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Kohlhammer Human Resource Competence

 

Herausgegeben von Alexander Haubrock

Sonja Öhlschlegel-Haubrock, Alexander Haubrock

Nachhaltige Personalentwicklung

Herausforderung und Chance

Verlag W. Kohlhammer

1. Auflage 2017

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-029274-1

E-Book-Formate:

pdf:      ISBN 978-3-17-029275-8

epub:   ISBN 978-3-17-029276-5

mobi:   ISBN 978-3-17-029277-2

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Inhaltsverzeichnis

 

 

 

  1. Geleitwort des Herausgebers
  2. Vorwort
  3. 1 Nachhaltige Personalentwicklung als generelle Unternehmensanforderung
  4. 1.1 Mit Personalentwicklung einem Megatrend der Nachhaltigkeit begegnen
  5. 1.2 Nachhaltigkeit und unternehmerische Responsivität
  6. 1.2.1 Nachhaltige Personalentwicklung als Förderung unternehmerischer Responsivität
  7. 1.2.2 Nachhaltige Personalentwicklung im Spannungsfeld zwischen strategischem Personalmanagement und Förderung der Responsivität
  8. 1.3 Zusammenfassung
  9. 2 Strategische Personalentwicklung
  10. 2.1 Situationsanalyse
  11. 2.1.1 Analyse der eigenen Situation
  12. 2.1.2 Erweiterte Analyse der eigenen Situation unter Berücksichtigung einer nachhaltigen Unternehmensführung
  13. 2.1.3 Umfeldanalyse
  14. 2.1.4 Risikoanalyse
  15. 2.2 Zieldefinition
  16. 2.2.1 Zielfindung
  17. 2.2.2 Messbarkeit von Zielen
  18. 2.3 Entwicklungsbedarf
  19. 2.4 Maßnahmenplanung
  20. 2.4.1 Maßnahmenplanung für den quantitativen Bereich
  21. 2.4.2 Maßnahmenplanung für den qualitativen Bereich
  22. 2.5 Realisierung und Steuerung
  23. 2.6 Zusammenfassung
  24. 3 Evaluation von Personalentwicklungsmaßnahmen und Nachhaltigkeit
  25. 3.1 Grundgedanke der Evaluation
  26. 3.1.1 Nachweis der Wirksamkeit von Personalentwicklungsmaßnahmen
  27. 3.1.2 Evaluationsplanung
  28. 3.2 Zielebenen der Evaluation
  29. 3.2.1 Evaluation der Prozesse
  30. 3.2.2 Evaluation der Ergebnisse
  31. 3.2.3 Beispiel für eine integrative Prozess- und Ergebnisevaluation
  32. 3.3 Partizipative Evaluation
  33. 3.3.1 Partizipative Evaluation als integraler Bestandteil nachhaltiger Personalentwicklung
  34. 3.3.2 Evaluation des Beitrags von Personalentwicklung zur Förderung der Responsivität
  35. 3.4 Zusammenfassung
  36. 4 Förderung der Resilienz und Work-Life-Balance
  37. 4.1 Begriffsklärung Resilienz
  38. 4.2 Resilienzaufbau
  39. 4.2.1 Stress und Stressbewältigung
  40. 4.2.2 Selbstwirksamkeitserwartungen
  41. 4.3 Abbau unternehmensinterner Belastungsfaktoren
  42. 4.3.1 Schaffung von Identifikationsmöglichkeiten
  43. 4.3.2 Entlastende Mitarbeiterführung
  44. 4.4 Organisationale Resilienz
  45. 4.5 Work-Life-Balance
  46. 4.6 Zusammenfassung
  47. 5 Erhaltung und Förderung der Beschäftigungsfähigkeit älterer Mitarbeiter
  48. 5.1 Voraussetzungen für die Beschäftigungsfähigkeit Älterer
  49. 5.2 Problematik des Begriffs ältere Mitarbeiter
  50. 5.3 Lernen im Alter
  51. 5.3.1 Lernen und Lernfähigkeit im mittleren Erwachsenenalter
  52. 5.3.2 Lernmotivation im mittleren Erwachsenenalter und die Wirkung von Altersstereotypen
  53. 5.4 Ableitungen für die Personalentwicklung
  54. 5.4.1 Abbau von Altersstereotypen im Unternehmen
  55. 5.4.2 Gestaltung von Personalentwicklungsmaßnahmen
  56. 5.5 Zusammenfassung
  57. Literaturverzeichnis

 

Geleitwort des Herausgebers

 

 

Die Buchreihe Human Ressource Competence widmet sich den aktuellen Herausforderungen und der deutlich gewachsenen strategischen Bedeutung des professionellen Personalmanagements.

Personalentwicklung ist eines der klassischen Felder des Personalmanagements. Spätestens seit der Industrialisierung ist klar, dass eine berufliche Erstausbildung bzw. eine Anlernphase nicht ausreichen, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Dauer ihres Arbeitslebens zu qualifizieren. Unternehmen übernehmen daher notwendigerweise Bildungs- und Qualifikationsaufgaben, um den effektiven und effizienten Einsatz der Humanressourcen zu sichern.

Personalentwicklung ist aber immer auch aufgefordert, sich zu reflektieren und ggf. neu zu erfinden. Personalentwicklung ist nicht an sich gut, sondern nur zielführend und hilfreich für ein Unternehmen, wenn sie aktuelle Entwicklungen berücksichtigt und mit der Strategie des Unternehmens verbunden und verwoben ist.

Der vorliegende Band »Nachhaltige Personalentwicklung – Herausforderungen und Chance« widmet sich genau diesen aktuellen Entwicklungen, d. h. insbesondere der Frage der Nachhaltigkeit in der Personalentwicklung.

Der Band zeigt dabei aber nicht nur die aktuellen Herausforderungen auf, sondern gibt konkrete Anregungen zur Gestaltung und Weiterentwicklung der Personalentwicklung in der heutigen Zeit.

März 2017

 

Alexander Haubrock

 

Vorwort

 

 

 

Die meisten Unternehmen haben die Notwendigkeit, Personalentwicklung zu betreiben, bereits erkannt und investieren daher in die berufliche Qualifikation und ihrer Mitarbeiter. Dabei wird Personalentwicklung aber häufig noch als reine Problemlösung betrachtet, erfolgt kaum strategisch ausgerichtet am Personalentwicklungsbedarf und nur selten wird überprüft, ob die erfolgten Maßnahmen tatsächlich den gewünschten Erfolg gebracht haben und daher die damit verbundenen Kosten auch gerechtfertigt sind. Noch seltener wird eine nachhaltige Personalentwicklung betrieben. Genau diese ist es aber, die Unternehmen befähigt, aktuelle und vor allem zukünftige Herausforderungen zu bewältigen und so auch langfristig erfolgreich zu sein.

In der Literatur wird bisher noch vor allem dann von nachhaltiger Personalentwicklung gesprochen, wenn Maßnahmen der betrieblichen Weiterbildung langfristig wirksam sind und die Teilnehmer darin neu Gelerntes im Unternehmensalltag auch anwenden (vgl. z. B. Kauffeld, 2016, S.11). So wie der Begriff der Nachhaltigkeit in der Literatur unterschiedlich definiert wird, kann aber auch eine nachhaltige Personalentwicklung aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet werden.

Hier wird davon ausgegangen, dass Unternehmen für einen langfristigen Erfolg, eine Personalentwicklung betreiben müssen, die sie darin unterstützt, nachhaltig agieren zu können. Dementsprechend wird Personalentwicklung dann als nachhaltig verstanden, wenn sie dazu beiträgt, dass Unternehmen nachhaltig und somit auch langfristig erfolgreich sind. Dazu muss Personalentwicklung grundlegend strategisch ausgerichtet sein. Strategische Personalentwicklung kann ein strategisch ausgerichtetes Personalmanagement unterstützen, um dieses effizienter zu machen und so zum Unternehmenserfolg beitragen. Darüber hinaus müssen Unternehmen Personalentwicklung aber auch betreiben, um die Auswirkungen des demografischen Wandels bewältigen zu können. Personalentwicklung, die sich an den Auswirkungen des demografischen Wandels – als einem Megatrend der Nachhaltigkeit – orientiert, trägt zum externen und internen Personalmarketing bei, um das Unternehmen für Bewerber und bereits tätige Mitarbeiter attraktiver zu machen. Sie trägt aber auch dazu bei, dass Mitarbeiter weniger belastet werden und so länger im Unternehmen tätig sein können und berücksichtigt in einer immer älter werdenden Gesellschaft intensiv die Ansprüche einer gleichermaßen immer älter werdenden Belegschaft. Wirklich nachhaltig erfolgreich können Unternehmen aber nur sein, wenn sie ihre Aktivitäten nicht primär auf kurz- bis mittelfristigen wirtschaftlichen Erfolg ausrichten, sondern die Fähigkeit besitzen, auf Veränderungen der sozialökonomischen Präferenzen aller vom unternehmerischen Handeln Betroffenen empfänglich zu sein und in diesem Sinn responsiv agieren. Personalentwicklung, die zur Responsivität von Unternehmen beiträgt, ist nicht nur strategisch und ausschließlich an Effizienzkriterien ausgerichtet, sondern fördert vor allem organisationales Lernen. Sie befähigt damit Unternehmen vorausschauend agieren zu können und Wandel nicht nur zu bewältigen, sondern bewusst Veränderungen herbeizuführen, die als Verbesserung betrachtet werden können. Eine in diesem Sinn betriebene Personalentwicklung stellt eine unternehmerische Herausforderung dar, ist aber gleichermaßen als Chance zu verstehen, sich positiv von Wettbewerbern zu differenzieren.

Das Buch soll für die Notwendigkeit einer nachhaltigen Personalentwicklung sensibilisieren und die vorab angeführten unterschiedlichen Blickwinkel verbinden, um ein ganzheitliches Verständnis von nachhaltiger Personalentwicklung darzustellen. Darüber hinaus soll es aber auch konkrete Hinweise für die Gestaltung einer nachhaltigen Personalentwicklung liefern.

 

1          Nachhaltige Personalentwicklung als generelle Unternehmensanforderung

 

 

 

Nachhaltigkeit ist innerhalb kurzer Zeit zum Trend geworden. Sich als ein an Nachhaltigkeit ausgerichtetes Unternehmen darzustellen, entspricht dem Zeitgeist und wird letztlich auch zu Werbezwecken genutzt. Mittlerweile erläutern dementsprechend viele große Unternehmen ihre Corporate Social Responsibility (als unternehmerische Verantwortung so nachhaltig wie möglich zu wirtschaften) explizit auf ihrer Homepage.

Unternehmen, die lediglich mit Nachhaltigkeit werben, vernachlässigen dabei Herausforderungen, die sie langfristig nur mit einer nachhaltigen Unternehmensführung bewältigen können. Hierzu gehören ganz offensichtlich die so genannten Megatrends der Nachhaltigkeit wie Klimawandel, Ressourcenverknappung und demografischer Wandel (BMU, 2008). Diesen Veränderungen strategisch auf ökologischer und sozialer Ebene zu begegnen, wird für Unternehmen zunehmend zur Voraussetzung, um auch ökonomisch erfolgreich zu sein. Langfristiger Erfolg setzt darüber hinaus aber immer mehr auch unternehmerische Veränderungsfähigkeit und Veränderungsbereitschaft voraus. In diesem Sinn wird Corporate Social Responsiveness (als vorausschauende Orientierung und Anpassung von Unternehmen an soziale Anforderungen) zum zentralen Bestandteil einer nachhaltigen Unternehmensführung. Sowohl die reine Bewältigung des demografischen Wandels als Megatrend der Nachhaltigkeit (Images  Kap. 1.1) als auch die Förderung der unternehmerischen Responsivität (Images  Kap. 1.2) können allerdings nur mit einer entsprechend ausgerichteten Personalentwicklung gelingen.

1.1       Mit Personalentwicklung einem Megatrend der Nachhaltigkeit begegnen

In Deutschland ist die Geburtenrate seit vielen Jahren konstant niedriger als die Sterberate. Trotz einer aktuell positiven Zuwanderungsquote werden daher voraussichtlich bereits im Jahr 2030 fast fünf Millionen Menschen weniger in Deutschland leben als noch im Jahr 2008. Bei einer gleichzeitig gestiegenen Lebenserwartung sinkt der Anteil der erwerbsfähigen Bevölkerung, also der 20- bis 65-Jährigen von 61 % auf 55 %, wohingegen der Anteil der über 65-Jährigen bis 2030 von 20 % auf 28 % zunehmen wird (Statistisches Bundesamt, 2015, S. 19). Die deutsche Bevölkerung wird also nicht nur immer weniger, sondern auch immer älter (Images  Abb. 1).

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Abb. 1: prognostizierte demografische Veränderungen nach Altersklassen zwischen 2013 und 2030 in Anlehnung an die 13. Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes, 2015

Mit zurzeit noch deutlichen regionalen Unterschieden, wirkt sich dieser demografische Wandel schon heute besonders in den neuen Bundesländern aus (vgl. Statistisches Bundesamt 2011, S. 24 f.). In Folge sind bereits jetzt zahlreiche Unternehmen mit einem Fachkräftemangel in bestimmten Bereichen konfrontiert und es ist davon auszugehen, dass sich dieser Trend flächendeckend für Deutschland in Zukunft verstärken wird. So entfielen z. B. im Bereich Energie- und Elektrotechnik, sowie Maschinen- und Fahrzeugbau im ersten Quartal 2016 in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen auf 100 arbeitssuchende Bewerber ca. 300 offene Stellen (vgl. Institut der Deutschen Wirtschaft, 2016).

Unternehmen werden in Zukunft wohl noch stärker als aktuell vor der Herausforderung stehen, genügend Mitarbeiter einstellen zu können und so ihren quantitativen Personalbedarf zu decken. Dies gilt besonders für kleine und mittelständische Unternehmen, die in der Regel weniger überregional bekannt sind. Der vorab angesprochene und zurzeit noch stark regional begrenzte Fachkräftemangel macht deutlich, dass es dabei vor allem darauf ankommt, Mitarbeiter mit bestimmten Qualifikationen und Kompetenzen (qualitativer Personalbedarf) zu finden. Gelingt dies nicht, müssen Mitarbeiter im Unternehmen ausgebildet und weiterqualifiziert werden. Sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren, um ausreichend neue und den Anforderungen entsprechend qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen, wird somit immer bedeutsamer.

Gleichzeitig wird es immer mehr ältere Mitarbeiter in Unternehmen geben. Hierzu trägt nicht nur das gestiegene Renteneintrittsalter bei, sondern auch der Umstand, dass Ältere in Zukunft unverzichtbar sein werden, wenn junge Nachwuchskräfte fehlen. Ältere Mitarbeiter gilt es daher sowohl physisch als auch psychisch leistungsfähig zu erhalten, sowie deren qualifikatorische Leistungsfähigkeit zu fördern und zu unterstützen. Da sich das Lernen im Alter z. B. aufgrund einer möglichen Lernentwöhnung aber verändern kann (Images  Kap. 5), bedarf es einer besonderen Beachtung.

Mit einer abnehmenden Gesamtbevölkerung wird langfristig wohl trotzdem nicht auf den Zuzug und die Beschäftigung von Mitarbeitern aus dem Ausland verzichtet werden können. Selbst für rein national agierende Unternehmen ist damit eine größere interkulturelle Vielfalt der Belegschaft verbunden. Um damit häufig verbundene Probleme in der Zusammenarbeit der Mitarbeiter, wie z. B. Bruchstellen im Team oder Leistungseinbußen durch den so genannten »Stereotype-Threat« (vgl. Steele & Aronson, 1995) zu vermeiden, müssen Unternehmen auch darauf bedacht sein, die interkulturelle Kompetenz ihrer Mitarbeiter zu fördern. Inwiefern sich die aktuelle Flüchtlingssituation langfristig auf die beschriebe Situation auswirken wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht konkret absehbar. Während das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) z. B. davon ausgeht, dass sich daraus positive Effekte auf das Erwerbspotenzial vor allem durch den Zuzug jüngerer Altersgruppen ergeben (IAB, 2015), sieht der Leiter des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung hierin eher eine kurzfristige Entlastung und weist darüber hinaus darauf hin, dass das Migrationspotenzial vor allem in Ländern liegt, in denen der Bildungsstand unter dem globalen Mittelwert liegt (Klingholz, 2016). Auch wenn die Zuwanderung von Personen, die aktuell als Flüchtlinge nach Deutschland kommen, das Problem daher wohl nicht grundlegend lösen kann und intensiver Bildungs- und Integrationsbemühungen von Unternehmen bedarf, wäre sie zumindest mittelfristig mehr als wünschenswert. Nicht umsonst beschreibt das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit demzufolge den demografischen Wandel als einen Megatrend der Nachhaltigkeit (vgl. BMU 2008, S. 9). Dabei scheint es kurzsichtig, den demografischen Wandel isoliert zu betrachten. Denn mit den beschriebenen demografischen Veränderungen geht auch ein Wandel von Werten einher – in einer Zeit, in der die Rahmenbedingungen der Arbeit besondere Anforderungen an Mitarbeiter stellen.

Werte können als »… individuell unterschiedlich ausgeprägte sowie als gesellschaftlich wandelbare Orientierungsstandards« (Hillmann, 1989, S. 57) verstanden werden. Obwohl sie interindividuell unterschiedlich bedeutsam sind und über die Zeit immer gewissen Veränderungen unterliegen, wirken sich die aktuellen Werteänderungen stark auf die Arbeitswelt aus. Neben herausfordernden Aufgaben, Entwicklungschancen und Spaß an der Arbeit, erwarten Mitarbeiter auch die Möglichkeit, an Entscheidungsprozessen mitwirken zu können. Gleichzeitig wird mit dem Schlagwort der Work-Life-Balance das Gleichgewicht zwischen Arbeit und Freizeit immer wichtiger.

Andererseits sind Mitarbeiter u. a. durch technologische Entwicklungen und eine zunehmende Dynamik der Arbeitswelt damit konfrontiert, Eigenverantwortung für ihre Arbeitsmarktfähigkeit zu übernehmen, kontinuierlich lernbereit zu sein und flexibel auf Veränderungen zu reagieren. Moderne Kommunikationstechnologien erleichtern zwar durch eine Virtualisierung der Arbeitsplätze verstärkt die geforderte Work-Life-Balance, gehen aber gleichzeitig auch mit einer Anonymisierung der Arbeitsbeziehungen einher (vgl. Wunderer & Dick, 2006), da damit direkte persönliche Kontakte zwischen Kollegen oder Mitarbeitern und ihren Führungskräften seltener werden. Kontinuierlich zunehmende betriebliche Flexibilisierungen erfordern auch eine entsprechende Flexibilität von Mitarbeitern. Arbeitsplatzsicherheit ist der Arbeitsplatzunsicherheit gewichen. So gibt es keine Beschäftigungsgarantie mehr und Mitarbeiter sind vielfach gezwungen, nur befristete Arbeitsverhältnisse einzugehen. Arbeitnehmer erwarten daher geradezu die Unsicherheit ihres Arbeitsplatzes und identifizieren sich daher, wenn überhaupt eher mit ihrer Tätigkeit als mit dem Unternehmen, in dem sie arbeiten (Kruse, 2009).

Damit nehmen für Mitarbeiter psychische Belastungen durch die Arbeit und den Zwang zur Selbstorganisation zu, während sie immer weniger Möglichkeiten haben, sich mit ihrem Arbeitgeber zu identifizieren und Bindungen zu Arbeitskollegen in einem festen Team aufzubauen (Images  Kap. 4). Dass psychische Belastungen insgesamt auch volkswirtschaftlich immer bedeutsamer werden, verdeutlichen die Angaben der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, wonach im Jahr 2013 bereits 13,9 % der Arbeitsunfähigkeitstage durch psychische und vegetative Erkrankungen verursacht wurden und damit verbundene Kosten in Höhe von 8,2 Milliarden € angefallen sind (vgl. BauA, 2013, S. 161).

Fasst man die vorab angeführten Aspekte zusammen, ist davon auszugehen, dass Unternehmen verstärkt um gut qualifizierte Fachkräfte werben müssen und werden, während diese u. a. auch aufgrund mangelnder Bindung an ihren Arbeitgeber stärker wechselbereit sind. Darüber hinaus werden die bereits tätigen, aber immer älter werdenden Mitarbeiter irgendwann zwangsläufig ihren Ruhestand antreten. Unternehmen sind daher zum einen mit einer erhöhten Fluktuationsproblematik (altersbedingtes Ausscheiden von Mitarbeitern oder aufgrund von Eigenkündigungen) und damit einhergehendem Know-how-Verlust konfrontiert. Wenn es aufgrund des demografischen Wandels immer schwerer wird, potentiell geeignete neue Mitarbeiter zu finden, müssen vor allem die bereits im Unternehmen tätigen Mitarbeiter besonders gebunden werden. Die Erfüllung von Mitarbeiterwartungen zur Mitarbeiterbindung wird somit zu einer zentralen Aufgabe. Zum anderen gilt es die psychischen Belastungen der Mitarbeiter im Rahmen der unternehmerischen Möglichkeiten zu reduzieren und gleichzeitig die psychische Belastungsfähigkeit (Resilienz) zu fördern (Images  Kap. 4.2), um die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter zu erhalten.

Um dem Megatrend des demografischen Wandels unmittelbar zu begegnen, müssen Unternehmen sich also als attraktiver Arbeitgeber positionieren, Mitarbeiter entsprechend der eigenen Anforderungen ausbilden, kontinuierlich weiterqualifizieren, die qualifikatorische Leistungsfähigkeit älterer Mitarbeiter fördern und die interkulturelle Kompetenz der Mitarbeiter ausbauen. Mittelbar müssen Erwartungen bereits tätiger Mitarbeiter hinsichtlich der eigenen Weiterentwicklung befriedigt und deren Resilienz (Images  Kap. 4) gestärkt werden. Sowohl die Bewältigung der unmittelbaren als auch der mittelbaren Herausforderungen fallen damit ganz offensichtlich in den Bereich der Personalentwicklung. Um längerfristig ökonomisch erfolgreich zu sein, müssen Unternehmen daher auch ihre Personalentwicklung strategisch an diesen Herausforderungen ausrichten.

Die Bedeutung einer in diesem Sinn strategischen Personalentwicklung (Images  Kap. 2) wird allerdings noch von vielen Unternehmen unterschätzt. Nach der achten Weiterbildungserhebung des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln hat das Engagement der Unternehmen in Personalentwicklung in 2013 nur augenscheinlich deutlich zugenommen. Waren in 2010 noch 83,2 % aller befragten Unternehmen im Rahmen der Weiterbildung aktiv, stieg dieser Prozentsatz in 2013 auf immerhin 86 % (vgl. Seyda & Werner, 2014). Betrachtet man die Ergebnisse allerdings etwas genauer, beträgt der Anstieg im Vergleich zu 2004 nur 1,6 % und die Investitionen in Weiterbildung (€ pro Mitarbeiter) lagen sogar noch unter denen von 1998. Weiterhin fällt auf, dass nur 77,9 % der Unternehmen eigene und/ oder externe Lehrveranstaltungen (formelle Weiterbildung) anbieten. Ein Großteil dessen, was die Unternehmen als Weiterbildung klassifizieren, entfällt auf simple Unterweisungen während der Arbeit (Images  Abb. 2). Darüber hinaus finden nach wie vor ein Drittel aller Personalentwicklungsmaßnahmen in der Freizeit der Mitarbeiter statt und werden so von diesen mitfinanziert.

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Abb. 2: Anteil und Art von Personalentwicklungsmaßnahmen in deutschen Unternehmen 2013 (in Anlehnung an Seyda & Werner, 2014)

Unternehmen, die in Personalentwicklung investieren, tun dies in erster Linie immer noch, um die Kompetenzen der Mitarbeiter im Sinn eines positiven Geschäftserfolgs auszubauen. Nur 71 % aller weiterbildungsaktiven Unternehmen betrachten Personalentwicklung als Mittel zur Mitarbeiterbindung und nur 54 % sehen darin eine Maßnahme zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität. Interessanterweise liegt das Hauptmotiv für Unternehmen keine Personalentwicklung durchzuführen darin, dass kein Personalentwicklungsbedarf gesehen wird. Weder die Förderung der interkulturellen Kompetenz, die Förderung der Resilienz der Mitarbeiter noch die kontinuierliche Qualifizierung Älterer findet also besondere Beachtung (Images  Tab. 1). Besonders den letzten Aspekt verdeutlichen Ergebnisse der siebten Weiterbildungserhebung, in der auch ältere Mitarbeiter im Fokus der Analyse von Weiterbildung für spezifische Zielgruppen standen. Danach erachten die meisten Unternehmen die Einbindung älterer Mitarbeiter in altersgemischten Teams deutlich lohnender als ein Engagement in die Personalentwicklung älterer Mitarbeiter. Vielfach werden ältere Mitarbeiter als weniger an Personalentwicklungsmaßnahmen interessiert angesehen. Die Beschäftigungsfähigkeit älterer Mitarbeiter zu erhalten wird nicht als strategisch relevant betrachtet (vgl. Seyda & Werner, 2012).

Tab.1: Die 5 häufigsten genannten Motive und Hemmnisse für Personalentwicklung deutscher Unternehmen in 2013 in absteigender Reihenfolge (in Anlehnung an die 8. Weiterbildungserhebung des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, 2014)

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MotiveHemmnisse

Obwohl immerhin 60 % der Unternehmen Personalentwicklung als strategisch verankert betrachten, führen weniger als die Hälfte der Unternehmen eine systematische Personalbedarfsanalyse durch (vgl. Seyda & Werner, 2014). Noch weniger Unternehmen überprüfen die Wirksamkeit der von ihnen angebotenen Personalentwicklungsmaßnahmen (vgl. z. B. Regnet, 2002, S. 192). Wenn Personalentwicklung aber dazu beitragen soll, mittel- bis langfristige Unternehmensziele zu erreichen, muss sie neben allgemeinen zukünftigen Herausforderungen, wie z. B. die Qualifizierung älterer Mitarbeiter, auch besondere Unternehmensanforderungen und die spezifische Situation, in der sich das Unternehmen befindet, berücksichtigen (Images  Kap. 2).

Strategische Personalentwicklung bildet damit die Grundlage, um dem demografischen Wandel im Sinne eines der Megatrends der Nachhaltigkeit begegnen zu können. Strategische Personalentwicklung ist allerdings nicht zwangsläufig auch gleichsam nachhaltig. Dies wird besonders dann deutlich, wenn sich die Unternehmensstrategie nur an einem (auch langfristig ausgerichteten) ökonomischen Erfolg ausrichtet. Wie im Folgenden dargestellt, würde in diesem Fall eine als nachhaltig zu betrachtende Personalentwicklung nämlich darauf abzielen, Manager und Mitarbeiter zu befähigen, genau diese Strategie in Frage zu stellen. Obwohl eine strategische und eine nachhaltige Personalentwicklung in diesem Sinn zwei voneinander unabhängige Konstrukte darzustellen scheinen, wird hier davon ausgegangen, dass gerade deren Verbindung für Unternehmen notwendig ist, um nachhaltig ökonomisch erfolgreich zu sein.

1.2       Nachhaltigkeit und unternehmerische Responsivität

Ausgehend von dem Grundgedanken, dass Wirtschaftswachstum und Umweltschutz untrennbar miteinander verbunden sein sollten, um überlebensnotwendige Ressourcen für nachfolgende Generationen zu sichern (vgl. Brundtland Bericht der Vereinten Nationen, 1987), ist der ursprünglich aus der Ökologie stammende Begriff der Nachhaltigkeit unter rein ökologischen Gesichtspunkten bereits vor mehreren Jahrzehnten für die Unternehmensführung relevant geworden. Unternehmen mussten nicht nur zahlreiche ökologierelevante DIN- und ISO-Standards erfüllen, sondern auch zunehmenden Kundenerwartungen hinsichtlich einer positiven Ökobilanz ihrer Produkte und Dienstleistungen mehr und mehr gerecht werden. Dass Nachhaltigkeit darüber hinaus auch eine ethisch soziale Komponente beinhaltet, es also nicht ausreicht, ein Unternehmen unter ökologischen Gesichtspunkten möglichst umweltverträglich zu führen, wird theoretisch bereits lange diskutiert (u. a. Gladwin et al., 1995) und ist spätestens seit der Finanzkrise im Jahr 2008 auch praktisch deutlich geworden. Hier hat sich gezeigt, dass eine lediglich an Gewinnmaximierung orientierte Unternehmensführung mittelbar Ressourcen vernichten kann, auch ohne unmittelbar schädliche Auswirkungen auf die ökologische Umwelt zu haben. Zahlreiche Unternehmen wurden insolvent, viele Menschen verloren ihre Arbeit und damit ihre Existenzgrundlage. Die Auswirkungen waren sowohl auf individueller als auch gesamtwirtschaftlicher Ebene langfristig spürbar. Dementsprechend wirkt es mehr als angebracht, eine nachhaltige Unternehmensführung als eine auch an ethischen Grundsätzen orientierte zu begreifen, die den Bedürfnissen aller Anspruchsgruppen (Stakeholder) bestmöglich gerecht wird. So schießt der Begriff eines nachhaltigen Managements nach einem heutigen Verständnis in der Regel auch die Beachtung von Mitarbeitern bzw. ihrer Interessen ein und betrachtet neben dem Erhalt natürlicher, ebenso den Erhalt ökonomischer und sozialer Ressourcen (Images  Abb. 3).

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Abb. 3: Dimensionen der Nachhaltigkeit (in Anlehnung an Ballschmieter, 2013, S. 22)

Eine nachhaltige Unternehmensführung lässt sich dementsprechend daran messen »… wie Unternehmen geeignete Lösungen entwickeln, um die ökonomischen, sozialen und natürlichen Ressourcen zu erhalten« (Rieckhof & Klapper, 2015, S. 18) und bedeutet weniger Wachstum als vielmehr Verbesserung (ebd., S. 13). Ökonomische Nachhaltigkeit im Sinne langfristigen wirtschaftlichen Erfolges kann demzufolge nur über die gleichzeitige intensive Beachtung der ökologischen und auch sozialen Dimension erreicht werden. Anders ausgedrückt können Unternehmen nur dann langfristig erfolgreich sein, wenn sie ihren Beitrag zum Erhalt des gesamten Systems leisten und so sicherstellen, dass für Unternehmen und Gesellschaft gleichermaßen notwendige Ressourcen auch weiterhin zur Verfügung stehen. Dazu muss nicht nur verantwortungsbewusst mit ökologischen Ressourcen umgegangen werden, sondern auch mit Mitarbeitern als einem der zentralen Stakeholder.

Unternehmen können aber nur auf die Bedürfnisse ihrer Stakeholder reagieren, wenn sie diese kennen, die grundlegende Bereitschaft und Fähigkeit haben, auf sich möglicherweise verändernde Bedürfnisse zu reagieren und nicht zwanghaft an einmal formulierten (primär ökonomischen) Zielen festhalten. In diesem Sinn gilt es, den unternehmerischen Zielbildungsprozess auch kritisch zu hinterfragen und so als gesamte Organisation zu lernen. Dazu bedarf es einer Unternehmenskultur, die Veränderungen begrüßt und Führungskräfte als Coachs der Mitarbeiter versteht. Eine derartig nachhaltige Unternehmensführung kann als gesellschaftliche Verantwortung angesehen werden. Dementsprechend liegen die Hauptaufgaben einer nachhaltigen Unternehmensführung – neben einem intensiven Innovationsmanagement im Rahmen der ökologischen Dimension – in der Kommunikation, sowie Organisations- und Strategieentwicklung (Images  Abb. 4).

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Abb. 4: Hauptaufgaben im Rahmen einer nachhaltigen Unternehmensführung

Betrachtet man diese Hauptaufgaben im Rahmen einer nachhaltigen Unternehmensführung genauer, wird deutlich, dass Responsivität die grundlegende Voraussetzung für die Bewältigung dieser Aufgaben darstellt. Die Entwicklung einer an Nachhaltigkeit orientierten Strategie, die unternehmerische Ausrichtung daran, ein entsprechendes Innovationsmanagement, die Bereitschaft zur Kommunikation im Rahmen einer nachhaltigen Unternehmensführung und zum organisationalen Lernen bedeutet nichts weniger, als auf sozialökonomische Anforderungen zu reagieren.

Diese Sichtweise von Nachhaltigkeit in der Unternehmensführung entspricht in Abgrenzung zum Begriff der Corporate Social Responsibilty eher dem der Corporate Social Responsiveness als »… capacity of a corporation to respond to social pressures. The literal act of responding, or of achieving a generally responsive posture, to society is the focus of ›corporate social responsiveness‹« (Frederick, 1994, S. 154). Der Ansatz der Corporate Social Responsiveness betont vor allem die vorausschauende proaktive Ausrichtung des Unternehmens an sozialen Anforderungen und setzt damit auch die kognitive Flexibilität des Managements voraus, den unternehmerischen Zielbildungsprozess hinsichtlich der Maxime der Wertsteigerung des Unternehmens kritisch hinterfragen zu können und in diesem Sinn responsiv auf sozialökonomische Anforderungen zu reagieren. Das Personalmanagement fokussiert hier insbesondere auf die Wissens- und Innovationskompetenz der Mitarbeiter und trägt so im »Verständnis einer kontinuierlichen Organisationsentwicklung … zur Steigerung der Veränderungsfähigkeit und Veränderungsbereitschaft der Organisation bei« (Zaugg, 2009, S. 61).

1.2.1     Nachhaltige Personalentwicklung als Förderung unternehmerischer Responsivität

Corporate Social Responsiveness setzt bestimmte Kompetenzen des Managements und der Mitarbeiter voraus. Während Innovationen ohne qualifizierte Mitarbeiter ganz offensichtlich kaum erfolgen können, darf nicht vergessen werden, dass auch eine entsprechende Mitarbeiterführung und vor allem die Fähigkeit zur Kommunikation des Unternehmens mit seinen Stakeholdern als Voraussetzung betrachtet werden müssen. Letztlich kann organisationales Lernen nur stattfinden, wenn sowohl die Mitarbeiter als auch das Unternehmen als organisationale Einheit in der Lage sind, zu lernen. Die Förderung der unternehmerischen Responsivität kann daher als zentrale Aufgabe einer nachhaltigen Personalentwicklung angesehen werden. Zum einen muss das Management eigene Ziele kritisch hinterfragen können. Zum anderen muss das Unternehmen an sich proaktiv handeln können, denn unternehmerische Responsivität resultiert aus Lernprozessen, die alle zugänglichen Informationen in die Zielbildung einbeziehen (vgl. Bekker und Seisreiner, 2010).

Personalentwicklung, die die unternehmerische Responsivität fördert, zielt in diesem Sinn nicht nur auf die Qualifizierung einzelner Mitarbeiter ab, um das Unternehmensziel zu erreichen, sondern auch auf das Unternehmen als lernende Organisation. Joy-Metthews et al. (2004) beschreiben die Vorteile einer lernenden Organisation anhand des Vergleichs von zwei Personen, die durch einen verwinkelten Korridor laufen. Während die eine Person betrunken ist und daher immer wieder aneckt, wird die andere – nüchterne – Person weniger anecken, sich weniger blaue Flecken holen und einfach schneller am Ziel sein. Wie die nüchterne Person im Labyrinth verhalten sich lernende Organisationen. Unternehmen können dann als lernende Organisationen betrachtet werden, wenn sie das Lernen ihrer Mitarbeiter fördern und sich dadurch als Organisation immer wieder verändern, indem sie vorausschauend mit Problemen umgehen und versuchen, Störungen (wie das Anecken in einem verwinkelten Korridor) zu vermeiden.