Cover

Hinweise zur E-Book-Ausgabe

Die E-Books des Reclam Verlags verwenden entsprechend der jeweiligen Buchausgabe Sperrungen zur Hervorhebung von Textpassagen. Diese Textauszeichnung wird nicht von allen Readern unterstützt.

Enthält das E-Book in eckigen Klammern beigefügte Seitenzählungen, so verweisen diese auf die Printausgabe des Werkes.

Fußnoten

1

Mit Ausnahme der Verwandlung, die sich an der Reclam-Ausgabe orientiert, werden alle anderen Werke Kafkas nach der Kritischen Ausgabe (KKA) zitiert. Sämtliche Primärtexte Kafkas erscheinen mit Siglen versehen direkt im Text.

2

Vgl. Oliver Jahraus, Kafka; Leben, Schreiben, Machtapparate, Stuttgart 2006, S. 188; Gerhard Neumann: Blinde Parabel oder Bildungsroman? Zur Struktur von Kafkas »Proceß«-Fragment, Marbach 1997, S. 413; Heinz Politzer, Franz Kafka; der Künstler, Frankfurt a. M. 1965, S. 306.

3

Theodor W. Adorno, Aufzeichnungen zu Kafka, Frankfurt a. M. 1955, S. 304.

4

Michael Müller, Erzählungen des 20. Jahrhunderts, Stuttgart 2007, S. 139.

5

Michael Niehaus, Kafkaesk; Annäherung an eine Wortschöpfung aus didaktischer Perspektive, Seelze 2009, S. 2.

6

Johann Peter Eckermann, Goethe; Sämtliche Werke, Frankfurt a. M. 1999, S. 221.

7

Vgl. Gero von Wilpert (Hrsg.), Goethe-Lexikon, Stuttgart 1998, S. 776.

8

Vgl. Rainer Schönhaar, Metzler Literatur Lexikon, Stuttgart 1990, S. 329; Rolf Füllmann, Die Novelle – Gattung zwischen Struktur und Varianz, Seelze 2011, S. 3 ff.

9

Vgl. Ulf Abraham, Franz Kafka »Die Verwandlung«; Grundlagen und Gedanken zum Verständnis erzählender Literatur, Frankfurt a. M. 1993, S. 13 f.

10

Vgl. Max Brod, Über Franz Kafka, Frankfurt a. M. 1974, S. 113.

11

Vgl. Detlef Kremer, Kafkas Topographie, Berlin 2006, S. 8 f.

12

Vgl. Beda Allemann, Zeit und Geschichte im Werk Kafkas, Göttingen 1998, S. 20.

13

Martin Walser, Beschreibung einer Form, Frankfurt a. M. 1992, S. 120.

14

Allemann (s. Anm. 12), S. 28.

15

Allemann (s. Anm. 12), S. 26.

16

Andreas B. Kilcher, Franz Kafka, Frankfurt a. M. 2008, S. 77.

17

Gerhard Neumann, Der Zauber des Anfangs und das »Zögern vor der Geburt«, Würzburg 1992, S. 141.

18

Kasimir Edschmid, zitiert nach: Jürgen Born (Hrsg.), Franz Kafka; Kritik und Rezeption zu seinen Lebzeiten 19121924, Frankfurt a. M. 1979, S. 61.

19

Walser (s. Anm. 13), S. 87 f.

20

Vgl. Klaus Ramm, in: Kafka-Handbuch, Stuttgart 1979, S. 103 ff.

21

Ovid, Metamorphosen, Zürich 2002, S. 187.

22

Ebenda, S. 195.

23

Heribert Kuhn (Hrsg.), Franz Kafka. »Die Verwandlung«, Frankfurt a. M. 2015, S. 104.

24

Vgl. Clemens Heselhaus, Kafkas Erzählformen, Stuttgart 1952, S. 356.

25

Fjodor Dostojewski, Der Doppelgänger, Stuttgart 1987, S. 3.

26

Ulf Abraham, in: Kafka-Handbuch, Göttingen 2008, S. 421.

27

Ovid (s. Anm. 21), S. 191.

28

Klaus Wagenbach, Franz Kafka; Hamburg 2002, S. 19.

29

David Zane Mairowitz, Kafka kurz und knapp, Frankfurt a. M. 2006, S. 7.

30

Helmuth Kiesel und Sabina Becker (Hrsg.), Literarische Moderne; Begriff und Phänomen, Berlin 2007, S. 10.

31

Scott Spector, in: Kafka-Handbuch, Göttingen 2008, S. 183 f.

32

Vgl. Brod (s. Anm. 10), S. 112. Reiner Stach, Kafka; Die Jahre der Entscheidungen, Frankfurt a. M. 2015, S. 108 ff.

33

Hartmut Binder, in: Kafka-Handbuch, Stuttgart 1979, S. 391.

34

Müller (s. Anm. 4), S. 143.

35

Vgl. Gustav Janouch, Gespräche mit Kafka, Frankfurt a. M. 1968, S. 55 f.

36

Stach (s. Anm. 32), S. 217.

37

Monika Schmitz-Emans, Franz Kafka, München 2010, S. 179.

38

Franz Kafka, Briefe 19021924, New York 1958, S. 521.

39

Peter Beicken, Erläuterungen und Dokumente; Franz Kafka »Die Verwandlung«, Stuttgart 2010, S. 104.

40

Jahraus (s. Anm. 2), S. 224 f.

41

Karlheinz Fingerhut, »Die Verwandlung«, Stuttgart 2007, S. 60.

42

Vgl. Manfred Engel, in: Kafka Handbuch, Stuttgart 2010, S. 496.

43

Hartmut Binder, Kafka Kommentar zu sämtlichen Erzählungen, München 1975, S. 159.

44

Gerhard Kurz, in: Kafka-Handbuch, Stuttgart 1979, S. 120.

45

Müller (s. Anm. 4), S. 149.

46

Peter U. Beicken, Franz Kafka; eine kritische Einführung in die Forschung, Frankfurt a. M. 1974, S. 101.

47

Joachim Pfeiffer, Kafka lacht; Humor in Leben und Werk und das Komische in der »Verwandlung«, Seelze 2009, S. 17.

48

Otto Rommel, Analyse des Komischen, Darmstadt 1975, S. 21.

49

Vgl. Nicolai Hartmann, Ästhetik (Das Komische), Berlin 1966, S. 444 f.

50

Friedrich Theodor Vischer, Über das Erhabene und Komische; und andere Texte zur Ästhetik, Frankfurt a. M. 1967, S. 175 f.

51

Vgl. Pfeiffer (s. Anm. 47), S. 19 f.

52

Vgl. Susanne Kaul, Kafkas unzuverlässige Komik, Bonn 2008, S. 89.

53

Richard Thieberger, in: Kafka-Handbuch, Stuttgart 1979, S. 201.

54

Max Brod, Nachwort zu Amerika, Frankfurt a. M. 1976, S. 262.

55

Pfeiffer (s. Anm. 47), S. 20.

56

Peter Rehberg, Lachen lesen; zur Komik der Moderne bei Kafka, Bielefeld 2007, S. 89 f.

57

Abraham (s. Anm. 9), S. 66.

58

Vgl. Pfeiffer (s. Anm. 47), S. 12.

59

Stach (s. Anm. 32), Umschlagtext.

60

Jean Paul, Vorschule der Ästhetik, München/Wien 2000, S. 129.

61

Vgl. Jean Paul, Kleine Nachschule zur ästhetischen Vorschule, München/Wien 2000, S. 469.

62

Vgl. Marthe Robert, Das Alte im Neuen; Von Don Quichotte zu Franz Kafka, S. 10 f.

63

Oskar Walzel, zitiert nach: Born (s. Anm. 18), S. 148.

64

Luigi Pirandello, Der Humor, Berlin 1997, S. 122/167.

65

Pfeiffer (s. Anm. 47), S. 17.

66

Peter Berger, Erlösendes Lachen; das Komische in der menschlichen Erfahrung, Berlin 1998, S. 106.

67

Fritz Muliar, Das große Buch des jüdischen Humors, Königstein 1982, S. 312.

68

Mairowitz (s. Anm. 29), S. 5.

69

Jean Paul (s. Anm. 60), S. 132 f.

70

Lars Erken Haussühl, Der Humor der Moderne, Aachen 2011, S. 93.

71

Christian Klein, in: Kafka-Handbuch, Göttingen 2008, S. 17.

72

gutenberg.spiegel.de, aufgerufen am: 2242017.

73

Jahraus (s. Anm. 2), S. 95.

74

Brod (s. Anm. 10), S. 42.

75

Brod (s. Anm. 10), S. 42.

76

Pavel Petr, Kafkas Spiele; Selbststilisierung und literarische Komik, Heidelberg 1992, S. 56 f.

77

Harald Høffding, Humor als Lebensgefühl (der grosse Humor), Leipzig 1930, S. 62.

78

Vgl. Max Kommerell, Jean Paul, Frankfurt a. M. 1939, S. 301 ff.

79

Anna Krüger, Der humoristische Roman mit gegensätzlich verschränkter Bauform, Limburg/Lahn 1952, S. 11.

80

Felix Weltsch, Religion und Humor im Leben und Werk Franz Kafkas, Berlin-Grunewald 1957, S. 78.

81

Brod (s. Anm. 10), S. 43/71.

82

Vgl. Dora Diamant, Als Kafka mir entgegenkam …, Berlin 2005, S. 195 f.

83

Jean Paul (s. Anm. 61), S. 129.

84

Vgl. Waldemar Fromm, in: Kafka-Handbuch, Göttingen 2008, S. 253.

85

Kurt Tucholsky, zitiert nach: Born (s. Anm. 18), S. 20.

86

Kasimir Edschmid, zitiert nach: Born (s. Anm. 18), S. 62.

87

Beicken (s. Anm. 48), S. 25.

88

Max Brod, zitiert nach Born (s. Anm. 18), S. 149 f.

89

Ludwig Dietz, Franz Kafka, Stuttgart 1990, S. 62.

90

Horst Steinmetz, Negation als Spiegel und Appell; zur Wirklichkeitsbedingung Kafkascher Texte, Wien 1985, S. 156.

1. Schnelleinstieg

Von allen Ungeziefern dieser Erde ist Gregor Samsa das menschlichste. Denn ungeheuerlich ist weniger sein Wesen, sondern vielmehr der Versuch, die Verwandlung Gregors zu interpretieren. Es gibt nämlich kaum Texte, die so rätselhaft sind wie diejenigen Franz Kafkas, aber genau darin liegt deren Reiz und Faszination – man steigt ab in eine Art Kafkas Kaninchenbau der Interpretation›Kaninchenbau der Interpretation‹. Dass sich der Autor dieses Umstandes bewusst gewesen ist, scheint er uns in seinem berühmten Roman Der Process (1925) und der darinstehenden Türhüter-Legende anzudeuten. Interessant ist diese Geschichte insbesondere, weil ihr ein längeres Gespräch über deren Auslegung folgt. Dort diskutiert der Protagonist Josef K. mit einem Geistlichen und der Geistliche schließt seine Erklärungen zur Türhüter-Legende mit den merkwürdigen Sätzen:

»Mißverstehe mich nicht, […] ich zeige Dir nur die Meinungen, die darüber bestehen. Du mußt nicht zu viel auf Meinungen achten. Die Schrift ist unveränderlich und die Meinungen sind oft nur ein Ausdruck der Verzweiflung darüber« (KKAP, S. 298).1

Mit dieser abschließenden Aussage, die aber kein Endurteil ist, identifizieren sich wohl viele Leser Kafkas, und zwar nicht nur Schülerinnen oder Studenten. Auch die Literaturwissenschaft hat sich an den rätselhaften Texten des Prager Autors abgearbeitet. Die so entstandene, kaum mehr Eine überblickbare Mengeüberblickbare Menge an Interpretationen ist dabei nicht nur Zeichen der Wertschätzung. Fast scheint es so, als ob der Geistliche in Der Process als ein typischer Vertreter der von Kafka intendierten Interpreten auftritt. Für die renommierten Literaturwissenschaftler Oliver Jahraus, Gerhard Neumann und Heinz Politzer entspricht die gesamte Passage im Process folglich einer Komödie der HermeneutikKomödie der Hermeneutik (Hermeneutik = Lehre des Verstehens). Letzterer fragt sogar, ob sich Kafka über die künftige Forschung lustig mache.2 Denn wie uns der Geistliche in der Auslegung der Legende eindrücklich vorführt, sagen manche Meinungen dies und andere das, so dass sich die Interpretation wie ein Hamsterrädchen in der Dauerschleife dreht.

Es ist auch bezeichnend, dass mittlerweile keine Einführung zu Kafka ohne diese Bemerkungen auskommen kann. Ja, es gehört fast zum guten Ton, anfänglich auf dieDeutungsproblematik Deutungsproblematik aufmerksam zu machen. Gerne folgen danach Zitate berühmter Literaten, um das soeben Gesagte geisteswissenschaftlich abzusichern. Es böte sich hier zum Beispiel Theodor W. Adorno (19031969) an, der zu Kafkas Texten schreibt: »Jeder Satz spricht: deute mich, und keiner will es dulden.«3

Neben dem Process ist Die Verwandlung der faszinierendste Text Kafkas. Von Ende November bis Anfang Dezember 1912 geschrieben und im Oktober 1915 veröffentlicht, ist sie mit ihren ursprünglich 42 handschriftlichen Blättern zudem Kafkas längste vollendete Geschichte – seine Romane sind allesamt fragmentarisch geblieben. Vollendet ist Die Verwandlung aber nicht nur im wörtlichen Sinne, sondern gleichsam im poetischen, da sich in ihr das zeigt, was Die kafkaeske Verwandlunggemeinhin als ›kafkaesk‹ bezeichnet wird. Der Literaturwissenschaftler Michael Müller meint hierzu und im Einklang zu allem Obenstehenden:

»Die Verwandlung ist wohl die bekannteste Erzählung Franz Kafkas und mit Sicherheit die, die am häufigsten interpretiert worden ist. Sie scheint – wie sonst nur noch der Roman Der Proceß – in reinster Weise den Begriff ›kafkaesk‹ zu definieren, den der Duden mit ›auf rätselvolle Weise unheimlich, bedrohlich‹ erklärt.«4

Einigen Dichtern mag es vergönnt sein, dass Wortableitungen aus ihren Namen im Duden stehen, aber neben dem Marquis de Sade (Sadismus) und Leopold von Sacher-Masoch (Masochismus) ist es nur Franz Kafka (kafkaesk) gelungen, in den Im allgemeinen Wortschatzallgemeinen Wortschatz aufgenommen zu werden. Für Schule und Studium ist diese Tatsache zweifellos ein Glücksfall, denn es »wird dadurch didaktisch gesehen in höherem Maße plausibel, dass sich die Beschäftigung mit diesen Texten lohnt, dass es sich nicht ›bloß‹ um Literatur handelt.«5

Das Rätsel Kafka (be)lohntDas Rätsel Kafka (be)lohnt unendlich, weil sich das Kafkaeske nicht in obiger Definition (›auf rätselvolle Weise unheimlich‹) erschöpft. Es ist daher der Anspruch dieses Bandes aufzuzeigen, inwiefern Die Verwandlung den Begriff ›kafkaesk‹ und damit typische Deutungsmuster repräsentiert, um darzustellen, was Franz Kafka rätselhaft macht und wo der Spaß im Rätseln liegt.

2. Inhaltsangabe

Kapitel I: Entdeckung

Was ist mit Gregor Samsa geschehen?Aus unruhigen Träumen erwachend … Aus unruhigen Träumen erwachend, findet sich der Handlungsreisende eines Morgens als ungeheures Ungeziefer in seinem Bett wieder. Seine Ausrufe zum himmlischen Vater und sogar die Beschwörung des Teufels gründen indes nicht im Schrecken bezüglich seiner verwandelten Gestalt, vielmehr plagen ihn Profane Sorgen des beruflichen Alltagsdie profanen Sorgen des beruflichen Alltags. Gregor denkt:

»Was für einen anstrengenden Beruf habe ich gewählt! Tag aus, Tag ein auf der Reise. Die geschäftlichen Aufregungen sind viel größer, als im eigentlichen Geschäft zu Hause, und außerdem ist mir noch diese Plage des Reisens auferlegt, die Sorgen um die Zuganschlüsse, das unregelmäßige, schlechte Essen, ein immer wechselnder, nie andauernder, nie herzlich werdender menschlicher Verkehr. Der Teufel soll das alles holen!« (S. 6).

Es durchzuckt Gregor erst, als er bemerkt, dass es bereits halb sieben Uhr ist und er folglich seinen Fünfuhrzug verpasst hat. Dann klopft es plötzlich an die Tür.

Familiäre UmzingelungDer Reihe nach erkundigen sich Mutter Samsa mit sanfter Stimme, Vater Samsa mit schwach klopfender Faust und die Schwester Grete Samsa im Klagelaut nach dem Befinden Gregors. Dieser lobt derweil seine von den Reisen her übernommene Vorsicht, die Türen während der Nacht versperrt zu haben, weil ihm dadurch die Zeit gegeben ist, um seinen Ungezieferkörper spielerisch aus dem Bett zu schaukeln. Als sich Gregor schließlich mit aller Macht rausschwingt und auf den Teppich fällt, vernimmt aber nicht nur die Familie Samsa einen lauten Schlag. Mittlerweile ist der Prokurist, Gregors Vorgesetzter, eingetroffen und steht gleichfalls auf Auf HorchpostenHorchposten in der Wohnung. Während der Vater Gregor zum Aufmachen der Türe animieren will, entschuldigt die Mutter ihren Sohn beim Vorgesetzten und vermutet ein Unwohlsein, aber der Prokurist lässt nicht lange mit sich diskutieren. Er richtet das Wort direkt an den Verwandelten, spricht im Namen der Eltern und des Chefs, hebt die unbefriedigenden Leistungen Gregors hervor und demütigt ihn damit vor den Ohren der Familie. Aus diesem Grund ergreift nun Gregor das Wort, aber die Worte zerfallen in seinem Kiefer wie modrige Pilze; niemand verstehtDas Piepsen des Ungeziefers das Piepsen des Ungeziefers. Einig sind sie sich jedoch darin, nach einem Arzt und Schlosser zu rufen. Gregor beruhigt sich. »Er fühlte sich wieder einbezogen in den menschlichen Kreis und erhoffte von beiden, vom Arzt und vom Schlosser, ohne sie eigentlich genau zu scheiden, großartige und überraschende Leistungen« (S. 16).

Trotzdem schiebt sich Gregor langsam mit dem Sessel zur Tür hin und öffnet diese in akrobatischer Manier selbst, aber das Publikum draußen kann die Vorstellung nicht würdigen. Entsetzt über Gregors Ungeziefergestalt, fällt die Mutter mit dem Gesicht zur Brust gesenkt zu Boden, in die Höhe dagegen ballt der Vater die Faust und der Prokurist flieht ab durch die Mitte. Gregor möchte dies unterbinden, um sich erklären zu können und seine Stellung im Geschäft zu retten. Aber Der Vater als Türhüterder Vater stellt sich dazwischen, drängt und drückt den Sohn unerbittlich in dessen Zimmer zurück und schlägt die Türe mit dem Stock des Prokuristen zu – dann ist es endlich still.

Kapitel II: Entfremdung

Aus einem schweren ohnmachtsähnlichen Schlaf erwacht, hält Gregor abends seinen Kopf in einen Ungezieferliche GeschmacksurteileNapf süßer Milch, der ihm gewiss von seiner Schwester Grete gebracht worden ist. Zu seiner Enttäuschung kann ihm aber sein ehemaliges Lieblingsgetränk den Hunger nicht stillen, der ihn bereits seit dem Morgen plagt. Als die Schwester dies am nächsten Tag bemerkt, breitet sie auf einer Zeitung eine Auswahl an Essen aus, um den neuen Geschmack des Bruders prüfen zu können. Und es ist ausgerechnet der Käse, den Gregor zwei Tage zuvor für ungenießbar erklärt hat, zu dem es ihn magisch hinzieht und an dem er gierig zu saugen anfängt – die frischen Speisen werden gemieden, so wie außer Grete Samsa alle Menschen das Ungeziefer meiden. »Früh[er], als die Türen versperrt waren, hatten alle zu ihm hereinkommen wollen, jetzt, da er die eine Tür geöffnet hatte und die anderen offenbar während des Tages geöffnet worden waren, kam keiner mehr, und die Schlüssel steckten nun auch von außen« (S. 25).

Unter dem Kanapee, auf dem Sessel vor dem Fenster, aber vor allem vor den Türen lauschend verbringt Gregor fortan seine Zeit. Dabei erfährt der Verwandelte, dass der Vater entgegen aller Befürchtung noch ein ganz kleines Vermögen besitzt, sich gar ein Das Kapitalkleines Kapital angehäuft hat, mit dem die Familie vielleicht für ein oder gar zwei Jahre zu versorgen wäre. »Diese Erklärungen des Vaters waren zum Teil das erste Erfreuliche, was Gregor seit seiner Gefangenschaft zu hören bekam« (S. 30). Trotzdem soll diese Summe nur für den Notfall dienen, so dass die Familie Samsa mit dem Ausfall Gregors, der bis anhin mit seinem Lohn den Haushalt versorgt hat, zur Arbeit gezwungen wird. Wer soll aber das Geld verdienen? Der Vater ist alt, fett und schwerfällig geworden, die Mutter Asthmatikerin und die Schwester wirkt wie ein Kind.