cover
Titelseite

Inhalt

Ab in die Ferien

Holprige Landung

Ein Bett zum Abhängen

Glitzergreta

Blutschap muss sein

Zaza macht Drama

Bruchlandung

Vampirverdacht!

Duschen, nein danke!

Flopsekästchen

Die Vampirkatze

Ein Igel für Daka

Halb gehext ist schon gewonnen

Ab in die Ferien

Es war eine schaurig-schöne Nacht. Ein weißes Flugzeug mit den rostroten Buchstaben Romanian Air Transport raste über eine holprige Landebahn und hob schwankend ab in den rabenschwarzen Himmel.

In der Boeing 737 der rumänischen Fluglinie saßen müde Menschen. Sie hatten den Nachtflug von Sibiu in Rumänien nach Bindburg in Deutschland gewählt, um schlafen zu können.

Nur ein paar der Passagiere waren hellwach. Das lag daran, dass sie keine Menschen waren – oder nur zum Teil. Familie Tepes kam aus Rumänien, genauer aus Transsilvanien. Das ist ein Land, über das sich die Menschen seit jeher die gruseligsten Geschichten erzählen. Sie handeln von Graf Dracula und anderen blutsaugenden Vampiren. Die Familie Tepes war zwar mit Graf Dracula nicht bekannt, aber Mihai Tepes war wirklich ein waschechter Vampir und stammte aus einer altehrwürdigen Vampirfamilie. Seine Frau Elvira Tepes dagegen war ein waschechter Mensch. Sie hatten vor neuneinhalb Jahren geheiratet und ihre achteinhalbjährigen Zwillingstöchter Silvania und Dakaria waren waschechte Halbvampire!

Die Halbvampirfamilie hatte den ganzen Tag geschlafen und war jetzt topfit und ausgeruht.

„Eine herrliche Nacht!“, schwärmte Mihai und die kringeligen Enden seines dunklen Schnauzbarts zitterten freudig.

Dakaria, die nur Daka genannt werden wollte, drehte sich um. „Perfekt für einen kleinen Fugli Noap. Ich würde am liebsten neben dem Flugzeug herfliegen“, flüsterte sie durch die Sitze.

Silvania verdrehte ihre lindgrünen Augen und Elvira Tepes schüttelte ihren rotblonden Wuschelkopf. „Ihr könnt doch noch gar nicht so gut fliegen und so schnell wie ein Flugzeug seid ihr sowieso nicht!“

Mihai Tepes seufzte. „Aber ich könnte es. Es ist schrecklich schade, dass ich nicht selbst fliegen darf.“

„Sind Sie Pilot?“, fragte die Flugbegleiterin, die gerade mit Getränken durch den Gang kam.

„Pilot? So ein Gumox! Ich bin ein Va“, weiter kam Mihai nicht.

Vasenvertreter“, beeilte sich Elvira zu sagen und sah ihren Mann warnend an. Sie hatten ausgemacht, dass sich keiner aus der Familie verdächtig vampirisch benehmen oder gar verraten sollte, dass er ein Vampir war.

In Transsilvanien lebte die Familie in Bistrien, einer unterirdischen Vampirstadt. Dort gab es nur Vampire und diese wussten, dass Elvira ein Mensch war, und ließen sie in Ruhe. Was aber würde passieren, wenn die Menschen bemerkten, dass Mihai und seine Töchter Vampire waren?

Mihai lächelte die Flugbegleiterin mit blitzenden Eckzähnen an. „Bitte geben Sie mir von diesem roten Saft, der sieht köstlich aus!“

„Ein Tomatensaft für den Herrn, bitteschön. Und die Dame?“ Die Flugbegleiterin wandte sich an Elvira.

„Einen Orangensaft, bitte“, bestellte Elvira.

„Für mich auch gelben Saft!“, schloss sich Silvania an. Sie ahmte gern ihre Mutter nach und ähnelte ihr mit ihren langen rotblonden Locken. Heute trug sie sogar den gleichen Rock mit den vielen Blumen drauf wie Elvira.

„Ich nehme roten Saft, der sieht delizioso aus“, verlangte Daka. Sie hielt sich lieber an ihren Vater, hatte die gleichen schwarzen Haare wie er, trug am liebsten schwarze Hosen und Jacken und war in allem etwas vampirischer als ihre Schwester. Wie alle in der Familie Tepes sprach Daka nicht nur Deutsch, sondern auch Vampwanisch, eine uralte Vampirsprache. „Delizioso“ hieß lecker. Daka nahm einen großen Schluck Tomatensaft. Den fand sie allerdings nicht so delizioso, wie sie gedacht hatte. Achselzuckend kramte sie eine Tüte Knallkäfer aus ihrer Hosentasche und steckte sich genüsslich einen in den Mund.

PLOPP!“, machte es laut. „PLOPP, PLOPP, PLOPP!

PST, PST, PST!“, kam es von allen Seiten.

„Daka, du kaust so laut!“, beschwerte sich Silvania. Sie war sieben Minuten älter als ihre Zwillingsschwester und viel vernünftiger. Glaubte sie zumindest. Silvania nahm einen Schluck von dem Orangensaft. „Bäh!“, rief sie entsetzt und spuckte den Saft zurück in ihren Becher.

„Silvania, du spuckst so laut!“ Daka grinste.

Silvania sah sich verlegen um. Die Flugbegleiterin verteilte Decken und kleine Kissen, damit die Fluggäste es sich für die Nacht gemütlich machen konnten.

„Für Sie auch ein Kissen oder eine Decke?“, fragte die Flugbegleiterin.

„Nein, danke“, brummte Mihai. „Aber ich nehme noch so einen Saft. Diesmal einen doppelten, bitte.“

Die Flugbegleiterin zog die Stirn kraus, lächelte jedoch gleich wieder. „Kommt sofort.“

„Einen doppelten Saft?“ Elvira sah ihren Mann irritiert an.

Mihai nickte ernst. „Elvira, dieser Blutsaft sieht köstlich und sehr dickflüssig aus. Aber er ist überhaupt nicht nahrhaft.“

Erschrocken riss Elvira die Augen auf. „Du hast doch wohl zu Hause noch etwas gegessen, oder?“

„Natürlich, Elvira, moi Miloba, meine Liebe! Ich gehe niemals hungrig unter Menschen.“ Mihai streichelte seiner Frau beruhigend über die Hand und zeigte ihr eine kleine Blutkonserve. „Außerdem habe ich natürlich meine eiserne Reserve dabei.“

„Wenn wir mitten in der Nacht schlafen sollen, wieso gibt es dann keine Stange zum Abhängen?“, maulte Daka von vorne.

„Ja, oder einen Sarg mit Deckel, dann wäre es wenigstens gemütlich“, ergänzte Silvania.

„Die Menschen hängen nicht kopfüber an Stangen und sie schlafen nun einmal nachts. Das wisst ihr doch!“, zischte Elvira zwischen den Sitzen ihren Töchtern zu. „Versucht wenigstens zu schlafen, sonst seid ihr gleich den ersten Tag bei Oma und Opa hundemüde.“

„Haben Oma Rose und Opa Gustav einen Hund?“, freute sich Daka. Sie hatte mal gehört, dass Hunde viele Zecken und Flöhe haben. Beides waren beliebte Haustiere bei Vampiren.

„Nein, sie haben keine Tiere. Und ich hoffe, du hast auch keine dabei!“, sagte Elvira streng.

„Nur meine Knallkäfer. Willst du einen?“ Daka hielt ihrer Mutter die Tüte hin.

„Nein, danke. Ich schlafe jetzt.“ Elvira kuschelte sich an ihren Mann, der gierig seinen Tomatensaft schlürfte. „Bitte keine Schlürf- und Knallgeräusche mehr“, murmelte Elvira und schlief einfach ein.

„Na toll. Mama schläft und wir sitzen hier hellwach und langweilen uns“, motzte Daka.

„Ich bin so gespannt auf alles.“ Silvania rutschte auf ihrem Sitz hin und her. „Wir haben Oma Rose und Opa Gustav schon ewig nicht mehr gesehen. Und wir waren noch nie in Bindburg!“

Daka nickte. Die Vampirschwestern lebten seit ihrer Geburt in Bistrien. Oma Rose und Opa Gustav waren erst einmal nach Transsilvanien gekommen, aber da hatten sie sich nicht in der Vampirstadt getroffen, sondern in der Menschenstadt Sibiu. Opa Gustav wusste bis heute nicht, dass seine Tochter einen Vampir geheiratet hatte. Und natürlich hatte er keine Ahnung davon, dass seine Enkeltöchter Halbvampire waren.

Oma Rose wusste das alles und fand es sehr aufregend. Aber sie sagte, für Opa Gustav wäre das alles zu aufregend, denn er habe ein schwaches Herz.

„Hoffentlich merkt Opa Gustav nichts“, murmelte Silvania.

„Und wenn schon! Oma weiß es doch auch. Außerdem ist es doch echt Fumpfs, dass wir da allein bleiben sollen“, beschwerte sich Daka.

„Du weißt doch, dass Mama und Papa weiter nach Italien in die Knitterwochen fliegen.“ Silvania schnappte sich einen Knallkäfer.

PLOPP!“, machte es.

PST!“, beschwerte sich ein Passagier.

„Ich weiß“, seufzte Daka.

Bei verheirateten Vampiren konnte es passieren, dass sie nach einer Weile nicht mehr so verliebt waren wie beim ersten Biss oder Kuss. Deswegen flogen sie hin und wieder in die Knitterwochen. Um die Liebe wieder knitterfrei zu machen, hatte Elvira erklärt. Oma Rose hatte gesagt, in Deutschland würde man nach neun Jahren Ehe die Keramikhochzeit feiern. Und so war Elvira auf die Idee gekommen, in den Knitterwochen einen Töpferkurs zu machen. Aber nicht in Deutschland, sondern in Italien.

Silvania und Daka waren zuerst begeistert davon gewesen, die Ferien in Italien verbringen zu dürfen. Sie schwärmten von Blutorangeneis und tiefroten Sonnenuntergängen am Meer. Doch dann hatten sie erfahren, dass sie gar nicht mitdurften. Also hatten sich die Vampirschwestern auf Ferien allein zu Hause in Bistrien gefreut. Sie träumten von Abhängen und Vampi-TV schauen. Doch weder ihre Tante Karpa noch ihre Oma Zezci hatten Zeit, sich um sie zu kümmern.

Tante Karpa war mit ihrem wilden fünfeinhalbjährigen Sohn Woiwo beschäftigt, der überall Popel an die Abhängstangen schmierte und ständig wegflog. Und das, obwohl normale Vampirkinder erst mit sechs Jahren fliegen lernten. Und ihre Popel schnipsten sie normalerweise in die Luft oder aßen sie auf. Also eigentlich genau wie die Menschenkinder.

Oma Zezci fiel auch aus, denn sie war wie immer ausgeflogen und irgendwo in der Welt unterwegs.

Elvira wollte Silvania und Daka in die Ferienbetreuung schicken, doch weder die Vampirschwestern noch Mihai waren dafür. Schon als kleiner Junge vor Tausenden von Jahren hatte sich Mihai in der Ferienbetreuung in Bistrien schrecklich gelangweilt, weil man dort die ganze Nacht Sargdeckchen nähen musste und bei Ausflügen nie aus der Reihe fliegen durfte.

Mihai hatte vorgeschlagen, die Knitterwochen einfach mit den Kindern in Bistrien zu verbringen. In Wahrheit war er nämlich überhaupt nicht glücklich über Elviras Vorschlag, einen Töpferkurs in Italien zu machen. Dort war es viel zu heiß und zu hell.

Doch dann hatte Elvira die Idee, ihre Mutter zu fragen. Oma Rose hatte sofort begeistert zugesagt und freute sich, auf ihre Enkelinnen aufzupassen. Und so kam es, dass Silvania und Daka von ihren Eltern nach Deutschland gebracht wurden.

„Schau mal, hier ist so ein schwarzer Kasten. Sieht aus wie ein Vamplett!“ Daka zeigte auf den Sitz vor ihr.

„Möchtest du fernsehen?“, fragte die Flugbegleiterin, die gerade vorbeiging.

„Au ja!“ Daka sprang auf ihrem Sitz hoch und machte einen Kopfstand auf der Sitzfläche. „Machen Sie schon an!“, rief sie.

„Wieso willst du auf dem Kopf fernsehen?“, fragte die Flugbegleiterin verdattert. Silvania stupste Daka an, die sich schnell wieder richtig herum hinsetzte.

In Bistrien hingen die Vampirschwestern beim Fernsehgucken kopfüber an einer Stange, aber die Menschen schienen das anders zu machen.

Die Flugbegleiterin schaltete den kleinen Fernseher ein und reichte Daka und Silvania Kopfhörer.

„Was wollt ihr denn schauen?“, fragte sie.

„Am liebsten: Emil und die Vampire!“, schrie Daka, weil sie durch die Kopfhörer nichts hörte.

PST!“, kam es aus den hinteren Sitzreihen.

„Oder Vampi Langstrumpf“, rief Silvania, die auch nichts hörte.

„Äh, das haben wir alles nicht. Ich empfehle euch einen Film, den alle Mädchen mögen!“ Damit tippte die Flugbegleiterin auf einen Film.

Die Vampirschwestern lehnten sich in ihre Sitze und schauten zu. Ein Mädchen flog auf einem Besen durch die Luft und rief die ganze Zeit: „Hex, hex!“

Silvania fand die Freundin der Hexe toll und Daka bewunderte die Flugtechnik der Hexe mit dem Besen. Auf jeden Fall freuten sich beide immer mehr darauf, dieses Deutschland kennenzulernen.

Holprige Landung

„Daka, schlaf ein, es wird schon hell!“, murmelte Silvania ein paar Stunden später. Zusammen mit Daka hatte sie den Film bis zum Ende angesehen und jetzt waren beide endlich müde.

„Nein, ihr Fledermäuschen! Jetzt nicht mehr einschlafen. Wir landen gleich.“ Elvira gähnte, war aber schnell hellwach. „Wo ist denn Mihai?“

Silvania und Daka drehten sich um. Papa saß nicht mehr neben Mama. Doch bevor sich eine der Tepes-Damen auf die Suche machen konnte, hörten sie die Flugbegleiterin: „Sie können sich doch nicht einfach ein Getränk nehmen!“ Sie schob Mihai vor sich her auf seinen Platz zurück.

„Entschuldigung, kommt nicht wieder vor. Ich wollte nur sehen, was in diesem roten Saft alles drin ist. Leider nur trottelige Tomatschki, ich dachte, echtes B

„Blumenwasser! Als Vasenvertreter interessiert er sich dafür“, beendete Elvira seinen Satz. Sie stand auf und zog ihren Mann auf seinen Sitz. „Schnall dich an, Liebling. Wir landen gleich.“

„Seht mal, das muss Bindburg sein! Sieht ganz anders aus als Bistrien. Aber wie eine Menschenstadt.“ Daka schaute durch das Flugzeugfenster.

„Lass mich auch mal sehen.“ Silvania drängelte sich neugierig neben sie. Sie sah viele hohe Gebäude, schöne Häuser, hässliche Häuser, einen breiten Fluss, einen hübschen Kirchturm, Straßenbahnen und noch viel mehr.

„Meine Damen und Herren, in wenigen Minuten landen wir in Bindburg. Dort geht soeben die Sonne auf. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag“, gab der Pilot durch.

„Oh nein, die Sonne scheint!“, brummten Mihai, Silvania und Daka gleichzeitig. Nur Elvira lächelte, wurde dann aber leicht blass um die Nase, denn das Flugzeug steuerte die Landebahn des Flughafens an und ruckelte und zuckelte und wackelte, bis es endlich sicher anhielt.

Wenige Augenblicke später stand die Familie Tepes als Erste an der Gepäckausgabe.

„Cool, eine Flutsche!“, freute sich Daka. Mit einem FLOPS!