Kotte_Irrtuemer.jpg

Henner Kotte

Populäre sächsische Irrtümer

Mit einem Geleitwort von Uwe Steimle

Bild und Heimat

Von Henner Kotte liegen bei Bild und Heimat außerdem vor:

Um Kopf und Kragen. Unbekannte Fälle aus dem Kuriositätenkabinett
der Kriminalistik
(2014)

Blutige Felsen. Kriminalstories aus der Sächsischen Schweiz (2015)

Blutiges Erz. Kriminalgeschichten aus dem Erzgebirge (2016)

Raubsache Leipzig und vier weitere Verbrechen (2016)

Leipziger Heimsuchung und vier weitere Verbrechen (2016)

Stiefel für den Tod und zwei weitere Verbrechen (2017)

Bonnie & Clyde vom Sachsenplatz und zwei weitere authentische
Kriminalfälle aus Dresden
(2016)

Russentod in Frauenstein und sieben weitere authentische Kriminalfälle aus dem Erzgebirge (2017)

Ministermord unter der Augustusbrücke. Der Tod von Gustav Neuring in Dresden (2017)

Flucht über die Todeszelle und fünf weitere Raubfälle (2017)

eISBN 9783959587532

1. Auflage

© 2017 by BEBUG mbH / Bild und Heimat, Berlin

Umschlaggestaltung: BEBUG mbH / Bild und Heimat, Berlin

Umschlagabbildungen: Karl May, Meißner Porzellan, Nischel und Sachsendreier:

Ein Verlagsverzeichnis schicken wir Ihnen gern:

BEBUG mbH / Verlag Bild und Heimat

Alexanderstr. 1

10178 Berlin

Tel. 030 / 206 109 – 0

www.bild-und-heimat.de

Geleitwort

Geschichte, Irrtümer und Sprache, das ist das feine Gebräu, aus dem der Autor Henner Kotte seine Melange zaubert. Kurzweilig, informativ, dazu ein Schuss Ironie und ein Tropfen Frechheit ‒ schon liest sich dies Büchlein »fludschig« weg.

Henner Kotte schreibt, wie er ist. Ungestüm, leidenschaftlich – und vor allem in angenehmem Deutsch. Angenehmes Deutsch, gut es soll ja auch Menschen geben, die lieben deutsche Schachtelsätze über zwanzig Zeilen, bei denen man am Schluss des Satzes schon gar nicht mehr weiß, warum er gebaut wurde, geschweige denn, was uns da jemand am Anfang schon nicht sagen wollte … Nein, das alles ist dem Wahlleipziger Wortfreund nichts. Er liefert sich der großen Gefahr aus, erkennbar zu bleiben, mehr noch, er will verstanden werden.

Furchtbar, ja »forschbar«, wie der Sachse sagt, in der heutigen Zeit. Ich empfehle das Buch als wunderbare Bettlektüre, nach der ein jedes gelesenes Kapitel sanft wegschlummern lässt. Blutdrucksenkend im Abgang. Erheiternd und freundlich bei der geistigen Nahrungsaufnahme im Anfang. Und: Im Anfang war das Wort. Los geht’s. Bilden Sie sich! Jetzt.

Herzlichst, Uwe Steimle

Sachsen, Niedersachsen, Angelsachsen sind ein Volk

Irrtum! Aber …

… diese Namen legen eine Verwandtschaft nah. Und vor über 1500 Jahren wäre ein gemeinsamer Ursprung auch auszumachen. Die alten Sachsen waren ein germanischer Volksstamm, der bis Mitte des 5. Jahrhunderts an der Nord- und Ostseeküste siedelte. Zu ihnen gehörten verschiedene Ethnien wie die Chauken, Ampsivarier, Angrivarer, Brukterer oder die Cherusker mit dem Helden vom Teutoburger Wald: Arminius.

Erstmals erwähnte der Ägypter Ptolemäus (ca. 100–160 n. u. Z.) das sächsische Volk und verortete es »nördlich der Elbe und südlich der kimbrischen Landenge«, die sich heute Schleswig-Holstein nennt. Somit entsprach ihr damaliger Siedlungsraum dem heutigen Norden Niedersachsens. Möglicherweise haben sich germanische Stämme aus kriegerischen Gründen zum Bund der Sachsen vereinigt. Denn vom Kampf her erklärt sich der Name: Das Scramasax war eine Hieb- und Stichwaffe, vergleichbar mit Messer oder Schwert. Eine Seite der Klinge war scharf geschliffen. Die ältesten Saxe stammen aus Skandinavien und wurden dort bereits im 4. Jahrhundert vor unserer Zeit verwendet. Der Sax-Gebrauch zog sich bis etwa zum Jahre 1000 hin. Dann verlor sich die Sitte, diese Schwerter den Kriegern ins Grab beizulegen, man war auf andre Waffenarten umgestiegen. Der Name Sachs jedoch erhielt sich bei den Kampfgenossen.

Durch Landnahme und Seeräuberei erweiterten die Sachsen in Gallien und Britannien ihre Einflusssphäre. Oft tauchte nun ihr Name in den Annalen auf, manche Historiker sehen sie als Vorfahren der Wikinger. Die Römer, um ihr Reich in Sorge, befestigten das Ufer am englischen Kanal und nannten es Litus Saxonicum – »Sächsische Küste«. »Die zahlreichen über See erfolgten Fahrten, die häufig genug von Erfolg gekrönt waren und schließlich zur Indienstnahme sächsischer Söldner in die römische Armee führten, machten den Namen der Sachsen als kühne, gefolgschaftlich organisierte Seefahrer auch bei ursprünglich nicht ihnen zugehörigen Bevölkerungsgruppen im Hinterland Britanniens derartig attraktiv, dass sie offenbar laufend Zuzug erhielten. Im modernen Sprachgebrauch würden sie als Trendsetter ihrer Zeit und ihrer Region bezeichnet werden.«

Mit anderen nordischen Stämmen wie den Angeln und den Jüten besetzten Sachsen im 5. Jahrhundert die von den Römern verlassenen Inseln der Kelten und gründeten unter anderem die Königreiche Wessex, Sussex und Essex – Westsachsen, Südsachsen und Ostsachsen. Das gesamte Britannien nannte man fortan auch nach den dort lebenden Angelsachsen. Das von vielen Sachsen verlassene Territorium auf dem Festland besiedelten die Friesen, mit denen auch die Angelsachsen Handel trieben. Für die Auswanderer war das nunmehrige Friesland ihr »Altsachsen«. Doch nicht alle Sachsen waren fortgezogen, so dass Niedersachsen seinen Namen rechtens trägt. Allerdings existiert kein Obersachsen, das »Nieder« leitet sich von Flussläufen wie Niederrhein und Niederlande ab.

Karl der Große (ca. 747–814) führte zur Vergrößerung seines Reiches die Sachsenkriege. Doch leisteten die Sachsen sehr aktiven Widerstand. Die Landnahme dauerte 33 Jahre und wurde sehr brutal geführt. In Verden an der Aller ließ der König angeblich 4500 Sachsen morden, weil sie sich der christlichen Taufe verweigerten. 804 war Nordelbien endlich erobert, und ein eigenes Stammesrecht, das Lex Saxonum, etabliert. Doch überlebten der Sachsen Selbstvertrauen und viele ihrer Eigenheiten. Nach dem Zerfall des Riesenreichs Karls des Großen kam das Volk erneut zu Einfluss und Macht. Ab 919 regierten reichsweit Sachsenkönige und -kaiser wie Heinrich I. und ihm nachfolgend die Ottonen. »Der Aufstieg und Erfolg der Sachsen von einem unterworfenen und zwangsmissionierten Volk hin zum führenden Reichsvolk innerhalb eines Jahrhunderts nach der Unterwerfung gehört zu den bemerkenswertesten historischen Entwicklungen des Mittelalters.« Unter Heinrich dem Löwen erreichte das Stammherzogtum Sachsen seine größte Ausdehnung und umfasste ganz Nordwestdeutschland bis hin zu Mecklenburg.

Nachdem Heinrich der Löwe (ca. 1130–1195) entmachtet worden war, zerfiel das große Sachsenreich, wurde verschenkt, vererbt und aufgeteilt.

1422, nach dem Aussterben der sächsisch-wittenbergischen Linie der Askanier, fielen das Herzogtum und die Kurwürde dem Markgrafen von Meißen zu. Mit der Machtübernahme Friedrich des Streitbaren war der Name Sachsen nunmehr den Wettinern und dem mitteldeutschen Lande eigen und vereinnahmte ein neues Volk. Um Verwechslungen vorzubeugen, legte Kaiser Maximilian 1512 für das »alte Sachsen« den »niedersächsischen Reichskreis« fest. In ihrem Sächsischen Stammbuch verwiesen die Wettiner auf eine Schar illustrer Vorfahren wie Alexander den Großen, Arminius und Widukind. Doch blieb sich das Wettiner Sachsenland nicht einig. Erbfolge und Kriege führten letztlich zum Freistaat, den wir heute Sachsen nennen.

Sachsen, Niedersachsen, Angelsachsen sind ein Volk – ein Irrtum also, aber nicht so ganz.

In Sachsen leben Sachsen

Irrtum! Aber …

… natürlich wohnen zunächst die Sachsen in Sachsen. Doch die Zahl der in Sachsen lebenden Ausländer stieg 2015 um 41 686 bzw. 35,6 Prozent. Dagegen ist die Zahl der Deutschen um 12 109 Personen bzw. 0,3 Prozent gesunken. Zum Jahresende 2015 hatte Sachsen damit einen Ausländeranteil von 3,9 Prozent.

Auch wenn es derzeitige Schlagzeilen vergessen lassen ‒ Sachsen waren und sind stolz auf ihre aus fernen Ländern Zugezogenen und geben Verfolgten seit jeher Asyl: Nikolai Putjatin baute in Kleinzschachwitz, Gaetano Chiaveri die Kathedrale Dresdens. Canaletto malte. Edvard Grieg, Jon Leifs und Leoš Janáček, Artur Seymour Sullivan und Taki Rentarō, Mykola Lysenko und Dmitri Schostakowitsch, Stevan Mokranjac komponierten. Herbert Blomstedt, Fabio Luisi, Vaclav Neumann dirigierten. Charlotte Basté sang. Dostojewski schrieb und Casanova berichtete. Józef Ignacy Kraszewski verfasste die großen Sachsenromane. Wladimir Putin spionierte. Eine Ungarin wurde zur Gustel von Blasewitz. August der Starke liebte die Türkin Fatima Kariman. Der berühmte Hofnarr Fröhlich stammte aus Altaussee, Österreich. Schweizer erfanden den Sachsen die Sächsische Schweiz. Wissenschaftler aller Welt studier(t)en, lehr(t)en, forsch(t)en an Sachsens Universitäten. Ohne Ausländer wäre Sachsen nicht zu denken.

Aber nicht nur das Volk der Sachsen hat in Sachsen seine Heimstatt. In der Oberlausitz lebt neben Deutschen die natio­nale Minderheit der Sorben. Westslawen siedelten einst zwischen Oder und Dnepr. Im Zuge der großen Völkerwanderung zogen sie ins Land von Erzgebirge bis Ostsee. Die Stämme trugen die Namen Lusici und Milceni. Der Stamm der Surbi wird vom fränkischen Chronisten Fredegar erstmals im Jahre 631 erwähnt. Unter Heinrich I. wurden die Sorben im Jahre 932 von den Franken unterworfen. Vielleicht ist dies Sage, aber alsbald sprach man vom Volk der Sorben. In Ober­italien siedelten in jener Zeit die Venedi. Ein Schreibfehler römischer Behörden machte aus allen ost- und südeuropäischen Ländern, die keinen eigenen Staat besaßen, die Wenden. So war die Doppelbezeichnung der Wenden/Sorben entstanden.

Heute gibt es ungefähr 60 000 Menschen, die zum sorbischen Volke zählen. Sie leben in der Nieder- und Oberlausitz, zwei Drittel von ihnen im Dreieck der Städte Kamenz und Bautzen und Hoyerswerda. Zwölf Prozent beträgt ihr Anteil an der sächsischen Gesamtbevölkerung. Noch 1880 umfasste ihr Siedlungsgebiet weitere Teile südlich und östlich von Bautzen, und Trachten und Bräuche prägten das öffentliche Erscheinungsbild. Manches an Tradition hat sich erhalten. »Sprache ist Gottesgeschenk.«

Der Einfluss der Klöster Marienstern und Marienthal auf das umliegende Land sorgte dafür, dass sich in der Oberlausitz die sorbische Sprache weit besser erhielt als in der brandenburgischen Niederlausitz. Kruzifixe am Wegesrand und Marienbildnisse zeugen von tiefer Volksfrömmigkeit. Das Osterreiten als religiöse Prozession verkündet die Auferstehung Jesu in Stadt und Land. Brauch und touristische Attraktion sind Volkstanz, Eiermalen und Vogelhochzeit.

Die sorbische Literatur behielt ihren eigenständigen Charakter und ihre Protagonisten: Jakub Bart-Ćišinski, Jurij Brĕzan, Kito Lorenc, Róža Domašcyna. Die Sagengestalten Krabat, Připołdnica, Wódny Muž und Zmij dominieren Erzählungen, Legenden und bildnerisches Schaffen bis in die Gegenwart unter anderem von Měrćin Nowak-Njechorński, Jan Buck, Jěwa Wórša Lanzyna. Heute pflegen Institutionen wie die Domowina als Dachverband der sorbischen Vereine, Verlage und Theater sorbisches Brauchtum. Der MDR spricht obersorbisch in Radio und TV. »Müssten die Sorben nicht glücklich sein? Der Ministerpräsident Sachsens heißt Stanisław Tillich und stammt aus Panschwitz-Kuckau. Ein ›deutscher Politiker sorbischer Nationalität‹, so steht es in den Lexika. Das macht die Sorben stolz. Aber es hilft ihnen nicht bei ihrem Demographieproblem: Selbst David Statnik, der Chef der Domowina, hat wenig Hoffnung, dass es seine Sprache in einigen Jahrzehnten noch geben wird.«

Im Einigungsvertrag vermerkt die Protokollnotiz Nr. 14 zu Artikel 35 die Bestandssicherung des sorbischen Volkes. »Das Bekenntnis zum sorbischen Volkstum und zur sorbischen Kultur ist frei. Die Bewahrung und Fortentwicklung der sorbischen Kultur und der sorbischen Traditionen werden gewährleistet. Angehörige des sorbischen Volkes und ihre Organisationen haben die Freiheit zur Pflege und zur Bewahrung der sorbischen Sprache im öffentlichen Leben. Die grundgesetzliche Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern bleibt unberührt.« Noch singt man die sorbische Hymne in Sachsen. Noch weht die sorbische Flagge weithin.

In Sachsen leben Sachsen – ein Irrtum! Vielmehr ist Sachsen eines der Bundesländer, in denen nationale Minderheiten zu Hause sind.

Die Sachsen haben jeden Krieg verloren

Irrtum! Aber …

es hält sich das Gerücht beharrlich, dass die Sachsen Kriege zu vermeiden suchten, und wenn sie denn doch ins Kampfgeschehen traten, prinzipiell auf des Verlierers Seite standen.

Vielen Sachsen ist die wahre Geschichte unvergessen, dass August der Starke 1717 Preußens Soldatenkönig Wilhelm I. 600 Soldaten schenkte, die für Preußens Gloria kämpften. Dafür erhielt der Kurfürst 151 Monumentalgefäße aus China-Porzellan. Die Dragonervasen werden heute als Beispiel für Sachsens Glanz in den Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden ausgestellt Das Selbstbild des Volkes ist auf keine Weise militärisch, sondern vornehmlich kulturell geprägt.

Jedoch besaß das Sachsenland seit 1682 ein stehendes Heer, und wie in allen Armeen war den sächsischen Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften die Tradition der Truppe heilig. Als ersten großen Sieg der Sachsen betrachteten sie die Eroberung der Engelsburg in Rom im Jahre 998 durch den meißnischen Markgrafen Ekkehard I. (ca. 960–1002). Auch für die spätere Zeit konnten sie auf zahlreiche Siege verweisen, einige Niederlagen inklusive. Die Zäsur kam mit den drei Schlesischen Kriegen 1740‒42, 1744/45, 1756‒63. War Sachsen im ersten noch auf des Siegers Seite Preußen, so unterlag sie im zweiten durch Frontenwechsel. Der öffentliche Druck auf die Soldaten wuchs mit jeder Niederlage: im Juni 1745 bei Hohenfriedberg, im November bei Hennersdorf und im Dezember bei Kesselsdorf. 1756 erfolgte die Kapitulation der gesamten Armee bei Königstein. 1757 wurde Zittau belagert und total zerstört.

Es folgten die napoleonischen Kriege: Zu Beginn kämpfte die preußisch-sächsische Armee gegen die Franzosen und verlor 1806 bei Jena, Auerstedt und Saalfeld. Dann fügte man sich Napoleon, und der Kaiser erhob Sachsen zum Königreich. So wurden die Sachsen an Frankreichs Seite 1812 im Russlandfeldzug geschlagen. Und in der großen Völkerschlacht im Oktober 1813 wechselten sie viel zu spät die Seiten. »Den 16ten habe ich dem Feind vor Leipzig wieder eine Schlacht geliefert, 4000 gefangene gemacht, 45 Canonen ein ahdler und verschiedene Fahnen erobert, den 17. warff ich den Feind in Leipzig hinein, und nahm 4 Canonen, den 18. und 19. ist die größte Schlacht geliffert, die ni uf der erde stattgefunden hat 600.000 man kempfften mit einander, um 2 uhr Nachmittag nahm ich Leipzig mit Stuhrm, der König von Saxen und ville generalls der Franzosen wurden gefangen der Polnische Fürst Poniatowski Ertrank. 170 Canonen wurden erobert und gegen 40.000 man sind gefangen. Napoleon hat sich gerettet, aber er ist noch nicht durch«, notierte Generalfeldmarschall von Blücher. Im Verhandlungspoker des Wiener Kongresses zählte Sachsen zu den großen Verlierern, gab mehr als Territorium an die Preußen ab. Auch im Deutschen Krieg von 1866 wurden die Sachsen von den Preußen geschlagen. Spätestens seit diesem Jahr stand die sächsische Armee in so schlechtem Ruf, dass sie ihre hervorgehobene gesellschaftliche Stellung im Königreich kaum noch zu legitimieren vermochte. Preußen förderte die üble Nachrede: Sachsen hat nie einen Krieg gewonnen.

Doch standen Sachsen später auch noch auf der Gewinnerseite: Im Französisch-Deutschen Krieg 1870/71 gab es nach anderthalb Jahrhunderten wieder einen Sieg. Der Kronprinz und spätere König Albert (1828–1902) erlangte sogar Feldherrenruhm und wurde der erste Generalfeldmarschall des Deutschen Reichs, der nicht aus preußischer Familie stammte. Die darauffolgenden vierzig Jahre verliefen friedlich, und in der Wahrnehmung, auch der Sachsen selbst, wurde dieser letzte Sieg im Krieg von der Vielzahl der seit 1740 erlittenen Niederlagen überlagert.

Im Ersten Weltkrieg operierte die sächsische Armee faktisch nicht mehr allein, es gab eine gesamtdeutsche Armee. Aber der schlechte Ruf wurde ein letztes Mal öffentlich bedient. Der sächsische Oberst Richard Hentsch (1869–1918) berichtete dem Großen Generalstab über die Lage von der Marneschlacht 1914. Seine pessimistischen Berichte haben dazu beigetragen, dass diese entscheidende Operation erfolglos abgebrochen wurde. Dafür ist er persönlich angegriffen worden. Und obwohl ihn eine Untersuchungskommission entlastet hat, hieß es noch nach 1918: »Dor Saggse haddn Griesch verlorn.«

Das ist nachgewiesenermaßen ein Irrtum! Aber wohl wahr, echten Kriegsruhm haben Sachsen nie erlangt.

Sachsenspiegel – der Handspiegel für unterwegs

Irrtum! Aber …

… man behauptet, »dass in Sachsen die schönen Mädchen auf den Bäumen wachsen«, deshalb besitzen Spiegel hierzulande große Tradition.

Da die Redensart seit langer Zeit gebräuchlich ist, ist’s fraglich, ob sie den Bewohnerinnen des heutigen Freistaates gewidmet war. Hildesheimerinnen beanspruchen, gemeint zu sein, auch die Einwohnerinnen von Celle. Bekanntlich liegen beide Städte in Niedersachsen. Die Chronik aber berichtet diesbezüglich von einem Zelle mit dem Buchstaben Z, und das ist heute ein Ortsteil von Aue. Zweifellos liegt die Stadt Aue inmitten des Erzgebirges. Damit wären denn doch die hiesigen Frauen die schönen. Die Beschreibung trifft alleweil zu: »Glänzend lichtbraunes Haar; dunkelbraune, stark bewimperte Augen; geschwungene Brauen; eirundes Gesichtchen, rein und idealisch; schlanker Wuchs, etwas über mittelgroß, die ›treffliche Größe‹, wie Goethe sagt; die Formen rund; die Hüften anmutig geschwungen; der Gang auf zierlichem Fuße leicht und graziös. Dabei sprechen diese Schönheiten das beste Deutsch, wohltönend, voll, ohne Dialekt. Selbst die Mädchen und Weiber auf dem Lande sehen schmucker aus denn anderwärts. Sie tragen: saubere Schuhe und Strümpfe; entweder schwarze oder rote, der Länge nach grün- und braungestreifte, mit breitem grünen Rande besetzte Röcke, welche die Waden nicht allzu sorgfältig verbergen; dazu ein schwarzes Mieder mit kurzen Ärmeln, um welche zierlich der Aufschlag des Hemdes gelegt ist, dessen überfallender Brustteil fein gefältelt Schulter und Nacken deckt.« Zweifellos nahmen solch Mädchen auch Spiegel zur Hand.

Sächsische Burgen und Schlösser besaßen ganze Räume von Spiegeln. Schloss Hartenfels in Torgau hat eine Spiegelstube. Spiegelsäle beherbergen unter anderem die Schlösser in Gaußig und Rammenau. Mit Spiegeln hinterlegte August der Starke seine Pretiosen im »Grünen Gewölbe«. Doch als »Sachsenspiegel« werden sie allesamt nicht bezeichnet. Der Spiegel erscheint wöchentlich seit 1947, er berichtet wohl auch über Sachsen, wird aber in Hamburg herausgegeben, ursprünglich hat er nichts mit dem Freistaat gemein. Der MDR sendet tagtäglich um 19 Uhr das Regionalmagazin »Sachsenspiegel«.

Der eigentliche Sachsenspiegel wurde zwischen 1220 und 1230 verfasst und gilt als das älteste Rechtsbuch der Deutschen. Er ist vor allem das Werk des Eike von Repgow (ca. 1180–1235) und von historisch großer Bedeutung.

Möglicherweise hat das Eindringen von römischem, langobardischem und kanonischem Recht zur Aufzeichnung der heimischen Gewohnheitsrechte angeregt. »Als Berater wollte Eike von Repgow angesichts des Streits zwischen Staufern und Welfen, zwischen Kaiser und Papst und der stattfindenden Kolonialisierung des Gebiets östlich der Elbe zum Rechtsfrieden beitragen.« Zum Schreiben veranlasst hat ihn Graf Hoyer von Falkenstein (1211–1250).

Nun danket al gemene

Deme van Valkenstene,

De greve Hoier is genant,

dat an dudisch is gewant

Dit buk dorch sine bede:

Eike van Repchove is dede.

Ob er das Werk auch im östlichen Harzvorland verfasste, ist nicht belegt, aber in der Burg Falkenstein erinnert man sich seiner mit einer Ausstellung. »Vernunft und göttliche Wahrheit bilden die Maßstäbe, an denen Eike das heimische Gewohnheitsrecht misst. Wie andere Specula des Mittelalters, so zeigt auch der Sachsenspiegel nicht bloß ein Abbild, sondern ist zugleich Vorbild.« Als Handbuch für Landrecht und Lehnrecht, Eigentumsrecht an Grund und Boden, Erbrecht, Ehestands-, Straf- und Nachbarschaftsrecht wirkte er bis weit hinein in den Osten, bis nach Krakau, Lemberg, Kiew, Minsk, Wilna, Riga, Reval und Thorn. Vier überlieferte Handschriften des Werkes sind reich bebildert. »Diese vier Codices sind zwischen 1295 und 1371 angefertigt worden. Bei aller Unterschiedlichkeit verbindet sie doch die charakteristische und in dieser Form einzigartige Kombination aus Bild und Text. Jede Seite ist in eine Bild- und Textspalte aufgeteilt, die einander wechselseitig erhellen und deren Teile durch Initialen sichtbar verbunden sind.« Die Dredner Bilderhandschrift wurde bereits 1574 im ersten kurfürstlichen Bibliothekskatalog verzeichnet. Aus konservatorischen Gründen zeigt die Schatzkammer des Buchmuseums diesen Sachsenspiegel nur sechs Wochen im Jahr.

Der Sachsenspiegel als Handspiegel für unterwegs – ein irreführender Irrtum. Der Sachsenspiegel schaffte vor 800 Jahren Rechtssicherheit, die bis heute nachwirkt.

Das kleinste und das nördlichste Weinanbaugebiet Deutschlands: Meißen

Irrtum! Denn …

… das Meißner Weingebiet liegt auf Breitengrad 51° 06’ 41’’ und das an Saale/Unstrut bei 51° 12’ 44’’, also nördlicher.

Und nur im traditionellen Verständnis gelten die beiden klassischen Weinanbaugebiete Ostdeutschlands als die nördlichsten der Welt. Der 52. Breitengrad gilt als der Polarkreis, hinter dem Wein nicht mehr gedeihen kann. Wobei Ausnahmen diese Regel bestätigen. Der Wachtelberg nahe Werder/Havel ist die weingesetzlich weltweit nördlichste Reblage. Aber auch in Hamburg und der Holsteinischen Schweiz sind Weinstöcke angepflanzt. Der nördlichste der nördlichen in Deutschland wäre bei 54° 54’ 29’’ auf Sylt. Doch den Titel des nördlichsten Anbaugebiets weltweit beanspruchen auch Winzer in Schweden, Finnland, Dänemark, selbst in Alaska.

Ähnlich verhält es sich mit dem Superlativ des kleinsten Wein­anbaugebiets. Laut Statistischem Landesamt Sachsen beträgt die Ertragsrebfläche bei Meißen 421 Hektar, das sind 0,4 Prozent der Deutschlands. Der Durchschnittsertrag liegt bei 44,3 Hektolitern pro Hektar. Das durchschnittliche Mostgewicht beträgt 76,0° Oechsle. Jedoch variieren diese Werte und können nur jahrgangsweise verglichen werden. Sehr zum Wohle.

Weine aus dem Meißner Gebiet haben lange Tradition. Bereits die Chronik des Thietmar von Merseburg belegt den Weinanbau im Elbtal 929. Den Überlieferungen zufolge hat der sagenhafte Bischof Benno von Meißen (ca. 1010‒1106) den ersten Rebstock in dieser Breite angepflanzt. Als Kötzschbergisches Weingebirge wurde es 1271 erwähnt. 1373 ließ der Meißner Bischof Konrad II. von Kirchberg-Wallhausen auf dem Zitzschewiger Bischofsberg eine Presse mit Weinkeller errichten und kelterte kontinuierlich. Fortan sind »Meißner Weine« Markenname.

»Die Lößnitz ist ein gewisser Strich, da lauter hohe Gebirge seyn, die köstlichen Wein tragen, und weil die Churfürstlichen Berge auch allda liegen, wird diese Gegend genennet die Hoffe-Lößnitz. Und dieser Lößnitzwein ist auch der beste im gantzen Land, der in guten Wein-Jahren dem Franken-Wein vorzuziehen, dem Rhein-Wein aber gleich zu achten ist«, meinte Christian Gerber anno 1717. Die Wettiner hatten den Weinanbau zur Weinkultur erhoben und wussten ihn wirtschaftlich auch über die Landesgrenze hinaus zu nutzen. Kurfürst Christian I. erließ am 23. April 1588 mit der »Weingebürgsordnung« das erste Regelwerk. Anfang des 17. Jahrhunderts wurden Winzer aus Schwaben an die Elbe geholt, um Anbaumethoden »nach Württemberger Art« einzuführen, wie die Terrassierung der Steillagen durch Trockenmauern. Das kleinste (!) Weinanbaugebiet Deutschlands entstand. 1739 wurde in Meißen die erste Weinbaugesellschaft gegründet.

Bau- und Bergschreiber in den kurfürstlichen Weinbergen war ab 1661 Johann Paul Knohll. 1667 verfasste er im Auftrag des Kurfürsten das Klein Vinicultur-Büchlein und mit ihm das erste Standardwerk der sächsischen Winzerei. Darin wird der Kanon der 24 feststehenden Regeln von vorgeschriebenen Weinbergsarbeiten ausführlich erläutert und mit eigenen Erfahrungen ergänzt. Allein sein Titel ein Sprachschatz:

Klein Vinicultur-Büchlein / Das ist Kurtzer Inhalt und Unterricht des Weinbaues / Wie solcher im Ober-Sächsischen / und meistens im Meißnischen Creysse / nach hiesiges Landes-Art gepfleget / und iedesmal mit seinen sonderlichen Arbeiten bestellet werden soll / Nach Anleitung der Churfürstl. Sächs. hierbey befindlichen Weingebürgs-Constitution. Allen Hauß-Vätern / so mit dergleichen zu thun / besitzen / umgehen / sich gebrauchen / und darvon nehren / zu einen sonderbaren Nutzen und Besten / theils und meistes aus eigner nachgesonnener / theils auch von alten Hauß-Vätern erlernter Erfahrung / ein- und zusammengetragen / Von Johann Paul Knohllen / Bau- und Bergschreibern, in der Churfürstl. Sächs. Lößnitz bey Dreßden / an Dero Berg- und Lust-Hause uff der Weinpreße daselbst. Mit Churfürstl. Sächs. Freyheit. Gedruckt durch Melchior Bergen / Churfürstl. S. Hof-Buchdrucker / 1667.

Nicht bei allen Winzern war Knohlls Lehre wohlgelitten. Trotzdem erlebte das Buch Auflage um Auflage. Ein Bestseller, der sich auch im Wettbewerb der längsten Buchtitel sehr weit vorn einreihen dürfte.

Das kleinste und das nördlichste Weinanbaugebiet Deutschlands: Meißen – Irrtum, hie wie da! Jedoch sind die »Meißner Weine« bei 13°49’76’’ im Längengrad die in Deutschland am östlichsten angebauten. Obwohl, wer weiß … darauf einen guten Schluck!

Die Leipziger Universität ist die zweitälteste in Deutschland

Irrtum! Allerdings …

… steht fest, Leipzig hat eine der ältesten Universitäten in deutschen Landen. Am 9. September 1409 unterzeichnete Papst Alexander V. die Gründungsbulle.

»Mein Leipzig lob’ ich mir, es ist ein klein Paris und bildet seine Leute«, grölen die Studenten in Auerbachs Keller, als Mephisto Faust ins wahre Leben führte und puren Wein aus allen Tischen fließen ließ. Der Tragödie Erster Teil hat den Ruf der Universitätsstadt Leipzig entscheidend mitgeprägt. Derzeit sind 30 000 Studenten eingeschrieben.

Ein Streit zu Prag gab Leipzig eine Universität. Unter Karl IV. war die Stadt an der Moldau das Zentrum des Heiligen Römischen Reiches geworden und zählte somit zum damaligen deutschen Staatsgebilde. 1348 wurde dort die erste Universität »nördlich der Alpen und östlich von Paris« gegründet. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts gab es in Prag politische Differenzen: Per Kuttenberger Dekret änderte König Wenzel die gleichberechtigten Stimmen von Bayern, Polen, Sachsen und Böhmen an der Universität zugunsten der Böhmen. So verließen Bakkalare, Magister, Lizentiaten und Doktoren der drei anderen Nationen die Stadt. Auch die deutschen Intellektuellen orientierten sich neu, nicht alle ließen sich in Leipzig nieder. Noch im Gründungsjahr übertrugen die Landesherren der Alma Mater Lipsiensis Immobilien, das Große Fürstenkolleg befand sich in der Ritterstraße. Bereits im ersten Semester konnte Rektor Mag. Johannes Otto von Münsterberg 389 Akademiker und Studenten in die Matrikel schreiben. Offiziell wurde Leipzigs Universität am 2. Dezember 1409 eröffnet.

Fakt: Die älteste Universität in deutschen Landen ist die Ruprecht-Karls-Universität zu Heidelberg. »Am 23. Oktober 1385 genehmigt Papst Urban VI. die Errichtung der Universität durch Pfalzgraf und Kurfürst Ruprecht I. Der Lehrbetrieb an den zunächst drei Fakultäten Theologie, Jurisprudenz und Philosophie beginnt ein Jahr später, am 18. Oktober 1386, zwei Jahre später folgt die der Medizin.«

Als vierte Universität im Heiligen Römischen Reich wurde nach Prag, Wien und Heidelberg die in Köln gegründet. »Die Initiative dazu ging nicht wie sonst üblich vom Kaiser oder einem Fürsten aus, sondern vom Rat der Freien Reichsstadt Köln, die auch die Kosten für den Lehrbetrieb übernahm und sich umfangreiche Vorteile für die Belebung der Stadt erhoffte.« Sie besaß guten Ruf und Größe. 1798 beendeten die einmarschierten Franzosen den Lehrbetrieb. Neu gegründet wurde sie 1919 ‒ am 29. Mai unterzeichnete Oberbürgermeister Konrad Adenauer den Staatsvertrag mit Preußen.

1389 wurde in Erfurt eine Universität errichtet und 1392 eröffnet. Infolge der napoleonischen Befreiungskriege wurde die Stadt Preußen zugesprochen. 1816 waren noch zwanzig Studenten eingeschrieben, König Friedrich Wilhelm III. löste die Universität auf. Die Akademie gemeinnütziger Wissenschaften in Erfurt und der Verein für die Geschichte und Altertumskunde versuchten, den universitären Geist im städtischen Gedächtnis zu halten. Die DDR gab der Stadt eine Medizinische Akademie und eine Pädagogische Hochschule. Der Freistaat legte zusammen, und 1994 öffneten die Pforten der Alma mater Erfordensis wieder.

Die vierte, 1402 gegründete Universität Würzburg stellte ihren Lehrbetrieb jedoch nach 28 Jahren mit dem Tod ihres Gründers und Fürstbischofs ein, bevor sie 1582 ihre Pforten erneut Studenten öffnete.

Die Leipziger war also die fünfte Universitätsgründung auf dem heutigen Territorium Deutschlands, und sie wäre es noch, hätten nicht Köln, Erfurt sowie Würzburg mehr als hundert Jahre auf ihren Lehrbetrieb verzichten müssen.

Der Ruf der Leipziger Universität stand nicht ausschließlich für die Freiheit des Denkens, und nicht immer vermochte sie es, sich politischer Einflussnahme zu entziehen. Luther musste aufgrund des an der Leipziger Universität herrschenden Konservatismus disputieren. Bizarr erscheint auch der Akt der Namensgebung Karl-Marx-Universität im Jahre 1953. Par­teigenossen setzten den Philosophen Marx gegen Gottfried Wilhelm Leibniz durch, der »letzte Universalgelehrte« hatte in seiner Geburtsstadt studiert, doch hatte man ihm hier die weitere geistige Entwicklung verwehrt. Auch andre Namen traten aus der universitären Anonymität: Tycho Brahe, Novalis, Erich Kästner, Karl Liebknecht, Paul Ehrlich, Friedrich Nietzsche, Carl Friedrich von Weizsäcker, Lothar Bisky, Samuel Hahnemann, Hans-Dietrich Genscher, Otto von Guericke, Angela Merkel, …

Die Leipziger Universität ist die zweitälteste in Deutschland – ein Irrtum, wenn man sich auf die Gründungsdaten beruft. Der Lehrbetrieb am Hohen Hause jedoch ist in Deutschland der zweitlängste.

Die Festung Königstein wurde nie erobert

Kein Irrtum! Doch …

… hat auch niemals eine Kriegspartei versucht, den Fels im Elbsandsteingebirge unter Kanonendonner einzunehmen. Die Festung fiel Gegnern im Kriegsgeschehen kampflos zu. So nimmt es nicht Wunder, dass man mit dem Slogan werben kann: »Festung Königstein – schon erobert?« Sagenhaft.

Die Alten sagen’s den Jungen

So gehen die Geschichten rund

Und von der alten Feste

Sind viel’ im Volkesmund.

Es gibt Orte, die unter ihren Sagen fast verschwinden. Die Festung Königstein ist Mythos, Legende, Museumsort. Bereits 1692 rühmte man sie als »Zierde und Krone« des Sachsenlandes:

Du lüsternds Auge

Komm in Meißnische Revieren

Und lasse nur Begier zu Wunder-Dingen spühren

Da wird dir kommen für der ädle Königstein

Desgleichen anderswo wird nicht zu finden seyn.

Sagenhaft: 240 Meter über dem Elbfluss erhebt sich das Plateau des Tafelbergs. 42 Meter fallen die steinernen Wände senkrecht nach unten. Bereits im 13. Jahrhundert hatte man ihre strategische Lage erkannt und eine Burg auf ihnen erbaut. 1408 brachte der Markgraf von Meißen sie endgültig in wettinischen Besitz und vergaß sie. 1589 ließ Kurfürst Christian I. den hohen Fels zur Festung ausbauen. Klüfte und Spalten wurden mit Mauern verfüllt, sie wirken wie mit dem Gestein verschmolzen.

Man erzählt gern, keinem Feind sei es gelungen, den Königstein einzunehmen. Wohl wahr, doch war es nie nötig, Kämpfe zu führen: Die Sachsen hatten schon vorher kapituliert. Besetzt hatten den Königstein Preußen, Franzosen, Russen, So­wjetsoldaten. Strategisch war er nie von Bedeutung. Aber es sagt sich gut: »Die Krone Sachsens ist vollendet – gerüstet gegen jeglichen Angriff.« Sagenhaft: Dem Schornsteinfeger Sebastian Abratzky (1829–1897) gelang es als Einzigem, von unten her über die Mauer zu steigen.