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Autoreninfo

Heinz Jürgen Schneider, geb. 1954, arbeitete lange als Rechtsanwalt und lebt in Hamburg.

Seine Krimi-Trilogie Tod in der Scheune, Tod am Hafenkai und Tod in der Ballnacht spielt im hohen Norden Deutschlands um das Jahr 1933.

Zuletzt veröffentlichte er den politischen Thriller Im Land der Lügen.

Mehr auf: www.h-j-schneider.net

Heinz Jürgen Schneider

Zwanzig Millionen

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© 2018 Heinz Jürgen Schneider

Verlag und Druck: tredition GmbH, Grindelallee 188, 20144 Hamburg

ISBN

Paperback: 978-3-7439-8151-5
Hardcover: 978-3-7439-8153-9
e-Book: 978-3-7439-8152-2

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Drei Männer saßen an dem schweren Tisch aus Eiche im obersten Stockwerk des Hauptquartiers. Ein General und zwei Zivilisten in hellen Sommeranzügen.

Die verstörende Mitteilung stand in einem umfangreichen Bericht mit endlosen Zahlenkolonnen. Sie war ganz neu und zweifelsfrei korrekt.

Was war passiert? Und wie konnte es passieren?

Es wurde nur wenig gesprochen.

Der mächtigste der Männer verlangte in deutlichen Worten eine rasche Aufklärung. Der Mann für die Sicherheit nickte.

Die Notwendigkeit der strikten Geheimhaltung war allen im Raum klar.

Dabei hatte die Operation vor acht Tagen planmäßig begonnen und das Land vielleicht für immer verändert.

1

Der 14. Juni 1948 war ein Montag.

Von der dänischen Grenze bis zum Bodensee wird zur Arbeit gegangen oder in die Schule, gekocht, Wäsche gewaschen, geboren oder gestorben, Schlange gestanden, Post ausgetragen, gegessen oder Kohldampf geschoben, gelacht oder geweint. Ein ganz normaler Tag in der Trizone des besetzten Deutschlands.

Für die Eingeborenen von Trizonesien, wie sich viele Deutsche nach dem populären Schlager aus dem letzten Karneval nannten. Trizonesien, gebildet aus der amerikanischen, britischen und französischen Besatzungszone westlich der Elbe. Östlich davon befand sich die sowjetische Zone. Es existierte auch eine deutsche Verwaltung, aber ein neuer deutscher Staat lag nach dem Mai 45 in weiter Ferne.

Im dritten Sommer nach der Stunde Null, dem Ende von Hitler und Krieg, gab es wenig. Wenig Optimismus, wenig Essen, Wohnraum, Sicherheit oder Zukunft. Keine Arbeit ernährte allein einen Menschen oder seine Familie. Trümmer und Schutt des Krieges waren aus den Städten vielerorts verschwunden, aber es erfolgte noch kaum Wiederaufbau. Mit der Beseitigung von Schmutz und Dreck aus der Nazizeit in den Köpfen der Menschen sah es oft noch nicht viel besser aus.

Es herrschten Stillstand und Mangel. Industrie, Landwirtschaft und Handel hatten das Niveau der Vorkriegsjahre noch nicht wieder erlangt. Ein grauer Schleier breitete sich über das Leben von 45 Millionen Bewohnern der Westzonen. Es wurde auf der Stelle getreten. Jedenfalls von vielen.

Das Geld war ein Problem und ein Ärgernis, ein Ausdruck der düsteren Lage. Niemand konnte leben und überleben ohne die Lebensmittelmarken und Bezugsscheine, die an alle ausgeteilt wurden. Dafür gab es karge Zuteilungen. Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel. Die Verwaltung des Mangels.

Für die 6-Tage-Woche an der Drehbank erhält ein Arbeiter am Monatsende 280 Reichsmark. Ein Angestellter in der Verwaltung bekommt 200 Mark, eine Schuhverkäuferin noch weniger. Wer überleben will, muss auf eigene Faust handeln. Wer auf dem illegalen Schwarzmarkt für sein Geld dazukaufen möchte, zahlte für ein Brot 40 RM, für Butter 300, ein kleines Paket Bohnenkaffee liegt bei 250 Reichsmark und die einzelne Zigarette kostet 12. Arbeit lohnt sich eigentlich nicht. Für Reichsmark legt das Huhn keine Eier, sagten die Menschen. Das Geld hatte seine Funktion weitgehend eingebüßt und war wertlos geworden.

Der Schwarzmarkt aber florierte. Ohne ihn ging nichts. Hier wurde fast alles organisiert, getauscht, verschoben, verkauft und angeboten. Die Währung bemaß sich aber nicht in Mark, Groschen und Pfennig, sondern in Lucky Strike, Chesterfield oder Morris. Zigarettenwährung ersetzte richtiges Geld. Genommen wurden auch Familiensilber, Teppiche, Pelze, Fotoapparate und überhaupt alles von Wert.

Auf dem schwarzen Markt sicherten manche das Überleben der Familie, andere wurden wegen der verbotenen Geschäfte geschnappt und verurteilt. Wieder andere wurden reich. Alle machten mit.

Aber nicht nur unten, auch oben kannten die Verantwortlichen das Geldproblem und arbeiteten schon seit über einem Jahr an einer Lösung.

In der amerikanischen Militärregierung, und bei ihren hinzugezogenen deutschen Beratern, lag der Blick nicht in erster Linie auf Brot, Kaffee oder Kleidung, sondern auf dem Großen Ganzen. Die Fachleute wussten: Der Reichsmark hatte eine kriegsbedingte Verschuldung des alten deutschen Staates von 400 Milliarden Mark, plus des Fehlens jeden Gegenwerts, das Genick gebrochen. Mit dem alten Geld würde es keine höhere Arbeitsproduktivität, keine Kredite für den Wiederaufbau und keine Importmöglichkeit von Waren, Maschinen und Rohstoffen aus anderen Ländern geben. So würde der Motor der Wirtschaft nicht wieder anspringen. Es gab nur eine Alternative. Ein tiefer Schnitt. Eine Geldreform musste erfolgen, eine neue Währung kommen. Ein Signal für einen Aufbruch. So lautete der hoffnungsvolle Anspruch.

Das war schon der Stand von 1947, als die Arbeit begann. Die Planungen verliefen langfristig. Im selben Jahr erfolgte die praktische Umsetzung mit dem Druck der neuen Banknoten in den USA. Auch wurde eine amerikanisch-deutsche Kommission gegründet, deren Mitglieder Fachleute der Militärverwaltung und deutsche Finanzexperten wurden. Sie sollten die vielfältigen Fragen lösen – von der Organisation, über rechtliche Probleme bis zu konkreten Einzelheiten.

Die Arbeit verlief zäh und streng geheim. Geld ist ein scheues Reh, hieß es. Es darf nicht erschreckt werden. Alles muss geklärt sein, erst dann wird auch die Öffentlichkeit positiv überrascht werden. Es kam nur ein Versuch in Frage, der musste gelingen. Die Amerikaner waren der Hauptakteur und vergaben für die Währungsreform einen Codenamen. Operation Bird Dog.

Viele Sitzungen und kontroverse Debatten fanden statt. Das letzte Wort lag bei den USA. Dann standen der Plan und seine Einzelheiten.

An einem „Tag X“ sollte jeder Deutsche 40 neue Mark erhalten, Erwachsene wie Kinder. Etwas später noch einmal 20 Mark. Neues Geld musste es natürlich auch für Unternehmen, Banken und die öffentliche Verwaltung geben. Nach dem Stichtag wurde die Reichsmark sofort als Zahlungsmittel aufgegeben. Löhne, Mieten und anderes sollten 1:1 umgewandelt werden, die Preise wurden frei gegeben, ein Lohnstopp blieb zunächst in Kraft.

Hart würde es die Sparer treffen, sie waren die Verlierer. Für die Umstellung der Konten lag der Kurs sehr schlecht. Aus 1.000 RM wurden nur noch 65 neue Mark.

An diesem Montag, dem 14. Juni 1948, trafen sich die Mitglieder der Kommission im Gebäude der Militärregierung in Frankfurt zu einer neuen und besonders wichtigen Sitzung. Die Vorarbeiten waren alle abgeschlossen, das neue Geld längst im Land. Der Stichtag musste festgelegt werden. Es gab immer mehr Gerüchte.

General Frank Turner saß als Vertreter der Militärregierung an der Stirnseite des Tisches. Doch wie fast immer leitete er nicht die Sitzung, sondern der Zivilist Jack Benett, der führende Finanzberater von Militärgoveneur Lucius Clay. Eher geschäftsmäßig sagte Bennet nach der Begrüßung, dass der kommende Sonntag, der 20. Juni, der Stichtag wird. Tag X. Aus dem Rund des Tisches, zwanzig Männer, ein Drittel in Uniform, der Rest deutsche und amerikanische Anzugträger, kam zustimmendes Nicken.

„Wir haben lange und hart gearbeitet, Gentlemen und meine Herren, jetzt sind wir auf der Zielgeraden. Vor uns liegt, mit dem Geldtransport an die Zielorte, noch eine gigantische logistische Aufgabe. Die größte Operation der US-Army seit dem D-Day. Doch diesmal müssen wir, im Gegensatz zur Landung in der Normandie, nicht mit deutschen Widerstand rechnen.“ Sein Scherz wurde mit beifälligem Lächeln quittiert.

Dann ging er noch kurz auf die Begleitgesetze ein, die Mitte der Woche verabschiedet werden sollten, länger auf die Art und Weise der Bekanntmachung der Währungsreform für die deutsche Öffentlichkeit.

Diese sollte in massiver Form ab Freitag durch Rundfunk, Zeitungen, auch mit Sonderausgaben, mit Bekanntmachungen an Litfaßsäulen und in öffentlichen Gebäuden geschehen.

„Ich spreche ja etwas deutsch“, sagte Benett, „und werde für Radio Frankfurt eine kleine Rede aufnehmen, die dann von den anderen Sendern in unserer und den anderen beiden Zonen übernommen werden kann. Unmittelbar danach wird ein Sprecher ausführlich erklären, was jeder Deutsche am Tag X tun und was er dabei haben muss. Das kann man dann ständig wiederholen.“

Allseits wurde genickt.

„Auch im Namen der Militärregierung möchte ich allen Mitgliedern der Kommission für ihre bisherige Arbeit danken. Ich hoffe, wir können auf unserer allerletzten Sitzung nach der Währungsreform feststellen, dass wir an einer historischen Entscheidung mitgewirkt haben. Hervorheben darf ich die Arbeit von Lieutenant Tenenbaum von der Finanzdivision, der ja auch den Namen, Deutsche Mark, quasi erfunden hat.“

Ein sehr junger Offizier nickte und errötete fast, als sich die Aufmerksamkeit auf ihn konzentrierte.

„Dank auch an Professor Erhard und die Herren der Sonderstelle Geld und Kredit, unsere deutschen Experten. Auch wenn es über die Aufhebung des Preisstopps unterschiedliche Auffassungen gibt.“

Kopfnicken und leichtes Schmunzeln.

Bald endete die kurze Sitzung. Die letzten Zigaretten und Zigarren wurden ausgedrückt und Hände geschüttelt.

Noch sechs Tage.

Das neue Geld konnte auf die Reise gehen.

2

Am Anfang gab es für Sergeant William Cooper kein Problem. Befehl ist Befehl.

Die kurze Einweisung für alle Soldaten am Abend in der Kantine lautete: Teilnahme an einem Großkonvoi Richtung Norden. Ladezeit: Morgen ab 0600. Ladepunkt: In Frankfurt, außerhalb der Kaserne. Einsatzdauer: 24 Stunden. Kaltverpflegung, Wasserflaschen und Tee gab es nach dem Morgenappell. Sammelpunkt: Nordöstlicher Stadtausgang, Einweisung durch MP in der ganzen City. Noch Fragen? Niemand hatte eine. Zweierteams im Fahrzeug. Die Namen wurden zum Schluss aufgerufen.

Erst jetzt wurde es für Cooper hart. Fast schon eine Katastrophe. Rizzoli, aus dem 2. Zug, sollte der Beifahrer sein.

Ein Yankee von der Ostküste. Ein pausenloser Schwätzer, einer, der seine schmalzigen Lieder unter großem Beifall zu Weihnachten gesungen hatte. Ein Fan von Baseball, einer Art von Sport, den Männer in blütenweißen Hosen spielten, zwielichtig beim Poker, erfolgreich bei den deutschen Fräuleins in der Kantine und im PX-Store. Jeder wusste davon, Rizzoli ließ kein Detail aus. Und er stammte aus New York, der Stadt der Sünde. Cooper mochte ihn nicht. Ganz und gar nicht. Niemand wie er aus Temple in Texas hätte so einen gemocht.

Es musste etwas geschehen.

Die Lösung seines Problems stand in der Mitte des Kantinenraums. Master-Sergeant Anderson, denn von ihm stammten die Listen. Sie kannten sich vom Sport aus dem Athletic Club. Nicht besonders gut, aber man lief sich dort über den Weg.

Zwei Streifen mehr an der Uniform wollten respektiert werden, und deshalb begann Cooper es streng dienstlich.

„Hab ein Problem, Sir.“

Anderson verzog keine Miene und erwiderte:

„Was gibt es, Bill.“

„Ich kann unmöglich mit Rizzoli fahren. Aus allen möglichen Gründen. Bekomme ich jemand anders?“

Anderson blickte unentschlossen. Dann klopfte er auf die Uniformtasche über seinem Herzen. Cooper verstand und übergab ein noch ungeöffnetes Päckchen Chesterfield.

Anderson vertiefte sich in die Fahrerlisten auf seinem Klemmbrett und sagte dann: „Einen Frischling hätte ich, Private Miller, ok?“ Ein dankbares Nicken. Dann brüllte der Master-Sergeant durch den Raum: „Rizzoli zu mir.“

„Danke, Tom“, kam von Cooper beim Verabschieden. Jetzt ging es ihm besser. Er würde früh ins Bett gehen. Ein sehr langer Tag stand bevor. Nicht nur die Batts Barrack wurde mobilisiert, auch die beiden Nachbarkasernen. Im PX-Store kaufte er noch zwei Zigarettenpackungen und Kaugummi. Neben den Gaben der Army wollte er für den Transport auch zwei Feldflaschen Kaffee mitnehmen. Auf jeden Fall noch die restlichen Brownies aus dem Paket seiner Grandma, obwohl sie schon sehr trocken waren. Bill Cooper rauchte später noch mit anderen GIs bei den Bäumen am Verwaltungstrakt. Könnte ein sehr harter Tag werden, glaubten alle. Muss eine große Sache sein.

Der Freitag begann mit dem Wecken um 0400. Eine gute Stunde später erfolgte die Übergabe der Fahrzeuge. Ein Mack 14, ein guter, alter 10-Tonner, wie Cooper befriedigt feststellte. Er begrüßte Miller mit einem Kopfnicken. Ein junger Brillenträger aus der Charlie-Kompanie.

Die Fahrt ging in die innere Stadt. Es wurde schon Kolonne gefahren. Das Ziel war ein großes Gebäude, mit Säulen am Eingang und einer eigenen Auffahrt neben der Straße. Die LKWs stauten sich. Dann kam ihr Mack an die Reihe. Soldaten verstauten Kisten auf der Ladefläche.

Ein Staff-Sergeant forderte Cooper auf mitzuzählen, gleich gäbe es Quittungen. Es wurden 32 Holzkisten. Drei Quittungen mussten abgezeichnet werden. Zwei blieben im Fahrzeug. Dazu gab es eine handgemalte Plakette mit dem Kennzeichen H 5.

„Das ist das Endziel. Die Buchstaben leiten Dich, wenn sich euer Konvoi mal aufteilt. Folge immer diesem Zeichen. Verstanden?“ Cooper nickte. Dann ging es nordöstlich zum Stadtausgang.

Überall auf der Weiterfahrt standen Posten der Militärpolizei. Weißer Helm, weißes Koppelzeug, weißer Schlagstock, wichtigtuerisches Gehabe. Bill Cooper mochte die MP nicht. Anfang des Jahres hatte es mit ihnen in der Bowling Alley einen unangenehmen Vorfall gegeben, in dem Alkohol eine Rolle spielte und der ihm eine zweiwöchige Ausgangssperre eintrug. Als der Sammelpunkt fast erreicht war, trat ein Militärpolizist an sein Fenster, ließ sich die Papiere zeigen und sagte mit lässiger Handbewegung: „Aufschließen.“ Der Konvoi war riesig, die Spitze nicht zu sehen. Eine Wartezeit begann. Sonst gab es am frühen Morgen weder Menschen, noch herrschte Verkehr. Nur Straßenbahnen fuhren vereinzelt.

Aus der Seitentasche der Uniformhose holte Cooper Zigarette und Streichhölzer und fragte: „Woher kommst Du eigentlich, Miller?“

„Mein Name ist genaugenommen Hiller, Sir. Private Andrew Franklin Hiller aus Roseburg, Oregon.“

„Und wie lange hast Du noch?“

„Bin im März erst gekommen. 28. Februar 1950.“

Cooper stieß einen Grunzlaut aus. Ein Wehrpflichtiger. Sein eigenes Dienstende lautete 30. Juni 1950. 1946 trat er für vier Jahre in die Army ein. Sein Sold stieg durch die Zusatzjahre. 99 Dollar im Monat plus 9 Dollar Überseezulage. In der Eisenwarenhandlung in Temple verdiente er weniger. Nachdem 1945 der Krieg gewonnen wurde, kehrten Millionen Soldaten in die Heimat zurück. Uncle Sam brauchte also Nachschub für die Besatzung in Deutschland. Leute wie ihn. Er sagte ja. Zum Geld, und, um mal was von der Welt außerhalb von Osttexas zu sehen.

Dann gingen Motoren an und die Kolonne setzte sich in Bewegung. Es gab nur einen kurzen Abstand zwischen den Wagen. Einnicken oder auch nur Unachtsamkeit konnten eine Massenkarambolage auslösen. Als der Konvoi eine Kurve nahm, sah man, dass zwischen den Lastwagen Jeeps mit Bewaffneten fuhren. Dann ging es langsam geradeaus. Nach zwei Stunden folgt eine Pause, zum Pinkeln und Fahrerwechsel.

Hiller redete bis dahin kaum und las Comics. Ein guter Mann, kein Schwätzer. Der Frischling übernahm das Steuer. Auf dem Beifahrersitz begann Cooper ein zweites Frühstück und bot auch von seinen harten Kuchen an. Seiner Meinung, dass Sammy Baugh von den Redskins der beste Quarterback der NFL war und Steve van Buren, von den Philadelphia Eagles, der beste Halfback, wurde nicht widersprochen. Er rauchte, Hiller kaute Kaugummi. Beide spekulierten über die Ladung.

Waffen zum Kampf gegen die Russen? Denkbar, aber für wen? Lebensmittelmarken? Warum so viel Sicherheit. Wahlzettel? Was sollten die Deutschen wählen? Bürokratische Sachen? Unwahrscheinlich. Lebensmittel? Zu viel Aufwand. Gold? Nicht in dieser Menge.

Bill Cooper trank Kaffee, gähnte trotzdem und las. In Stars and Strips stand eine schöne Story. Hollywoodstar Lana Turner reiste mit ihrem Ehemann durch die amerikanische Zone. Das Bild von ihr war hinreißend. In einem Soldatenclub in München wurde ein Tanz mit ihr verlost. Gewinner Nr. 1 war jedoch eine Frau. Die Lose 2 bis 6 meldeten sich nicht. So kam die Nr. 7, der Private 1. Class Walter Lambardo zum Tanz und einem gemeinsamen Foto.

Was für Idioten sind denn die Lose 2 bis 6 gewesen, dachte Cooper. Er hatte Ann, deren Vater die Eisenwarenhandlung gehörte, einige Briefe nach Temple geschrieben und ein auf dem Schwarzmarkt gegen Bohnenkaffee getauschtes Armband mitgeschickt. Es war aber nur ein nichtssagender Brief zurück gekommen. Glück mit Frauen hatte er weder in Texas noch außerhalb.

Plötzlich lachten beide über einen absolut unaussprechlichen und verrückten Ortsnamen, der auf einem Ausfahrtschild stand. Crazy Germany. Dann waren sie an BAD OEYNHAUSEN vorbei. Bald es gab eine neue Pause. Hiller machte Liegestütze am Straßenrand. Wieder Fahrerwechsel.

Einige Zeit später signalisierten Militärpolizisten in Khaki-Uniformen langsamer zu fahren. Engländer. Sie waren schon in deren Zone. Der Konvoi teilte sich. Schilder mit Pfeil und Aufschrift wurden hochgehalten. Für H5 ging es weiter nach Norden. Hannover hieß ein Ort. Dann erfolgte noch ein Fahrerwechsel und englische Soldaten lotsten sie über eine Brücke, an einem großen Hafen vorbei, in eine Stadt namens Hamburg, von der hinter der Brücke wenig stehen geblieben war. Der Konvoi teilte sich erneut. Aber für H5 war Endstation.

An einem großen Gebäude wurden die Kisten abgeladen, gezählt und mit Stempel quittiert. Ein Captain in amerikanischer Uniform gab eine Pause von 90 Minuten bekannt. Beine vertreten, essen, ausruhen. Die Zeit sollte aber auch zum Nachfüllen von Benzin aus den mitgebrachten Kanistern genutzt werden.

Es war fast fünf Uhr am Nachmittag. Und das musste man den Briten lassen – es gab tea time. Sie verteilten Tee aus großen Töpfen. Auch wussten sie, worum es eigentlich geht. Am Sonntag bekamen die Deutschen aus den Kisten neues Geld. In allen drei Zonen des Westens. Ihr Soldatensender BFN hatte es schon den ganzen Tag gemeldet.

3

Es nieselte seit dem frühen Sonntagmorgen. In der langen Menschenschlange vor dem Postamt am Platz der Republik in Hamburg-Altona standen die Menschen mit aufgespannten Schirmen. Wer keinen solchen Schutz hatte, schlug den Jackenkragen hoch und drückte Hut oder Mütze fest auf den Kopf. Es ging nur langsam voran.

Gesprochen wurde wenig. Vor Ernst und Helene Maschmann ging ein uralter Mann, der sich auf einen Stock stützen musste und ein Bein nachzog. Hinter ihnen standen zwei Frauen, die wohnten auch in der Klausstraße. Die Schlange rückte wieder einige Meter weiter. Dem neuen Geld entgegen.

Ernst Maschmann verstand, warum eine neue Mark kommen sollte. Es ging nicht mehr anders. Alle Kollegen im Kontor dachten wie er. Es musste etwas passieren.

Er arbeitete im Hafen, seit er aus dem ersten großen Krieg zurückgekommen war. Nicht mit der Hand, als Stauer oder Lastenträger, sondern im Büro einer Spedition. Import, Hamburg-Südamerika, Eimbke und Co. Früher lagen auf dem fernen Kontinent die Ziele der Schiffe, die Kaffee, Zucker und Kupfer brachten. Seit Jahren ruhten die Geschäfte weitgehend. Der ganze Hafen machte nur noch wenig Umschlag. Teile der Kais lagen noch in Trümmern. Die Besatzungsmächte lockerten erst langsam das Verbot der deutschen Überseeschifffahrt. Deshalb erstellte er meist nur Frachtlisten für die Binnenschiffe.

212 RM als monatliches Gehalt. Also gar nichts. Seine Lene ging putzen für ein Paar Reichsmark. Ein hartes Leben. Begütert waren sie nie, und hatten den Schwarzmarkthändlern also kaum etwas zu bieten oder zu tauschen. Vom Schwager, der bei Pinneberg auf dem Land lebte, gab es manchmal Kartoffeln oder Äpfel. Ohne die Lebensmittelmarken wären sie den Hungertod gestorben.

Mit seinem jüngeren Bruder redete er oft über die Lage, politisieren nannten sie das. Der trat nach dem Krieg der SPD bei und sprach von Demokratie, Sozialismus und einem neuen Deutschland. Ernst konnte dem auch etwas abgewinnen, die wirtschaftliche Not drängte ihn aber stärker. Neues Geld, neue Hoffnung? Er dachte ungern an das Jahr 1923. Als eine Wahnsinnsinflation ein Brot eine Million kosten ließ und die Wirtschaftskrise enorm war. Damals gab es auch einen Währungsschnitt und neues Geld, die Rentenmark. Der Effekt währte nur kurz. Dann brach die Krise wieder aus, mit millionenfacher Arbeitslosigkeit, dann kam Hitler, bald der Krieg. Neues Geld, neue Hoffnung? Er blieb skeptisch.

„Haben wir alles dabei“, fragte seine Frau mit leiser Stimme. Ihr Ehemann nickte.

Ausweis mit Lichtbild, 40 Reichsmark pro Kopf zum Umtausch gegen neue Scheine, dazu die Karten der 115. Lebensmittelkarten-Periode zum Lochen, als Zeichen für die Durchführung. Es gab für jeden 40 neue Mark und einem Monat später noch einmal 20. Die Münzen blieben mit einem Zehntel ihres Wertes erstmal gültig. So stand es in der Bekanntmachung, die er an der Litfaßsäule am Altonaer Bahnhof in Ruhe durchgelesen hatte. Einen „Vordruck A“ würden sie auch bekommen. Der musste ausgefüllt und einige Tage später bei der Sparkasse abgegeben werden. So wurde das Reichsmarkguthaben auf den Konten umgewechselt. Ernst Maschmann suchte und fand das Sparbuch, das er seit Jahren nicht in Händen hielt. 720 RM lautete der Betrag. Als die Kinder kleiner waren, wurde es angelegt, für spätere oder für schlechte Zeiten.

Helene Maschmann fasste ihren Mann an die Hand. Die Schlange zog weiter. Sie stand für neues Geld an und es war ganz normal. Anstehen für Kaffeeersatz, Schmalz, Mehl, Zucker, Kohlezuteilungen im Winter. Sie würde auch anstehen für Steine, wenn sie mit Steinen ein Bauernfrühstück zubereiten könnte. Kartoffelscheiben in Butterfett angebraten, Speckwürfel, Eier, eine riesige Menge, darauf Gewürzgurken. Frische Milch dazu für sie und das alte Bavaria-Bier der Vorkriegszeit für ihren Mann. Ihr kleiner Traum. Mehr Wünsche hatte sie nicht und Hoffnung kaum noch.

Der Lebensmut verließ sie vor viereinhalb Jahren, genau am 9. Januar 1944. Das Datum blieb unvergessen. Da erreichte sie das Schreiben mit dem pompösen Briefkopf des Befehlshabers der U-Boote. In treuer Pflichterfüllung hatte ihr ältester Sohn auf Feindfahrt mit U 32 im Nordatlantik, für Führer und Vaterland, den Heldentod gefunden.

Genaugenommen – das machte sie sich erst nach und nach klar –, ertrank er in Kälte und Dunkelheit und hatte nicht einmal ein Grab. Ihr jüngerer Sohn war in russischer Kriegsgefangenschaft. Die einzigen Lebenszeichen, ein kurzer Gruß auf einem Vordruck des Internationalen Roten Kreuzes, später ein Brief, stammten vom vorletzten und letzten Jahr und steckten am Küchenschrank. Auf ihrem Nachttisch im Schlafzimmer stellte sie die letzten Bilder der Söhne im Rahmen hin. Dann nahm ihr Mann die Fotografien weg und ersetzte sie durch eine Aufnahme der beiden als Kinder. Er wollte sie nicht mehr in diesen Uniformen sehen. Ihr war es auch so recht.

Die Maschmanns erreichten die Schalterhalle des Postamts. Die Menschen verteilten sich auf die vier Schalter, hinter denen Postbeamte geschäftig waren. Es herrschte eine andächtige Stille. Alles ging sehr schnell. Die Ausweise wurden mit den Namen der Lebensmittelkarten verglichen und diese mit einer Zange gelocht. 80 Reichsmark nahm der Beamte entgegen und zahlte 80 Mark in neuer Währung aus. Dann strich er ihre Namen in einer Liste. Am Nebenschalter wurde plötzlich gelacht. „Sechs Kinder und zwei Erwachsene – 320 Deutsche Mark. Sie sind der reichste Mann in Altona.“ Ein großer, hagerer Mann in einem schäbigen Anzug lächelte gequält zum Scherz des Austeilers.

Mit dem Geld und dem Vordruck verließen sie das Amt. Die Schlange draußen war weiter angewachsen. Ernst Maschmann warf einen ersten Blick. In der Hand hielt er viele Scheine, auf denen „eine Deutsche Mark“ stand. Die Vorderseite bläulich und die Rückseite rötlich. Sie gaben ihm auch Noten für 2, 5 und 10 Mark. Der Zehner war blau und auf der Vorseite befand sich eine Frauenfigur. Das neue Geld fühlte sich ungewohnt an und sah anders aus.

Er wäre gern noch auf den Altonaer Balkon gegangen, der Anhöhe mit dem großen Panorama über Hafen und Elbe. Sein Lieblingsblick auf seine Heimatstadt, nur einige Gehminuten entfernt. Aber Lene wollte nach Hause. Er steckte ihr gesamtes Geld in die Hosentasche. Lohn würde jetzt auch im neuen Geld ausgezahlt werden, genauso viel wie in Reichsmark. Gibt es jetzt auch wieder mehr zu kaufen? Er blieb skeptisch und ging eingehakt mit seiner Frau. Die dachte an Bauernfrühstück. Ob es für die neue Mark Kochtöpfe geben würde, ihre waren so alt und verschlissen.

Sie überquerten den Bahnhofsplatz und bogen in die Klausstraße ein.

Es nieselte immer noch.

4

Die letzte Sitzung der Kommission fand am 30. Juni am selben Ort statt. Aber die Stimmung am Tisch war anders, freudiger und nicht geschäftsmäßig. Vor den Männern in der Runde lagen weder Papiere noch Notizblöcke. Aber im Vorraum zum Sitzungszimmer standen Sektflaschen und noble Gläser, amerikanische Ordonanzen in Ausgehuniformen warteten auf ihren Einsatz.

Auch nach Beginn der Sitzung ging es anders zu, als in den meisten Tagungen davor. General Turner erhob sich und würdigte in allgemeinen Worten die vor neun Tagen erfolgte Währungsreform und danke den Beteiligten. Gleiches erfolgte durch Professor Ludwig Erhard für die deutschen Vertreter. Er sprach von einem historischen Tag.

Erst dann kam die Reihe an Jack Benett, der sein optimistisches Lächeln aufgesetzt hatte. „Mein Baby, unser aller Baby, ist auf der Welt. Und wir sind glücklich und stolz, wie Väter es sein sollten.“

So lautete sein erster Satz. Dann zählte er auf, wie man an der Spitze der Militärregierung die Aktion bewertete.

Sehr positiv wurde die organisatorische Leistung rund um den 20. Juni eingeschätzt. Planung, Transport, der reibungslose Verteilungsprozess und auch die Ankündigung der Details für den Tag X, erwiesen sich als wirkungsvoll. Die Geheimhaltung funktionierte im Großen und Ganzen gut, Gerüchte und spekulative Zeitungsartikel konnten im Vorfeld nicht gänzlich verhindert werden. Der mit dem neuen Geld verbundene Schlag gegen die Schwarzmarktschieber und die Russen gelang aber. „Auf den Bär im Osten komme ich gleich noch.“ Benett blickte kurz in die Runde.

Eine genaue ökonomische Bewertung verbiete sich wegen des kurzen Zeitraums. Aber die ersten Reaktionen der Deutschen sind positiv. Er verwies auf die Politik der vollen Schaufenster, ein Ausdruck, der in der Kommission öfter einmal gefallen war. Für die DM gab es jetzt fast alles zu kaufen, auch wenn dies überwiegend auf unsozialer Hortung von Waren beim Groß- und Einzelhandel, in der Hoffung auf neues Geld, seinen Grund hatte. Dies Angebotsniveau sollte gehalten werden. Dem neuen Geld müsse ein Warenangebot gegenüberstehen, das zur Leistung anspornt. Auch wenn das System der Lebensmittelmarken natürlich noch nicht aufgehoben werden könne.

„Initialzündung“, wurde von einem der Deutschen am Tisch gerufen. Benett nickte. „Ihre Landsleute sehen richtigen Kaffee, Schokolade, Zahnpasta und Kinderschuhe. Wir sehen weiter. Die Steigerung der Produktion, Inlandsinvestitionen durch Kredite, Zugang zu den internationalen Märkten, das ist auf den Weg gebracht. Ein bedeutender Anfang. Denken Sie auch an die Mittel aus dem Marshallplan, die schon fließen und in weit größerem Umfang noch in die drei Zonen im Westen Deutschlands kommen sollen. Auch für die wichtigen Lebensmittelimporte.“ Er nahm ein Stück Papier auf und las aus einem Artikel der Neuen Züricher Zeitung aus der neutralen Schweiz vor, der dies in anderen Worten auch als Möglichkeit sah und von Hoffnung schrieb.

Dann ging er zu den politischen Folgen über. Das Konzept einer Währungsreform für alle vier Besatzungszonen war in der Vergangenheit diskutiert, auf der Außenministerkonferenz der vier Siegermächte 1947 aber gescheitert. „Unser Tag X und die Geheimhaltung der Operation Bird Dog, hat die Russen kalt erwischt. Das machte es auch möglich, das neue Geld in unseren Westsektoren in Berlin einzuführen. Trotz aller Proteste der Sowjets, die ohne neue Scheine unvorbereitet nachziehen mussten und das Einströmen der wertlosen Reichsmark in ihre Zone fürchteten. Sie wissen, dass sie daraufhin die Landwege nach Berlin geschlossenen haben. Eine Blockade also. Wir fliegen deshalb schon am Tag 6 wichtige Güter in die Stadt. Und wir werden, mit den Briten, diese Luftbrücke aufrechterhalten, wie lange es auch dauert.“ General Turner nickte energisch,

Benett steigerte nun die Stimme. Er sprach von der Deutschen Mark als Symbol der Freiheit und des freien Marktes, von der freien Welt, die Stärke zeigen muss. Vom Kampf der Systeme und Ideen, aber auch der Wirtschaft und des Geldes. Er war im Begriff sich zu setzen.

Turner flüsterte ihm etwas ins Ohr. „Neue Herausforderungen warten, auch auf Fachleute wie sie, meine Herren, und andere Deutsche, die am Neuaufbau führend teilhaben.“ Morgen, am 1. Juli, werde, hier in diesem Gebäude, General Clay persönlich die Ministerpräsidenten der deutschen Länder beauftragen, eine Verfassung für einen kommenden deutschen Staat ausarbeiten zu lassen. Mit der Perspektive, dass, wahrscheinlich 1949, aus den drei Zonen des Westens, ein Staat der Deutschen gebildet werden kann, als Teil der freien Welt. „Mit einer starken Währung als eines seiner Fundamente.“

Beifälliges Gemurmel am Tisch und klopfen.

In die entstandene Pause hinein klatschte General Turner zweimal in die Hände. Die Doppeltür zum Sitzungsraum öffnete sich. Vier Soldaten reichten allen Teilnehmern von silbernen Tabletts Sektgläser.

Benett hob sein Glas und sagte: „Mit Dank für die Zusammenarbeit schließe ich die letzte Sitzung unserer Kommission. Auf Ihr Wohlergehen. Möge unser Baby wachsen und gedeihen.“

Alle standen auf. Man prostete sich zu. Vereinzelt klirrten Gläser. Im Vorraum lockte ein üppiges Buffet. In kleinen Gruppen machten sich die Männer dorthin auf den Weg. Der Geräuschpegel stieg, es wurde gelacht.

Turner und Benett blieben zurück. Sie sahen sich an. Der General nickte. „Gute Schlussrede, Jack. Um die eine offene Sache kümmern sich andere. So wie besprochen. Schauen wir mal, was das Offizierscasino aufgefahren hat.“ Dann ging er.

Benett zündete eine Zigarette an und inhalierte tief. Vierzehn Monate hatte er diesen Job gemacht. Er war zufrieden. Der Auftrag des Finanzministeriums in Washington erfüllt. Keine leichte Arbeit, erledigt größtenteils in einer uninteressanten Stadt und in einem Land, das er kaum kannte, außer der Sprache, und nicht sonderlich schätzte. In zehn Tagen würde er in ein Flugzeug steigen. Den Vertrag für den Vorstandssitz in der Chase National Bank in New York unterschrieb er schon im Frühjahr. Sie stellte ihm den Beginn der Arbeit sogar frei, September oder Oktober. Er würde mit Susann ausspannen können.

Die eine Sache blieb noch. Sie war im ganz kleinen Kreis erörtert worden. Heute sollte sie nicht angesprochen werden. Nicht vor den eigenen Leuten und schon gar nicht vor den Deutschen. Nur ganz wenige wussten bisher davon. Es wurde striktes Stillschweigen vereinbart.

Keine wirklich große Angelegenheit, aber ein Schmutzfleck auf der ganzen Operation. General Clay, der mächtige Militärgoveneur der amerikanischen Zone, hatte es in seiner trocken Art so kommentiert: „Eine Schweinerei, die ich geklärt haben will.“ Der Chef der Sicherheitsabteilung sollte eine Untersuchung durchführen lassen. Das wurde jetzt eine Aufgabe für die Kriminalisten der Ermittlungseinheit innerhalb der Army.

Denn die Zahlen der Revisionsabteilung ließen keinen Zweifel zu. Bei der Operation Bird Dog waren 20 Millionen des neuen deutschen Geldes verschwunden.

5

Durch die zwei hohen Fenster fielen Sonnenstrahlen in Raum 2/44 des IG-Farben-Hauses im Herzen von Frankfurt, dem Sitz der amerikanischen Militärregierung und Hauptquartier ihrer Besatzungsstreitkräfte.

Pünktlich um 9 Uhr fanden sich dort sechs Männer ein, die einander zunickten und dann am rechteckigen Tisch Platz nahmen. Ein Mittfünfziger mit schon leicht ergrauten kurzen Haaren, korrekt gestutztem Schnurrbart und einer braunen Uniform mit Ordensschnalle, ergriff das Wort. Seine Stimme klang ruhig und befehlsgewohnt.

„Wir sitzen hier und werden uns von nun an häufiger sehen, weil die Public Safety Branch diesem Kreis eine wichtige Aufgabe übertragen hat. Sie erhalten gleich ein Briefing mit allen Fakten. Zunächst sollten wir uns aber einmal bekanntmachen. Gesehen haben manche sich hier im Farben Building wohl schon. Oder vielleicht vorgestern, bei den Feiern zum 4. Juli, aber im Haus oder am Unabhängigkeitstag, ist das ja nur flüchtig.“

Dann stellte er sich als erster vor. Colonel McBride, Commanding Officer Germany der Criminal Investigation Division.

Dann blickte er nach rechts und die Vorstellung lief weiter.

Mayor Robertson, ebenfalls CID. Ein Schwarzhaariger, mit starkem Bartwuchs und Uniformhemd ohne Krawatte. Auch er von der Einheit der Militärermittler der Army.

First Lieutenant David Bach. Counter Intelligence Corps. Ein jüngerer Mann. Runde Brille, modischer Haarschnitt, vom Nachrichtendienst der Armee.

Agent Powell. Central Intelligence Agency. Ein Anzugträger mit weißem Hemd und schwarzer, schmaler Krawatte vom Auslandsgeheimdienst.

Major H.J.Brown, als einziger in kurzem Hemd und mit bemerkenswert muskulösen Unterarmen, vom Zentralkommando Militärpolizei und US-Constabulary.

Andrew Wallace, ein Zivilist im Anzug, vom Finanzstab der Militärregierung.

„Schon die Zusammensetzung dieses Teams …“, nahm McBride wieder das Wort,…zeigt, dass wir eine schwierige, aber wichtige Aufgabe, übernommen haben. Das, was sie gleich hören und unsere weitere Arbeit, unterliegen der strengsten Geheimhaltung. Das gilt auch für Mitarbeiter, die sie hinzuziehen. Und es wäre angemessen, diese Soldaten oder Zivilisten nur konkrete Aufgaben erfüllen zu lassen, ohne den Hintergrund jedem zu offenbaren. Mit ihnen kennen nur rund 20 Personen in Deutschland den Fall. Wir sollten diese Zahl nicht unnötig erhöhen. Mr. Wallace, Sie haben das Wort.“

Alle Augenpaare wanderten zu dem jugendlich wirkenden Mann um die 30, der Interesse und Spannung der Männer am Tisch noch kurz auskostete, und dann begann.

Gentlemen, ich möchte sie mit der Operation Bird Dog bekannt machen. Der Währungsreform, die jetzt vor 16, ... genau 17 Tagen, durchgeführt wurde. Die Tatsache ist natürlich bekannt. Alle wirtschaftlichen, politischen und juristischen Dinge sind nicht wichtig. Ich konzentriere mich ganz auf die Durchführung.“

Er machte noch eine kleine Pause und neigte leicht den Kopf.

„Was ist natürlich mit das wichtigste bei einer Geldreform? Ganz klar: das neue Geld. Diese Aufgabe wurde schon 1947 in Angriff genommen. Der Druck erfolgte in den Staaten, in Spezialdruckereien in Washington und in New York City. Insgesamt wurden Scheine im heutigen Wert der Deutschen Mark von 5,65 Milliarden hergestellt.“

Diese Zahl löste erstaunte Gesichter und Rufe aus.

„Sie werden gleich verstehen, dass das volkswirtschaftlich gesehen, gar nicht so viel ist. Es laufen schon Planungen, die Geldmenge weiter zu erhöhen. Doch ich möchte meinen Bericht fortsetzen. Der Gelddruck erfolgte sukzessiv, ebenso die Verschiffung in unsere Seebasis in Bremerhaven. Natürlich unter Legende und gesichert. Es waren rund 23.000 Kisten. Diese wurden von Februar bis April von Bremerhaven nach Frankfurt gebracht. Der nächste sichere Platz für das Geld wurde ein riesiges, und wirklich imposant großes, Kellergewölbe unter der Bank deutscher Länder. Ein gigantischer Tresor.“

„Bank deutscher…was?“ Die Frage kam von Major Brown.

„Ein Art Zentralbank, wie unsere Federal Reserve