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Impressum

Dr. med. Kalyani Nagersheth

Verdauung – die beste Medizin aus zwei Welten

Aus der Reihe: „Gesundheit mit der Apotheke“

Die Ratgeber-Reihe „Gesundheit mit der Apotheke“ wird betreut durch die Redaktion der Apotheken-Kundenzeitschrift „Neue Apotheken Illustrierte“.

Objektleitung: Apothekerin Jutta Petersen-Lehmann
Lektorat: Apotheker Rüdiger Freund

Umschlagsgestaltung/Layout: grintsch communications

Bilder Umschlag: shutterstock, Gennadiy Poznyakov - Fotolia.com
Innenseiten: shutterstock (S. 1, 4, 7, 10, 14, 22, 27, 28, 35, 38, 42, 46, 53, 56, 64, 66, 74, 107), nilanewsom - Fotolia.com (S. 7), pictworks - Fotolia.com (S. 16), Robert Kneschke - Fotolia.com (S. 18), Kalyani Nagersheth (S. 3, 71, 83, 90, 97, 103)

Alle Rechte, insbesondere das Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung vorbehalten. Kein Teil des Buches darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden, soweit nicht im Urheberrechtsgesetz etwas anderes bestimmt ist.

eISBN 978-37741-1362-6

Pharmazentralnummer 13582110

Copyright © 2017 Govi (Imprint)

in der Avoxa – Mediengruppe Deutscher Apotheker GmbH

Apothekerhaus Eschborn, Carl-Mannich-Straße 26, 65760 Eschborn

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind
im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Verdauung – die beste Medizin aus zwei Welten

Wie sich Āyurveda und westliche Pflanzenheilkunde ergänzen

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Inhalt

Āyurveda: seit 5000 Jahren die Verdauung im Fokus

Alte Lehre, die sich ständig weiterentwickelt

Im Zentrum steht der Darm

Wichtige āyurvedische Prinzipien kurz erklärt

Die Doşas

Vāta: alles in Bewegung

Pitta: alles im Wandel

Kapha: alles wächst

Fragebogen: meine Grundkonstitution

Wie die Verdauung nach Āyurveda abläuft

Die drei Stadien der Verdauung

Vipāka, die sekundäre Verdauung

Verdauungsphase der Elemente

Verdauungsphase der Gewebefeuer

Was (Magen-Darm-)Krankheiten auslöst

Drei krankhafte Zustände des Verdauungsfeuers

Den agni regulieren

Āma, klebrige Schlacke im Körper

Die Unterschiede in der Diagnose

Darm-Hirn-Achse als Schaltstelle für die Gesundheit

Ayurvedische Ernährungsregeln für eine gute Verdauung

„Allheilmittel“ Ghee

Geschmacksrichtungen und ihre Eigenschaften

10 allgemeine Ernährungsregeln

Fasten eignet sich nicht für jeden

Wie sich āma reduzieren lässt

Ingwer für alle Konstitutionen

Kleine Rezepte, um agni zu stärken

Beispielhaftes Tagesmenü

Die richtige Ernährung für die eigene Konstitution

Ballaststoffe nur im Westen hoch im Kurs

Die Behandlung von Magen-Darm-Erkrankungen

Durchfall, schulmedizinisch

Durchfall, āyurvedisch

Funktionelle Darmerkrankungen

Blähungen

Verstopfung, schulmedizinisch

Verstopfung, āyurvedisch

Weiterführende Informationen/Literatur

Glossar āyurvedischer Begriffe

Stichwortverzeichnis

Alle in diesem Werk enthaltenen Informationen wurden vom Autor und dem Verlag auf das Sorgfältigste recherchiert. Gleichwohl sind Druckfehler und sonstige Falschangaben trotz Überprüfung nicht immer und überall auszuschließen. In solchen Fällen übernehmen weder Verlag noch Autor die Haftung.
Stand der Information und der Medikamente: 07/2017

Die Autorin

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Dr. med. Kalyani Nagersheth leitet eine privatärztliche Praxis für āyurvedische Medizin in Frankfurt am Main. Nach ihrem Medizinstudium in Frankfurt hat sie zunächst in der Radiologie und Orthopädie gearbeitet. Daneben studierte sie mehrere Jahre āyurvedische Medizin in Deutschland und Indien. 2007 wechselte sie nach Kassel und übernahm 2009 die Leitung der āyurvedischen Abteilung der Habichtswald-Klinik.

Seit 2013 ist sie Fachärztin für Physikalische und Rehabilitative Medizin, Zusatzbezeichnung Naturheilverfahren und Psychotherapie. Dabei hat sie besonders die Wirkung der westlichen Heilpflanzen im Fokus. Sie verfügt über langjährige internationale Erfahrung als Dozentin für āyurvedische Medizin und Phytotherapie und hat bereits Bücher zum Thema veröffentlicht.

Āyurveda:
seit 5000 Jahren die Verdauung im Fokus

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Viele Erkrankungen lassen sich allein über eine individuelle Ernährung behandeln.

Bevor Herr K., ein 49-jähriger Hobbykoch, zu mir kam, litt er bereits einige Wochen lang unter anhaltenden Darmproblemen. Er berichtete über eine kurzzeitige heftige Verstopfung, die innerhalb eines Jahres zweimal plötzlich auftrat und sich dann in blutigem Durchfall löste. Die schulmedizinische Diagnose schwankte zwischen Darmentzündung und innenliegenden Hämorrhoiden.

Herr K. hatte vorher noch nie Verdauungsprobleme gehabt, konnte alles essen und war ein leidenschaftlicher Koch. Doch nun reagierte er auf viele Nahrungsmittel sehr empfindlich. Die Auswahl geeigneter Lebensmittel fiel ihm schwer, und er konnte nicht mehr mit Freunden essen gehen. Der blutige Durchfall ängstigte ihn natürlich auch.

Durch eine ausführliche Anamnese konnte ich seine Konstitution und Erkrankung āyurvedisch bestimmen: Vata-Pitta, grahani (Verdauungsstörung). Anschließend erstellte ich ihm einen schriftlichen Therapieplan. Dabei ging es hauptsächlich um Ernährung, Lebensführung und die Einnahme von Kräutern, also alles Dinge, die er selbstständig umsetzen konnte.

Nachdem er seine Nahrung umgestellt hatte und nur noch bestimmte, zu ihm passende Gewürze verwendete, normalisierte sich sein Stuhlgang innerhalb von zwei Monaten. Seine Lebensqualität besserte sich erheblich. Inzwischen kann er wieder seine gewohnte Nahrung zu sich nehmen und seinem Hobby des Kochens nachgehen.

Alte Lehre, die sich ständig weiterentwickelt

Die größte Wirksamkeit der āyurvedischen Medizin zeigt sich bei Erkrankungen des Verdauungstrakts, bei chronischen Erkrankungen und im Vorbeugen von Erkrankungen, also in der Erhaltung der Gesundheit. Dabei liegen die Therapieschwerpunkte wie bei Herrn K. in der Ernährung, der Lebensführung und in pflanzlichen Nahrungsergänzungen. Aber auch Massagen und ausleitende Verfahren, zum Beispiel durch Abführen oder Darmeinläufe, sind wichtige Pfeiler der āyurvedischen Behandlung.

„Wissen“ oder die „Wissenschaft vom Leben“ bedeutet der Begriff Āyurveda übersetzt. Dieses Wissen wurde zunächst über Generationen hinweg mündlich überliefert. Etwa in der Zeit um Christi Geburt schrieben die Gelehrten die ersten Texte in Versform in der alten indischen Hochsprache Sanskrit nieder. Damals entstanden die „Caraka Saṃhitā“ und die „Suśruta Saṃhitā“, die auch heute noch wichtigsten Texte. Sie bilden die Grundlagen des āyurvedischen Wissens und werden immer wieder für Zitate herangezogen – auch in dem hier vorliegenden Buch.

Im Mittelalter ist ein weiterer wichtiger Text hinzugekommen, die „Aşţāņga Hŗdaya“. Sie fasst die beiden Ursprungstexte in etwas einfacherem Sanskrit zusammen. Āyurveda mag zwar über 5000 Jahre alt sein, entwickelt sich aber immer noch weiter. Nach wie vor wird viel geforscht und die Lehre den aktuellen Erkenntnissen angepasst. Somit ist Āyurveda das vermutlich älteste, immer noch lebendige Medizinsystem.

Die moderne, westliche Medizin lässt sich sehr gut mit Āyurveda verbinden. Zumal der Stellenwert der Pflanzenheilkunde in der westlichen Medizin immer größer wird. Die Schulmedizin ist stärker bei der Behandlung akuter Erkrankungen und legt weniger Wert auf die Mitarbeit des Patienten. Āyurvedische Methoden können die Nebenwirkungen von Medikamenten vielfach abmildern und helfen, die Medikamentendosis zu verringern. Auch Laborwerte oder Röntgenbilder können āyurvedisch interpretiert werden.

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Die wichtigsten alten Texte über die āyurvedische Medizin sind in der Sanskrit-Sprache verfasst.

Da die āyurvedische Medizin in der Sanskrit-Sprache verfasst ist, existieren nicht dieselben Begriffe wie in der Schulmedizin. Die einzelnen Krankheitsbilder können aber anhand der beschriebenen Symptome verglichen und zugeordnet werden. Problematischer kann die Zuordnung der Pflanzen werden, denn es sind natürlich nur die Pflanzen beschrieben, die damals im alten Indien bekannt waren. Somit ist der größte Teil der im Westen einheimischen Pflanzen nicht genannt. Dennoch können sie in das āyurvedische System eingegliedert und therapeutisch genutzt werden.

Im Zentrum steht der Darm

Āyurveda stellt das klassische indische Naturheilverfahren dar. Dieses Buch zeigt eine Kombination von Āyurveda mit westlichen Naturheilverfahren in Bezug auf Erkrankungen des Verdauungstraktes. Dabei sollen die āyurvedischen Prinzipien und die Denkweise als Grundlage dienen. Āyurveda soll „verwestlicht“, aber nicht „verwässert“ werden.

In Indien wird ein 5 ½-jähriges Studium vorausgesetzt, um sich Āyurveda-Arzt nennen zu dürfen. In Deutschland ist es leider kein geschützter Begriff und eher aus dem Wellness-Bereich bekannt. Tatsächlich ist die āyurvedische Medizin ein sehr logisch durchdachtes Medizinsystem, welches auf den Prinzipien der Natur beruht und sich natürliche Reinigungsmethoden (zum Beispiel Erbrechen, Durchfall) zu Nutze macht. Daher sind im Āyurveda der Darm und die Verdauung die zentralen Themen.

Der Darm gilt im Āyurveda als Hauptorgan, zuständig für Krankheit und Gesundheit. Alle Erkrankungen haben ihren Ursprung im Verdauungstrakt. Somit setzt sowohl die Diagnose als auch die Therapie hier an. Alle Erkrankungen können durch den Verdauungstrakt behandelt werden, weil sie hier beginnen. Die Behandlung des Verdauungssystems geht an die Ursache der Erkrankung. Selbst eine Arthrose im Kniegelenk würde āyurvedisch durch Darmeinläufe therapiert werden. Der gesamte Magen-Darm-Kanal ist von außen ohne chirurgische Maßnahmen gut erreichbar und unkompliziert zu beeinflussen.

Da die Ernährung ein zentrales Thema im Āyurveda ist, begegnen wir diesem Medizinsystem dreimal täglich bei den Mahlzeiten. Viele Erkrankungen lassen sich allein über eine individuelle Ernährung behandeln, die sich sehr gut an die heimische Ernährung anpassen lässt. Dazu kommen pflanzliche Heilmittel – westliche Pflanzen eingeschlossen.

Wichtige āyurvedische Prinzipien kurz erklärt

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Die Doşas sind sowohl als Materie als auch als Energieprinzipien zu verstehen.

Die Doşas

Āyurveda betrachtet das Individuum und den Menschen als Ganzes. Das bedeutet, dass nicht Krankheiten behandelt werden, sondern der Mensch in seiner momentanen Situation und Umgebung. Um dies besser zu verstehen, hilft es, die sogenannten Doşas (ausgesprochen wie „doschas“) kennenzulernen.

Die Doşas sind die Verbindungen der fünf Elemente Erde, Feuer, Wasser, Luft und Äther. Aus den Doşas setzt sich sämtliche Materie zusammen. Sie sind jedoch auch feinstofflich als Energieprinzipien zu verstehen. Die Doşas stellen die Verbindung von Materie zu Energie dar.

Es gibt die drei Doşas Vāta, Pitta und Kapha. Jeder Mensch enthält immer alle drei, aber in einem individuellen Verhältnis. Dies entspricht dann der Grundkonstitution, dem gesunden Zustand dieses Menschen, der im Sanskrit „prakŗti“ heißt.

Übersetzt bedeutet Doşa „krankmachender Faktor“, oder „Fehler, der verderben kann“. Das bedeutet, wenn ein Doşa aus dem Gleichgewicht gerät, entsteht Krankheit. Entsprechend der eigenen Grundkonstitution, dem individuellen Doşa-Gleichgewicht, hat jeder Mensch mehr oder weniger von einem bestimmten Doşa in sich. Solange das individuelle Gleichgewicht erhalten bleibt, ist dieser Mensch gesund. Zeigen die Doşas eine beginnende Fehlfunktion, entsteht „vikŗti“, eine Störung der Konstitution oder Krankheit.

Ordnet man die Konstitution eines Menschen einem der Doşa-Typen Vāta, Pitta oder Kapha zu, beinhaltet das gleichzeitig die Aussage, zu welchen Erkrankungen dieser Mensch neigt. Der Doşa-Typ bezeichnet die Materie beziehungsweise die Elemente, aus denen der Mensch sich zusammensetzt, aber auch die Energie, Charaktereigenschaften, Begabungen, Schwächen.