Buchcover

Lothar Streblow

Palu, der Panda

Saga Egmont




„Die Frage nach dem tierlichen Bewußtsein hat die Menschen schon immer gefesselt, weil Haus- und Wildtiere gleichermaßen unsere Bewunderung und Neugier erregen. Sie verlocken uns dazu, in ihre Haut zu schlüpfen und uns vorzustellen, wie ihr Leben sein mag.“

Donald R. Griffin


„Gefühle sind es, die alle Kreatur dazu drängt, etwas zu tun oder, wenn es ängstliche Stimmungen sind, etwas zu unterlassen.“

Vitus B. Droscher

Das Pandababy

Nebelschwaden trieben über den Hangwald, zerfaserten zwischen den Baumkronen. Auf den Berggipfeln der Qionglai-Kette glitzerte ewiger Schnee: kalt schimmerndes Weiß unter tiefblauem Himmel. Die Septembersonne aber schien warm in das Bambusdickicht nahe dem klaren Gebirgsbach.

Die Pandabärin hatte ihren Wurfplatz unterhalb einer hochragenden Felswand sorgsam gewählt: in einem dikken, hohlen Baumstumpf einer uralten, verwitterten Bergfichte, windgeschützt und trocken und weich ausgepolstert mit Bambuszweigen. Hier saß sie Tag und Nacht mit dem massigen Rücken gegen die Öffnung, ihr Baby schützend in den Armen: eine fast nackte, rosafarbene Winzigkeit von knapp hundert Gramm, kaum größer als eine Maus.

Behutsam hielt sie das Kleine warm zwischen ihren mächtigen Vordertatzen und säugte es, wenn es hungrig wurde und laute Babyschreie ausstieß. Und sie leckte es sauber und tröstete es liebevoll, wenn es sich unwohl fühlte und mit quiekenden Klagelauten weinte. Lange Zeit saß sie so, mehr als drei Wochen, während das Kleine kaum merklich heranwuchs und sein dünnes, weiches Fell allmählich die schwarzweiße Pandafärbung annahm.

Von alldem sah Palu noch nichts. Noch waren seine Augen geschlossen. Palu spürte nur die Geborgenheit im wärmenden Pelz seiner Mutter, spürte ihre Fürsorglichkeit, hörte ihre zärtlichen Laute. Und er schnupperte ihren warmen Geruch. Nach Milch mußte er nicht erst suchen. Die Bärin hielt seine kleine Schnauze immer dicht an der Quelle. Palu brauchte nur zu saugen. Und er schmatzte mit Behagen.

Nur selten verließ die Pandabärin die Baumhöhle, um in der Nähe Kot abzusetzen und Nahrung aufzunehmen und zu trinken. Weit war es nicht bis zum Bambusdickicht und zum rasch strömenden Bergbach, der auch im Winter nicht zufror. Und sie brauchte viel Bambus und klares Wasser.

Kaum vermißte Palu ihre wärmende Nähe, schrie er so laut, daß es weithin über die zerklüftete Talschlucht tönte. Ohne seine Mutter fühlte er sich schutzlos. Und er hatte Angst. Doch schon beim ersten Schrei kehrte die Pandabärin eilig zurück, damit seine Stimme keine Feinde anlockte. Für Pandababys lauerten in der Bergwildnis viele Gefahren. Und die Pandamutter wußte das.

Als Palu nach mehr als einem Monat erstmals seine Augen öffnete und die Helligkeit eines späten Sonnentages wahrnahm, sah er auch nicht viel anderes als das wuschelige Fell seiner Mutter, ihren rundlich-dicken weißen Kopf mit den dunklen Augenflecken und den schwarzen Ohren. Und mitunter sah er ihre rosige Zunge, bevor sie ihn behutsam ableckte. Das mochte Palu, besonders an seiner kleinen Nase. Und das genügte ihm. Trinken und vor allem Schlafen, weit mehr als zwanzig Stunden am Tag, und ihre bergende Nähe, mehr brauchte er noch nicht.

Inzwischen war es Herbst geworden am östlichen Abhang des Himalaja. Die Blätter von Ahorn und Birke färbten sich bunt und fielen zu Boden, bildeten eine dichte Decke. Und die Lärchen mit ihren gelb verfärbten Nadeln glichen flammenden Kerzen im letzten Sonnenlicht.

Auf einen warmen feuchten Sommer folgten neblige Tage mit Nieselregen. Und es wurde kalt. Der Winter kam früh in den Qionglai-Bergen. Und er dauerte lange. Schnee fiel bis in die tieferen Lagen. Und über dem grünen Bambusdickicht lag eine eisige Last.

Palu machte der Winter nicht viel aus. Sein dichter gewordenes schwarzweißes Fell wärmte ihn. Und nur selten verließ er die bergenden Arme seiner Mutter, um auf seinen kleinen Tatzen ein wenig herumzukrabbeln. Das konnte er inzwischen. Und es machte ihm Spaß.

Tapsig und unbeholfen krabbelte er über die raschelnden Bambusblätter in der Baumhöhle. Und manchmal streckte er seine kleine, dunkle Nase neugierig hinaus in die wirbelnden Flocken. Bei jedem Luftzug aber flüchtete er zurück in die schützenden Arme seiner Mutter. Palu mochte den kalten Wind nicht.

Er war nun drei Monate alt und mehr als einen halben Meter groß. Seine ersten Zähne brachen durch; und wenn es schmerzte, weinte er ein bißchen und steckte eine Pfote in den Mund. Das half ein wenig gegen den Schmerz.

Immer wieder aber lauschte er aufmerksam, wenn von irgendwo aus der dick verschneiten Landschaft die Laute eines anderen Tieres herüberklangen. Die Bergwildnis war voll von Stimmen, fremden Stimmen, von fern und nah. Und von Geräuschen, seltsamen, unheimlichen Geräuschen.

Das ferne Rauschen des Wasserfalls oberhalb der Talschlucht, wo der Bergbach über eine schroffe Felsklippe sprang, tönte Tag und Nacht. Die Äste der Bergfichten unweit der Baumhöhle knackten unter der Last des Schnees. Manche brachen ab und stürzten krachend zu Boden. An stürmischen Tagen heulte der Wind durch die Baumwipfel, ließ die Eiszapfen klirren. Und wenn die Sonne ins Geäst schien, tropfte es von den Zweigen. Doch in das kalt glitzernde Weiß draußen vor der Wurfhöhle traute Palu sich noch nicht.

Palus erster Ausflug

Einen Monat später wurde Palu schon mutiger. Zwar war er immer noch reichlich wackelig auf den Beinen und krabbelte lieber am Boden der Wurfhöhle herum, aber allmählich lernte er laufen. Nur war in dem hohlen Baumstumpf nicht viel Platz. Und wenn seine Mutter auf Nahrungssuche ging, blickte er ihr unschlüssig nach.

An einem sonnigen Wintertag, als der Atemhauch gleich einer kleinen Wolke in der klaren Luft stand, wagte Palu sich zum ersten Mal hinaus in die unbekannte Welt vor der bergenden Baumhöhle. Unbeholfen tappte er hinter seiner Mutter her.

Sehr weit lief er aber nicht. Mit seinen kurzen Beinen versank er bis weit über seinen kleinen Bauch im tiefen Schnee. Und Schneekristalle hafteten auf seiner schwarzen, feuchten Nase. Das fühlte sich kalt an. Unwirsch leckte er mit der Zunge darüber. Doch der Schnee schmeckte ihm nicht.

Palu fand das alles hier draußen sehr unheimlich. Und er quiekte ängstlich.

Die Bärin blieb stehen und blickte sich nach ihm um. Sie hatte Hunger, großen Hunger. Aber allein lassen wollte sie ihr Kind nicht mitten im Schnee. Fürsorglich lief sie zu Palu zurück, um ihn zu holen.

Darauf schien Palu nur gewartet zu haben. Kaum war seine Mutter bei ihm, kletterte er ihr hastig auf den breiten Rücken. Und die Bärin ließ es geschehen. Mit der leise schnaufenden Last auf ihrem dicken Pelz stapfte sie weiter.

Palu fühlte sich hoch auf ihrem Rücken schon viel wohler. Hier oben spürte er nichts vom Schnee; außerdem war das weiche Fell seiner Mutter schön warm an seinem Bauch. Nur wenn ein tief hängender Zweig ihn streifte, rieselte es weiß und kalt auf seinen Pelz. Doch das störte ihn nicht. Und mit neugierigen Blicken betrachtete er die im Sonnenlicht hell schimmernde Landschaft.

Sehr lange aber dauerte sein Ritt nicht. Das Bambusdikkicht lag nur ein kurzes Stück entfernt vom Wurfplatz. Und seine Mutter brauchte zwischen den vom Herbst noch frischen Bambuszweigen nicht lange zu suchen. Als sie einen Zweig mit zarten Blättern geschickt zwischen ihre Vorderpfoten nahm, setzte sie sich zum Essen gemütlich auf ihr Hinterteil. Und Palu rutschte sehr plötzlich von ihrem Rücken herunter. Unverhofft lag er wieder im Schnee.

Palu quiekte verdutzt. Aber es war nur vor Schreck, er war ja weich gefallen. Von seiner schwarzweißen Fellfärbung war kaum noch etwas zu erkennen. Fast völlig mit Schnee gepudert, wirkte er so weiß wie ein junger Eisbär. Und mit seiner kleinen Pfote wischte er sich unwirsch den feuchten Schnee von Augen und Nase.

Jetzt sah er wieder etwas besser. Und was er sah, interessierte ihn. Neugierig beobachtete er seine Mutter, wie sie bequem im Schnee sitzend einen Bambuszweig nach dem anderen zu sich herunterzog, die frischen Blätter abstreifte und geruhsam kaute.

Allmählich aber wurde es Palu zu langweilig. Auf Bambus hatte er noch keinen Appetit. Und der pulvrige Schnee begann ihm Spaß zu machen. Verspielt rollte er sich darin herum, schlug einen Purzelbaum und noch einen zweiten. Und dabei landete er auf einem vom Schnee verdeckten harten Gegenstand. Eifrig wühlte er das Ding aus dem Schnee, daß es nur so staubte, bekam etwas Hölzernes zwischen die Pfoten. Es war ein abgebrochener trockener Bambusstengel vom Vorjahr. Und eine Weile spielte er damit.

Inzwischen hatte seine Mutter allen Bambus in erreichbarer Nähe ihres Sitzplatzes aufgefuttert. Gemächlich stand sie auf, leckte sich die Schnauze und die Pfoten sauber und trottete weiter. Nur lief sie nicht zurück zur Baumhöhle, sie lief in entgegengesetzter Richtung.

Glitschiges Geröll

Ein leichter Wind strich durch die Stengel, wehte Palu Schnee ins Gesicht. Palu zögerte. Weiterlaufen gefiel ihm gar nicht. Seine kleinen Pfoten wurden allmählich kalt. Er hatte jetzt genug vom Schnee. Doch wohl oder übel stapfte er hinter seiner Mutter her. Dabei versuchte er, in ihre breit ausgeformten Spuren zu treten. Aber das schaffte er nicht. Dazu war er noch zu klein.

Mit einem Mal lichtete sich das Bambusdickicht. Die Wintersonne schien grell auf die flimmernde Schneedecke. Und nahe dem Felshang flimmerte noch etwas anderes, bewegte sich rasch in kleinen Wellen. Das Rauschen, das Palu schon in der Baumhöhle gehört hatte, wurde immer lauter. Und genau darauf lief seine Mutter zu.

Palu schnaufte verwirrt. Das Geräusch ängstigte ihn, doch es reizte auch seine Neugier. Und die Gegenwart seiner Mutter nahm ihm etwas von seiner Angst. Mit hastig tapsigen Schritten suchte er ihre Nähe.

Er war nur noch ein kurzes Stück von ihr entfernt, da blieb sie stehen, dicht am Ufer des Bergbaches, nur wenige Meter unterhalb des donnernd herabstürzenden Wasserfalls. Sprühender Wasserstaub glitzerte im Sonnenlicht, wölbte sich zu einem bunt schillernden Regenbogen. Darunter schimmerte schwarz vor Nässe das dunkle Gestein der Felsklippe.

Durstig trat die Bärin über den Rand des Ufers. Und ohne sich um den furchtsam herantappenden Palu zu kümmern, trank sie von dem eisigen Wasser.

Palu verharrte wie angewurzelt. Wasser hatte er noch nie gesehen in seinem Leben: so viel Wasser, so viel lärmendes Wasser. Und seine Mutter stand mitten in dem Lärm und Geplätscher und schmatzte behaglich.

Das reizte Palu. Neugierig näherte er sich dem Bachufer, hob seine kleine Pfote und patschte in die glitzernde Flüssigkeit. Aber nur einmal. Ein paar Spritzer trafen seine Nase, naß und sehr kalt.

Erschrocken zog Palu seine Pfote zurück. Doch auf den eisüberzogenen Ufersteinen war es glatt. Taumelnd verlor Palu das Gleichgewicht, rutschte nach vorn, immer weiter nach vorn. Und mit allen vier Pfoten hilflos durch die Luft fuchtelnd klatschte er ins Wasser.

Einen Augenblick später war seine Mutter schon über ihm, packte ihn mit den Zähnen vorsichtig am Nackenfell und setzte ihn in den Schnee. Palu schnappte nach Luft, schüttelte sich spritzend das Wasser aus seinem Pelz. Baden behagte ihm gar nicht.

Das schien auch seine Mutter zu wissen. Eilig scheuchte sie ihn zur Wurfhöhle, umschloß ihn fürsorglich mit ihren pelzigen Armen. An ihrem weichen Bauch wurde ihm allmählich wieder warm. Und müde schloß er die Augen.

Dämmerung umhüllte die schlafenden Pandas in der schützenden Baumhöhle. Und weit unten im Tal erklang von fern das Geheul der Wölfe.

Fremde Gestalten

Schneeflocken wirbelten aus grauen Wolken, verhüllten die Landschaft. Berge und Täler versanken unter einer dicken weißen Decke. Seit Tagen schon blieb die Sonne verborgen. Und selbst gegen Mittag drang nur ein trübes Dämmerlicht bis in die Höhlung des Baumstumpfs.

Palu gähnte schläfrig, wollte weiter dösen im warmen Dunst. Doch etwas störte ihn: ein bohrendes Hungergefühl. Sein kleiner Magen knurrte vernehmlich. Noch träge vom Schlaf wälzte er sich herum und suchte zwischen dem dichten Fell seiner Mutter nach Milch. Und er trank gierig.

Er brauchte lange, bis er satt wurde, brauchte jeden Tag mehr. Und seine Mutter hielt geduldig still. Kaum aber rollte er sich zufrieden zur Seite, um in ihren Armen weiterzuschlafen, schob sie ihn behutsam von sich weg und stand auf. Auch sie hatte Hunger, Und schmackhaftes Futter fand sie nur im nahen Bambusdickicht.

Unwirsch blinzelte Palu in den trüben Tag. Allein bleiben wollte er nicht. Mißmutig rappelte er sich auf und folgte seiner Mutter, tappte mühsam durch den tiefen Schnee. Diesen Weg kannte er schon.

Nur sah das Bambusdickicht heute ganz anders aus. Die Schneelast hatte den oberen Teil der Stengel niedergedrückt. So waren dschungelartige Gänge entstanden, dick überzogen mit verharschtem Schnee. Und ehe Palu herankam, verschwand die Pandabärin in einem der verschneiten Gänge.

Palu schnaufte. Bevor seine Mutter nicht satt war, würde sie nicht wieder herauskommen. Das wußte er inzwischen.

Sie futterte immer ungeheure Mengen. Und erkennen konnte er sie nicht. Ihr schwarzweißes Fell war eine gute Tarnung im Dämmerschatten zwischen Schnee und Bambus.

Schnuppernd senkte Palu seine Nase. Gerade wollte er den tief eingedrückten Spuren folgen, da hörte er ein eigenartiges Geräusch. Ein Stück entfernt am Rand des Bambusdickichts bewegte sich etwas, kaum erkennbar im Schneetreiben. Es war ein Schneehuhn, das hastig aufflatterte.

Neugierig beobachtete Palu den abstreichenden Vogel. Und unweit darunter im hohen Schnee entdeckte Palu noch etwas anderes, viel größeres. Und das sah bedrohlich aus.

Mit seinem plumpen, mit gelblichen langen Haaren dicht bewachsenen Körper und seinen kurzen Beinen wirte das massige Tier von hinten wie ein gewaltiger Bär. Aber es war kein Braunbär; die hielten Winterschlaf. Und als das fremdartige Tier seinen großen Kopf mit der Ramsnase ihm plötzlich zuwandte, erkannte Palu die beiden spitzen Hörner.

Es war ein Takin, ein alter, einzelgängerischer Takinbulle. Auch der Takin hatte den jungen Panda entdeckt.

Palu bekam einen mächtigen Schreck. Ein so riesiges Tier war ihm noch nie begegnet. Und er hatte keine Ahnung, daß der Takin sich auch nur für Bambus interessierte. So schnell Palu mit seinen kleinen Beinen in dem hohen Schnee laufen konnte, rannte er in das Bambusdickicht. Und erst als er seine Mutter gemächlich futternd zwischen dem Bambus sitzen sah, stoppte er seinen Lauf.

Schwer atmend setzte Palu sich neben sie, schmiegte sich an ihren weichen Pelz. Bei ihr fühlte er sich sicher. Immer wieder aber blickte er ängstlich zurück. Aber es war nichts zu erkennen. Und es war auch nichts zu hören. Das verschneite Bambusdickicht verschluckte jedes Geräusch von draußen. Und das behagliche Schmatzen seiner Mutter wirkte beruhigend.

Endlich schien die Bärin genug zu haben. Ohne große Eile erhob sie sich von ihrem Sitzplatz im Schnee, leckte sich sauber und danach Palu zärtlich über die Nase und stapfte auf ihrer Fährte zurück. Und Palu blieb dicht hinter ihr, suchte ihren Schutz. Er hatte immer noch Angst vor dem großen fremden Tier.

Als sie das Bambusdickicht verließen, blickte Palu furchtsam in die Richtung, wo er das mächtige gehörnte Wesen vorhin gesehen hatte. Doch der Takin war inzwischen ein Stück weiter gewandert; er stand halb verdeckt hinter einer kleinen, kahlen Birkengruppe nahe dem Bachufer. Und die Bärin lief wie üblich hinunter zum Bach.

Mit einem Mal hob sich im Schneetreiben ein dunkler Schatten ab. Der Takin trat hinter den Birken hervor und musterte mißtrauisch die beiden heranstapfenden Pandabären, beruhigte sich aber gleich wieder.

Auch die Bärin warf nur einen kurzen Blick auf die massige Gestalt und trottete unbeirrt weiter. Sie kannte den alten Takinbullen. Schon lange lebte er mit ihr im gleichen Revier, auch wenn sie sich selten begegneten. Sie störten einander nicht. Und Bambus gab es hier für beide genug.

Gemächlich zogen die beiden Pandabären an dem Takin vorbei. Jetzt begriff Palu, daß von dem fremden Tier keine Gefahr drohte. Und andere Gefahren kannte er noch nicht, außer dem kalten Wasser am Bach. Doch diesmal verhielt Palu sich vorsichtiger.

Kaum spürte er unter der frischen Schneedecke die vereisten Steine, blieb er stehen. Aus sicherem Abstand sah er zu, wie seine Mutter rutschend und schlitternd über das eisglatte Ufer tappte. Und als sie mit den Vorderpfoten ins Wasser platschte und Palu ein paar Spritzer abbekam, zog er sich unwirsch quiekend einige Schritte zurück.

Mit einem Schnaufer setzte er sich in den Schnee und wartete. Sein kleiner Magen knurrte. Und die scharfe Schneeluft machte Durst. Aber Palu wußte inzwischen: Milch gab es erst wieder in der Baumhöhle.

Der Schneeleopard

Die Winter am Ostabhang des Himalaja dauerten lang. Zwar schirmten die hohen Bergketten die eisigen Nordwinde vom Lebensraum der Pandas ab, und es wurde selten kälter als minus zwölf Grad, aber durch die hohe Luftfeuchtigkeit schneite es fast ununterbrochen. Und täglich wuchs die dichte Schneedecke.

Für Palu wurden die Ausflüge im tiefen Schnee immer mühsamer. Meist machte er es sich in der Baumhöhle bequem und ging nur einmal am Tag mit hinaus.