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Thomas Reich

Krüppelknüppel





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Krüppelknüppel

 

 

 

Krüppelknüppel

 

 

 

 

 

Thomas Reich

 

Text 2017 © von Thomas Reich

Coverphoto © https://www.flickr.com/photos/cmykane/6326383000/ + https://pixabay.com/vectors/boy-crippled-crutches-handicapped-2027483/ mit Änderungen

 

Impressum: Thomas Reich

Bachenstr. 14

78054 Villingen-Schwenningen

 

Über das Buch:

 

AVE, IMPERATOR. DEBILI TE SALUTANT!

 

Speichelfäden und spastisch verkrüppelte Gliedmaßen machen Severin Klein geil. Gib mir Trisomie, und ich bin glücklich wie nie! Der bisexuelle Krankenpfleger nutzt die Wehrlosigkeit seiner simpel gestrickten Gemüter rücksichtslos aus, und demütigt sie auf jede erdenkliche Art und Weise. Als Vorbild dient ihm dabei sein im Keller angeketteter Bruder. Dieses Trauma prägt sein inhumanes Menschenbild zeitlebens. Klein trainiert seine Zöglinge für den antiken Gladiatorenkampf hinter der Behindertenwerkstatt. Viele Pfleger verzocken bei Sportwetten ihren Monatslohn in der Arena.

Matschbirne

Als Severin Klein das gemütliche Zimmer betrat, waren Anastasias Augen starr gegen die Decke gerichtet. Er schnippte mit den Fingern vor ihrem rundlichen Gesicht, worauf sie blinzelte. Die Bude war bewohnt, wenn auch nicht auf allen Etagen Licht brannte. Jemand würde den Hausmeister rufen müssen, ihr die Scheinwerfer neu einzustellen. Oder die mit einer Papierschere aus der Bastelgruppe schulterkurz geschnittenen Haare zu shampoonieren. Ohne jetzt unhöflich zu werden im Angesicht einer minderbemittelten Dame, aber die Gute stank überreif aus dem Nachthemdkragen. Anastasias offener Mund war eine obszöne Einladung, die er später annehmen würde.

„Aufwachen Prinzessin, Waschtag!“

Eine Fliege krabbelte auf ihrer Nase, akribisch beobachtete Klein ihre Reaktion. Zwischen Anastasias Augen krümmte sich die Haut zu einer senkrechten Spalte. Ein Büschel Haare drumherum, und Severin konnte sich eine anständige Fotze vorstellen, die ihr aus der Stirn wuchs. Seine Patientin Anastasia Mangold war stolze Besitzerin eines IQ von dreißig Punkten. Auf diesem Level sollte man mit sensorischen Reaktionen rechnen, mehr aber auch nicht. Severin spielte das Spiel mit den zwei Stimmen. Zum Puppentheater fehlte Anastasia der nötige Grips.

„Liebling, ich bin zuhause.“

„So früh habe ich gar nicht mit dir gerechnet!“

„War ein harter Tag im Büro. Ich habe einen Bärenhunger.“

„Gekocht habe ich nichts. Aber schau nur, wie ich daliege.“

„Na, das sieht ja appetitlich aus.“

„Willst du dein Geschenk nicht auspacken?“

„Weib, du weißt wie man einen Mann verwöhnt.“

Mit spitzen Fingern löste er die Bänder ihrer Wäsche, und wuchtet sie an den Brüsten hoch. Er zog ihr die Nippel lang, als wolle er Hosenträger neu spannen. Abgesehen von einer einzigen Salzträne, die im Slalom die Hautunreinheiten von Anastasias Pfannkuchengesicht bewältigte, zeigte sie keinerlei Emotion. Sein Zögling empfand Schmerz, verstand aber nicht das grundlegende Konzept dahinter.

„Das tut dir weh, hm?“

Klein pellte sie aus dem Schlafanzug. Erst kam das Oberteil, dann die Hose. Schließlich ihre volle Windel, deren atemberaubenden Duft er einsog wie ein exotisches Parfüm. Hinterher hatte er Sommersprossen.

„Pfui, so schmutzig.“

Seine flache Hand klatschte einen munteren Takt. Severin Klein ohrfeigte sich selbst.

„Du warst ein böser Junge. Deine Mami schämt sich, dich durch ihren Spalt gepresst zu haben. Dein Vater wünschte, du wärst anstelle deines Bruders gestorben!“

Im Bad holte Severin einen Waschlappen, und tränkte ihn unter dem Wasserhahn, bis er pitsche-patsche-nass war.

„Geh deinen Bruder schrubben. Dann darfst du mit ihm spielen.“

Durch den hellblauen Frotteestoff umfasste er das Rund ihrer Brüste mit den blassen Knöpfen. Allzu oft hatte er dieses Spielzeug angefasst, langsam blätterte die Farbe ab. Anastasias weicher Bauch. Nun brauchte er beide Hände, um die schwabbelige Vorfotze beiseite zu schieben, und mit dem Waschlappen ihr Innerstes auszuschrubben. An manchen Tagen hatte er eine Flaschenbürste verwendet. Zu behaupten, Behinderte fühlen keinen Schmerz, war eine infame Lüge. Anastasia gluckste wie ein verstopfter Ausguss.

„Du magst es gern, nicht wahr?“

Ihr Mund zog Speichelfäden wie ein Spinnwebengeflecht. Heute würde ihr ein dicker Fisch ins Netz gehen, mit einer prächtigen Schwanzflosse im Schlepptau. Severin streichelte die gewaltige Beule in seiner weißen Anstaltshose. Seine nassen Finger machten Wasserflecken. Als hätte er sich in die Hose gemacht, und nicht Anastasia.

„Es ist ein schöner Tag zum schnorcheln. Versuch durch die Nase zu atmen.“

Ein krimineller Tümpellurch braucht gute Führung, um vorzeitig in den Schlund entlassen zu werden. Ihr Hals musste sich bewähren. Severin fegte die Spinnweben weg, und legte ein dickes Brikett Holzkohle nach, um ihre Maulfotze zum Glühen zu bringen. Er wollte ihre Schnabeltasse mit Haferschleim sein. Ihr Nuckel gegen böse Träume. Severin holte mit dem Becken aus, und schlug ihr den Eiter von den Mandeln, wie Eisenerz in der Grube.

„Deine Polypen sind wieder entzündet. Ich muss mit dem Chefarzt ein intensives Gespräch führen.“

Wie bei einer Erkältung lief die Nase. Dicke Rotzblasen schoben sich durch das Doppelloch ihrer Schrotflintennase, und platzten in seinen Schamhaaren auf. Der Schleim blieb ihm in den Locken hängen. Härter konnte ein Schwanz nicht mehr werden, ohne zu platzen. Severin spritzte ihr tief in den Hals.


*


Seine Patientin wurde von schweren Hustenkrämpfen gebeutelt. Angst packte ihn an den Eiern, und ließ sie Richtung Leibesmitte schrumpfen. Woher sollte er wissen, ob der Blupp frischen Rahmspinats in ihre Speise- oder Luftröhre ging? Er musste Anastasia aufrichten, und ihr auf dem Rücken klopfen. Wie einem Baby, das Bäuerchen macht. Sie hatte sich an seinem Samen verschluckt. Seit einer Woche stapfte Severin mit dicken Eiern durch die Gegend, ohne vernünftig abgerotzt zu haben. Und was sie jetzt verdaute, glich Haferschleim in puncto Konsistenz bis auf die letzte Flocke.

„Hast ein schönes Zimmer. Schade, dass du nichts davon merkst.“

Persönliche Bilder hingen an der Wand über der Kommode. Aufnahmen, die andere Pfleger von ihr gemacht hatten an ihrem Geburtstag. Mit Luftschlangen und Konfetti im Haar. Ob sie ihr damit eine Freude machen wollten, konnte Severin nicht sagen. Oder ob es nur ein Abbild ihrer Grausamkeit darstellte gegenüber den Wehrlosen. Trockenblumen steckten in der Vase, und zerfielen zu Staub, wie die Andenken an bessere Zeiten in Großmutters guter Stube. Für Anastasia hatte es nie gute Zeiten gegeben. Sie war mit zwei Gehirnzellen an Bord aus dem Ei geschlüpft. Nur eine weniger, und das Mädel hätte auf dem Hof gescharrt wie ein Huhn. Wenn sie denn wenigstens körperlich dazu in der Lage gewesen wäre, denn Krabbeln gehörte nicht zu ihrem Repertoire. Einem Mann den Mund hinhalten, galt ihr schon als Sinnlichkeit.

„Ein Innenarchitekt würde an deiner Lustlosigkeit verzweifeln.“

Mit dem Waschlappen tupfte er ihr das Kinn. Dann zog er Anastasia ein frisches Nachthemd an, und setzte seine Runde fort. Das menschliche Gemüse war nicht die einzige Patientin der EUTHANA.


*


Seit drei Jahren arbeitete er in dieser Behinderteneinrichtung. Angefangen hatte er als Hilfspfleger mit einfachen Patienten, die selbst ein Praktikant im Schlaf hätte abfertigen können. Niemand hätte dem abgebrochenen Gartenzwerg mit den kindlichen Zügen etwas zugetraut. Severin Klein rangierte knapp hinter der Küchenaushilfe mit dem Teewagen. Pfefferminz, Hibiskus, Kräuter. Zucker oder Honig? Vielleicht lag es daran, dass er mit seinen knappen ein Meter sechzig und schmaler Hühnerbrust verlorener wirkte, als ein Autist ohne feste Regeln. Oder seiner fatalen Vorliebe für Poloshirts und Holzperlenketten. Vielleicht verstörte seine Umwelt auch nur das abstoßende Tattoo auf Severins Oberarm, welches ein menschliches Gehirn mit dampfendem Säureloch darstellte. Kurzum- man konnte ihn nicht wirklich ernst nehmen. Davor hatte er eine seriöse Ausbildung zum Krankenpfleger absolviert. Und sich auf Webvideos mit sabbernden Idioten einen runtergeholt, während Mitkommilitonen über den Prüfungsbögen brüteten. Im Zivildienst hatte er seine spätere Berufung gefunden, so jedenfalls redete er es sich ein. In Wirklichkeit lagen seine Beweggründe viel tiefer, als er sich je eingestehen würde.


*


Severin hatte einen Bruder gehabt, auch wenn alle das jetzt abstritten. Die Tanten, die dem erwachsenen Mann bei jedem Geburtstag in die Wangen kniffen, als wäre er ein unreifes Kind geblieben. Sie brachten selbstgemachte Marmelade, und Torte vom Bäcker auf Papier mit durchbrochenem Rand. Die eigenen Eltern, die nach Brunos Tod den Hobbykeller entkernt, und ein Atelier eingerichtet hatten. Der Ort, wo Severin seine Liebe für Modellbau entdeckt hatte, und seine ersten Kunststücke mit Acrylkleber zusammengesetzt hatte. Sein Vater hatte geweint, als er die Holzvertäfelung weggerissen hatte, und die Wunde zwischen ihnen beiden offen zu Tage trat. Die Eisenbeschläge aus der Wand zu ziehen, die Brunos Ketten gehalten hatten, war ihnen der schwerste Schritt von allen. Niemand sprach von seinem Bruder, und so wurde er vergessen. Niemand deckte den leeren Platz am Tisch mit Teller und Gabel ein. Oder kicherte glucksend über eine Trickfilmfigur, den Mund voll Frühstückszerealien. Er hatte seinen Bruder geliebt. Und nichts war von dessen Andenken geblieben. Die Klamotten an die Heilsarmee, das namenlose Grab im Garten, und Schweigen von allen Seiten. Man rannte gegen deckenlose Mauern vor einem sternlosen Firmament. Severin wollte nicht vergessen, oder sich dem Familienrat beugen. Früh hatte er das Elternhaus verlassen, und war in eine feuchte Kellerwohnung ohne Tageslicht gezogen. Für eine Zeitspanne von zwei Stunden erhaschte er eine Ahnung von Sonne und Helligkeit. Dann war der goldene Moment vorüber, und Severin schaltete um auf Glühbirnen. Setzte den Teekessel auf den Herd, und brühte sich eine Tasse Kräutertee aus der Behindertenwerkstatt. Ein Teller stand parat mit Gebäck, an dem Severin sich bediente. Der eigentliche Grund, warum der gelernte Krankenpfleger sich jede Nacht wach schrie aus zögerlich verblassenden Abbildern seiner Vergangenheit, war im Grunde genommen eine hässliche kleine Anekdote und schnell erzählt.