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Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

3. Auflage 2015

Copyright© 2009 Omega-Verlag

Omega-Verlag ist ein Imprint der Verlag „Die Silberschnur“ GmbH

Lektorat: Gisela Bongart, Ulrike Kerstiens

Satz und Gestaltung: Martin Meier

Covergestaltung: Hermann R. Lehner

Covermotiv: fotolia

Dieses Buch wurde nach den Regeln

der alten Rechtschreibung lektoriert.

Druck: images, Český Těšín, Tschechische Republik

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Funk, Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger jeder Art, auszugsweisen Nachdruck und auf digitalem Wege, sind vorbehalten.

Omega®-Verlag

e-mail: info@omega-verlag.de

www.omega-verlag.de

ISBN 978-3-930243-49-5 (Print)

ISBN 978-3-89845-908-2 (E-Book)

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Emotionen

Riesenradglück

Frei sein von negativen Emotionen

Schmerz ist Liebe, die trauert

Nie ist es die Situation

Tiere sind gar nicht so dumm

Nichts oder Liebe?

Jenseits aller Gefühle

Realitätsgestaltung

Spinnen oder wachsen?

Glaubenssätze

Was sind Wünsche?

Zappelst du noch?

Gestalte „ich“ meine Realität?

Beten – ja oder nein?

Geld

Was ist dir Geld wert?

Befreundet

Loslassen

Selbst-Liebe

Liebe ist das Herz aller Dinge

Immer ist Liebe am Werk

Es ist wie Verliebtsein

Das empfundene Ich

So ist die Liebe

Liebe denkt nicht nach

Entscheidungen

Entscheidungen treffen

Von Wellenbrechern und Surfern

Folge deinem Herzen

Lebenskrisen

Geht es bergab? Super!

Nichts kann jemals schiefgehen

Nur eine Vorstellung

Etwas in dir bleibt immer gleich

Durchblick

Die Brille absetzen

Die Matrix

Es ist so wie es gerade sein will

Ich funktioniere perfekt

Geistheilung ist kein Wunder

Das Spiegel-Spiel

Sein und Nichtsein

Liebe die Illusion weg

Das, was du siehst, ist nie das, was es ist!

Bewußtsein

Bewußtsein hat keine Absicht

Nonduales Bewußtsein

Stabiles nonduales Bewußtsein

Unters Kleid gucken

Der allumfassende Christus

Benutze Advaita nicht im täglichen Leben

Sinnfragen

Kunst ohne Künstler

Rätselraten

Ballast

Bullshit

Das kosmische Rollenspiel

Das Leben IST. Punkt!

Das göttliche Puzzle

Das Böse

Der kleine Unterschied

Sei dein eigener Erfinder

Die Welt – Produkt einer Desinformation

Das Undenkbare denken

Dekonditionierung

Dekonditionierung ist kein Gnadenakt

Deinen Frieden hätte ich gern

Das Leben in den Griff bekommen

Der größte Betrug

Firewall

Der gesunde Weg zu dir selbst

Ultimative Befreiung

Hingabe

Gott ist eine Frau

So als wäre man tot

Spirituelle Suche

Die Bandage entfernen

Über das Paradox einer Entdeckung, bei welcher der Entdecker verschwindet

Ich muß weiterkommen

Wolkenformationen

Dankbarsein

Was ist der Mensch?

Belebter Staub

Nicht-Täter

Denkspiele

Über das Ego

Das Ego und die Leere

Das Ei und sein Inhalt

Ich-Einbildung

Ist es ein Opfer?

Experimente

Leben lebt sich selbst

Denke ich oder denkt es mich?

Über den Autor

Vorwort

Im Sommer 2004 kam mir das Ich-Bewußtsein abhanden. Seitdem verwende ich das Wort „ich“ nur noch in der Kommunikation, ansonsten hat es keinerlei Relevanz mehr.

An die Stelle des Ich-Bewußtseins trat nonduales Bewußtsein. Und das bedeutet, daß ich zwar noch immer zwischen angenehmen und unangenehmen Erfahrungen zu unterscheiden vermag, jedoch unfähig bin, nur die angenehmen willkommen zu heißen. Unvorteilhaft erscheinende Geschehnisse werden zwar nicht euphorisch gefeiert, sie können jedoch meinen inneren Frieden nicht mehr unterminieren.

Der Inhalt meines Buches reflektiert die Sichtweise des nondualen Bewußtseins sowie den sich in ihr gründenden Umgang mit Menschen, Emotionen, Ärgernissen, schwierigen Situationen, der Sinnfrage, Wünschen, Zielen, Krisen, Entscheidungsprozessen.

Die meisten Menschen glauben, es sei ein Opfer, ichlos zu leben. Der Prozeß, in dem der illusionäre Charakter des Ichs aufgedeckt wird, ist mitunter schmerzhaft. Als Opfer betrachte ich, der ich beide Zustände kenne, heute jedoch ein Leben mit dem eingebildeten Ich.

Die Mehrzahl der Kapitel in diesem Buch besteht aus schriftlichen Reaktionen auf Anliegen und Fragen der Leser meiner vier Bücher, die sie mir per E-Mail anvertrauten, wobei ich deren Anschreiben im Buch manchmal nur ausschnittweise und bisweilen gar nicht zitiere.

Emotionen

In Ihnen ist eine Empfindung, und Sie sagen, Sie seien deprimiert oder unglücklich oder selig, eifersüchtig, gierig, neidisch. Dieses Etikettieren erschafft denjenigen, der diese Gefühle interpretiert.

– U.G. Krishnamurti

Riesenradglück

Was ist Riesenradglück? Bevor wir die Frage klären, laß uns erst einmal sehen, wo Riesenräder stehen. Richtig, auf dem Jahrmarkt findet man sie. Auf der Wiesn in München, im Prater in Wien. Ganz oben wird dir beinahe schwindlig vor Glück. Schon wegen der prachtvollen Aussicht. Grandios! Das Rad dreht sich von unten nach oben und wieder zurück. Rauf geht’s und dann wieder runter.

Ganz ähnlich ist das mit den Glücksversprechen. „Mann, das ist wunderbaaaaaar, du kannst, wenn du nur willst, in jedem Moment glücklich sein. Oder andersherum: Du kannst nie mehr unglücklich sein –es sei denn, du willst es. Es gibt Techniken – da wirst du staunen!“ Und die ganz Verwegenen, tja die versprechen dir sogar dauerhafte Glückseligkeit!

Riesenradglück zu erleben ist wirklich nicht allzu schwer. Mir fallen dazu spontan zwei Möglichkeiten ein. Die erste: Kauf dir eine gute Flasche Wein und trinke genußvoll ein, zwei Gläser, je nach Lust und Laune. Die zweite ist das, was man im NLP „Moment of excellence“ nennt. Das lernt man ziemlich schnell, und wenn du den Dreh oder Trick erst einmal raus hast, kannst du dich in Windeseile (binnen Sekunden) aus jedem Gefühlstief in ein Hoch schrauben. Als NLP-Master bin ich ein Experte darin. Aber ehrlich gesagt brauche ich diese Instant-Glückseligkeit heute nicht mehr.

Auf dem Eso-Jahrmarkt stehen jede Menge solcher – ich hätte fast gesagt – Windräder. Das ist viel Wind um Nichts! Das ist das Riesenradglück. So schnell du oben bist, so schnell bist du auch wieder unten. Schon erlebt? So ein richtig geiles Glücksseminar, bei dem dir die Feder aus dem Hut springt? Aber wie ist es dann zwei, drei Tage später? Oder wenn du richtig gut drauf warst, nach ein, zwei Wochen? Dann bleibt das Riesenradglück auf der Strecke. Der Jahrmarkt hat seine Buden abgebaut, ist weitergezogen, und nichts geht mehr, „Rien ne va plus“ – so sieht es aus!

Leute hochpushen, dieses Geschäft kenne ich aus dem Effeff. Ich habe in meinem Leben jede Menge Jahrmärkte besucht. Und ich hatte dort auch mal ein Riesenrad stehen. Aber ich gehe da nicht mehr hin, spiele auch nicht mehr mit. Kann nicht mehr, weil ich aus Erfahrung weiß, daß es auf Dauer nichts einbringt. Es ist nicht das, wonach sich mein Herz wirklich sehnt.

Meine Glückseligkeit besteht darin, daß ich das Gefühl der Glückseligkeit weder begehre noch brauche. In welchem emotionalen Zustand ich mich gerade befinde, ist mir wirklich nicht sonderlich wichtig. Denn da ist Friede, stabiles nonduales Bewußtsein, immer, in jeder Situation, selbst dann, wenn ich tiefen Schmerz empfinde oder auch mal spontan zornig werde.

Der Drang nach Glückseligkeit ist nur so lange vorhanden, solange geglaubt wird, daß es einen Zustand geben kann, der nicht genau so ist, wie er jeweils sein soll. Ist dieser Eindruck als Täuschung entlarvt und im emotionalen Gehirn entankert, ist jeder emotionale Zustand, auch der unangenehme, willkommen. Dann mußt du dir weder eine Flasche Wein kaufen noch den „Moment of excellence“ üben, obwohl du beides immer noch tun kannst, wenn dir danach ist. Denn es ist immer okay, wie es ist. Egal wie es ist, egal was passiert.

Frei sein von negativen Emotionen

Laß mich zunächst aufzählen, was als negative Emotion gilt: Ärger, Zorn, Wut, Grimm, Groll, Bitterkeit, Eifersucht, Neid, Frustration, Mißtrauen, Niedergeschlagenheit, Kummer, Schmerz.

Es gibt wohl kaum einen Menschen, der die hier aufgezählten Emotionen nicht (am besten für immer) loswerden will, denn sie werden, besonders wenn sie uns beherrschen, zumeist als unangenehm empfunden. Die Erfahrung beweist, daß sie um so mehr an Stärke gewinnen, je stärker sie abgelehnt werden.

Problematisch erscheint uns eine Emotion immer nur dann, wenn wir ihr aufgrund unserer Vorstellung, sie könne negativ und daher „ungünstig, unvorteilhaft oder gar unkultiviert“ sein, keinen Raum in uns geben. Mit anderen Worten: wenn wir sie ablehnen, unterdrücken, uns von ihr abwenden oder sie zu ignorieren versuchen.

„Ich bin gar nicht ärgerlich“, sagt dann jemand, obwohl seine Wangen zornesrot zu glühen beginnen. „Das berührt mich überhaupt nicht“, äußert jemand, obwohl sichtbar ist, daß er kurz davor ist zu weinen.

Unsere Ignoranz gegenüber „sogenannten“ negativen Emotionen intensiviert dieselben, weil sie durch die Ablehnung in unserer Wahrnehmung zu einer Blockade werden. Daher kannst du von „negativen“ Emotionen nur frei werden, wenn du sie zuläßt. Aus diesem Grund empfehle ich: Egal was du fühlst, liebe dich dafür, daß du es fühlst!

Es geht nicht darum, sich zu lieben, DAMIT die „negative“ Emotion von dir weicht oder sich möglichst schnell wieder auflöst. Die Absicht, Emotionen, die wir als unangenehm empfinden, zu vermeiden, basiert auf einem religiösen Konzept, das die Möglichkeit, wahrhaft Mensch zu sein, unterhöhlt und zerstört hat.

Ich weise immer wieder darauf hin, daß der von der christlichen Religion zum Sohn Gottes hochstilisierte und als eine Art Galionsfigur mißbrauchte wahre Mensch Jesus nicht nur barmherzig war, sondern auch ärgerlich und zornig werden konnte. Ist es nicht bezeichnend, daß es in kaum einer Kirche ein Bild der sogenannten Tempelaustreibung gibt?

„Und er fand im Tempel sitzen, die da Ochsen, Schafe und Tauben feil hatten, und die Wechsler. Und er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle zum Tempel hinaus samt den Schafen und Ochsen und verschüttete den Wechslern das Geld und stieß die Tische um und sprach zu denen, die die Tauben feil hatten: tragt das von dannen und macht nicht meines Vaters Haus zum Kaufhause!“ – Joh. 2, 14-16

Da war nicht nur Zorn, sondern sogar Gewaltanwendung im Spiel! Welcher Christ würde einen Menschen, der heutzutage so rüde oder taktlos handelt, als den „heiligen“ Jesus identifizieren, den die christliche Religion als Trugbild in sein Gehirn implantiert hat? Meinst du, die Würdenträger religiöser Organisationen würden ihn Sohn Gottes nennen, vor ihm niederfallen, ihn anbeten? Sie würden ihn noch nicht einmal in einem Kuhkaff von der Kanzel predigen lassen! Sie würden ihn ebenso unwürdig behandeln wie zu der Zeit, als er die Repräsentanten dieses Systems als Schlangenbrut und Otterngezücht bezeichnete. Nichts hat sich seitdem daran geändert.

Ein Mensch, der nicht durch die Vorstellung blockiert ist, daß Energie, die sich als Zorn manifestiert, böse und schlecht ist, wird diese weder zu ignorieren noch zu unterdrücken versuchen. Im Gegenteil: Er wird mit jeder Faser seines Seins in dieser Energie vibrieren, bis sie ihre Funktion erfüllt hat und sich ebenso auflöst, wie sie entstanden ist.

Wie also wird man frei von „negativen“ Emotionen? Einfach, indem man den Glauben verliert, daß „negative“ und „positive“ Emotionen überhaupt existieren.

Ich würde dir niemals beizubringen versuchen, ein stets lächelnder, netter, höflicher, toleranter Zeitgenosse zu werden – und damit ein Leisetreter, Speichellecker, Mucker und Heuchler. Ebensowenig wie ich dir beibringen würde, unhöflich, intolerant, grob oder rüde zu sein.

Nonduales Bewußtsein ist das Ergebnis der Deaktivierung jener infamen Täuschung, daß negative und positive Emotionen existieren. Ist diese Täuschung deaktiviert, bist du frei. Wahrhaft frei! Und zwar zu sein, was in jedem Moment sein will, ohne dir oder anderen für das, was sein will, einen Vorwurf machen zu können.

Nun magst du dich fragen, wie Zorn, der ja zumeist durch das in deiner Wahrnehmung ungünstige Verhalten einer Person ausgelöst wird, ohne eine vorwurfsvolle Haltung gegenüber dieser Person möglich sein soll? Weil Betroffenheit über ein bestimmtes Verhalten etwas anderes ist als Schuldzuweisung aufgrund eines bestimmten Verhaltens. Wenn eine Person beispielsweise über meinen Kopf hinweg Entscheidungen trifft, die mich in meiner natürlichen Funktion blockieren, mag dies Ärger auslösen und unter Umständen auch dazu führen, daß ich dieser Person gegenüber mein Mißfallen zum Ausdruck bringe. Gleichzeitig jedoch ist mir bewußt, daß ihr Handeln das ist, was durch sie geschehen soll und geschehen muß. Daher kann mein Ärger nie zu einer Schuldzuweisung werden. Ein Satz wie: Wie konntest du das nur über meinen Kopf hinweg entscheiden ist daher unmöglich. Wohingegen beispielweise die Äußerung: Daß du einfach über meinen Kopf hinweg Entscheidungen triffst, gefällt mir überhaupt nicht! zweifellos denkbar wäre.

Wie sollte sich das Verhalten einer Person verändern können, wenn ihr nicht bewußt wird, was ihr Verhalten in mir auslöst? Wer stets stillschweigend über Verhaltensmängel hinwegsieht, tut weder sich selbst noch dem anderen einen Gefallen. Es ist mitnichten Liebe, Ärger zu unterdrücken. Ein Problem wird Ärger immer nur dann, wenn er wegen falscher Rücksichtnahme nicht sein darf oder auf der persönlichen Ebene ausagiert wird.

Schmerz ist Liebe, die trauert

Ein Leserbrief:

Lieber Werner,

ich bin so furchtbar, furchtbar, furchtbar enttäuscht. Ich kann die Situation unmöglich lieben. Schon beim Gedanken daran wird mir schlecht. Ich könnte kotzen, wenn ich dran denke, daß ich meine Situation auch noch lieben soll. Ich hatte so viel Freude mit der Liebe-Übung. Aber jetzt hat mich der Mensch, den ich im Leben am meisten liebte, verlassen. (Oh mein Gott, ich muß schon wieder heulen. Es tut so weh.) Und das ist nicht alles. Ich hab erfahren, daß er mich schon monatelang hintergangen hat. Nach Strich und Faden hat er mich betrogen, verarscht. Ich fasse es nicht! Wie ist es nur möglich, frage ich mich, daß gerade er mir so was Schreckliches antut? Ich weiß ja aus deinen Büchern, daß alles Liebe ist, aber ich kann’s nicht mehr glauben. Werner, ich kann es nicht, wie soll das, was er tat, Liebe sein? ...

Antwort:

Liebe Martina,

ich kann mit dir fühlen, dein Schmerz berührte mich, als ich deinen Brief las. Enttäuschte Liebesgefühle sind mit das schmerzhafteste, was uns widerfahren kann. Du wirst diesen Schmerz (er)leben müssen, er wird dich über einen bestimmten Zeitraum begleiten, manchmal wird er sich abschwächen, dann aber wieder, ganz plötzlich, wird er in allen Zellen spürbar sein und dich durchschütteln.

Schmerz sollten wir nicht vermeiden. Im Schmerz wirkt dieselbe Energie, die uns Freude und Glückseligkeit schenkt. Wenn ich Schmerz in mir fühle, gebe ich mich ihm hin. Ich weiche ihm nicht aus. Ich verdränge ihn nicht. Ich bin vielmehr ganz drin in dem Schmerz. Und wenn ich weinen muß, weine ich.

Du bist essentiell Liebe. Und wenn du Schmerzen empfindest, ist es daher Liebe, die trauert – über den eigenen oder den Verlust anderer. Immer wieder im Leben wird uns etwas genommen. Wenn es ein herber Verlust ist, ist er mit Schmerz verbunden. Schmerz tut weh, sonst wäre es keiner. Schmerz schneidet in dein Herz wie ein Messer ins Fleisch. Und das muß so sein. Laß ihn das tun. Weiche ihm nicht aus. Gib dich ihm hin. Es ist wie eine notwendige Operation. Etwas, das dir wichtig war (oder ist), aber nicht mehr sein darf, wird im Inneren entfernt.

Du bist essentiell Liebe, jedoch auch dein Mann. Vielleicht ist es dir in ein paar Tagen (oder Wochen) möglich, dich daran zu erinnern, daß auch dein geliebter Partner Liebe ist und nur Liebe sein kann. Was er tat, tat er aus Liebe (zu sich). Schon klar, daß sich dir bei dieser Aussage im Moment die Nackenhaare aufstellen. Aber es sind die Nackenhaare des Egos, und die müssen weggeschnitten werden. (Manchmal bin ich ein Friseur.)

Jeder Mensch sucht nach Liebe, weil wir Liebe sind. Es gibt keine stärkere Macht auf Erden. Und wenn sie uns zieht, tja, dann gibt es kein Halten mehr. Sie zerbricht alles, ja sie verwüstet, sie kennt keine moralischen Grenzen, um sich zu erleben, zu finden.

Es liegt mir fern, das Handeln deines Partners zu rechtfertigen. Ich kenne ihn nicht und kann mir daher keine Bewertung erlauben. Und ich würde es auch nicht tun, wenn ich ihn kennen würde. Warum? Weil ich mir dessen gewiß bin, daß es ihn als individuellen Handelnden nicht gibt. Da ist nur Liebe, und sie tut alles, alles in unser aller Leben.

Sei nicht so schnell mit deinem Urteil, er habe dich betrogen und hintergangen. Die Ursachen für ein spezifisches Handeln, das wir für Untreue oder Betrug halten, sind oft verdammt kompliziert.

Was auch immer in unserem Erlebniskosmos auftaucht, ist ein Spiegelbild unserer selbst. Wir sollten uns deshalb nicht für schuldig halten, aber wir sollten erkennen, daß alles, was auftaucht, seine Wurzeln in uns selbst hat. Wäre es denn möglich gewesen, daß sich dein Partner in eine andere Frau verliebt, wenn er bei dir gefunden hätte, was er bei der anderen offenbar fand? Mach dir deswegen keine Vorwürfe, begreife nur, daß es so ist.

Wenn die Masken fallen, mit der sich die Liebe verhüllt, kannst du in allem nur Liebe erblicken. Das bedeutet nicht, daß dich der Vorfall nicht mehr schmerzt. Die Tränen werden immer noch fließen, aber hinter ihnen spürst du schon die wärmenden Strahlen der Liebe.

Ich empfehle nicht, ihm zu verzeihen oder ihn gar verstehen zu wollen. Nein, das Verständnis kommt ganz von allein, wenn der täuschende Eindruck wegfällt, es könne einen individuellen Handelnden geben. Wenn Liebe alles ist, was ist, ist es immer nur sie, die handelt. Dann kann nur sie handeln. In ihm, der Frau, die er nun begehrt, und auch in dir.

Schmerz ist Liebe, die trauert. Warum sollte sie trauern, wenn dein Mann überhaupt nichts getan hat? Weil Liebe nicht so rational handelt wie der Verstand. Liebe ist nun einmal emotional, und wenn sie einen Verlust erleidet, kann sie sich nicht darüber freuen oder neutral und ungerührt zusehen. Schmerz und Traurigkeit gehören ebenso zum Leben wie Freude und Glückseligkeit.

Wer in den Schmerz hineingeht und nicht vergißt, sich zu lieben, wird mitten im Schmerz Liebe entdecken. Und diese Liebe heilt allen Schmerz, besser noch: sie ist einmal Schmerz und dann wieder Freude.

Nein, ich gebe dir keine andere Empfehlung. Ich sage dir auch nicht: laß ihn los! Das funktioniert alles nicht. Was immer da ist, ist Liebe. Und wenn du das, was gerade da ist, annehmen kannst, selbst wenn es dein Nichtannehmenwollen wäre, deine Rebellion gegen die Situation, deinen Schmerz, deine Tränen, dann wäre es das Beste, was du gerade tun könntest. Mehr gibt es nie. Mehr gab es nie. Und mehr wird es nie geben. Was ist, ist in jedem Fall Liebe. Weil nur sie existiert.

Nie ist es die Situation

Nicht Situationen, sondern Informationen entscheiden über deinen emotionalen Zustand und letztlich auch über das, was du in deinem Erlebniskosmos erfährst. Auf der Ebene, auf der wir unser Glück meistens suchen, finden wir lediglich abwechselnd Freude und Schmerz. Und je größer die Freude, desto größer ist anschließend der Schmerz. Deshalb arbeite ich als Coach nicht mehr mit Veränderungsstrategien, obwohl ich nicht dagegen bin. Sie führen letztlich zu nichts anderem als einem höheren Maß an Zuversicht, das anschließend in gleichem Maße enttäuscht wird. Es ist immer nur eine Frage der Zeit, bis sich diese Einsicht einstellt.

Werden die Wirklichkeit oder das Leben an sich nicht von Informationen „überschrieben“, verläuft das Leben problemlos, ganz egal, was passiert. Zahnschmerz beispielsweise löst weder Angst noch Frust oder Widerstand aus, wenn keine den Zahnschmerz „überschreibende“ Information im Bewußtsein erscheint. Als „überschreibende“ Informationen bezeichne ich Gedanken und Sinneseindrücke, die das, was jeweils geschieht, mit einem Etikett versehen, das die Wirklichkeit nicht „beschreibt“, sondern „überschreibt“.

Die beschreibende Information würde in diesem Fall lauten: Es tut weh. Und danach erscheinen Informationen, die zur Linderung führen: kaltes Wasser in den Mund, Eis auf die Backe, schmerzstillende Tabletten einnehmen, einen Zahnarzttermin vereinbaren. Vielleicht sogar in dieser Reihenfolge.

Überschreibende Informationen lauten (u. U.) folgendermaßen: „Wie entsetzlich, wie grausam, dieser furchtbare Schmerz! Ach, muß ich (wieder mal) leiden! Was mache ich denn nur? Hoffentlich ist es nichts Schlimmes! Und was, wenn ich die ganze Nacht wach bleibe und diese grauenhaften Schmerzen ertragen muß! Hoffentlich muß der Zahn nicht gezogen werden, ein neuer Zahn kostet viel Geld. Hoffentlich tut es nicht allzu weh, wenn er gezogen wird. Ach, hätte ich doch meine Zahnpflege ernst genommen, dann wäre mir dieser Schmerz vielleicht erspart geblieben, u.s.w.“

Stell dir vor, die überschreibende Information wäre nicht Teil deiner inneren Software und könnte daher nicht in deinem Bewußtsein erscheinen. Das würde zwar den Schmerz nicht verschwinden lassen, aber ein echtes Problem wäre er nicht. Sei sicher, daß die überschreibende Information den Schmerz intensiviert. Und oft auch zu absurden oder jedenfalls wenig nützlichen Entscheidungen führt. Ich habe auch schon erlebt, daß Zahnschmerz genauso ging, wie er kam, ohne daß ich irgend etwas getan hätte, schlicht weil da kein Widerstand und keine Aufregung war. Das ist natürlich nicht immer der Fall.

Zahnschmerz ist nur ein Beispiel. Das Prinzip gilt jedoch für jede als schmerzhaft empfundene Situation. Egal ob es physischer oder psychischer Schmerz ist. Selbst wenn du arbeitslos werden solltest, würde deine Situation nur dann zum Problem, wenn überschreibende Informationen in dein Bewußtsein eindrängen.

Die beschreibende Information wäre schlicht die, daß du deiner bisherigen Tätigkeit nicht mehr nachgehen kannst, daß du zum Arbeitsamt gehst, um Arbeitslosengeld zu beantragen, und du dich anschließend nach einer anderen Arbeit umsiehst oder selbständig wirst. Punkt.

Du magst sagen: „Das klingt ausgezeichnet und würde mir eine Menge Angst und Sorgen ersparen, aber wie soll das denn bitteschön in der Praxis funktionieren?“ Es ist gar nicht so schwer, wie du vielleicht meinst.

Es muß dir nur klar und zwar vollkommen klar sein, wo die Ursache aller emotional belastenden Probleme liegt. Die überschreibende Information ist es, nicht die Situation! Die Situation kann sein, wie sie will: Ist die Information nur beschreibend und nicht überschreibend, KANN sie zwar als unangenehm oder schmerzhaft, jedoch nicht als problematisch empfunden werden und daher nicht zum Leiden führen.

Konsequenz: Ran an die überschreibende Information! Raus mit ihr aus deiner inneren Software. Dann bleibt nur übrig, was ich als beschreibende Information bezeichne. Sie mußt du nicht integrieren, sie ist schon da, sie wird lediglich in ihrer natürlichen Funktion unterdrückt, weil die überschreibende Information deine innere Software in ihrer Funktion beeinträchtigt, stört.

Eins noch zum Schluß: Ist die überschreibende Information in deiner inneren Software deaktiviert, wirst du viele der Ereignisse, die du jetzt noch als problematisch bezeichnest, überhaupt nicht mehr erleben. Das beweist die Erfahrung all derer, in deren innerer Software die überschreibende Information deaktiviert oder zumindest abgeschwächt ist.

Tiere sind gar nicht so dumm

Was unterscheidet uns von den Tieren? Natürlich vor allem der Verstand. Es ist die Fähigkeit, uns selbst zu definieren, über uns selbst und die Welt zu reflektieren, zu forschen, dem Erforschten Begriffe zuzuordnen, sie zu katalogisieren u.v.a.

Wenn es dabei bliebe, hätten wir keine Probleme und schon gar nicht emotionale. Aber leider bleibt es nicht dabei.

Tiere haben den Nachteil, keinen über sich selbst reflektierenden Verstand zu besitzen, dafür aber haben sie uns etwas Wesentliches voraus: Sie denken nicht darüber nach, warum etwas nicht so ist, wie es gerade ist. Sie quälen sich auch nicht mit dem Gedanken, wie es wäre, wenn es anders wäre, als es gerade ist. Außer einer Hunderasse, den Boxern, haben sie daher auch keine Sorgenfalten auf der Stirn, und bei denen ist dies genetisch bedingt.

Wenn Herrchen nicht anwesend ist, jault der Hund, aber wenn Herrchen wieder bei ihm ist, macht er ihm keine Vorwürfe dafür, daß er ihn allein gelassen hat. Vielmehr gibt er seiner Freude Ausdruck, springt an ihm hoch und leckt sein Gesicht und seine Hände.

Wenn ein Tier krank oder verletzt ist, fühlt es wie wir den Schmerz, aber es klagt nicht darüber, sondern zieht sich einfach zurück und leckt seine Wunden.

Morgens steht eine Katze vom Schlaf auf, streckt sich, putzt sich und wandert zum Freßnapf. Auch alle anderen Vierbeiner sorgen ohne Gequengel für ihre Existenzsicherung. Kühe ziehen auf die Weide und weiden, Füchse streifen durch die Wälder, um Hasen aufzuspüren, Löwen jagen und reißen Zebras. Vögel fangen Insekten, und die Vegetarier unter den Tieren tun sich gütlich an Pflanzen. Kommt die Zeit für sexuelle Aktivität, tun sie es einfach, ohne sich vorher in Tantra zu üben oder sich durch entsprechende Literatur über die besten Stellungen beim Sex zu informieren. Und wenn sie weder essen noch trinken, sich weder putzen noch spielen, weder jagen noch sich fortpflanzen, liegen sie auf der faulen Haut.

Anders wir Menschen. Natürlich sorgen auch wir für unsere Existenzsicherung, doch wie viele unter uns machen wider-standslos ihren Job und sind wirklich zufrieden dabei? Da wird sich mit Besserverdienern verglichen, da macht man sich Sorgen, ob man seinen Job auch morgen noch hat, da gibt man sich die Schuld, warum man in seiner Kindheit und Jugend in der Schule nicht besser aufgepaßt hat, da sucht man die Schuld dafür bei den Eltern, beim Lehrer, beim Pfarrer oder bei den Politikern und besucht Therapeuten, um sein Leben in den Griff zu bekommen.

Ein Hund sucht keinen Therapeuten auf, um in 328 Sitzungen zu analysieren, weshalb er knurrt, wenn ihm ein Lebewesen begegnet, das er nicht mag, obwohl der es doch nur gut mit ihm meint. Eine Katze hat keine Schuldgefühle, wenn sie stundenlang tatenlos auf der Fensterbank schnurrt. Ein Löwe kennt keine Skrupel, weil er kein Vegetarier ist, sondern ein unstillbares Verlangen nach Fleisch hat. Ein Fisch grämt sich nicht, weil er nie an Land gehen kann, sondern an das Lebenselement Wasser gebunden ist. Eine Mücke hat keinen Ehrgeiz, so groß wie ein Elefant zu werden. Giraffen verlangen nicht nach einer Schönheitsoperation, weil ihr Hals viel zu lang geraten ist. Spatzen sind nicht neidisch auf Papageien, weil die nicht wie sie zwitschern, sondern krächzen und manchmal sogar ein paar Worte sprechen können. Bienen besuchen kein Seminar, um zu erfahren, wie sie ihre Honigproduktion im Folgejahr vervielfachen können. Schlangen gehen nicht zur Beichte, weil sie Giftzähne haben und diese bei Gefahr oder zum Überleben zum Töten verwenden. Vögel krakeelen, picken aber jenen, die schneller als sie ans Futter gelangen, kein Auge aus. Und die Gottesanbeterin geht nicht ins Kloster, um ein geschlechtsloses Wesen zu werden, weil sie keine Erklärung dafür findet, warum sie nach dem Geschlechtsakt ihren Begatter umbringt und sogar Gefallen daran findet, ihn aufzufressen.

Daher sage ich: Tiere sind gar nicht so dumm! Denn unsere Probleme haben sie nicht. Sie kennen auch keine Schuldgefühle wegen ihres Verhaltens, schon gar nicht wegen ihrer sexuellen Vorlieben, und Schuldzuweisungen machen sie einander auch nicht. Diesen völlig überflüssigen Luxus leisten nur wir uns, wir hochentwickelten Menschen.

Wer in seinen natürlichen Zustand zurückkehrt, wird in gewisser Weise zum Tier. Nicht, daß er seinen Verstand nun nicht mehr in sinnvoller Weise benutzt, aber eben nicht zweckentfremdet, denn Sorgen, Neid, Eifersucht, Schuldgefühle, Schuldzuweisungen und unerfüllbare Erwartungen gehören der Vergangenheit an.

Nichts oder Liebe?

Aus einem Leserbrief:

Was ist das, was ich erlebe, warum kommt es immer wieder? Es ist, als ob man plötzlich in einen bodenlosen Abgrund fällt, und die Vorstellung, dies mit einem gegengerichteten positiven Gedanken auszugleichen, erscheint mehr als lächerlich. Außerdem fehlt mir dann die Kraft dazu. Dieses Nichts macht irgendwo Angst, alles schöne Spielzeug des Lebens, jeder Wert fällt plötzlich ab, und es ist soooo unendlich langweilig!

Antwort:

Angst macht es, ja, aber nur eine Zeitlang und solange du nicht weißt, worum es sich handelt. Angst macht alles, was uns fremd erscheint. Und vor allem: was uns wie Sterben und Tod erscheint.

Da mußt du durch. Es ist unvermeidlich. Aber ich kann dir versichern, daß die Angst sich verflüchtigt. Und auch das Gefühl unendlicher Langweile. Was am Ende bleibt, ist ... Friede und Liebe. Allerdings nicht eine Liebe, die wir mit einem mordsmäßig geilen Gefühl verbinden ...

Das Nichts oder das, was du Nichts nennst, oder das, was sich wie ein Nichts anfühlt, ist in Wahrheit Liebe, weil Liebe der Urgrund ist, aus dem alles strömt.

Wenn wir Liebe erfahren, ist sie bereits dem Urgrund entströmt. Daher kann sie auf der Erfahrungsebene auch zu Haß werden. Haß ist einfach der Gegenpol zu „entströmter“ und damit bedingungsloser Liebe. Liebe im Urgrund dagegen fühlt sich wie nichts an, denn sie ist dort, im Urgrund oder als Urgrund außerhalb unserer dualen Erfahrungswelt und kann somit nicht gefühlt werden.

Daher wird Liebe im oder als Urgrund nicht erfahren. Oder eher „NICHT erfahren“ und daher auch als NICHTS wahrgenommen.

Kommt unser illusionäres Ego in Berührung mit seinem Urgrund, schreckt es zurück, ihm erscheint dieser Urgrund nämlich nicht als Ur-, sondern als Abgrund. Es löst sich auf, wenn es dort bleibt, weil es überhaupt nicht existiert, und genau das wird im Urgrund offenbar, weil nur Urgrund und kein Ego existiert. Deshalb schreckt es zurück, denn nur so kann es seine Scheinexistenz am Leben erhalten.

Ich weiß nicht, ob du da bleiben kannst. Ich weiß noch nicht einmal, ob ich dir wünschen sollte, dort bleiben zu können. Ich weiß nur, daß „ich“ dort bleiben mußte, weil meine Scheinexistenz, die Ich-Illusion, (dort) aufgelöst wurde, so daß es überhaupt keine Möglichkeit mehr zur Rückkehr gab. Ich kann nicht sagen, daß es „mir“ seitdem immer gut geht. Es ist nur niemand mehr da, der Gutsein und Schlechtsein unterscheidet oder bewertet. Es ist jetzt immer okay, wie es ist. Egal wie es ist.

Liebe in Aktion bedeutet zu „sehen“, daß immer alles okay ist, selbst wenn es alles andere als okay ist. Weil alles, was ist, dem Urgrund und damit der Liebe entströmt.

Liebe, die gefühlt werden kann, ist wunderschön, ich verachte sie nicht, ich mag sie vielmehr, mag sie wie alles, was angenehm, schön, zauberhaft oder wundersam ist, und doch ist sie nicht vergleichbar mit der Liebe, die sich zwar „nicht“ anfühlt, jedoch „Liebe im Urgrund“ oder bedingungslos und damit nondual ist. Und sie ist in allem. Auch im Schmerz. Auch im Ärger. Auch in dem, was verachtenswert und uns widerlich ist.

Jenseits aller Gefühle

Ich will dir deine Gefühle nicht rauben. Ich weiß aus Erfahrung, wie schön sie sind, wie bereichernd und wichtig, notwendig sogar. Wenn du jedoch auf Gefühle fixiert bist, wirst du das, was du suchst, niemals finden. Das Gefühl, das du suchst, ist jenseits aller Gefühle.

Frieden, Liebe, Glückseligkeit – diese Gefühle gibt es sozusagen in zweifacher Ausfertigung. Auf der Ebene des menschlichen Lebens, und tja, eben jenseits desselben. Satyam Nadeen1 nennt dieses Jenseits „vierte Dimension.“ Ich sage dazu: nonduales Bewußtsein. Aber was ist mit diesen Begriffen schon gewonnen? Kannst du dir jetzt vorstellen, worum es geht?

Die Gefühle jenseits der Erfahrung des menschlichen Lebens werden nicht „erreicht“. Sie sind da, immer, ewig, auch wenn du sie (noch) nicht erfährst. Und sie sind bedingungslos, also nicht an irgendwelche Objekte und deren Genuß gekoppelt.

Beim Aufsprechen des Textes für mein Hörbuch Leide nicht – liebe“ (erschienen im Herbst 2006) hatte ich mich übernommen. Meine Stimmbänder waren belegt und die Bronchien entzündet. Kein angenehmer Zustand. Wenn ich hustete, schmerzte der gesamte Brustraum. Vom langen Liegen zwischen den Aufnahmen tat mir zudem der Rücken weh. Der Körper hat Einfluß auf die Psyche (umgekehrt ebenso), was sich in Melancholie niederschlug.

Dieser körperlich unangenehme und psychisch ziemlich desolate Zustand änderte jedoch nichts an meinem Gefühl jenseits der dritten Dimension. Das ist schwer zu erklären. Da ist immer noch Glückseligkeit, mitten im Schmerz, mitten in der Melancholie. Da ist immer noch Frieden. Da ist immer noch diese stille, süße, von äußeren Objekten völlig unabhängige Freude, ja dieses göttliche Verliebtsein, selbst wenn ich weine, auch wenn du mir dies vielleicht nicht glauben wirst.

Es ist, als wärst du zwei gänzlich verschiedene Wesen. Der Körpergeist zum einen, und dann das, was sich einfach nie ändert, das, worin der Körpergeist auftaucht und überhaupt alles erscheint.

Ich kann das unmöglich erklären, aber ich bin mir gewiß, daß ich DAS bin und sonst nichts. Der Mensch, der Werner genannt wird, taucht in mir auf und ebenso jedes andere Lebewesen, jedes Ding, ja die gesamte Welt. Ebenso wie jeder andere Mensch hat Werner ab und zu Schmerzen, fühlt sich unwohl, aber ich bin nicht Werner. Werner ist nur eins meiner zehntausend Gesichter. Und meine Bestimmung während dieser Zeitspanne ist die funktionale Identifikation mit eben diesem Gesicht. Was soll man dagegen tun? (images)

Immer wieder schreiben mir Leser: Wie komme ich nur zu beständigen Gefühlen der Liebe? Meine Antwort: auf der Körper-Geist-Ebene überhaupt nicht. In der dritten Dimension gibt es immer einen Wechsel. Der Wechsel ist das einzig Beständige hier. Was du brauchst, ist eine Art Transfer. Von dieser Dimension in die vierte, um noch mal mit Satyam zu sprechen.

Wie komme ich dahin? Gar nicht. Warum? Weil du schon da bist! Du kannst niemals anderswo sein. Du bist das und warst noch nie etwas anderes. Und wenn die Erinnerung daran vollständig zurückkehrt, dann bleibst du auch da, wo du ohnehin bereits bist.

1 Satyam Nadeen, Ex-Drogenboss aus den USA, ging durch die Hölle amerikanischer Drogengefängnisse – und fand dort die Erlösung, die ihm spirituelle Praxis, Drogen und Reichtum nicht geben konnten.

Realitätsgestaltung

„Das ganze Universum ist aus Geist entstanden. Deswegen ist es auch möglich, daß Sie mit Ihrem Willen erfreuliche Lebensumstände schaffen, zumindest für eine gewisse Zeit. Aus diesem Grund ist das von amerikanischen spirituellen Lehrern propagierte Prinzip, nach dem man seine Wirklichkeit erschaffen kann, manchmal für einige Zeit erstaunlich wirksam. Aber sie haben keine Kontrolle darüber, ob das zu Glück führt. Wie endet es meist? Im Jammertal!“

– Madhukar in „Einssein“

Spinnen oder wachsen?

Und warum sorget ihr für die Kleidung? Schaut die Lilien auf dem Felde, wie sie wachsen: sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. Ich sage euch, daß auch Salomo in all seiner Herrlichkeit nicht bekleidet gewesen ist wie derselben eine. – Mt. 6,28

Jesus vergleicht uns mit Lilien. Mit Pflanzen also. Und er stellt sie in ihrem äußeren Ausdruck sogar weit über die Bekleidung eines Königs. Pflanzen sind viel intelligenter als wir. Denn obwohl sie weder arbeiten noch „spinnen“, sich kaum bewegen, wachsen sie und werden genau das, was in ihnen angelegt ist.

Natürlich meinte Jesus die Arbeit am Spinnrad, aber wir spinnen wirklich, wenn wir glauben, durch Arbeit oder „Arbeit an uns selbst“ etwas anderes werden zu können als das, was in uns angelegt ist.

Unser Schicksal ist beschlossene Sache. Es wird Zeit, daß wir den Irrglauben ablegen, wir gestalteten unsere Realität in eigener Regie. Ich gehörte früher selbst zu den Wunscherfüllungspropheten, doch heute kann ich nicht gegen besseres Wissen weiterhin in dieses Horn blasen! Hierzu empfehle ich auch das Buch „Aus Sicht des Gehirns“ von Prof. Dr. Dr. Gerhard Roth, solltest du den Weisen aller Zeitalter keinen Glauben schenken, die allerdings noch nie etwas anderes gesagt haben.

Natürlich erfüllen sich Wünsche. Aber warum erfüllen sie sich? Weil du sie bestellst oder verstehst, wie man erfolgreich bestellt? Wie unwissend oder arrogant muß man sein, um das zu glauben! Und die, deren Wünsche sich nicht erfüllen, sind zu doof, zu ungeschickt, zu ungläubig oder was? Laßt uns doch endlich Schluß machen mit diesen Kindereien! Das ist eine Philosophie für Erstkläßler!

Wünsche erfüllen sich, WEIL und WENN sie deine potentielle Zukunft sind und sonst nicht. Ein Rosensamen mag sich wünschen, eine Nelke zu werden, es wird ihm nichts nützen, denn seine potentielle Zukunft ist die, eine Rose zu sein. Punkt! Kein Wenn und kein Aber.

Sei intelligent, sagte Jesus, und betrachte die Lilien auf dem Felde. Sie arbeiten nicht, man könnte auch sagen: Sie tun nichts und erreichen doch alles!

Der wesentliche Unterschied zu uns, die man Menschen nennt, besteht darin, daß wir glauben können, selbst zu entscheiden, was wir werden wollen. Ich betone: Wir können es „glauben“! „Werden“ können wir nur, was in uns angelegt ist. Und zwar nicht wegen, sondern trotz unseres Glaubens.

Du liest die Biographie eines berühmten, erfolgreichen Menschen: Schon in meiner Kindheit malte ich mir in allen Farben aus, daß ich einmal ein bekannter Schauspieler werden würde. Und es hat sich tatsächlich ereignet. Hey, denkst du nun, das ist ja phantastisch! Ich brauche mir also nur vorzustellen, ein bekannter Schauspieler zu werden, und es trifft ein. Es könnte eintreffen, wenn dieses Schicksal in dir angelegt ist, ja. Aber es könnte ebenso sein, daß du dein Leben lang nur davon träumst, und zwar dann, wenn deine potentielle Zukunft etwas anderes vorsieht.

Daher empfehle ich, dem Rat Jesu zu folgen: Nimm dir ein Beispiel an den Lilien. Sei, was du bist. Und wachse auf natürliche Weise in das hinein, was in dir angelegt ist. Ich könnte auch sagen: Liebe dich so, wie du bist! Natürlich gehören auch deine Wünsche dazu. Doch bedenke das Motiv hinter allen Wünschen! Es sind nicht die Dinge, die du dir wünschst, sondern das Glück, das du mit ihrer Erfüllung verbindest. Glücklich sein möchtest du, und weil du denkst, daß du es sein oder werden könntest, wenn sich dieser oder jener Wunsch erfüllt, wünschst du dir, er möge erfüllt werden.

Ich sage ja nicht: Wünsche dir nichts mehr! Ich sage nur: Lerne von den Lilien. Denn ob sich ein Wunsch erfüllt oder nicht, entzieht sich deiner Kontrolle. Er mag sich erfüllen, doch wenn er sich nicht erfüllt, geschieht das nur deshalb, weil seine Erfüllung nicht in dir, man könnte auch sagen, nicht in deinem Schicksal angelegt ist.

Willst du ein Spinner bleiben? Dann bemühe dich weiterhin um die Erfüllung deiner Wünsche. Willst du so schön wie eine Lilie sein? Dann hör auf zu spinnen. Wachse einfach in dein volles Potential hinein. Ohne Anstrengung. Es geschieht ganz von allein. Es MUSS geschehen, weil es in dir angelegt ist. Egal wie viele „Fehler“ du machst. Fehler sind in Wahrheit Wachstumsfaktoren: Endlich weißt du, wie es nicht geht, und kannst den Fehler vermeiden.

Vielleicht denkst du: Das habe ich mir alles selbst erarbeitet! Nein, es geschah nicht wegen deiner Anstrengungen, sondern trotzdem!

Also: keep cool! Lerne entspannt mit Wünschen umzugehen. Ereignet sich in dir eine Zukunftsvorstellung, sag dir vielleicht: SO SEI ES! Das reicht. Mehr brauchst du nicht zu tun. Denn wenn sich ein Wunsch erfüllen soll, wird es geschehen. Wenn nicht, kannst du den Wunsch bis an dein Totenbett visualisieren, er wird sich niemals materialisieren. Dein Glaube muß nicht größer sein als ein Senfkorn, sagte Jesus. Wieder der Bezug zur Pflanze, weil das Prinzip jeder Wunscherfüllung ist: Das, was in uns angelegt ist, wird wachsen, egal wie unscheinbar der Same auch sein mag.

Mit dem Begriff Mensch verbinden wir ein Lebewesen, das kraft seines Denkens und Glaubens ALLES schaffen kann. Pflanzen sind und werden einfach, was in ihnen angelegt ist. Das ist die Realität, und sie gestaltet sich selbst.

Glaubenssätze

Aus einem Leserbrief:

Lieber Werner,

ich bin NLP-Trainer und arbeite seit vielen Jahren mit Glaubenssätzen (beliefs). Nach dem Lesen vieler deiner Texte entsteht die Frage, weshalb du es so vehement ablehnst, behindernde Glaubenssätze durch günstige zu ersetzen. Wenn ich dein Konzept richtig verstehe, hat es zum Ziel, die behindernden Glaubenssätze lediglich aufzulösen. Nun, das kann ich nachvollziehen, aber was geschieht mit einem Menschen, der keine beliefs hat? Ist Leben ohne beliefs überhaupt möglich, frage ich mich ...

Antwort:

Lieber Franz,

als NLP-Master habe ich wie du lange Jahre mit Glaubenssätzen gearbeitet. Und ich behaupte keineswegs, daß sie nicht nützlich und wirksam sind. Ich sage lediglich, daß sie nicht mehr notwendig sind, wenn der Glaubenssatz wegfällt, daß wir unser Leben und die Ereignisse, die in ihm stattfinden, in eigener Regie bestimmen.

Seit Juli 2004 lebe ich relativ ziel- und vollkommen glaubenslos! Ich tue jeweils und stets nur das, was mir in einer gegebenen Situation als günstig bzw. als das jeweils Beste erscheint, ohne zu wissen, ob es tatsächlich das Beste ist. Aber immer und in jedem Fall erwies es sich bisher als das Beste. Nicht immer sofort – ich habe u. a. Entscheidungen getroffen, die niemand in meinem Bekanntenkreis verstehen konnte, für die ich sogar angegriffen, als unmoralisch, egoistisch, lieblos bezeichnet wurde. Im nachhinein jedoch haben sich selbst solche Entscheidungen für alle Beteiligten als vorteilhaft erwiesen.

Wenn der Eindruck wegfällt, „ich“ könnte tatsächlich – und nicht nur virtuell– über mein Schicksal entscheiden, sind Glaubenssätze nicht mehr relevant, weil klar gesehen wird, daß jedes Ziel, das erreicht werden soll, zweifelsfrei erreicht werden wird.

Glaubenssätze sind nur so lange nötig, solange der Glaube vorhanden ist, man könne (oder müsse) die Realität selbst gestalten. Nonduales Bewußtsein eröffnet die Sicht, daß niemand etwas tut und daß sämtliche Ereignisse determiniert2 sind. Vollkommen egal, was wir tun, wir können unser Schicksal niemals verändern, denn selbst jene Veränderungen, die wir zweifelsohne vornehmen können, sind Teil unseres Schicksals und damit nur das, was zwingend geschehen muß.

Niemals würde ich versuchen, jemanden davon abzubringen, Glaubenssätze zu nutzen! Denn ohne nonduales Bewußtsein haben sie wie bereits erwähnt durchaus ihre Berechtigung. Zumindest verleihen sie ein gutes Gefühl und Zuversicht. Wer jedoch behauptet, sie würden in jedem Fall Ziele erreichbarer machen, redet in Unkenntnis der wahren Tatsachen baren Unsinn.