Prof. Dr. Bernd Stiegler
Reisender Stillstand
Eine kleine Geschichte des Reisens im und um das Zimmer herum
FISCHER E-Books
Bernd Stiegler, geboren 1964, studierte Literaturwissenschaft und Philosophie in Tübingen, München, Paris, Berlin, Freiburg und Mannheim. Von 1999 bis 2007 arbeitete er als Programmleiter Wissenschaft im Suhrkamp Verlag. Seit Herbst 2007 ist er Professor für Neuere Deutsche Literatur mit Schwerpunkt Literatur des 20. Jahrhunderts im medialen Kontext an der Universität Konstanz. Zuletzt sind von ihm im S. Fischer Verlag erschienen »Spuren, Elfen und andere Erscheinungen. Conan Doyle und die Photographie« (2014) sowie »Belichtete Augen. Optogramme oder das Versprechen der Retina« (2012).
Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de
Als Xavier de Maistre 1794 seine »Reise um mein Zimmer« schrieb, konnte er nicht ahnen, einen neuen Trend geschaffen zu haben. Alsbald folgten »Reisen über meinen Schreibtisch«, »Reisen durch die Hosentasche«, »Reisen zu meinem Fenster« und andere. In seinem vergnüglichen Buch untersucht Bernd Stiegler dieses Motiv in all seinen Facetten bis hin zu Reisen via Internet und berichtet von den Erfahrungen, die man machen kann, wenn man unterwegs ist, ohne sich fortzubewegen.
Erschienen bei FISCHER E-Books
© 2010 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, D-60596 Frankfurt am Main
Covergestaltung: Nicole Lange, Darmstadt
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN 978-3-10-490760-4
Dieser Vergleich findet sich auch in einer der ersten monographischen Studien zu de Maistre aus dem Jahr 1918: »Gestehen wir uns ein: es ist nicht notwendig, ein echter Gefangener zu sein, ein Pellico oder ein Crusoe, um mit der größten Selbstverständlichkeit die noch so kleinen Dinge der eigenen begrenzten Welt liebzugewinnen, und damit seinen Freunden mit einer leicht spöttischen Gutmütigkeit Ehre zu erweisen: Es genügt, jung zu sein, ein Freund der Geselligkeit und der Einsamkeit und sich vorübergehend der Freiheit beraubt zu sehen.« (Berthier, 48)
»Unter diesen Segnungen gibt es etliche, die die Behausungen des Menschen zum Gegenstand haben. […] Wir haben lange Zeit über diese wunderbaren Formulierungen nachgesonnen, und wir ziehen sie heran, um unseren Lesern zu vermitteln, welche Bedeutung die Kirche dem Zimmer beimißt, und welche Vorstellung wir uns ihr zufolge davon machen sollen.« (Gautier, 16).
J. Brot, Voyage autour de ma cave, o.O, o.J., o.S. : »Über den Globus verstreut, besitze ich fruchtbare Ebenen und strahlende Hänge, die ich immer wieder aufs Neue gern anschaue sobald die Morgenröte über unsere Plateaus streift und sie in weißes Licht hüllt. O Geographie, ich wette, daß du mir deine Karten und deine Pläne nicht aufdrängen kannst; Weltkarten, Tabellen, Zirkel, Kompaß und Portulankarte brauche ich nicht. Ohne Schiffbruch fürchten zu müssen, ohne mich an den Sternen orientieren zu müssen, unternehme ich eine lange Reise in den Tiefen meines Kellers.«
Bei denen der Autor sich gezwungen sah, von Auflage zu Auflage eine Überarbeitung aufgrund der raschen Veränderungen, Entwicklungen etc. in den Wissenschaften vorzunehmen. Doch selbst trotz der enormen Akzeleration der Kenntnisse ist eine Geschichtslosigkeit, eine überzeitliche Gültigkeit des Dargestellten zu konstatieren: »Das ist nun heutzutage das Los wissenschaftlicher Bücher: sie altern, sie sind von heute auf morgen veraltet. Das ist nicht ermutigend und nimmt mir jegliche Lust, zu versuchen, meiner Reise eine Jugend zu verleihen, die dann doch nicht andauern würde. […] Aber da ich festgestellt habe, daß mein Buch sich noch einen gewissen Hauch von Jugend bewahrt hat, wäre es vielleicht mit ein wenig Auffrischung auch noch in der Lage, sich der Welt vorzustellen, ohne zu sehr antiquiert zu wirken.« (Mangin, VIII )
Wie muß man sich das Zimmer eines Gelehrten samt diesem vorstellen? In etwa so: »Onkel Horaz sitzt bequem in seinem Sessel vor seinem Schreibtisch, die Füße zu jeder Jahreszeit in einem Fußwärmer. Zu seiner Linken ein Stapel blauer und rosafarbener Broschüren, auf denen geschrieben steht: Wissenschaftliche Arbeiten, Berichte der Akademie der Wissenschaften; zu seiner Rechten finden sich mehrere Bände des Londoner Journal für Botanik und der Annalen der Natur-wissenschaften. Vor ihm geglättetes Papier auf einem Lesepult; etwas weiter weg das antike Tintenfaß, neben dem noch das Phosphorfläschchen steht, in das man die Streichhölzer tauchte. In der großen me-tallenen Muschel liegen Stichel, Taschenmesser, Gänsefedern, eine Sammlung mit Federmesser, Gummiharz, Klebeleim, Sandarak, überhaupt all das alte Reinlichkeitszeug, das früher so geläufig war.« (Aston, 71)
Karr beschreibt auch seine eigene Wahrnehmung in dieser Weise: »Nach einiger Zeit, während der man aufmerksam und von nahem die kleinen Dinge betrachtet, verliert man nach und nach das Gefühl für Dimensionen: dieses grüne Moos erweckt den Eindruck für mich, als seien es Bäume, und die Insekten, die in diesem samtigen Untergrund umherirren, nehmen in meinen Augen die gleiche Bedeutung an, wie Hirsche oder Rehe in einem Wald.« (Karr, Bd. I, 190)
Vgl. zur Photographie auch Alfred Berthier, Xavier de Maistre. Etude Biographique et Littéraire, 1918, S. 167 f. sowie Xavier de Maistre, Lettres à sa famille, hg. Gabriel de Maistre, 3 Bde., Clermond-Ferrand 2005 (Bd. 1) und 2006 (Bd. 2 und 3), in Bd. 1 zur Daguerreo-typie S. 204 und zum Buch von Toepffer über die Daguerreotypie S. 236.
Auf dem Anschlagzettel wurde geworben mit: »Außerordentlich große Ausstellung einer magisch, dann mechanisch und plastischen Zimmerreise«. C. Hoer Wien 1924. »Voyage en chambre magique«.
Joakim Garff widmet ein Kapitel seiner Biographie (365–374) dem »Straßenphilosophen« Kierkegaard.
»Während der Zug in In achtzig Tagen um die Welt Charing Cross um acht Uhr fünfundvierzig verläßt, verläßt jener aus À rebours den Bahnhof Saint-Lazare um acht Uhr fünfzig.« (Grojnowski, 101)
»Das, was Roussel sieht, ist nicht ein Innen, sondern ein Darin, das, indem es endlos zurückweicht, nicht aufhört, Einfluß über das Äußere zu gewinnen, um es gänzlich zu umfassen. Als hätte der Augapfel einzig das Ziel, die Weltkugel zu umfassen.« (Le Brun, 30 f.)
Vgl. dazu auch das Notizheft von Michel Leiris: S. 40 der Original-paginierung und S. 137 der Edition.
Das berühmteste – und auch von Roussel angeführte – Beispiel ist: »Les lettres du blanc sur les bandes du vieux pillard / billard« (in deutscher Übersetzung: »Die weißen Buchstaben auf dem Rand des alten Billardtisches« bzw. »Die Briefe des Weißen über die Banden des alten Plünderers«).
»Raymond Roussel reist in einer Art ›mobilem Zuhause‹ um die Welt. Er wirft nicht einen einzigen Blick nach draußen. Er bleibt drinnen, gibt sich mit der Bewegung allein zufrieden, nicht etwa mit der vorbeiziehenden Landschaft.« (Leuwers, 111)
»Während er auf dem Schiff durch Ozeanien reiste, kam es vor, daß er, während er arbeitete, mehrere Tage seine Kabine nicht verließ. In Peking angekommen, zog er sich nach einem kurzen Besuch der Stadt ebenso zurück.« (Leiris, Roussel & Co., S. 4 des Heftes und S. 74 der Transkription)
Wie etwa, daß Leiris seinen Selbstmordversuch am Todestag Roussels verübte.
»Nominalismus im magischen Sinne: das Wort beschwört die Sache herauf, das Zerlegen eines beliebigen Satzes zieht die Wiedererschaffung des Weltalls nach sich, die Bildung eines besonderen Universums, das an die Stelle des gewöhnlichen Weltalls tritt.« (Leiris, Roussel & Co., 20 / 101)
»Zur Not könnte man, um sich über La Jalousie lustig zu machen, sagen, daß dort überhaupt nichts geschieht, daß es sich um Menschen handelt, die jeden Tag den gleichen Aperitif auf der Terrasse trinken, Perrier-Wasser mit Cognac. […] Drei Personen, die den Aperitif trinken und immer ist es die gleiche Szene, so daß der brave Emile Henriot in seinem Artikel in Le Monde gar schrieb, daß er den Eindruck habe, ein fehlerhaftes Exemplar erhalten zu haben. […] In seinen Augen sei es immer die gleiche Szene gewesen, die sich mit einigen Abweichungen abspielte, ohne daß die Intrige sich entwickelte. In Wirklichkeit ent-wickelte sie sich, aber er merkte es nicht.« (Robbe-Grillet, Préface, 88)
Und für deren Besichtigung Amazon.de in folgender Weise wirbt: »Traumziel Molwanîen: Da müssen Sie hin. Da kommen Sie nie hin. Molwanîen gibt’s nämlich gar nicht. Aber den ersten umfassenden Reiseführer dazu. Und der erfindet ein ganzes Land – komplett mit Sprache, Geschichte, Restauranttipps und Kleidergrößen. Die brillante Idee reist um den Globus und wird zum Bestseller von Australien bis Italien, denn Molwanîen ist überall. Unsere Welt ist klein geworden: Eine halbe Tagesreise führt um die halbe Welt; bumsvolle Touristenflieger landen in den entlegensten Winkeln der Erde, und auch die kleinste Fallafelbude in Damaskus ist längst kein Geheimtipp mehr. Wohin also soll sich der rastlose menschliche Entdeckergeist wenden? Vielleicht an einen Ort in unserer Fantasie, vielleicht an das bislang vom Tourismus sträflich vernachlässigte, sagenumwobene Kleinod Osteuropas: Molwanîen. Ein gastfreundliches Land, in dem schon zum Frühstück ein Glas ›Zeerstum‹ gereicht wird, der traditionelle Knoblauchschnaps, den man allerdings niemals innerlich anwenden sollte. Eine Pilgerstätte für Ornithologen auf der Suche nach der sel-tenen Molwanîschen Drossel, die jeden Herbst in eindrucksvollem Formationsflug in ihr 2,5 Kilometer entferntes Winterquartier zieht, wobei Tausende sich verirren und vor Erschöpfung verenden. Eine Oase für Liebhaber unberührter Natur, die zu sich selbst finden wollen in Molwanîens ›Großen Ebenen‹, einer Landschaft, die wegen ihrer unvergleichlichen Ödnis und Langeweile von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Da wollen Sie nicht hin? Da können Sie gar nicht hin, aber Sie werden Ihren Freunden davon erzählen.«
Schneider unterscheidet zwischen dem ursprünglichen Haus und Installationen an anderem Ort. In der Ferne wird es zum toten Haus. »Wenn Schneider Abschnitte des Hauses verschiebt und außerhalb des Hauses Repliken der Räume herstellt, sind diese Teile für ihn nicht mehr lebendig. Sie sind keine Bestandteile des Organismus mehr, sie sind tot.« (Birnbaum 80)
In der Übersetzung Richard Wilhelms: »Ohne aus der Tür zu gehen, / kennt man die Welt. / Ohne aus dem Fenster zu schauen, / sieht man den SINN des Himmels. / Je weiter einer hinausgeht, / desto geringer wird sein Wissen. // Darum braucht der Berufene nicht zu gehen / und weiß doch alles. / Er braucht nicht zu sehen / und ist doch klar. / Er braucht nichts zu machen / und vollendet doch.« (Laotse)
P. S. (fast ein Jahr nach der Erstfassung dieses Kapitels): Dieser Urlaub fand nun endlich (rechtzeitig zu Semesterende) statt – und hat mich nicht enttäuscht!
(Fliegendes Blatt)
Der Schneider Franz, der reisen soll,
Weint laut und jammert sehr:
»O! Mutter lebet ewig wohl,
Euch seh ich nimmermehr!«
Die Mutter weint entsetzlich:
»Das laß ich nicht geschehn,
Du darfst mir nicht so plötzlich
Aus deiner Heimath gehn.«
O! Mutter, nein, ich muß von hier,
Ist das nicht jämmerlich!
»Mein Kind, ich weiß dir Rath dafür,
Verbergen will ich dich.
In meinem Taubenschlage,
Verberg ich dich mein Kind,
Bis deine Wandertage
Gesund vorüber sind.«
Mein guter Schneider merkt sich dies,
Und thut als ging er fort,
Nahm kläglich Abschied und verließ
Sich auf der Mutter Wort,
Doch Abends nach der Glocke,
Stellt er sich wieder ein,
Und ritt auf einem Bocke
Zum Taubenschlag hinein.
Da ging er, welch ein Wanderschaft,
Im Schlage auf und ab,
Und wartete bis ihm zur Kraft
Die Mutter Nudeln gab,
Beim Tag war er auf Reisen,
Und auch in mancher Nacht,
Da hat er mit den Mäusen
Und Ratten eine Schlacht.
Einst hatte seine Schwester Streit,
Nicht weit von seinem Haus,
Er hört wie die Bekämpfte schreit,
Und gukt zum Schlag hinaus,
Mein Schneiderlein ergrimmte,
Macht eine Faust und droht:
»Wär ich nicht in der Fremde,
Ich schlüge dich zu todt.«
Aus: Achim von Arnim,
Des Knaben Wunderhorn, 2. Band
»Dabei kommt es gar nicht darauf an, daß man wirklich weit weg in unbekannte Fremde fährt. Dieser Zustand des Reisens ist ein innerer Zustand. Man verhält sich anders zur Außenwelt. […] Vielleicht müßte man gar nicht aus dem Zimmer gehen?«
Balázs, 94
Auch wenn es vielleicht den Anschein haben könnte, so ist dies kein Buch für Stubenhocker, Agoraphobe oder Reisemuffel, die allerdings, das sei unumwunden eingestanden, nicht selten Gegenstand der im folgenden behandelten Texte sind. Doch dieses Buch versteht sich nicht als Anleitung zum Zimmerreisen, sondern vielmehr zuallererst als eine Geschichte dieser besonderen Art der Reise: Zimmerreisen. Reisender Stillstand. Reisen in die nahe Ferne und die ferne Nähe. Reisen ohne zu reisen. Reisen ohne sich vom Fleck zu bewegen und dabei doch vieles in Bewegung zu setzen. Regelrechte Erkundungsreisen der Alltagswelt, die dabei eigentümlich fremd wird. Darum geht es in diesem Buch.
So wie Zimmerreisen eine Art Experiment darstellen, das den Reisenden von der gewohnten Umgebung abrücken, ohne daß er diese zu verlassen hätte, so ist auch dieses Buch ein Experiment: Wenn wir, so wäre die leitende Frage zu präzisieren, eine Vielzahl von Zimmerreisen aus einem Zeitraum von über mehr als zwei Jahrhunderten sammeln, können wir dann diese auch als Erkundung von Erfahrungsräumen lesen? Um welche Art von Erfahrung geht es dann in diesen sehr unterschied-lichen Reisen? Und schließlich: Ergibt die Geschichte der Zimmerreise auch eine Geschichte dieser veränderten Erfahrungsräume?
D’Houay, Voyage dans ma maison. Frontispiz
Das Verfahren der Zimmerreise läßt sich vielleicht auf eine Formel bringen, die ich Viktor Šklovskij verdanke: Entfamilia-risierung, ostranenie, eine »Verfremdung der Dinge«. »Das Ziel […] ist, uns ein Empfinden für das Ding zu geben, ein Emp-finden, das Sehen und nicht nur Wiedererkennen ist« (Šklov-skij, 13), so bestimmt er die Aufgabe der Kunst. Und darum geht es der Zimmerreise: Vermeintlich bekannte Räume verfremden, sie mit dem dergestalt eingesetzten Blick eines Ethnologen in Augenschein nehmen und sie so zu erkunden, als handele es sich um einen Raum, den man zum ersten Mal betritt oder zumindest mit neuen Augen sieht.
Doch was ist überhaupt eine Zimmerreise? Friedrich Nicolai stellte sich bereits 1781 eine Frage, die die globalisierte Tourismusindustrie zu antizipieren scheint: Wie ist unter der Voraussetzung des Reisens ein Zuhausebleiben möglich? Nur kurze Zeit später wurde die Frage umgekehrt: Wie ist unter der Voraussetzung des Zuhausebleibens ein Reisen möglich? Xavier de Maistres Voyage autour de ma chambre aus dem Jahr 1794 war eine Antwort auf diese Frage und begründete zugleich ein eigenes Genre der Reiseliteratur. De Maistre nutzte einen 42tägigen Hausarrest, um ein angeblich längst geplantes Vorhaben in die Tat umzusetzen – … und bereiste sein Zimmer. Ergebnis war ein kleines, ironisches, witziges, tiefsinniges und ungemein anregendes Buch, das bis heute kaum an Frische verloren hat: ein besonderer Reisebericht, dem es um die ferne Nähe und die nahe Ferne geht und um Ereignisse in einem Raum, in dem es eigentlich keine Ereignisse gibt. Die Zimmerreise ist eine Art Ent-fernung, die abrückt von einem Raum der Gewohnheit und diesen neu erkundet und zugleich beschreibt.
Zimmerreisen sind – und hiermit sei die wichtigste Spiel-regel der folgenden Etappen benannt – keine imaginären Reisen. Sie entwerfen keine Utopien, die eben keinen Ort nirgends zum Gegenstand haben, sondern konzentrieren sich auf den vermeintlich bekannten Raum hier und jetzt. Sie beschreiben keine Traumwelten, sondern den banalen Raum des Alltags. Sie erkunden nicht die exotische Ferne, sondern bleiben in der unmittelbaren Umgebung: im Zimmer, in der eigenen Straße oder Stadt. Doch diese Räume können sich, wenn denn der Betrachter (zimmer)reisend unterwegs ist, verwandeln und zu regelrechten Erfahrungsräumen werden, die bis dahin verborgen oder vom Mehltau des grauen Alltags überzogen waren. Die Zimmerreise ist ein »Sesam öffne dich« des Alltags, der sich mit einem Mal anders auf- und erschließt.
Xavier de Maistres Reise sollte keineswegs die einzige ihrer Art bleiben: Bis heute wurden zahlreiche Texte dieses bisher kaum beachteten Bereichs der Literatur veröffentlicht. Die meisten von ihnen gehören auch nicht zu jener Literatur, die gemeinhin als kanonisch angesehen wird. Viele Autoren sind der Vergessenheit anheimgefallen, und viele Texte finden sich nur noch in verstaubten oder bis heute unaufgeschnittenen Exemplaren in großen Bibliotheken. Doch das schmälert keineswegs ihren Wert. Im folgenden geht es weniger um die literarische Bedeutung oder den ästhetischen Rang einiger nicht selten entlegen publizierter Texte, sondern vielmehr darum, sie als Experimente, als Erkundung und Beschreibung von Erfahrungsräumen zu lesen.
Der Raum des bereisten Zimmers wird sich im Laufe der folgenden Kapitel, die grosso modo einer chronologischen Ordnung folgen, sehr verändern und mit ihnen das Verhältnis des Menschen zur Nähe und zur Ferne, zu den Dingen, die ihn umgeben und nicht zuletzt auch zu sich selbst. Dies lesbar zu machen, ist das Verdienst dieser eigentümlichen Reiseberichte. Ihre Lektüre erfolgt in 21 Etappen, also genau der Hälfte jener von de Maistres Reise, und einem kurzen Exkurs, der einer Reise gewidmet ist, die fraglos in die Ferne geht, für viele Zimmerreisende aber einen wichtigen Bezugspunkt darstellte: Jules Vernes Reise um die Erde in achtzig Tagen. Jede Etappe kann dabei durchaus unabhängig von den anderen absolviert werden. An ihrem Ende finden sich Hinweise auf mögliche Reiselektüren, die auch für weitere Erkundungen hilfreich sein mögen. »So denke ich«, schrieb Anfang des 19. Jahrhunderts der zimmerreisende Friedrich David Jaquet, »kann mir die Reise auf meinem Zimmer auch keine Langeweile verschaffen, und sie zu machen, ist mir wohl eben so gut verstattet, als Swiften eine in den Mond. Also das andere Extrem war da, und die Reise begann.« (Jaquet, 9) So möge es auch den Lesern dieses Buches ergehen. Doch: »Es ist Zeit! Lichten wir den Anker!« (Baudelaire, Die Reise)
Friedrich Nicolai, Beschreibung einer Reise durch Deutschland und die Schweiz im Jahre 1781, 12 Bde., Berlin / Stettin 1783 – 1796
Friedrich David Jaquet, Reise in meinem Zimmer in den Jahren 1812 und 1813, Riga 1813
Charles Baudelaire, Le voyage, in: Les fleurs du mal, Paris 2007 [Reprint der EA von 1861], S. 177 – 182; dt. Die Reise, in: Die Blumen des Bösen, Berlin 1930, S. 186 – 195
Béla Balázs, Reisen, in: Ein Baedeker der Seele und andere Feuilletons, Berlin 2002, S. 93 – 95 [Erstdruck in: Der Phantasie-Reiseführer / Das ist ein Baedeker der Seele / Für Sommerfrischler, Berlin / Wien / Leipzig 1925]
Viktor Šklovskij, Kunst als Kunstgriff [1916], in: ders., Theorie der Prosa, Frankfurt / Main 1984, S. 7 – 24 [russ. EA Moskau 1925]
Hans Joachim Piechotta, Erkenntnistheoretische Voraussetzungen der Beschreibung: Friedrich Nicolais Reise durch Deutschland und die Schweiz im Jahre 1781, in: Ralph-Rainer Wuthenow (Hg.), Reise und Utopie, Frankfurt / Main 1976, S. 98 – 150
»Nirgendwo anders als bei sich selbst nach dem Geheimnis des Glücks suchen«
Abbé Gresset, Vert-Vert (1733), Motto der ersten Ausgabe von de Maistres Voyage autour de ma chambre
»Wie viele Menschen sind schon gereist ohne jemals ihr Zimmer verlassen zu haben«
Perin, Frontispiz
»Bei manchem zutiefst wissenschaftlichen Autoren hab ich gelesen, daß wer zuviel reist, der geht verloren«
Journal de Paris, 977 und Jaquet, 43
Im Frühjahr 1790 macht Xavier de Maistre, der Bruder des konservativen Staatstheoretikers Joseph de Maistre, aus einem Hausarrest das Beste und unternimmt eine 42tägige Zimmerreise, von der er in einem detaillierten Reisebericht Auskunft gibt, der zu einem überaus erfolgreichen Text der französischen Literatur werden sollte und zugleich ein eigenes Genre der Literatur begründete. De Maistre war jedoch keineswegs so reisescheu, wie es auf den ersten Blick den Anschein haben mag. Er war kein Stubenhocker, sondern im Gegenteil welt-gewandt und auch technischen Innovationen gegenüber auf-geschlossen. Zusammen mit seinem Bruder Joseph unternahm er einen Aufstieg in einer Montgolfière, berichtete darüber in zwei Artikeln und war zudem Zeit seines Lebens viel unterwegs – nicht selten jedoch aus politischen Gründen.
Noch heute findet sich seine Voyage autour de ma chambre in -diversen Ausgaben und Übersetzungen und dient sogar als Gegenstand von Interpretationen im schriftlichen Abitur: ein klassischer Text, dessen Erfolg rasch, aber zumindest für den Autor unerwartet einsetzte, und der sich auch darin zeigt, daß viele Texte die Idee aufnahmen und weiterspannen. Bereits am 16. 2. 1803 wurde eine erste Vaudeville-Komödie von René Perin im Théâtre de l’Ambigu Comique in Paris aufgeführt, der bis Mitte des 19. Jahrhunderts gleich mehrere folgen sollten, und schon wenige Jahre nach Erscheinen der Erstausgabe finden sich zahlreiche Bücher und Reiseberichte nach ihrem Vorbild. Selbst de Maistre war ein wenig überrascht von dem Erfolg seines Buches. Am 31. 12. 1799, also zum Jahrhundertwechsel, schreibt er an seinen Bruder Joseph über seinen kolossalen Erfolg: »Ich habe es überall gefunden: es ist ins Deutsche übersetzt. Daraus wurde ein anderes Buch mit dem Titel Zweite Reise um, usw. ebenfalls übersetzt. Das ist sehr schön, und ein drittes nach diesem Vorbild: Reise durch meine Taschen, mittelmäßig« (de Maistre, Lettres, Bd. 1, 60). Viele Jahre später wird er selber eine Art Fortsetzung schreiben: eine Expédition nocturne autour de ma chambre, die aber nun nur noch eine Nacht dauert. Auch Charles Nodier kommentiert süffisant den Erfolg dieser neuen Reiseliteratur: »Seit langer Zeit wird nichts anderes mehr gedruckt als Bücher über Reisen oder für Kinder. Haben Sie Voyage autour de ma chambre, Le Voyage autour de vingt-quatre heures, Le Voyage au Palais-Royal, Le Voyage dans le boudoir de Pauline, Le Voyage dans mes poches […] gelesen? Es ist eine regelrechte Manie.« (Nodier, zit. nach Sangsue, 166)
De Maistres schlankes Buch Voyage autour de ma chambre, das kaum hundert Seiten umfaßt, ist voller Anspielungen auf die Tradition des Reiseberichts, aber auch der Literatur. Einer-seits setzt er sich ironisch von seinerzeit überaus erfolgreichen Berichten von implizit wie explizit zitierten Entdeckungsreisenden ab, indem er sich andererseits auf die durch Laurence Sternes Sentimental Voyage unternommene Neuakzentuierung des Reiseberichts bezieht, dem es nun weniger um aufsehenerregende Entdeckungen und Erkundungen fremder Menschen, Tiere, Sensationen als vielmehr um die sensations des Reisenden selbst geht. Doch auch ihre Schilderungen sind in seinem Reisebericht nicht frei von Ironie. Eine jede Entdeckung – und von diesen ist viel die Rede – ist, ob sie sich nun auf das Objekt oder das Subjekt bezieht, immer auch ironisch gebrochen, ist immer auch eine Entdeckung dessen, was schon entdeckt worden ist. De Maistres Reise erkundet die längst bekannte Welt, indem er sie mit den Mitteln der reisenden und der ironischen Distanzierung erneut in den Blick nimmt.
Der Neuausgabe seines Buches im Jahr 1812 stellte er ein Vorwort voran, das explizit auf den Topos der Entdeckungsreise ironisch Bezug nahm: »Es ist keineswegs unsere Absicht, die Verdienste derjenigen Reisenden zu schmälern, die vor jener Reise die Welt umrundet haben, deren Entdeckungen und interessante Abenteuer wir nun abermals veröffentlichen. Magellan, Drake, Anson, Cook, usw., waren zweifelsohne bemerkenswerte Männer: jedoch ist es uns erlaubt und, wenn wir uns nicht sehr getäuscht haben, ist es gar unsere Pflicht, auf ein besonderes Verdienst der Voyage autour de ma chambre hinzuweisen, das dieses Buch über alle jene, die ihm vorangegangen sind, erhebt. Die berühmtesten Reisen können wiederholt werden: eine feine gestrichelte Linie zeigt uns die Route auf allen Weltkarten an; und es sei jedem freigestellt, sich auf die Spuren -dieser kühnen Männer, die die Reisen einmal selbst angetreten sind, zu begeben. Anders verhält es sich mit der Voyage autour de ma chambre. Sie ist ein für alle Mal gemacht und kein Sterblicher kann sich dessen rühmen, sie noch einmal anzutreten; umso mehr als die Welt, in der sie sich abspielte, nicht mehr vor-handen ist.« (de Maistre 1984, 27) Während, so suggeriert de Maistre in ironischer Zuspitzung, die Schiffspassagen der Entdeckungsreisenden wiederholt werden können, ist die Reise um das Zimmer nolens volens passagerer Natur, ist notwendig singulär und zugleich nicht wiederholbar. Die Erfahrungen der Zimmerreise sind nicht nur an den Ort, sondern auch an die Zeit gebunden, sind Erkundungen eines Raums, die darauf zielen, Geschichten und Erfahrungen wieder zu holen, ohne ihrerseits wiederholbar zu sein. Auch wenn de Maistres Zimmerreise bis hin zur Gegenwart zum Modell von sehr zahlreichen ähnlichen Reisen werden sollte, sind die Entdeckungen, die ein jeder dieser Reisenden macht, von dem jeweiligen Erfahrungsraum des Zimmers abhängig. Zimmerreisen erkunden Erfahrungsräume und machen diese zum Gegenstand eines Reise-berichts.
Der von de Maistre beginnt in klassischer Manier mit einer Ortsbestimmung: »Mein Zimmer liegt nach den Messungen von Padre Beccaria unter dem fünfundvierzigsten Breiten-grad; seine Lage zeigt von Osten nach Westen; es bildet ein Rechteck, das ganz nah der Wand sechsunddreißig Schritt im Umfang hat. Meine Reise«, so de Maistre weiter, »wird jedoch -deren mehr enthalten; denn ich werde in ihm oft ohne Plan und ohne Ziel hin und her und diagonal wandern.« (de Maistre, 11) Sein Reisebericht wird 42 Kapitel enthalten, die manchmal nur wenige Zeilen und in einem Fall sogar nur zwei Worte um-fassen, fast so als entspräche jedes Kapitel auch -einem Tag seiner Reise und einem Tageseintrag in seinem Logbuch. Die Kürze der Kapitel, die fehlenden Datierungen und die eigentümlich sprunghafte »Handlungsfolge« (wenn man überhaupt von einer solchen reden kann), die sich auf wenige Stunden raffen läßt, machen jedoch deutlich, daß es dem Reisetagebuch um einen anderen Typ von Erfahrung geht, der nicht einer chronologischen und rekonstruierbaren Folge bedarf, um nachvollziehbar zu sein. So wie sein Freund Rodolphe -Toepffer in seinen ebenfalls sehr erfolgreichen Voyages en zig-zag größere Entfernungen durchmißt und dabei aus dem fehlenden Reiseplan den größten Profit zieht, durchquert de Maistre sein Zimmer: einmal hin, einmal her, rundherum das ist nicht schwer.
de Maistre, Voyage autour de ma chambre
Auf seinen Wanderungen entdeckt der »seßhafte Reisende« (de Maistre, 46) nicht nur die zweckmäßige Schönheit der Alltagsgegenstände – lauter gewöhnliche Dinge eines gewöhn-lichen Haushalts, wie etwa ein Bett und ein Lehnstuhl –, sondern berichtet auch von der Geschichte der im Zimmer aufgehängten Bilder und von seinen Entdeckungen in der kleinen Bibliothek. Vor allem aber erzählt de Maistre in loser Folge von Geschichten des Alltags – berichtet von seinem Diener, seinem Hund und seiner Geliebten –, Geschichten, in denen durch die aufgrund der Reisehaltung besonderen Rezeptivität wie Sensibilität die »Dichotomie von ›langweiligem Alltagsleben‹ und ›wunderbarer Welt‹« in eigentümlicher Weise suspendiert sind. (de Botton, 271) Das Alltägliche verwandelt sich in der spezifischen Perspektive der Zimmerreise in besondere Geschichten, denen es doch nur um die Macht der Gewohnheit geht, die hier für die kurze Zeit der Reise ihre Macht verliert.
Xavier de Maistre beschränkt sich bei seiner Reise ausschließlich auf den Raum seines Zimmers: Der Blick aus dem Fenster, der kurz darauf zum Topos der Literatur werden sollte (vgl. die fünfte Etappe), spielt ebensowenig eine Rolle wie die Umgebung des Gebäudes, die komplett ausgeblendet wird. Es geht einzig und allein um den Innenraum des Zimmers und auch um den Erfahrungsinnenraum des »Ringsherum-Rei-senden«. (de Maistre 1984, 28) Diese werden gerade dadurch, daß sie aus der Welt herausgenommen sind, zu Entdeckungsräumen.
Das eigene Zimmer ist eine »paradiesische Gegend, die alle Güter und Schätze der Welt in sich birgt« (de Maistre, 83) und keiner weiteren Ergänzung bedarf. Eine Welt vor dem Sün-denfall, unschuldig durch ihre kurzzeitige splendid isolation, -kurzfristig herausgenommen aus der Zeit und doch mit Geschichte angereichert. Hier macht er, wie er schreibt, »eine Entdeckung nach der anderen«. (de Maistre, 28) De Maistre ist dabei das Gegenbild zu den im 18. und auch frühen 19. Jahrhundert überaus populären Robinsonaden.[1] Während Robinson – in welcher Version auch immer, denn ihre Zahl ist Legion – auf seiner abgelegenen Insel im fernen und meist gar nicht so stillen Ozean die gesellschaftlichen wie kulturellen Ordnungsmuster seines Herkunftslandes rekapituliert, auf die Probe stellt und dann wieder neu einsetzt, erkundet der Zimmerreisende in einer abgeschiedenen und doch zentral gele-genen Behausung mitten in der Stadt den ihm bekannten Raum mit all seinen Habseligkeiten und Alltagsgegenständen mit -einem fremden Blick, der alles verwandelt, ohne es zu verändern. Alles bleibt an seinem Platz. Der Zimmerreisende arrangiert nicht die Dinge, die ihn umgeben, neu, sondern nimmt ihre ordnende Funktion in den Blick. Keiner der Gegenstände ist fremd, einzig der Blick auf sie. Er gibt ihnen das Maß an Fremdheit zurück, das sie im Alltag verloren haben. Die Gegenstände sind vertraut-fremde Orientierungspunkte seines Reiseberichts und seines Lebens, das sich, gerade indem er von den Dingen ausgeht, erzählen läßt.
Im Innenraum des Zimmers vollzieht de Maistre auch jene Introspektion, die zu einem besonderen metaphysischen Modell führt, das dann die weitere Reise prägt: Er entdeckt, daß er »doppelt« ist, daß er aus einer denkenden Seele und aus einem Körper besteht, den er als das andere beschreibt. »Niemals habe ich jedoch deutlicher wahrgenommen, daß ich doppelt bin.« (de Maistre, 83) Beide wiederum können nicht nur von ihm beobachtet werden, sondern können sich auch wechselseitig beobachten. So ist es das »erstaunlichste metaphysische Kunststück, das der Mensch vollbringen kann […], seine Seele anzuhalten, auf das Gebaren ihres Tiers zu achten, und es, ohne sich daran zu beteiligen, arbeiten zu sehen« (de Maistre 18 f.). Auch hier
die Doppelfigur von Bewegung und Stillstand, von Eigenem und Fremdem, von Vertrautheit und Distanz, die seine Haltung insgesamt prägt. Und so ist auch das verborgene Ziel der Reise,
die »Seele ganz alleine reisen lassen«. (de Maistre, 19) Xavier de Maistres Zimmerreise wird als Anleitung zu einer Seelenreise erkennbar, die gerade in der räumlichen Beschränkung auf die eigenen vier Wände die Innenwelt als Freiheit und als Selbstermächtigung erschließt: »Sie haben mir untersagt, durch eine Stadt, einen geographischen Punkt zu laufen; aber sie haben mir das ganze Universum überlassen: die Unermeßlichkeit und die Ewigkeit stehen zu meinen Diensten.« (de Maistre, 83) Auch diese Entdeckung kommentiert de Maistre in seinem späteren Vorwort ironisch als Antizipation der Transzendentalphilosophie, die einzig in Zimmerreisen in den Blick geraten könne: »Die Metaphysik ist eine Wissenschaft, mit der Reisende selten konfrontiert werden: mit einer rühmlichen Ausnahme jedoch, was die Voyage autour de ma maison [sic!] angeht, man findet darin ein vollständiges System der Transzendentalphilosophie; sodaß selbst jene Damen, die nicht gern und kaum umfang-reiche Bücher lesen, genauso viel über die Kritik der Seele wissen werden, wie der berühmte Professor Kant«. (de Maistre 1984, 28)
De Maistres Zimmerreise ist, so könnte man die Anspielung auf Kant fortführen, eine Kritik der reisenden Vernunft, die den reisenden Stillstand entdeckt und mit ihm einen fremden Blick auf einen vermeintlich bekannten Erfahrungsraum. Daniel Leuwers berichtet zweihundert Jahre nach de Maistres Reise von Ausflügen mit seinem Großvater nach Beauvais, wo Xavier de Maistre seine Reise schrieb, und bringt diese auf die schöne Formel: »Das Zimmer als idealer Ort der Zurückgezogenheit [retrait] – eher als einer des Rückzugs und des Ruhestands [retraite].« (Leuwers,103)
de Maistre, A Book of Discoveries
Laurence Sterne, Yoricks empfindsame Reise durch Frankreich und Italien, Nördlingen 1986 [EA London 1768]
Xavier de Maistre, Die Reise um mein Zimmer. Nächtliche Entdeckungsreise um mein Zimmer, Weimar 1976 [frz. EA Voyage autour de ma chambre, par M. le Chev. X*** *** O. A. S. D. S. M.S, Turin (i. e. Lausanne) 1794 (i. e. 1795)]
Ders., Préface des éditeurs, in: ders., Nouvelles, hg. Pierre Dumas u. a., Genf 1984, S. 27 – 30
Ders., Lettres à sa famille, hg. Gabriel de Maistre, 3 Bde., Clermond-Ferrand 2005 (Bd. 1) und 2006 (Bd. 2 und 3)
Ders. und Joseph de Maistre, Prospectus de l’expérience aérostatique de Chambéry, Chambéry 1784
Ders., Lettre de M. De S*** à M. Le Comte de C*** off*** dans la légion des Campements, Chambéry 1784
Anon., [Rezension der Voyage autour de ma chambre], in: Journal de Paris, Nr. 244, 20. Mai 1796, S. 977 f.
Friedrich David Jaquet, Reise in meinem Zimmer in den Jahren 1812 und 1813, Riga 1813
René Perin, Le Voyage autour de ma chambre. Vaudeville en un acte, Paris 21816
Rodolphe Toepffer, Voyages en zigzag, Paris 1843
Ders., Nouveaux Voyages en zigzag, Paris 1853
Adolphe Poujol und Edouard Scheidig, Voyage autour de ma chambre. Monologue melée de chants, représentée sur le théatre du gymnase des enfants, Paris 1851
Labiche und Delacour, Voyage autour de ma marmite, Erstaufführung Paris, Théatre du Palais-Royal am 29. November 1859 [= Théâtre contemporain illustré, 523e et 524e livraisons]
Albert Grisar, Voyage autour de ma chambre, Paris 1859
1865
1401875
1918
1990719
2001103114
1987
1988417430
. und . Jahrhundert, München , S. –
2002