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Inhalt

Unheimliche Augen

Das Portal

Ein heftiger Sturm

Tausend Gegner

Umzingelt!

Der bedrohliche Schatten

Der verletzte Fremde

Kampf mit dem Biest

Katz und Maus

Glassplitter

Ausgeliefert

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Mit besonderem Dank an Allan Frewin Jones
Für Martha und Monty

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Willkommen in einer fremden Welt,
in der dunkle Mächte toben.

Tom hat gedacht, er wäre auf dem Heimweg, aber er hat sich geirrt. Mein Sohn hat ein neues Königreich betreten, wo nichts ist, wie es scheint. Sechs schreckliche Biester bedrohen das Land und Tom und Elenna müssen sich einem alten Feind stellen, den sie vertrieben geglaubt hatten. Ich war nie stolzer auf meinen Sohn, doch habe ich auch Angst um ihn, denn seine Aufgabe ist schwierig und überall lauern Gefahren.
Bleibt nur eine Frage: Bist du mutig genug, um Tom auf die gefährlichste seiner Missionen zu begleiten? Nur du kennst die Antwort.

Freya, Herrin der Biester

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Unheimliche Augen

Ludor schlich leise zum Kuhstall. Er konnte die Tiere hören, die unruhig hin und her stampften. Sorgsam blickte er sich in der dunklen Nacht um. Bunte Blitze bewegten sich rund um einen langen Riss am Himmel. Die Farbmuster leuchteten unheimlich.

„Kein Wunder, dass die Kühe unruhig sind“, murmelte er. Er wandte den Blick ab und konzentrierte sich auf die Aufgabe, die vor ihm lag.

Normalerweise wurde das Tor zum Kuhstall ständig bewacht. Aber Malvel hatte alle kampffähigen Männer in sein Heer einberufen. Auf dem Land war es nun wunderbar menschenleer. Jedenfalls wunderbar für Ludor, der ein Dieb war.

„Kommt zu Ludor“, wisperte er und öffnete das Tor. „Kommt und bringt mir ein hübsches Sümmchen ein.“

Er schlüpfte in den Stall. Der Geruch der Kühe schlug ihm entgegen und er hörte ihre Hufe über den Boden scharren. Die Kühe drängten sich eng aneinander, als er zwischen ihnen hindurchlief und seine Hände über ihre Flanken streichen ließ.

Schließlich klatschte er einer Kuh auf das Hinterteil. „Du bist die Richtige.“

Einen Moment später hatte er einen Strick um den Hals der Kuh gelegt und führte sie von der Herde weg.

Er brachte die Kuh aus dem Stall und schloss das Tor. Doch als er seine vierbeinige Beute zu seinem Pferd führte, blieb Ludor plötzlich stehen. Er spitzte die Ohren und hörte ein merkwürdiges Geräusch. Es klang wie ein leises Fauchen.

Dann ertönte aus der Dunkelheit ein zweites Fauchen, diesmal tiefer und lauter. Ludor schauderte. Die Kuh schnaubte und zerrte ängstlich an dem Strick.

„Ruhig“, sagte Ludor, aber seine Stimme zitterte. Er zog die Kuh zu seinem Pferd, das neben einem Baum stand. Schnell stieg er auf und band das Strickende um den Sattelknauf. Er brachte sein Pferd zum Traben und zerrte die Kuh hinter sich her.

„Das haben wir gut gemacht, mein Freund“, sagte Ludor und klopfte seinem Pferd auf den Hals. „Viel Fleisch für den Metzger. Von dem Geld werden wir uns lange satt–“

Ein neues unheimliches Fauchen ließ ihn verstummen.

Sein Pferd scheute und warf den Kopf nervös hin und her. Die Kuh muhte und stemmte sich gegen den Strick. Die Glocke um ihren Hals bimmelte. Das Fauchen war jetzt viel näher und schien ihn wie ein unsichtbarer Schatten zu verfolgen.

Ludor blinzelte in die Nacht und wünschte, er hätte eine Waffe dabei. Aus dem Augenwinkel sah er etwas weiß aufblitzen. Er drehte den Kopf, aber da war nichts. Angst kroch seinen Rücken hoch.

„Wer ist da?“, rief er.

Er drückte seine Fersen in die Flanken seines Pferdes und drängte es, schneller zu laufen. Der Strick spannte sich, als die Kuh hinter ihnen hergezogen wurde. Das Fauchen schien noch näher gekommen zu sein.

Ludor überlegte, ob er die Kuh losbinden und mit seinem Pferd davongaloppieren sollte. „Ich muss hier weg!“, dachte er.

Das Geräusch von Pfoten, die über den harten Boden liefen, war zu hören.

Etwas Unheimliches war ganz in der Nähe und kam schnell näher. Die Kuh muhte panisch. Ludor starrte auf den Weg, den sie gekommen waren. Zwei Lichter hingen in der Luft wie glänzende Goldstücke.

Augen!

Aber wenn es Augen waren, dann befanden sie sich viel zu weit über dem Boden. Welches Wesen konnte so groß sein?

„Schnell!“, feuerte Ludor sein Pferd an.

Einen Herzschlag später war der Strick, mit dem die Kuh festgebunden war, zum Zerreißen gespannt und vibrierte wie eine Bogensehne. Ludors Pferd wurde rückwärtsgezogen. Dabei drückte sich der Strick fest in Ludors Seite und riss ihn beinahe aus dem Sattel. Hinter ihm waren schreckliche Geräusche zu hören. Die verzweifelten Schreie der Kuh durchschnitten die Nacht. Etwas zog hart an dem Seil. Die Kuh muhte ein letztes Mal, dann war ein lautes, zermalmendes Geräusch zu hören. Ludor wurde übel. Das Seil wurde schlaff.

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Entsetzt wickelte Ludor das Seil auf. Das Ende war ausgefranst und blutig. Er gab seinem Pferd die Sporen und es galoppierte los.

Gleich darauf sah Ludor wieder etwas Weißes aufblitzen. Er wandte sich in Panik um. Da stürzte das Weiße auf ihn zu. Er schrie auf. Zwei lidlose Augen, die vor Wut glitzerten. Fell, das wie weiße Kristalle schimmerte. Lange, scharfe Zähne und pechschwarze sensenähnliche Krallen.

Sein Pferd raste noch schneller und einen Augenblick lang glaubte Ludor, dem Monster entkommen zu sein. Er duckte sich und schrie auf einmal vor Schmerz laut auf. Krallen kratzten über seinen Rücken und schnitten in sein Fleisch.

Doch sein Pferd wich dem Ungeheuer aus und raste davon. Ludor klammerte sich tief über dessen Hals und wickelte die Zügel fest um seine Hände. Die Wunden auf seinem Rücken brannten wie Feuer. Beinahe fiel er vor Schmerz in Ohnmacht. Erschöpft lehnte er sich vor. „Bring uns nach Hause!“, flüsterte er seinem Pferd zu.

Das Pferd galoppierte weiter. Ludor kippte vornüber und die Welt um ihn herum versank in Dunkelheit.

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Das Portal

Tom wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn. Der Kampf mit Raptox hatte ihn erschöpft, aber er hatte keine Zeit, sich auszuruhen – eine neue Aufgabe wartete auf ihn. Er betrachtete sein Schwert. Die Klinge war durch Raptox’ ätzende Säure zerstört worden.

Storm, Toms treuer Hengst, lief achtsam den Bergpfad hinab. Silver, Elennas Wolf, sprang von Fels zu Fels. Sein grauer Körper war tief über den Boden geduckt und seine gelben Augen leuchteten.

Tom drehte sich zu Elenna um, die hinter ihm in Storms Sattel saß. Sie betrachtete die Hügel, hinter denen eine weite Ebene lag.

„Ich muss mich dauernd selbst daran erinnern, dass wir nicht in Avantia sind“, sagte sie.