber jetzt blieb zumindest stehen.

„So ein Narr wie du sollte nicht versuchen, sich mit mir anzulegen!“, erreichte Thobin im nächsten Moment ein so schmerzhafter Gedanke, dass Thobin am liebsten laut aufgeschrien hätte.

Pendrasil drehte sich nun langsam herum. „Vergiss dieses Buch. Vergiss, dass du mich je getroffen hast...“

Thobin spürte einen ungeheuren Druck in seinem Kopf. Die geistige Kraft des Magiers schien es darauf abgesehen zu haben, ihn zu brechen. Aber Thobin wehrte sich. Nein, er wollte nichts von dem vergessen, was geschehen war. Ganz im Gegenteil. Eines Tages trafen sie sich vielleicht wieder und dann würde er sich holen, was ihm zustand!

Thobin spürte, wie es ihm immer schwerer fiel, überhaupt einen Gedanken zu fassen.

Der Magier griff an seinen Gürtel und holte mit seinen langen, knorrigen Fingern irgend etwas aus dem Lederbeutel, den er dort befestigt hatte, heraus.

Dann warf er Thobin etwas zu.

Eine Münze.

Sie schimmerte kupferfarben und begann in der Dunkelheit zu leuchten. Dann schoss eine Flamme daraus empor und erhellte für einige Augenblicke die ganze Straße bis zum Hafen.

„Lauf mir nie wieder über den Weg... Straßendieb!“

Thobin hörte Schritte und dann ein Knurren, wie es nur von einem Trork wie Shrrr stammen konnte.

„Was ist denn mit dir passiert?“, fragte Faragan und begann damit, Thobin von seinen Fesseln zu befreien. „Du hast dich da mit einem wahren Ungeheuer eingelassen... Bei allen Göttern, solche Magie habe ich noch nie gesehen!“

Und Shrrr schien derselben Ansicht zu sein, denn er gab einen tiefen Brummlaut von sich.

Thobin schüttelte das Seil ab und raffte es mitsamt dem Haken einfach zusammen. „Er ist zum Hafen!“, rief er.