Cover


Mirja Anderl, Uwe Reineck

mini-handbuch
Organisationsentwicklung

Konzepte, Methoden, Praxistipps

Inhaltsverzeichnis

Einleitendes

Zielgruppen

Der Buchaufbau

Dankeschön

Teil 1
Basiswissen Organisationsentwicklung

Was sind Organisationen?

Womit beschäftigt sich Organisationsentwicklung?

Prinzipien der Organisationsentwicklung

Eine kleine Geschichte der Organisationsentwicklung

Teil 2
Berater und was ihnen in Organisationen begegnet

Die unterschiedlichen Beratungsstile

Haltung des Organisationsentwicklers

Organisationen und ihre Illusionen

Zukunft braucht Herkunft: Veränderungsruinenschau

Teil 3
Arbeitsfelder der Organisationsentwicklung

Führung und Selbstführung

Kommunikation und Konflikt

Organisationsentwicklung als Kulturentwicklung

Digitale Kulturentwicklung

Innovationen

Ziele und Visionen – Taten statt Worte

Handwerkszeug für die Gestaltung von Organisationsentwicklungsprozessen

Der Anfang – bevor es losgeht …

Die Analyse und mehr – Dekonstruktion der Kommunikation

Die Umsetzung – besondere Formate für das Lernen in Organisationen

Teil 5
Anhang

Die Autoren

Der Illustrator

Literatur

Einleitendes

Mit diesem Buch wollen wir Ihnen eine knappe Einführung in die Welt der Organisationsentwicklung geben. Wir beschreiben zahlreiche erprobte und neue Formate und Methoden, die Organisationsentwickler in Unternehmen unterschiedlichster Art nutzen. Wichtig war uns dabei, den praktischen Teilen des Buches stets fundierte theoretische Informationen zuzuordnen. Das Mini-Handbuch lässt sich gut zu einem Konzeptionsgespräch oder Workshop mitnehmen und dient als schnelle Handreichung. Wenn Sie Fragen oder Anregungen zu Themen haben, so laden wir Sie gern ein, mit uns in Kontakt zu treten:

Zielgruppen

Dieses Buch haben wir für interessierte Organisationsentwickler geschrieben, die in der Rolle als interne Berater, externe Berater, Personalentwickler oder Führungskräfte Unternehmen human und effizient gemeinsam mit Betroffenen gestalten wollen. Organisationsentwicklung benötigt neugierige und mutige Menschen, die Lust haben, sich auf Abenteuer einzulassen, die zwangsläufig beginnen, wenn sie sich Fragen stellen wie zum Beispiel:

Nach unserer Erfahrung sind Menschen nach Veränderungsabenteuern meist noch neugieriger und meist noch mutiger. Genau für diese Zielgruppe haben wir das Buch geschrieben. Es soll gleichermaßen Einladung, Bestärkung, Warnung, Aufforderung und Inspiration sein!

Der Buchaufbau

Das Mini-Handbuch ist in fünf Teile gegliedert, die nacheinander oder auszugsweise gelesen werden können. Sie bauen nur insofern aufeinander auf, als dies der rote Faden ist, den wir für unsere eigene Arbeit gefunden haben:

Dankeschön

Auch wenn es nur als »mini-handbuch« betitelt ist, so ist es ein Buch, das viel Aufmerksamkeit benötigt – wir sind froh über die große Unterstützung von allen Seiten. Ganz besonders danken wir allen Kunden und unseren Kollegen der MAICONSULTING. Vor allem Esther Ruh unterstützte uns so vielseitig bei der Entstehung des Buches: Nicht nur inhaltlich an vielen Stellen, sondern auch durch stetes Dranbleiben und schnelle Korrekturen der Texte.

Wieder einmal haben wir mit Christian Ridder zusammengearbeitet, weil wir seine Kreativität in der Ausarbeitung schätzen. Seine Zeichnungen runden die Texte ab und stellen manche unserer kopflastigen Sätze in den Hintergrund.

Unsere Kinder hatten (immer wieder) wunderbar Verständnis für unsere Nichtanwesenheit. Und da dieses Buch kürzer ist als die bisherigen haben wir Hoffnung, dass sie dieses (endlich) lesen werden.

Besten Dank auch an den Beltz Verlag und hier besonderen Dank an Ingeborg Sachsenmeier, die uns so wunderbar lenkt – von der Ideenfindung bis zum Abschluss des Buches.

Teil 1

Basiswissen Organisationsentwicklung

Was sind Organisationen?

Organisation im dynamischen Umfeld

Natürlich wissen es die meisten: Wer etwas herstellt oder verkauft – ein Produkt oder eine Dienstleistung –, muss sich in Märkten und Wettbewerben bewähren, deren Dynamiken man sich vor einigen Dekaden noch nicht einmal vorstellen wollte oder konnte. Unternehmen müssen sich solchen Situationen stellen, aber – in modifizierter Weise – ebenso öffentliche Verwaltungen und soziale Einrichtungen. Gewachsene Strukturen und Vorgehensweisen stehen zunehmend auf dem Prüfstand. Der andauernde Anpassungsdruck verlangt einen Veränderungsdruck, der mittlerweile in seiner Heftigkeit keine vergleichbaren Vorbilder mehr findet.

Auch in ihrer Binnenstruktur sind Unternehmen komplexer geworden: Agilisierung, Internationalisierung, Standardisierung, Diversity, Innovation, Kultur, Kostenreduktion, Mitarbeiterzufriedenheit und Wachstum sind keine neuen Schlagwörter, aber immer noch die Überschriften schlagender Argumentationslinien der getriebenen Veränderungstreiber. Man muss etwas tun. Es wird etwas getan.

Organisationen sind ganz anders – sie kommen nur nicht dazu

Sind Organisationen noch klein, mag man sie. Groß geworden beginnen sie aber ihr Eigenleben und werden kompliziert. Die meisten würden sie am liebsten abschaffen, wenn sie eine Alternative wüssten. Wer beklagt sie nicht, wenn er kann? Ineffektiv, intransparent, entmündigend! Die Vorwürfe sind immer dieselben. Oft scheint es, sie können die Menschen einfach nicht zufriedenstellen, und jeder hat Ideen, wie sie sich verbessern ließen.

Fragt man Betroffene, sind große Organisationen jedenfalls immer irgendwie in der Krise: zu langsam, zu träge, stets hinterherhinkend. Erfolgreich, sagt man, wären sie, wenn ihnen Passung gelänge. Wenn sie das liefern würden, was ihre relevanten Umwelten benötigen, wären alle zufrieden. Aber wie bestimmt man die Relevanz der Umwelt? Wer kann verbindlich sagen: Das ist wichtig und das lass sein? Oft scheint es, als gäbe es für jeden eine eigene Umwelt. Wie kann sie da passen? Jeder denkt doch: Eigentlich müsste sie ganz anders sein!

Ach, Organisationen sind eigentlich ganz anders, sie kommen nur nicht dazu. Sie waren eigentlich immer schöner gedacht, als sie real daherkommen. Und dann beschreiben und verkünden sie selbst noch die Ideale, an denen sie regelmäßig scheitern: gute Führung, agile Strukturen, kurze Entscheidungswege, passende Kultur, produktive Zusammenarbeit, attraktive Visionen, dialogische Entscheidungen, lernende Organisation, delegierte Verantwortung, nachhaltiges Wirtschaften, dynamische Fehlerkultur, zufriedene Mitarbeiter, starke Innovationskraft, echte Wertschätzung, interne und externe Vernetzung, dialogische Kundenorientierung.

Die Anforderungen an alle, die steuern sollen, sind paradox: Strukturen und Prozesse sollen stabil Output produzieren und sich gleichzeitig flexibel anpassen.

Womit beschäftigt sich Organisationsentwicklung?

In der Regel wenden sich Unternehmen dann an Organisationsentwickler, wenn sie geeignete Wege suchen, um Übergänge von einem alten Zustand in einen neuen, noch unbekannten Zustand zu gestalten. Nicht jede Organisationsentwicklung ist ein Change-Projekt, aber jedes Change-Projekt sollte auch aus der psychosoziologischen Perspektive der Organisationsentwicklung betrachtet werden.

Die Psychosoziologie drückt sich im Lebens- und Arbeitsgefühl der Menschen aus, in ihren Überzeugungen, Gewohnheiten und den Geschichten, die sie erzählen, in den Zeichen, die sie verwenden. Hier zeigt sich, wie im Unternehmen etwas unternommen wird.

Organisationsentwicklung ist die bekannteste psychologisch gestützte Form des geplanten Wandels in Unternehmen. In Anlehnung an verschiedene Quellen definieren wir Organisationsentwicklung wie folgt:

Info: Definitionen Organisationsentwicklung

Organisationsentwicklung ist ein Sammelbegriff für theoretische Ansätze, Diagnoseverfahren, Interventionsmaßnahmen und Evaluationsmethoden, die Effektivität und Effizienz einer Organisation erhöhen und die organisationale sowie individuelle Lernfähigkeit fördern.

Die Veränderungs- und Entwicklungsprozesse der Organisation, und der in ihr und für sie tätigen Menschen, sollen dabei von diesen selbst aktiv getragen und bewusst gelenkt werden und somit zur Erhöhung des Problemlösungspotenzials und der Selbsterneuerungsfähigkeit der Organisation führen. Die Menschen gestalten dabei gemäß ihren eigenen Werten die Organisation und den Veränderungsprozess authentisch so, dass diese nach innen und außen den wirtschaftlichen, sozialen, humanen, kulturellen und technischen Anforderungen entsprechen können.

In der Regel werden in der Organisationsentwicklung zwei Ansätze unterschieden, die aus zwei unterschiedlichen Ausgangslagen resultieren: der reaktive Ansatz und der antizipative Ansatz.

Eine weitere Unterscheidung betrifft die angestrebten Veränderungen. Dabei lassen sich Änderungen erster und zweiter Ordnung differenzieren.

Eine nächste Unterscheidung betrifft den Umfang der Zielstellung.

Organisationsentwicklung in der Praxis

Gäbe es einen idealtypischen Organisationsentwicklungsprozess, würde er bei der Organisationdiagnose und Hypothesenbildung beginnen, setzte sich fort über die Planung von Interventionen und Eingriffen auf der Grundlage empirisch gesicherter Wirkungstheorien und mündete dann in der Realisierung konkreter Maßnahmen, deren Ergebnis empirisch kontrolliert und evaluiert werden könnte.

In der Praxis sehen Organisationentwicklungsprozesse aber ganz anders aus. Die Diagnose und die Form der Diagnose sind bereits Interventionen: Fragen zu Führung, Konflikten, Kultur, Aufbauorganisation, Prozessen und Stimmungen eröffnen Diskurse über etliche Themen, die möglicherweise vorher nicht im Gespräch waren. Sind sie besprechbar und kritikwürdig, dann werden sie auch veränderbar.

In der Praxis gibt es selten linear beziehungsweise sequenziell verlaufende Organisationsentwicklungsprozesse, denn naturgemäß gelten in komplexen Systemen keine einfachen Kausalitäten. Zumindest sind sie für außenstehende Berater und manchmal auch für die Internen selbst bisweilen schwer durchschaubar. Organisationen sind nicht rational. Auch wenn Berater sich das nur ungern eingestehen, handeln sie ebenfalls meist nach dem Prinzip Versuch und Irrtum. Gefühlslagen von Irritation, Ratlosigkeit und Selbstzweifel sind bei Beratern normal.

Die Organisation als Mini-Gesellschaft

Aus der Sicht von Organisationsentwicklern sind Organisationen Mini-Gesellschaften: komplexe politische Gebilde von Gruppen im Austausch, die Interessen- und Zielkonflikte haben und Wege finden müssen, diese zu lösen. Menschen in Organisationen realisieren ihre eigenen unterschiedlichen Wert- und Lebensvorstellungen und verfolgen dabei Aktivitäten, die unterschiedlich eng am Zweck und Ziel des Ganzen orientiert sind.

Die Komplexität und Differenziertheit moderner Gesellschaften findet sich gleichermaßen in den Unternehmen wieder, obwohl durch die rationale Ausrichtung und hierarchische Ordnung vieles einfacher scheint als »draußen«.

In der individuellen Menschenperspektive kann eine Organisation für manche Heimat sein, Identität stiften, Sinn erzeugen. Anderen ist sie Spielwiese ihres Ehrgeizes oder Bühne der Selbstherrlichkeit. Wo Menschen leben und arbeiten, gibt es Klatsch und Tratsch, Freude, Missgunst, Stolz, Neid, Unzufriedenheit, verdeckte und offene Konflikte, unauflöslich erscheinende Widersprüche, böse Geschichten und gute Geschichten, Liebe und Hass, Irrglauben, Lügen, Träume, Ungleichgewichte, Ungereimtheiten, Egoismen, Glaubenssätze. Organisationsentwickler erkennen diese Realitäten – jenseits aller zur Schau gestellten Rationalität – als bestimmend an und beziehen diesen Humanfaktor gern mit ein. Es geht nicht darum, die Rationalitätslücken einfach zu schließen, wie sich das so mancher Manager wünscht. Denn wahrscheinlich gebiert gerade ein solches Chaos die Sterne.

Gelingende Organisationsentwicklung

Auch wenn manche sich fragen: Wie kann Chaos, Improvisation, Prozessklitterung und Krisenmanagement zum Erfolg führen? Die Organisation in ihrer Gesamtheit scheint immer klüger als die Einzelnen. Sie schafft es irgendwie, auch wenn so mancher darauf wetten würde, dass ihr es nicht gelingt. Organisationen sehen immer schlechter aus, als sie tatsächlich sind. Sie werden in ihrer Unempfindlichkeit meist unterschätzt.

Menschen entwickeln ihre Organisation, indem sie beginnen, miteinander über sie nachzudenken. Eine Definition der Organisationsentwicklung lautet: Das sind alle geplanten und ungeplanten Veränderungen in einer Organisation. Wenn sich nicht so viele bemühen würden, Organisationen auf Gedeih und Verderb zu verändern, hätten sie vielleicht wieder mehr Muße, genau das zu tun: sich in Ruhe zu entwickeln. Möglicherweise würde es ausreichen, den Menschen Luft und Zeit zu lassen, von ihrer Arbeit zu erzählen, sich gegenseitig zeigen zu können, was geschafft wurde und noch zu schaffen ist und jemand sein zu wollen, der beim Erzählen zuhört und nachfragt.

Organisationsentwicklung wäre dann ein umfangreiches und viele Themen umfassendes Gespräch zahlreicher Menschen. Alle mit viel Neugier aufeinander. Gute Organisationsentwickler wären gute Zuhörer und Versteher, manchmal Dialogdesigner.

Prinzipien der Organisationsentwicklung

»Wie du beim Gehen darauf achtest, dass du nicht in einen Nagel trittst oder dir den Fuß verstauchst, so nimm dich auch davor in acht, dass das leitende Prinzip in dir keinen Schaden nimmt. Und wenn wir diese Regel bei jeder Handlung einhalten, dann werden wir mit größerer Sicherheit an die Sache herangehen.« (Epiktet)

In der Organisationsentwicklung kommen viele Formate und Methoden zum Einsatz. Wichtiger aber ist die Haltung der Berater, mit der sie einer Organisation begegnen. Im Folgenden beschreiben wir einige Prinzipien der Organisationsentwicklung, die auch die Herangehensweisen bestimmen.

Organisationen – das sind die Menschen. Wenn wir mit einer Organisation arbeiten, sehen wir sie als Ganzes, als kleine (geschlossene) Gesellschaft. Sie ist ein Gebilde aus Gruppen und Individuen, die zusammenarbeiten und dabei immer wieder Interessen- und Zielkonflikte austragen. Menschen realisieren unterschiedliche Wert- und Lebensvorstellungen, die manchmal vom Zweck des Gesamten losgelöst sind. Die Kompliziertheit und die Komplexität moderner Gesellschaften finden sich auch in den Unternehmen wieder. Und es ist gut, wenn Träume vom perfekten Unternehmen auch Träume bleiben. Ein perfektes Unternehmen wäre ein totalitäres Unternehmen.

In der Arbeit mit der Organisation werden ein cooler, analytischer Blick und zugleich ein liebevoller Beziehungsaufbau und Engagement in der Arbeit mit den Menschen benötigt, um sie bei der Gestaltung ihres Lebensraums Organisation zu ermutigen und zu unterstützen.

Organisationsentwickler geben Hilfe zur Selbsthilfe. Im Gegensatz zu Fachberatern wissen sie nicht besser, was zu tun ist, sondern schaffen den Rahmen für eine Weiterentwicklung im Dialog. Organisationsentwickler ermutigen und helfen Menschen, ihre Organisation selbst zu gestalten.

Bessere Produktivität entsteht durch Engagement. Die Verbesserung der Lebensqualität und der Problemlösefähigkeit stehen im Vordergrund. Da wo Menschen gern arbeiten, gut zusammenarbeiten und Selbstverwirklichung möglich ist, steigen die Chancen für mehr Produktivität.

Organisationsentwicklung statt Changismus. Warum müssen Change-Projekte so großartig aufgesetzt werden? Vielleicht ist es besser, die Träume vom perfekten Unternehmen zu vergessen. Die bodenständige Alternative zum Veränderungsaktionismus besteht in permanenten Anpassungsleistungen der Organisation und ihrer Menschen, die das Gegebene erweitern, modellieren und Teil des Alltagsgeschäfts werden lassen. Das bedeutet: Keine riesigen Kick-offs mehr, die viel zu viel auslösen, was sie am Ende gar nicht einlösen können. Organisationen sind heterogen wie eine Mini-Gesellschaft und lassen sie eher als große Gesprächsrunden vorstellen. Nur an manchen Stellen lässt sich das Gespräch beeinflussen, auch wenn es natürlich am schönsten wäre, der gesamten Organisation zuzuhören.

Und wenn Berater anderen Menschen das Gefühl geben können, dass sie nicht immer nur Opfer der Umstände sein müssen, sondern mit anderen gemeinsam ihr Ding machen können, dann wäre das schon viel.

Leidensdruck statt Dringlichkeit. Die Aufteilung der Zuständigkeiten in großen Unternehmen zwischen denjenigen, die managen, und den anderen, die – gestützt auf Fachkenntnisse – die operative Arbeit machen, hat zu einer Entmachtung der Fachleute geführt und gleichzeitig zu einer überdimensionierten Aufwertung von Führung, Messung und Steuerung. Dabei könnte es so einfach sein: Wer die fragt, die sich mit den Themen auskennen, die genau wissen, was sie benötigen, um gut arbeiten zu können, der stößt in der Regel auf die wirklich bedeutsamen Themen.

Beziehung statt Funktion. Oftmals bewertet die Organisation die Erledigung von Aufgaben höher als den Aufbau von Beziehungen. Hilfreich ist, wenn die miteinander arbeitenden Menschen in der Organisation eine gute Beziehung haben. Gute Beziehung bedeutet dabei eine vertrauensvolle und offene Teamkultur zu leben. Durch häufiges Zutrauen in die Erfüllung der Aufgabe erwächst Vertrauen (dadurch wird kostspielige Kontrolle unnötig). Offenheit braucht es deshalb, um in Arbeitskontexten schwierige Themen auch anzusprechen und kreative (vielleicht zunächst unsinnige) Ideen zu beschreiben (auszuplaudern). Dies kann nur in einer guten Beziehung entstehen, in der man sich sicher fühlt und vertrauen kann.

Taten statt Worte: Handeln ist wichtiger als PowerPoint-Präsentationen. Dort, wo es darum geht, etwas zu verändern, sollte es tatsächlich gemacht und nicht nur darüber geredet werden. Als Appelle formuliert: Arbeitet nicht mehr mit Visionen, Absichtserklärungen, Veränderungsappellen! Lasst Taten sprechen! Die Einzigen, die Führungskoalitionen verändern können, sind diese selbst. Storymaking ist wichtiger als Storytelling!

Echte Bilder statt Visionen – Face Reality: Gut wäre, weniger von der Zukunft zu träumen, sondern stattdessen das anzuschauen, was im Hier und Jetzt ist. Also am besten dorthin zu gehen, wo etwas getan wird und wo sich etwas tun soll.

Beispielsweise Perspektivwechsel durch Bewegung ermöglichen. Lernreisen nach innen und außen machen! Im Seminarhotel hat man in der Regel nur Visionen, auf Reisen dagegen entstehen echte Bilder. Wie wäre es, wenn der Traum von einer idealen Organisation zerstört würde und es gelänge, die bestehende Kultur anzunehmen und an ihr weiterzuarbeiten?

Heterarchie statt Hierarchie. Mehr Führung wird gebraucht. Aber anders. Verteilte Führung. Führung aber ist zu wichtig, um sie nur den Führungskräften allein zu überlassen. Irgendwann am Ende steht verteilte Führung oder Selbstführung. Viele übernehmen Führungsaufgaben und alle führen sich selbst.

Besinnen statt emotionalisieren. In den meisten Organisationen gibt es Geschichten von (missglückten) Veränderungen. Diese Geschichten sind Teil der Kultur (die verändert werden soll). Anhand der Art und Weise, wie solche Change-Vorhaben durchgeführt wurden, was sie bewirkt oder nicht bewirkt haben und wie sie verarbeitet wurden, können das System und seine Menschen verstanden werden. Große Emotionalisierungen in Veränderungsprozessen erzeugen vor allem Enttäuschungen. Besinnen wäre wichtiger: auf das, was bisher hilfreich war und was nicht. Sich gemeinsam der Reflexion hingeben und daraus das Neue entstehen lassen.

Schätze ausgraben statt alles neu erfinden. Wo haben sich gute Lösungen entwickelt? Vielleicht brechen sie Regeln und bleiben deshalb im Verborgenen, aber sie leben. Diese Querdenker bieten Lösungen an – sie gilt es zu stärken und zu verbreiten! Es sind diejenigen, die sie vorantreiben, die unterstützt werden sollten.

Weisheit der vielen statt Silberrückenentscheidungen: Die Weisheit der Mitarbeiter nutzen! Technische Hilfsmittel so einsetzen, dass es funktioniert. Für Transparenz sorgen, damit Entscheidungsspielräume sichtbar werden. Die »Weisheit der vielen« ist die Alternative zu Überheblichkeit, Kurzsichtigkeit und Naivität eines Einzelnen.

Spiele aufdecken statt spielen. Spiel ist die Metapher für wiederkehrende Gesprächs- und Handlungsmuster in Organisationen, in denen Rollen übernommen oder zugewiesen werden, ohne dass die Beteiligten den Eindruck haben, aktiv auf das Geschehen Einfluss zu nehmen.

Organisationen sind Spielwiesen für Erwachsene. Werden in regelmäßiger Reflexion nervende Kommunikationsspiele aufgedeckt und beschrieben, kommen sie ins Bewusstsein und werden dekonstruiert. Sind die Spiele einmal enttarnt, werden sie in der Regel nicht mehr gespielt.

Führungskoalitionen verändern sich selbst und nicht die anderen. Zunächst gilt es, die Führungskoalitionen einer Organisation zu verstehen: Veränderung beginnt oben. Die Organisation ist so, weil Führung so ist. Menschen verhalten sich systemlogisch. Sie richten ihr Verhalten danach aus, was die Organisation von ihnen erwartet beziehungsweise was sie denken, was diese von ihnen erwartet. Was die Führungsspitze tut, hat Signalwirkung, und die Einzigen, die Führungskoalitionen verändern können, sind die Menschen in der Führungskoalition selbst.

Eine kleine Geschichte der Organisationsentwicklung

Die Wurzeln der Organisationsentwicklung finden sich unter anderem in den Anfängen der Gruppenforschung, der Gruppenpsychotherapie, der Gruppendynamik und in den damit verbundenen Methoden der Aktionsforschung. Die Objekte der Forschung sind hier aufgefordert, zum einen selbst aktiv zu werden, und zum anderen neben der Rolle des Gegenstands der Erforschung zudem die Rolle des Forschers selbst zu übernehmen. Dieses Vorgehen hat sich in der Überzeugung, dass Betroffene beteiligt werden müssen, bis heute gehalten. Das war damals schon ungewöhnlich und ist es bis heute geblieben.

In den 1920er-Jahren: Der Auftritt der Psychologen

Die Psychologen kamen zunächst als Vermesser auf die Bühne. Sie sollten wissenschaftlich genau herausfinden, wer wann gut arbeitet und wer welche Arbeit übernehmen kann und soll. Führungsqualität als eigene Fähigkeit zu verstehen, als etwas Abgrenzbares von anderen Fähigkeiten, war damals neu, aber nicht einzigartig. Ähnliches geschah mit der Intelligenz, die erstmals bei Soldaten übergreifend vermessen wurde.

Am Anfang wurden der Mensch und seine Arbeit vermessen. Die Mensch-Maschine-Interaktion stand im Vordergrund. Wie lange braucht »man«, bis das oder jenes getan ist? Wie viele Pausen sollte »man« einlegen? Erst später trennte man das eine vom anderen. Man nahm das »man« ins Visier. Der Mensch allein wurde vermessen, um vorherzusagen: Wird er das Geforderte bringen? Vielleicht war das der Anfang der Spaltung, die auch heute noch in der Beraterszene zu erkennen und zu erleben ist: Die einen nehmen den Menschen ins Visier, die anderen die Arbeit.

Im Ersten Weltkrieg hatten die Psychologen üben dürfen. Die neuen Personalpsychologen, wie sie sich nannten, hatten Wege entwickelt, um die Rekruten auf psychische Störungen zu untersuchen und ihre Eignung für bestimmte militärische Aufgaben zu prüfen. Und sie begannen, Motivation und Kampfmoral zu untersuchen. Mithilfe von Motivationstrainings, um die die militärische Ausbildung erweitert wurde, wollte man die Kriegsmoral aufrechterhalten und fördern. Ergänzt wurde der allgemeine Optimierungswahn durch betriebsinterne Weiterbildungen von Arbeitern und die Entwicklung einer grundlegenden Funktion des organisatorischen Managements. Große Mengen an Kriegsmaterial wurden produziert und mussten an die Front gebracht werden.

In den 1920er-Jahren wurde die Arbeits- und Organisationspsychologie geboren. Spezialisten traten auf den Plan und lieferten Werkzeuge zur Vermessung des Menschen in der Arbeit. Gab es zu Anfang des Jahrhunderts noch überhaupt keine Veröffentlichung zum Thema, so waren es Ende der 1920er-Jahre schon um die 1 000 Fachveröffentlichungen und 80 Jahre später das Zwanzigfache.

Zur gleichen Zeit zog die Wirtschaft dieselben Psychologen zurate. Man wollte nun wissen: Welcher Arbeiter wird produktiv sein? Welcher nicht? Zunächst versuchten sie es mit der Korrelation von Intelligenz. Waren die Intelligenten auch produktiv? Das waren sie nicht. Dafür stellte man fest, dass bestimmte Persönlichkeitsmerkmale wie Ehrlichkeit, Loyalität und Verlässlichkeit für die Produktivität viel wichtiger waren.

Hier beginnt die Erfolgsgeschichte von Elton Mayo und Hawthorne. »Hawthorne-Studien« wurde eine Reihe von Untersuchungen zur Arbeitsorganisation genannt, deren Ergebnisse noch heute jeder angehende Psychologe büffeln muss, weil sie für die Prüfung im Fach Wirtschaftspsychologie relevant sind. Der Name stammt von den »Hawthorne-Werken« der »Western Electric Company«, die nach dem Ort Hawthorne, nahe Chicago, benannt waren. Ursprünglich untersuchten die Soziologen um Elton Mayo (1880–1949) im Rahmen eines zehnjährigen Forschungsprojektes (1924–1934) Ermüdungsfaktoren. Dabei fanden sie heraus, dass Pausenregelungen, Lohnzahlungen, Arbeitsplatzbeleuchtung und Zimmertemperatur nicht ganz so viel mit der Effektivität und Zufriedenheit am Arbeitsplatz zu tun hatten, wie vermutet. Das Klima innerhalb der Arbeitsgruppe war viel bedeutsamer für das Arbeitsergebnis als alles andere.

Heute erscheinen uns die Ergebnisse selbstverständlich, damals waren sie revolutionär: Menschen in Arbeitskontexten schienen demnach einen großen Wunsch nach Wertschätzung durch die Kollegen aus der eigenen Arbeitsgruppe zu haben. Diese Wertschätzung war für die Arbeitsmotivation der meisten Menschen sogar wichtiger als betriebliche Belohnungs- und Entlohnungssysteme. Denken, Fühlen und Handeln des Einzelnen – so zeigten es die Ergebnisse – wurden vor allem durch die Arbeitsgruppe bestimmt. Konkurrenzsituationen zwischen Kollegen aus der gleichen Arbeitsgruppe wurden eher vermieden und mehr Spezialisierung führte nicht zwangsläufig zu einer Erhöhung der Effizienz.

Ein neues Tätigkeitsfeld war geboren: Die Verbesserer der zwischenmenschlichen Beziehungen am Arbeitsplatz versprachen nun, durch mehr Arbeitszufriedenheit die Arbeitsmotivation – und damit die Effizienz – zu erhöhen. Jahrzehnte später, in den 1970er-Jahren, hatte Henry McIlvaine Parsons Zweifel an der Seriosität der Felduntersuchung und recherchierte. Er fand heraus, dass Mayo und seine Kollegen bei der Publikation ihrer Studien wichtige Informationen zurückgehalten hatten. Das stellte die vormals für so erhellend gehaltenen »Hawthorne-Experimente« in ein trübes Licht. In Wahrheit nämlich waren die Versuchspersonen harsch und rüde angegangen worden, wenn sie zu viel redeten. Außerdem wurden sie zu schnellerem Arbeiten angehalten. Die Studienleiter drohten den Probanden, sie wieder zurück zu den anderen Arbeitern zu schicken, sollten sie nicht im Zeitplan bleiben. Auch regelmäßiges »Leistungsfeedback« gehörte zum Alltag der Experimente. Solche massiven Manipulationen der Versuchspersonen machten die Ergebnisse natürlich problematisch. Die Hawthorne-Experimente waren demzufolge auch nur ein Teil der Misere, für deren Bewältigung sie später herhalten sollten. Obwohl diese üblen Manipulationen längst bekannt sind, wurden die Studien zur Mutter der Human-Relations-Bewegung in der Arbeitswelt.

Das Nebenprodukt der Revision wurde übrigens zu einem Haupteffekt in der Wissenschaftsgeschichte und gab diesem seinen Namen: In der Soziologie und der Psychologie gilt der sogenannte »Hawthorne-Effekt« als gesichert. Seither weiß man, dass Versuchspersonen, die um ihr Beobachtet-Werden wissen, ihr übliches Verhalten verändern.

Gruppendynamik wird wichtig

1940 lud die amerikanische Regierung 25 führende Psychologen nach Washington zur Diskussion ein, um militärische Fragen mit dem wissenschaftlichen Kenntnisstand über die Zivilbevölkerung zu verzahnen beziehungsweise um entsprechende Forschungsprogramme zu erörtern und aufzulegen. Die Psychologen gehörten unterschiedlichen Disziplinen an und sollten unter anderem die Regierung mit Informationen über die patriotische Gesinnung der Bevölkerung und die Kampfmoral amerikanischer Soldaten versorgen. So war die Regierung etwa an der Beantwortung der Frage interessiert, wie die Bevölkerung auf einen Eintritt in den Zweiten Weltkrieg reagieren würde.

Die politischen Ereignisse (Pearl Harbor, 07.12.1941) entwickelten jedoch eine derart rasche Eigendynamik, dass die Ergebnisse der Befragung nicht abgewartet werden konnten. Zwar trat hier noch kein direkter Einfluss auf die Politik auf, bemerkenswert ist aber, dass die Regierung in einer kritischen Zeit eine Expertise erwog, was sich als zusätzlicher Anstoß für die Weiterentwicklung gruppendynamischer Prozesse werten lässt.

Weitere Ansätze der Gruppenforschung sind in der Zeit nach dem Krieg zu erkennen, als sich die Wissenschaftsförderung generell im Aufschwung befand. Zwar lag der Schwerpunkt der Investitionen bei den Naturwissenschaften, doch wurde die Forschung der Sozialwissenschaften ebenfalls forciert. Arbeitslosigkeit, Armut, Immigration und veränderte Arbeitsbedingungen erforderten sozialwissenschaftliche Studien und Ansätze, um neue gesellschaftlichen Entwicklungen und Möglichkeiten auszuloten. Im Kern ging es darum, inwiefern das, was in Gruppen geschieht, Einfluss auf und Nutzen für den Erfolg von Organisationen hat oder gar den entscheidenden Faktor für Veränderungen darstellen kann. Erste Erfahrungen wurden gesammelt und fortan unter dem Begriff der »Gruppendynamik« erforscht.

Ende der 1950er-Jahre begannen einige große Unternehmen wie Esso, Union Carbide, TRW System Groups sowie Entwicklungsteams der Raumfahrt das Lernkonzept der Gruppendynamik organisationsintern als Trainings einzusetzen.

In Deutschland fand das erste Gruppendynamikseminar 1963 in Schliersee (Oberbayern) statt. Ziel dieses Seminars war, den autokratischen Erziehungsstil von 30 Lehrern in drei Wochen zu beeinflussen. Methodisch waren die Tage von Gruppenarbeit in sogenannten T-Groups geprägt. Die Aufgabe der Gruppe bestand darin, sich selbst zu erforschen. Von den Trainern wurden nur Ort und Zeit vorgegeben, jedoch kein genauer Arbeitsplan. Die Gruppe war darauf angewiesen, den Lernprozess selbst zu gestalten, was besonders in der Anfangsphase auf alle Beteiligten recht verunsichernd wirkte. Das Seminar in Schliersee kam bei den Lehrern gut an. Am größten war der Lernfortschritt wohl bei Einsichten in soziale Gesetzmäßigkeiten und ihre Handhabung sowie beim Reflektieren der eigenen Wahrnehmungen und Verhaltensweisen.

In der Folgezeit entstand eine beachtliche Organisationsentwicklungbewegung, die Ende der 1960er-Jahre zur Festlegung von Ausbildungsrichtlinien für Gruppendynamiktrainer führte. Im »Psychoboom« der 1970er-Jahre verwischten sich zeitweise die Grenzen zwischen Gruppentherapie und Gruppendynamiktraining, was sich unter anderem daraus erklärt, dass viele Gruppentrainer auch eine psychotherapeutische Ausbildung hatten und somit in die Laboratorien therapeutische Interventionselemente einbrachten.

In den 1980er-Jahren erlebte die Organisationsentwicklung eine Blütezeit, als an Universitäten dazu experimentiert und geforscht wurde und ein Angebot an Lehrgängen entstand. Auch die Betriebswirtschaftslehre griff das Thema auf. Dort blieb es aber eher in den Kinderschuhen stecken. Hingegen kamen die Ansätze der Organisationsentwicklung und der Gruppendynamik mehr und mehr im Denken von Organisationen an, wo sie ein neues Verständnis für die eigenen Funktionsweisen und Abläufe bewirkten und den Umgang mit Gruppen prägten.

Aktionsforschung als eine Quelle: Kurt Lewin (1890–1947)

Durch Kurt Lewin erfuhr das Konzept wissenschaftlicher Sozialforschung eine Neuinterpretation, indem er die Objektivitätsvorstellung fallen ließ. Dieses Prinzip sieht den Forscher als Beobachter eines Objekts. Man meinte, je besser seine Distanz schaffenden Methoden seien, desto neutraler ließen sich soziale Phänomene so beschreiben, wie sie »wirklich« sind.

Demgegenüber verfolgte Lewin mit seinem Aktionsforschungsansatz ein anderes Ziel. Er verbindet Selbstbeobachtung mit Selbstreflexion. Der empirisch arbeitende Forscher begibt sich in das Untersuchungsfeld, um es gemeinsam mit den betreffenden Akteuren zu verbessern.

Neuartig war der Ansatz der Aktionsforschung: Problemlösungen nicht von außen zu erzwingen, sondern sie in der betreffenden Situation gemeinsam mit den Beteiligten zu finden. Aktionsforscher suchen den Entstehungsort des Problems auf (Betrieb, Schule oder andernorts). Dabei gehen sie in den sozialen Kontext, um mitten in der Dynamik vorhandener Strukturen mögliche Probleme mit den Beteiligten zu analysieren. Das kann durch schriftliche Umfragen sowie durch mündliche Interviews vonstattengehen. Die erhaltenen Informationen werden sodann zielgerichtet in die Organisation zurückgegeben. Je nach Absicht der Intervention wird ein passendes Feedback ausgewählt, also die entsprechende Form, der richtige Zeitpunkt und die Art der Informationen, die zurückgegeben werden. Durch die Einbeziehung dieser Elemente kommt es zur unterstützten Selbstanalyse der Beteiligten. Aktionsforschung ist ein Anwendungskonzept. Der Aktionsforscher ist dabei ein »Fachexperte«, der die Betroffenen nicht zu Objekten von Forschung und Veränderung macht, sondern soweit wie möglich zu Subjekten. Das bedeutet: Sie werden zu Mitgestaltern dieses Prozesses.

Lewin konnte zeigen, dass Verhaltensänderungen vor allem dann zu erzielen sind, wenn sich die Mitglieder einer Gruppe zu einem bestimmten Verhalten verpflichten (Commitment). Er schloss aus seinen Studien, dass das Prinzip »Unfreezing, moving and refreezing« bei Veränderungen in Gruppen greift: Erst muss eine alte Einstellung aufgetaut, dann eine Verhaltensänderung erreicht und darauf dieses neue, veränderte Verhalten wieder eingefroren werden.

Die ersten Projekte auf dem Gebiet mögen aus heutiger Sicht nicht allzu spektakulär wirken, damals aber waren sie revolutionär und haben ein neues, zeitgemäßes Verständnis von Beratung entscheidend mitgeprägt. Um die besondere Rolle der Aktionsforschung für die Entwicklung der Prozessberatung besser zu verstehen, folgt ein kleiner Einblick in jene frühen Projekte.

Die erste Aktionsforschung in der Industrie fand 1939 in einer ländlichen Gemeinde in Virginia statt. Das Management der Harwood-Manufacturing-Corporation hatte Probleme, die anvisierten Produktionszahlen zu realisieren. Alle möglichen Versuche, das Unternehmen aus dem Produktionstief zu holen, zeigten bis dato nicht die erwünschte Wirkung. Und so beauftragte man Kurt Lewin, die Ursache des Problems herausfinden. Aus seiner Sicht lag sie darin, dass den Mitarbeitern das Produktionsziel zu hoch erschien. Das Nichterreichen des Ziels wurde nicht als persönliches Versagen empfunden, das durch Selbstmotivation hätte ausgeglichen werden können. Vielmehr sahen die Mitarbeiter die Ursache im Management, das die scheinbar unerreichbaren Produktionszahlen festgesetzt hatte.

Lewin bat daher das Management um dreierlei:

Zur Umsetzung dieser Prämissen Lewins heuerte das Management nun Arbeiter einer eben erst geschlossenen Fabrik an, die sich, hoch motiviert und glücklich über die Wiederbeschäftigung, den Aufgaben und dem Produktionsziel stellten. Und die beides auch erfüllten. Den »alten« Mitarbeitern wurde das scheinbar nichtrealisierbare Ziel des Managements als doch realisierbar gezeigt und so stiegen die Produktionszahlen bei ihnen ebenfalls an.

Dass das vermeintlich unerreichbare Ziel tatsächlich erreicht worden war, änderte das Betriebsklima nachhaltig. Lewin betreute das Management und die Belegschaft auch weiterhin und überzeugte dabei mit Humor, Herzlichkeit und ehrlichem Interesse. So konnte er den Vorschlag für ein Forschungsprogramm durchsetzen, das sein Kollege Alex Bavelas leitete. Bavelas führte wöchentlich mehrere Gespräche mit einer kleinen Gruppe von Arbeitern, um Defizite und Chancen der Produktionssteigerung zu diskutieren. Am Ende eines solchen Gesprächs (jeder wurde auch einzeln befragt), legte die Gruppe selbst fest, um wie viel sie sich steigern wollte und welchen Zeitrahmen sie dafür benötigte. Dieser kleinen Gruppe gelang es, ihre selbst gesteckten Ziele zu erreichen, während die anderen Arbeiter keinen signifikanten Leistungszuwachs erkennen ließen. Lewin zufolge kam es zu diesen Ergebnissen, da der Entscheidungsakt die Motivation mit der Handlung verband.