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N. Bernhardt

Buch XXIII: Herr im eigenen Lande

Der Hexer von Hymal

N. Bernhardt

Buch XXIII: Herr im eigenen Lande

Der Hexer von Hymal

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019
1. Auflage, ISBN 978-3-962810-05-4

null-papier.de/461

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Inhaltsverzeichnis

Ers­tes Ka­pi­tel: Al­les wie­der un­ter Kon­trol­le

Zwei­tes Ka­pi­tel: Über den Tod hin­aus

Drit­tes Ka­pi­tel: End­lich auch in­au­gu­riert

Vier­tes Ka­pi­tel: Au­ßer Spe­sen nichts ge­we­sen?

Fünf­tes Ka­pi­tel: Ein wahr­lich gu­ter Un­ter­händ­ler

Sechs­tes Ka­pi­tel: Ein Rit­ter we­ni­ger

Sieb­tes Ka­pi­tel: Die Flam­me des Zorns

Das große Fina­le

Inhalt

Ornament

Die Re­vol­te in Sinál ist ganz schnell nie­der­ge­schla­gen, doch ist der Preis da­für recht hoch. Dank ei­ner ziem­lich ma­ka­be­ren Idee ge­lingt es Nik­ko, aus der Si­tua­ti­on den­noch das Bes­te zu ma­chen.

Auch in den ab­trün­ni­gen Län­de­rei­en be­weist der Zau­be­rer zu­nächst ein gu­tes Händ­chen. In kur­z­er Zeit sind gleich drei Le­hen wie­der un­ter Kon­trol­le ge­bracht. Dann aber läuft wie­der ein­mal al­les an­ders als ge­plant!

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Website

Wei­te­re In­for­ma­tio­nen zur Rei­he und zum Au­tor fin­den Sie un­ter:

hy­mal.info

Erstes Kapitel: Alles wieder unter Kontrolle

Nur we­ni­ge Au­gen­bli­cke spä­ter schäm­te Nik­ko sich für den Ge­dan­ken, Kahûl ein­fach so ster­ben zu las­sen. Na­tür­lich wäre es ihm lieb, Da­nu­wil dau­er­haft in Hy­mal hal­ten zu kön­nen. Aber da­für sei­nen Stell­ver­tre­ter zu op­fern, wäre ein­fach nicht rich­tig. Zu­mal Kahûl sich bis­her ja auch als recht kom­pe­tent er­wie­sen hat­te, ob­wohl er den der­zei­ti­gen Schla­mas­sel ei­gent­lich hät­te ver­hin­dern müs­sen.

So oder so, der Zau­be­rer wür­de die Ho­heit hier und jetzt auf kei­nen Fall ein­fach ster­ben las­sen. Noch über­leg­te er zwar, ob er sich selbst erst ein­mal an der Hei­lung des Man­nes ver­su­chen soll­te. Da er auf die­sem Ge­biet der Ma­gie je­doch sehr we­nig Er­fah­rung hat­te, be­fürch­te­te er, das Le­ben Kahûls durch einen ei­ge­nen Ver­such un­nö­tig aufs Spiel zu set­zen. Soll­te er den Be­am­ten also doch zu Pe­ryn­dor oder gar Meis­ter Khon­dyr tele­por­tie­ren?

Nik­ko wuss­te aber nicht, wel­cher der bei­den Ma­gier sich bes­ser auf die Hei­lung ver­stand. Da er sich al­ler­dings vor dem Her­zog von Khond­harr nicht schon wie­der eine Blö­ße ge­ben woll­te, be­schloss er, lie­ber den Groß­meis­ter in Hal­fuár auf­zu­su­chen.

»Schafft die Ho­heit schnellst­mög­lich in den Kel­ler des Ma­gier­turms!«, ord­ne­te Nik­ko schließ­lich an.

»Was ist mit den an­de­ren Ver­wun­de­ten?«, frag­te ein Be­am­ter.

»Bringt die am schwers­ten Ver­wun­de­ten eben­falls in den Turm«, ant­wor­te­te der Zau­be­rer. Pe­ryn­dors Be­geis­te­rung dar­über, sich mit­ten in der Nacht um all die Ver­letz­ten küm­mern zu müs­sen, konn­te er sich schon aus­ma­len. »Aber nur die!«

»Sehr wohl, Eure … Erl … ähm Emi­nenz«, ver­beug­te sich der Be­am­te.

»Eure Emi­nenz«, schal­te­te sich Da­nu­wil ein, »wenn ich Euch dar­auf hin­wei­sen darf, dass die Lage drau­ßen … nun, ja … weit­ge­hend un­be­kannt ist.«

Oh je, da­mit hat­te der Graf na­tür­lich recht. Nik­ko hat­te gar nicht be­dacht, dass sie bis jetzt ge­ra­de ein­mal das Haupt­haus ge­si­chert hat­ten. Wie es um die Mau­ern, Tür­me und Tore stand, wuss­ten sie ja gar nicht. Je nach­dem, wie viel Un­ter­stüt­zung die Re­bel­len un­ter der Burg­be­sat­zung ge­fun­den hat­ten, könn­te der Rest Sináls noch un­ter Kon­trol­le der An­grei­fer sein!

»Also gut«, über­leg­te der Zau­be­rer an­ge­strengt. »Dann tele­por­tie­re ich die Ver­letz­ten erst ein­mal schnell nach Hal­fuár … am bes­ten gleich von hier aus. Ihr si­chert un­ter­des­sen wei­ter das Haupt­haus. Zur Not könnt Ihr den Thron­saal ja wie­der ver­ram­meln.«

»Gut, aber wie sol­len wir so die Burg wie­der un­ter un­se­re Kon­trol­le brin­gen?«, frag­te der Graf.

»Ich wer­de so schnell wie mög­lich aus Hal­fuár zu­rück­keh­ren und Euch dann hier mit mei­ner Zau­be­rei un­ter­stüt­zen«, plan­te Nik­ko. »Vi­el­leicht kann ich den Groß­meis­ter ja dazu über­re­den, sich erst ein­mal al­lein um die Ver­letz­ten zu küm­mern.«

»Gut«, lä­chel­te Da­nu­wil. »Ich wer­de mein Bes­tes ge­ben, den Thron­saal zu hal­ten.«

»Habt Dank«, lä­chel­te Nik­ko zu­rück und wies die Be­am­ten an, die Schwer­ver­letz­ten in ei­nem klei­nen Are­al vor dem Thron zu sam­meln. Er selbst be­rei­te­te dar­auf­hin den Feld­tele­port vor. Mitt­ler­wei­le trug er ja stets et­was von dem wei­ßen Pul­ver bei sich, mit dem man die Mar­kie­run­gen für den Tele­port zeich­ne­te. Er hoff­te nur, dass das klei­ne Säck­chen da­für reich­te.

We­nig spä­ter war er so­weit. Die Ver­letz­ten be­fan­den sich nun im In­nern der Mar­kie­rung auf dem Bo­den. Mit ei­nem Ni­cken si­gna­li­sier­te Da­nu­wil, dass er die Lage hier un­ter Kon­trol­le hat­te. Er hat­te die Tore zum Thron­saal be­reits wie­der fest ver­schlie­ßen und von in­nen ver­bar­ri­ka­die­ren las­sen. Auch wenn die Re­bel­len einen wei­te­ren An­griff auf den Saal wa­gen soll­ten, wä­ren die Leu­te hier also ei­ni­ge Zeit lang si­cher.

Nik­ko nutz­te die der­zeit ru­hi­ge Lage und tele­por­tier­te sich mit­samt den vier am schlimms­ten Ver­letz­ten nach Hal­fuár. Als er dort an­kam, mach­te er sich gleich auf den Weg in die obe­ren Eta­gen, um den Groß­meis­ter zu we­cken. Wie ge­reizt die­ser mit­ten in der Nacht rea­gie­ren wür­de, ver­dräng­te der Zau­be­rer da­bei erst ein­mal.

Zu Nik­kos großer Über­ra­schung fand er den Al­ten nicht in sei­nen Schlaf­ge­mä­chern, son­dern in der Biblio­thek. Of­fen­bar war er über ei­nem di­cken Wäl­zer ein­ge­nickt. Nun ja, das war im­mer­hin bes­ser, als ihn aus den Fe­dern zu ho­len.

»Groß­meis­ter!«, rüt­tel­te Nik­ko den Al­ten wach. »Ich brau­che schnell Eure Hil­fe!«

»Was?!«, schi­en Pe­ryn­dor ver­wirrt. »Wie? Was ist denn … ach, Ihr seid es, jun­ger Meis­ter!«

»Groß­meis­ter, ich habe vier Ver­letz­te im Tele­por­traum«, dräng­te Nik­ko. »Könnt Ihr ih­nen nicht schnell hel­fen.«

»Ver­letz­te?«, wun­der­te sich Pe­ryn­dor. »Wo­von re­det Ihr denn da?«

»Es gab in Sinál … ein we­nig Är­ger«, hat­te der Zau­be­rer über­haupt kei­ne Lust, dem Al­ten jetzt al­les zu er­klä­ren. »Ein paar Leu­te sind ver­letzt. Dar­un­ter auch die Ho­heit Kahûl von Khond.«

»Wie? Ho­heit wer?«, schi­en Pe­ryn­dor noch im­mer nicht ganz bei Sin­nen zu sein.

»Die Ho­heit Kahûl«, wie­der­hol­te Nik­ko. »Ein Vet­ter Meis­ter Khon­dyrs und zu­dem der zu­künf­ti­ge Se­ne­schall Hy­mals.«

Der Alte stutz­te ei­ni­ge Au­gen­bli­cke und mein­te: »Also gut, dann schau­en wir uns die­se Ver­letz­ten eben ein­mal an.«

»Habe ich Euch denn nicht bei­ge­bracht, wie man mit Le­bens­mus­tern hei­len kann?«, frag­te er auf dem Weg nach un­ten. »Als Meis­ter soll­tet Ihr Euch dar­auf ei­gent­lich auch gut ge­nug ver­ste­hen.«

»Das ist so lan­ge her«, recht­fer­tig­te sich Nik­ko. »Au­ßer­dem muss ich schnell nach Sinál zu­rück. Die Lage in der Stadt ist näm­lich noch längst nicht un­ter Kon­trol­le.«

»Was ist denn dort los?«, gähn­te der Alte.

»Ein paar Rit­ter wa­ren … mit dem Er­geb­nis des Stän­de­tags nicht ein­ver­stan­den«, er­klär­te Nik­ko. »In der Nacht ha­ben sie dann zu­ge­schla­gen.«

»Wie kön­nen sie es wa­gen, die Be­schlüs­se ei­nes Stän­de­tags zu miss­ach­ten?!«, em­pör­te sich der Groß­meis­ter und bohr­te wei­ter: »Ja, was hat denn der Stän­de­tag letzt­end­lich über­haupt be­schlos­sen?«

Zum Glück be­tra­ten die bei­den in die­sem Au­gen­blick den Tele­por­traum, wo die Ver­letz­ten so laut stöhn­ten, dass Pe­ryn­dor sei­ne ei­ge­ne Fra­ge ganz schnell ver­gaß.

»Wer ist denn nun die­se Ho­heit?«, frag­te er statt­des­sen.

Nik­ko zeig­te auf Kahûl, der sich sei­nen durch­schos­se­nen Bauch noch im­mer vor Schmer­zen hielt.

»Kommt Ihr hier eine Wei­le al­lein klar?«, dräng­te er nun wie­der. »Ich soll­te jetzt lie­ber schnell zu­rück­keh­ren!«

Ganz so drin­gend war sei­ne Rück­kehr nach Sinal zwar nicht, doch ver­spür­te der Zau­be­rer kein großes Ver­lan­gen da­nach, sich vom Groß­meis­ter wei­ter mit Fra­gen lö­chern zu las­sen. Auch stand ihm der Sinn nicht un­be­dingt nach der Ar­beit mit den Ver­letz­ten.

»Ihr wer­det mir schon noch hel­fen müs­sen, die Ver­letz­ten nach oben zu brin­gen«, er­wi­der­te der Alte ver­är­gert. »Ich wer­de die Män­ner wohl kaum hier im Kel­ler be­han­deln. Au­ßer­dem wer­det Ihr den Tele­por­tring doch für Eu­ren Rück­weg be­nö­ti­gen, oder etwa nicht?«

Nik­ko könn­te zwar einen wei­te­ren Feld­tele­port wa­gen, aber im Grun­de hat­te Pe­ryn­dor recht. Die Ver­letz­ten wür­den nach der Be­hand­lung si­cher­lich in ein Bett ge­hö­ren, nicht hier in den Kel­ler.

»Ja, gut«, ant­wor­te­te der Ma­gier. »Ich hel­fe Euch na­tür­lich.«

Ohne wei­te­re Wor­te wirk­te der Groß­meis­ter ei­ni­ge Mus­ter auf die Ver­letz­ten, wor­auf­hin die­se nicht län­ger stöhn­ten und auch ins­ge­samt ir­gend­wie ent­spann­ter wa­ren. Of­fen­bar hat­te der Alte ih­nen die Schmer­zen ge­nom­men und sie be­ru­higt.

Im An­schluss wirk­te Pe­ryn­dor einen wei­te­ren Zau­ber auf die Män­ner. Die­ser mach­te sie so leicht, dass die bei­den sie ohne große An­stren­gun­gen nach oben tra­gen konn­ten. Als sie auf die Bet­ten der Schlaf­ge­mä­cher ver­teilt wa­ren, bat der Alte den Zau­be­rer um et­was Ruhe, um sich auf sei­ne Ar­beit kon­zen­trie­ren zu kön­nen.

Nik­ko, der oh­ne­hin so schnell wie mög­lich nach Sinál zu­rück­keh­ren woll­te, hat­te dar­auf nur ge­war­te­te. Also nutz­te er die Ge­le­gen­heit und stieg hin­un­ter in den Tele­por­traum.

Als der Zau­be­rer we­ni­ge Au­gen­bli­cke spä­ter zu­rück in Sinál war, freu­te er sich zu­nächst, dass der Ma­gier­turm noch im­mer si­cher war. Je­den­falls fand er dort auch jetzt nur Da­nu­wils Leu­te vor. Al­ler­dings hat­ten die Män­ner kei­ne Neu­ig­kei­ten zu ver­kün­den, denn sie hat­ten sich, ganz wie be­foh­len, hier im Turm ver­ram­melt.

Für sei­nen Weg über den Bur­g­hof zum Haupt­haus mach­te sich Nik­ko dann wie­der un­sicht­bar. Mit sei­nen Schil­den be­stand zwar auch so kaum die Ge­fahr, ent­deckt zu wer­den, doch woll­te er lie­ber kein Ri­si­ko ein­ge­hen. Auf dem Hof war je­doch nichts mehr zu hö­ren und zu se­hen. We­der Ge­schrei, noch Sol­da­ten, noch Kampf­ge­räusche. Das hieß wohl, dass die Kämp­fe nun vor­über wa­ren. Aber wer ge­won­nen hat­te, konn­te er na­tür­lich nicht wis­sen.

Auch im Haupt­haus schi­en al­les ru­hig zu sein. Der Zau­be­rer über­leg­te kurz, ob er nicht zu­nächst die obe­ren Eta­gen durch­su­chen soll­te. Es könn­te ja sein, dass dort mitt­ler­wei­le neue An­grei­fer ihr Un­we­sen trie­ben. Da er von oben aber kei­nen Mucks hör­te, ent­schied er sich spon­tan dazu, doch lie­ber gleich zum Thron­saal zu ge­hen, den Da­nu­wil und die an­de­ren Über­le­ben­den hof­fent­lich noch im­mer hiel­ten.

Das Tor zum Thron­saal war glück­li­cher­wei­se in­takt. Es sah auch nicht so aus, als hät­te es hier einen wei­te­ren An­griff ge­ge­ben. Also klopf­te Nik­ko da­ge­gen und gab sich da­bei laut­stark zu er­ken­nen.

»Eure Emi­nenz«, be­grüß­te ihn Da­nu­wil, nach­dem das Tor ge­öff­net war. »Ich bin froh, dass Ihr so schnell zu­rück seid, auch wenn hier in der Zwi­schen­zeit nichts mehr pas­siert ist.«

»Ja«, er­wi­der­te Nik­ko, »drau­ßen scheint eben­falls al­les ru­hig zu sein.«

»Das muss nicht un­be­dingt Gu­tes be­deu­ten«, keuch­te der Graf. »Der­zeit wis­sen wir ein­fach nicht, wer wel­che Tei­le der Burg und der Stadt kon­trol­liert.«

»Das ist mir be­wusst«, mein­te Nik­ko. »Sol­len wir also gleich los­zie­hen oder wollt Ihr lie­ber bis zum Mor­gen war­ten?«

»Es dürf­te bes­ser sein, das Ta­ges­licht ab­zu­war­ten«, nick­te der Graf.

»Wie Ihr wollt«, lä­chel­te der Zau­be­rer und über­leg­te dann laut: »Vie­le An­grei­fer kön­nen ei­gent­lich kaum üb­rig sein. Die meis­ten müss­ten wir mitt­ler­wei­le doch schon er­wi­scht ha­ben.«

»Seid Ihr Euch da wirk­lich si­cher, Eure Emi­nenz?«, schi­en Da­nu­wil er­staunt. »Be­denkt, dass zu­letzt bei­na­he noch vier­zig Rit­ter zu­ge­gen wa­ren. Au­ßer­dem er­wähn­tet Ihr doch, dass sie auch die Ver­rä­ter be­freit ha­ben.«

»Ich habe un­ter den An­grei­fern so­gar den Gra­fen von Eruál aus­ma­chen kön­nen«, füg­te Nik­ko dem hin­zu.

»Tat­säch­lich?«, war Da­nu­wil er­staunt. »Seid Ihr Euch da si­cher?«

»Das ist er doch oder?«, frag­te der Zau­be­rer und zeig­te auf eine der Lei­chen, die noch vor dem Tor zum Thron­saal la­gen.

»In der Tat«, nick­te der Graf. »Dann ist er mit sei­nen sie­ben Rit­tern also doch nicht per Schiff in den Sü­den ab­ge­reist. Of­fen­bar hat­ten sie sich hier ir­gend­wo ver­bor­gen, um im rech­ten Au­gen­blick zu­zu­schla­gen.«

»Seht Ihr, Eure Emi­nenz«, grins­te er dann, »das wä­ren noch ein­mal fast zehn Geg­ner mehr. Wie vie­le von ih­nen habt Ihr denn im Foy­er … be­siegt?«

»Vi­el­leicht ein oder zwei Dut­zend«, schätz­te Nik­ko. »Al­ler­dings wa­ren un­ter den To­ten ver­mut­lich auch sehr vie­le Ver­tei­di­ger.«

»Dann rech­net ein­fach nach!«, zuck­te der Graf die Schul­tern. »Nehmt die knapp fünf­zig Stän­de und dazu die Ver­rä­ter aus dem Ker­ker und zieht da­von die­je­ni­gen ab, die Ihr schon er­le­digt habt. Dann be­kommt Ihr ein un­ge­fäh­res Bild von dem, was in der äu­ße­ren Burg wohl noch auf uns war­tet.«

»Be­stimmt der grö­ße­re Teil«, seufz­te Nik­ko. »Nun, wir wer­den es mor­gen schon noch früh ge­nug er­fah­ren.«

»Das fürch­te ich auch«, lach­te Da­nu­wil und frag­te dann: »Sol­len wir uns bis da­hin wei­ter hier im Thron­saal ver­bar­ri­ka­die­ren? Oder sol­len wir zu­min­dest das Haupt­haus voll­stän­dig in Be­schlag neh­men? Dann könn­ten wir we­nigs­tens die Bet­ten be­nut­zen, um für mor­gen bes­ser aus­ge­ruht zu sein.«

»Glaubt Ihr denn nicht, dass sie in der Nacht noch ein­mal an­grei­fen wer­den?«, sorg­te sich der Zau­be­rer.

»Das ist na­tür­lich denk­bar«, ant­wor­te­te der Graf, »aber den­noch un­wahr­schein­lich. Ver­mut­lich ha­ben sich die An­grei­fer in ver­schie­de­ne Trupps un­ter­teilt, die je­weils ge­wis­se Be­rei­che der Burg ein­neh­men und si­chern soll­ten. Ich ver­mu­te, sie woll­ten ihr Haupt­quar­tier hier im Haupt­haus ein­rich­ten. Die Trupps in der äu­ße­ren Burg wer­den nun auf wei­te­re Be­feh­le aus dem Haupt­haus war­ten.«

»Die aber nicht kom­men wer­den«, kon­ter­te Nik­ko. »Wird sie das nicht stut­zig ma­chen?«

»Ir­gend­wann schon«, gab Da­nu­wil zu. »Ich ver­mu­te je­doch, dass sie erst bei Ta­ges­licht et­was un­ter­neh­men wer­den. Auch sie wis­sen ja nicht, wie es in der Burg ge­nau aus­sieht, und wer­den ihre Pos­ten in der Dun­kel­heit da­her kaum ver­las­sen wol­len.«

Da­mit gab sich Nik­ko erst ein­mal zu­frie­den, auch wenn er nicht gänz­lich über­zeugt war. Den­noch woll­te er bis zum Mor­gen lie­ber kein Ri­si­ko ein­ge­hen und mein­te da­her: »Lasst uns die Nacht trotz­dem im Thron­saal blei­ben. Hier sind wir im Zwei­fels­fall si­cher und be­hal­ten auf je­den Fall den Über­blick.«

»Wie Ihr wünscht, Eure Emi­nenz«, lä­chel­te Da­nu­wil und gab den Be­fehl, die Tore wie­der fest zu ver­ram­meln. An Nik­ko ge­rich­tet mein­te er schließ­lich: »Ihr soll­tet Euch bis zum Mor­gen noch et­was Ruhe gön­nen. Wir wer­den Eure Kräf­te für die Rückerobe­rung der Burg be­nö­ti­gen.«

»Die Be­fürch­tung hege ich eben­falls«, seufz­te Nik­ko. »Aber auch Ihr soll­tet ver­su­chen, ein we­nig Ruhe zu fin­den. Hier drin­nen sind wir ja durch­aus si­cher. Wenn sie noch ein­mal an­grei­fen, soll­ten wir da­von früh ge­nug et­was mit­be­kom­men, oder etwa nicht?«

»Da habt Ihr na­tür­lich recht, Eure Emi­nenz«, lach­te der Graf. »Macht Euch kei­ne Sor­gen, auch ich wer­de schon noch ein oder zwei Au­gen zu­ma­chen.«

Ob­wohl es dann die gan­ze Nacht über ru­hig ge­blie­ben war, hat­te Nik­ko nicht viel Schlaf fin­den kön­nen. Im­mer wie­der hat­te er sich ge­fragt, ob es wirk­lich sinn­voll war, sich im Thron­saal zu ver­krie­chen, wäh­rend die An­grei­fer viel­leicht schon einen Groß­teil der Burg kon­trol­lier­ten. Als Zau­be­rer hät­te er doch auch et­was ge­gen die Dun­kel­heit tun kön­nen, wenn die­se sich im Kampf nicht so­gar als Vor­teil er­wie­sen hät­te.

Als schließ­lich die ers­ten Son­nen­strah­len durch die großen Fens­ter an der Ost­sei­te in das In­ne­re des Saals dran­gen, war der Zau­be­rer re­gel­recht ver­är­gert über all die ver­lo­re­ne Zeit. Dass er heu­te wohl zu­dem kaum auf ein or­dent­li­ches Früh­stück hof­fen konn­te, ließ sei­ne Lau­ne auch nicht ge­ra­de stei­gen.

»Jetzt wird es aber lang­sam Zeit, die­ses Ge­sin­del aus der Burg zu schmei­ßen!«, bell­te er Da­nu­wil an, der sich erst ein­mal gäh­nend reck­te und streck­te. Of­fen­bar hat­te der Graf we­ni­ger Pro­ble­me ge­habt, et­was Schlaf zu fin­den.

»Das ist es wohl«, gähn­te die­ser er­neut. »Wenn wir viel län­ger war­ten, wer­den sie si­cher­lich ah­nen, dass im Haupt­haus et­was nicht stimmt. Noch könn­ten wir so­gar das Über­ra­schungs­mo­ment auf un­se­rer Sei­te ha­ben.«

»Dann lasst uns kei­ne Zeit mehr ver­lie­ren!«, schnauz­te Nik­ko.

»Wir soll­ten uns schon Ge­dan­ken dar­über ma­chen, wie wir wei­ter vor­ge­hen, Eure Emi­nenz«, hielt Da­nu­wil da­ge­gen. »Ich schla­ge vor, zu­nächst das Tor­haus un­ter un­se­re Kon­trol­le zu brin­gen. Da­mit kön­nen wir ver­hin­dern, dass sie Nach­schub aus der Stadt in die Burg sen­den – wenn sie die Stadt denn über­haupt kon­trol­lie­ren – oder das Tor­haus.«

»Von mir aus«, zuck­te Nik­ko die Schul­tern und über­leg­te dann: »Vi­el­leicht soll­te ich das Tor­haus al­lein er­obern. Mit mei­ner Un­sicht­bar­keit und den Schil­den dürf­te das kein Pro­blem sein. Ihr könn­tet wäh­rend­des­sen Eure Män­ner aus dem Turm ho­len, um das Tor­haus im An­schluss zu be­set­zen.«

»Ja, das klingt ganz gut«, nick­te der Graf. »So­lan­ge Ihr un­sicht­bar seid, könnt Ihr auch erst ein­mal über­prü­fen, wer das Tor­haus über­haupt kon­trol­liert. Es ist schließ­lich nicht si­cher, dass die Re­bel­len es tat­säch­lich er­obern konn­ten.«

»Woran er­ken­ne ich denn, zu wem die Sol­da­ten ge­hö­ren?«, frag­te Nik­ko, der am Vor­tag ja schon ziem­li­che Pro­ble­me ge­habt hat­te, An­grei­fer und Ver­tei­di­ger von­ein­an­der zu un­ter­schei­den.

»Das ist eine gute Fra­ge«, kraul­te sich Da­nu­wil den Bart. »Auf even­tu­ell vor­han­de­ne Ho­heits­zei­chen soll­tet Ihr Euch im Zwei­fel lie­ber nicht ver­las­sen, da of­fen­bar auch ei­ni­ge un­se­rer Krie­ger die Sei­ten ge­wech­selt ha­ben. Am ein­deu­tigs­ten wäre es da wohl, wenn Ihr un­ter ih­nen einen ab­trün­ni­gen Rit­ter oder be­frei­ten Ver­rä­ter wie­der­er­ken­nen wür­det.«

»Ich kann Euch nicht ga­ran­tie­ren, dass ich die Rit­ter oder Ver­rä­ter so ge­nau ken­ne«, zwei­fel­te Nik­ko am Plan des Gra­fen. »Ich weiß gar nicht, ob ich sie über­haupt je­mals alle zu se­hen be­kom­men habe.«

»Dann wäre es wohl bes­ser, wenn ich doch mit­kom­me«, über­leg­te der Graf.

Das stimm­te zwar, aber so er­gä­be sich wie­der das Pro­blem mit der Un­sicht­bar­keit. Ent­we­der Da­nu­wil müss­te ganz be­son­ders dicht bei Nik­ko blei­ben, oder der Zau­be­rer müss­te den un­sicht­ba­ren Be­reich auf ihn aus­deh­nen, was wie­der­um zu grö­ße­ren Ver­zer­run­gen füh­ren wür­de, die sich ge­ra­de in en­gen Räu­men durch­aus be­merk­bar ma­chen dürf­ten. So viel Zeit wie beim An­pas­sen des Un­sicht­bar­keits­be­reichs um den Dra­chen her­um konn­te sich Nik­ko schließ­lich nicht neh­men, zu­mal sie sich ja auch be­we­gen wür­den.

»Am bes­ten schaue ich mich dort erst ein­mal al­lein um«, be­schloss der Fürst­ma­gier da­her. »Wenn ich nie­man­den wie­der­er­ken­ne, dann kön­nen wir ja noch im­mer ent­schei­den, was zu tun ist.«

»Wie Ihr wünscht, Eure Emi­nenz«, lä­chel­te der Graf. »Soll ich dann erst ein­mal hier war­ten oder doch schon zum Turm ge­hen?«

»Vi­el­leicht tele­por­tie­re ich Euch lie­ber schnell in den Turm«, über­leg­te Nik­ko laut. »So lau­fen wir we­nigs­tens nicht Ge­fahr, dass Ihr auf dem Bur­g­hof für un­nö­ti­ge Auf­merk­sam­keit sorgt.«

»Sehr gut«, freu­te sich Da­nu­wil. »Wenn Ihr im Tor­haus fer­tig seid, könnt Ihr dann ja zum Turm kom­men, da­mit wir das wei­te­re Vor­ge­hen be­spre­chen kön­nen.«

»Gut, so ma­chen wir es!«, war Nik­ko froh, nun end­lich einen Plan zu ha­ben. »Macht Euch dann für den Tele­port in den Turm be­reit!«

»Ei­nen Au­gen­blick bit­te!«, brems­te der Graf den Ma­gier aus. »Lasst mich erst noch ein paar Be­feh­le an die Leu­te hier aus­ge­ben. Wir wol­len ja nicht, dass wäh­rend un­se­rer Ab­we­sen­heit Cha­os aus­bricht.«

»Also gut«, lä­chel­te Nik­ko. »Aber be­eilt Euch bit­te. Ich will die­se Re­vol­te jetzt so schnell wie mög­lich zer­schla­gen!«

Nach­dem Da­nu­wil die Leu­te im Thron­saal in­stru­iert hat­te, tele­por­tier­te Nik­ko ihn in den Ma­gier­turm. Er selbst ver­ließ dar­auf­hin den Thron­saal durch das da­für kurz ge­öff­ne­te Tor. Drau­ßen mach­te er sich so­gleich un­sicht­bar und frisch­te auch all die Schutz­schil­de wie­der auf. Er über­leg­te einen Au­gen­blick lang, ob er noch schnell das Haupt­haus un­ter­su­chen soll­te, da es in der Nacht ja un­be­wacht ge­we­sen war. Al­ler­dings konn­te er auch dies­mal nichts hö­ren und nahm da­her an, dass hier kei­ne neu­en Geg­ner auf­ge­kreuzt wa­ren.

Also ver­ließ der Fürst­ma­gier das un­be­wach­te Haupt­haus, des­sen Tore weit of­fen stan­den. Auch auf dem Hof war nir­gends eine Men­schen­see­le zu er­ken­nen. Auf den Wehr­gän­gen zeig­ten sich hin­ge­gen ein paar ver­ein­zel­te Wa­chen, doch konn­te Nik­ko nicht ein­ord­nen, zu wel­cher Sei­te sie ge­hör­ten.

Als der Zau­be­rer am Burg­tor an­kam, stell­te er fest, dass auch die­ses un­be­wacht war, da­für je­doch ver­schlos­sen. War das ein gu­tes Zei­chen? So­gar die Tü­ren zum Tor­haus wa­ren fest ver­ram­melt. Je­den­falls konn­te Nik­ko sie nicht öff­nen. Of­fen­bar hat­te sich dort je­mand ver­schanzt. Ob es sich da­bei um An­grei­fer oder Ver­tei­di­ger han­del­te, wuss­te er na­tür­lich nicht.

Der Ma­gier muss­te letzt­lich einen Schwe­be­zau­ber be­mü­hen, um auf die obe­ren Wehr­gän­ge zu ge­lan­gen. Von dort aus er­hoff­te er sich einen un­ge­si­cher­ten Zu­gang zum Tor­haus. Die­se Hoff­nung er­füll­te sich so­gleich. Dort gab es tat­säch­lich ein Trep­pen­haus, des­sen Zu­gang nicht durch Tü­ren ge­si­chert war. Also konn­te Nik­ko von da aus ganz ein­fach in das Tor­haus hin­ein­ge­hen.

Im In­nern lie­fen ihm ei­ni­ge Krie­ger über den Weg, doch wur­de er dank sei­ner Un­sicht­bar­keit nicht be­merkt. Nik­ko fand je­doch kei­ne Hin­wei­se dar­auf, zu wel­cher Sei­te sie ge­hör­ten. Al­ler­dings muss­te es auch hier zu ei­nem Kampf ge­kom­men sein, da ei­ni­ge Män­ner ver­letzt wa­ren. Lei­chen konn­te Nik­ko zwar nicht aus­ma­chen, ver­mu­te­te aber, dass man die­se be­reits weg­ge­schafft hat­te.

Erst ganz un­ten im Tor­haus fand der Fürst­ma­gier eine Hand­voll hö­he­rer Sol­da­ten, die an ei­nem Tisch sa­ßen und sich be­rie­ten. Un­ter ih­nen be­fan­den sich zwei Her­ren, die Nik­ko ein­deu­tig als ab­ge­setz­te Rit­ter iden­ti­fi­zie­ren konn­te. Auch ein paar an­de­re Ge­sich­ter ka­men ihm ir­gend­wie be­kannt vor, aber im Grun­de war das nicht mehr wich­tig. Die­se Grup­pe ge­hör­te zwei­felsoh­ne zu den Re­bel­len!

Der Ma­gier mach­te mit den ho­hen Her­ren kur­z­en Pro­zess. Mit ei­nem Blitz­strahl streck­te er die gan­ze Grup­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­