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Impressum

Professor Dr. Robert Fürst

Pflanzliche Arzneimittel – was wirklich hilft

Erstauflage 2018

Aus der Reihe: „Gesundheit mit der Apotheke“

Die Ratgeber-Reihe „Gesundheit mit der Apotheke“ wird betreut durch die Redaktion der Apotheken-Kundenzeitschrift „Neue Apotheken Illustrierte“.

Objektleitung: Apothekerin Jutta Petersen-Lehmann

Lektorat: Apotheker Rüdiger Freund

Umschlagsgestaltung/Layout: grintsch communications

Bilder Umschlag: shutterstock

Innenseiten: shutterstock (S. 1, 6, 20, 25, 29, 44/45, 46, 48, 49, 52, 54, 57, 58, 59, 60, 61, 62, 63, 66, 68, 69, 71, 72, 75, 77, 78, 79, 81, 82, 84, 85, 87, 88, 89, 92), Robert Fürst (S. 2, 5, 12, 36), Peer Marlow – Fotolia.com (S. 10), onairjiw – Fotolia.com (S. 16), grintsch communications (S. 19, 53), Rüdiger Freund (S. 73)

Druck: hofmann infocom GmbH, Nürnberg

Alle Rechte, insbesondere das Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung vorbehalten. Kein Teil des Buches darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden, soweit nicht im Urheberrechtsgesetz etwas anderes bestimmt ist.

ISBN 978-3-7741-1390-9 (E-Book)

ISBN 978-3-7741-1389-3 (Buch)

Pharmazentralnummer 14003350

Copyright © 2018 Govi (Imprint)
in der Avoxa – Mediengruppe Deutscher Apotheker GmbH
Apothekerhaus Eschborn, Carl-Mannich-Straße 26, 65760 Eschborn

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind
im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Pflanzliche Arzneimittel – was wirklich hilft

Professor Dr. Robert Fürst

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Inhalt

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Zu diesem Buch

Über den Autor

Die ersten Arzneimittel waren Pflanzen

Wissen aus Tausenden Jahren

Von der Tradition in die Moderne

Moderne Phytotherapie

Der Phytopharmaka-Markt in Deutschland

Phytopharmaka: ganz besondere Medikamente

Regeln für natürliche Rohstoffe

Was Arzneipflanzen mit Drogen zu tun haben

Nur das Beste aus der Pflanze: der Extrakt

Auf Inhaltsstoffe eingestellt: Extrakt-Typen

Was die Angaben auf der Packung bedeuten

Selbstgemachte Extrakte: Arzneitees

Komplexe Rechtslage: zugelassen oder registriert?

Was die Kassen noch bezahlen

Studien zeigen, ob ein Mittel wirkt

Nahrungsergänzungsmittel brauchen keine Zulassung

Phytopharmaka, die wirken

Atemwege

Vorbeugung und Behandlung von Atemwegsinfekten

Bronchitis/Husten

Entzündungen der Nasennebenhöhlen

Magen und Darm

Reizmagen und Reizdarm

Gallebedingte Verdauungsstörungen

Lebererkrankungen

Übelkeit und Erbrechen

Durchfall und Verstopfung

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen

Harnsystem und Geschlechtsorgane

Benignes Prostata-Syndrom

Wechseljahresbeschwerden

Prämenstruelles Syndrom

Harnwegsentzündungen

Gehirn und Nerven

Depressive Episode

Demenzielles Syndrom

Unruhezustände und nervös bedingte Einschlafstörungen

Kopfschmerzen

Bewegungsapparat

Rücken-, Muskel- und Gelenkschmerzen

Herz-Kreislauf-System

Chronisch-venöse Insuffizienz

Herzinsuffizienz

Hypotone Kreislaufstörungen

Haut

Lippenherpes

Krebserkrankungen

Verzeichnis der im Buch genannten Arzneipflanzen

Stichwortverzeichnis

Alle in diesem Werk enthaltenen Informationen wurden vom Autor und dem Verlag auf das Sorgfältigste recherchiert. Gleichwohl sind Druckfehler und sonstige Falschangaben trotz Überprüfung nicht immer und überall auszuschließen. In solchen Fällen übernehmen weder Verlag noch Autor die Haftung.
Stand der Arzneimittel: 12/2017

Zu diesem Buch

Haben Sie, liebe Leserin, schon mal ein Arzneimittel aus Kapuzinerkresse und Meerrettich gegen eine Blasenentzündung eingenommen? Oder Sie, lieber Leser, vielleicht ein Präparat aus Sägepalmen und Brennnesseln gegen beginnende Prostatabeschwerden? Dann gehören Sie zu einer großen Gemeinschaft, denn pflanzliche Arzneimittel, die sogenannten Phytopharmaka, werden von vielen Patientinnen und Patienten sehr geschätzt. Immerhin etwa 20 Prozent aller rezeptfreien Arzneimittel, die in Deutschland gekauft werden, sind Phytopharmaka. Besonders ihre milde Wirksamkeit und ihre gute Verträglichkeit werden bei Umfragen als Stärken genannt.

In diesem Buch möchte ich Ihnen zeigen, dass Phytopharmaka ganz besondere Arzneimittel sind. Anders als bei chemisch-synthetischen Präparaten ist der Rohstoff eines Phytopharmakons ein Naturprodukt. Eine hohe Qualität zu gewährleisten, ist daher eine Herausforderung. Ich möchte Ihnen die wichtigsten Kriterien erläutern, die zur Beurteilung von Phytopharmaka nötig sind. Vor allem aber möchte ich Ihnen die folgenden Fragen zur Auswahl von Arzneipflanzen und Phytopharmaka beantworten: Welche Pflanzen können bei bestimmten Erkrankungen sinnvoll eingesetzt werden? Welche Präparate sind aufgrund ihrer Zusammensetzung zu bevorzugen? Und wie ist es um den Nachweis der Wirksamkeit dieser Phytopharmaka bestellt? Es erwarten Sie viele interessante Antworten.

Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen, erhellende Einsichten und vor allem gute Erfahrungen mit (den richtig ausgewählten) pflanzlichen Arzneimitteln!

Robert Fürst

Königstein im Taunus, im Januar 2018

Über den Autor

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Robert Fürst studierte von 1996 bis 2000 Pharmazie in München. 2001 erhielt er die Approbation als Apotheker. Nach seiner Promotion und Habilitation an der Fakultät für Chemie und Pharmazie der Ludwig-Maximilians-Universität München wurde er 2012 als Professor für Pharmazeutische Biologie an die Goethe-Universität Frankfurt am Main berufen. Dort erforscht er mit seinem Team die zellulären und molekularen Wirkungen von entzündungshemmenden Naturstoffen. Seine Arbeiten zu pflanzlichen Extrakten wurden mit dem renommierten Bionorica-Phytoneering-Preis der Gesellschaft für Arzneipflanzen- und Naturstoff-Forschung ausgezeichnet. Im Bereich der universitären Lehre und auch der beruflichen Fortbildung von Apothekerinnen und Apothekern engagiert er sich stark für die evidenzbasierte Phytotherapie. Er ist Mitglied im Beirat der Gesellschaft für Arzneipflanzen- und Naturstoff-Forschung und Vorsitzender der Landesgruppe Hessen der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft. Darüber hinaus ist er einer der Herausgeber der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Planta Medica.

Die ersten Arzneimittel waren Pflanzen

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Viele Pflanzen, aus denen Arzneimittel hergestellt werden, kann man heutzutage auch anbauen.

Wissen aus Tausenden Jahren

Krankheiten zu heilen oder zu lindern, ist eines der Grundbedürfnisse des Menschen. Bevor es chemisch-synthetische Arzneistoffe gab, waren wir darauf angewiesen, Heilmittel aus der Natur zu gewinnen. Daher wundert es nicht, dass die Verwendung von Arzneipflanzen so alt ist wie die Medizin selbst. Neben Mineralien und tierischen Stoffen waren bis in das 19. Jahrhundert hinein Pflanzen und daraus hergestellte Präparate die wichtigsten Heilmittel.

Woher das Wissen darüber stammt, welche Pflanze welche Beschwerden lindert, lässt sich nur schwer zurückverfolgen. Forscher haben aber etwas Interessantes beobachtet, das einen Erklärungsansatz bietet: Schimpansen fressen, wenn sie erkrankt sind, ganz bestimmte Pflanzen. Diese Art der „Selbstmedikation“ wurde mittlerweile bei vielen Tierarten entdeckt. Wie bei allen Evolutionsprozessen entstand dieses Verhalten in erster Linie durch Zufall: Aufgrund einer (zufälligen) Variante seines Erbguts war ein Tier etwas neugieriger als seine Artgenossen und fraß (zufällig) eine Pflanze, die seine Gesundheit verbesserte. Folglich war das Tier wegen dieses Verhaltens gesünder und hatte mehr Nachkommen.

Dieser biologische Auswahlprozess nach dem Prinzip „Versuch und Irrtum“ war sicherlich auch für den Menschen wichtig. Bei der Gletschermumie „Ötzi“, einem Mann, der vor ungefähr 5300 Jahren lebte, fand man in der Gürteltasche zwei Birkenporlinge. Dieser auf Birken wachsende Pilz ist ungenießbar, und so vermuteten die Forscher, dass Ötzi ihn vielleicht als Arzneimittel genutzt haben könnte. Wie sich in wissenschaftlichen Untersuchungen herausstellte, könnte diese Annahme tatsächlich zutreffen, denn einige Pilzinhaltsstoffe besitzen entzündungshemmende und antibakterielle Eigenschaften.

Im Laufe der Jahrtausende sammelte sich auf allen Kontinenten und in allen Kulturkreisen dieser Erde ein beachtliches Wissen über Heilpflanzen an, das von Generation zu Generation zunächst mündlich weitergegeben wurde. Für uns greifbar wird dieses Wissen erst durch seine schriftliche Überlieferung. Zu den ältesten medizinischen Texten der Menschheit gehört der sogenannte Papyrus Ebers, der um 1550 v. Chr. im alten Ägypten verfasst wurde und heute in der Bibliotheca Albertina in Leipzig aufbewahrt wird. Neben Zaubersprüchen enthält er zahlreiche Anweisungen für die Herstellung von Heilmitteln aus Pflanzen.

Die wichtigste antike Schrift, die die traditionelle europäische Medizin stark beeinflusste, ist „De materia medica“ (Über das Heilmittel) aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. Autor ist der Grieche Pedanios Dioskurides, der als Militärarzt für das römische Reich arbeitete. Seine Empfehlungen galten 1500 Jahre lang als Maßstab für die Therapie mit Heilpflanzen. Mehr als 800 pflanzliche Mittel hat Dioskurides in dem Standardwerk erfasst und systematisch beschrieben. Wie er die Pflanzen in alphabetischer Reihenfolge und bezüglich ihrer Herkunft, botanischen Merkmale, Wirkungen und medizinischen Einsatzgebiete darstellte, hat bis heute Vorbildcharakter.

In der Antike entstand ein sehr grundlegendes Konzept, das die Medizin bis ins 19. Jahrhundert hinein prägte: die Vier-Säfte-Lehre. Sie erklärte nicht nur, wie Krankheiten entstehen, sondern auch wie sie behandelt werden können. Der griechische Arzt Galenos von Pergamon (2. Jh.) und der persische Arzt Avicenna (11. Jh.) bauten diese zentrale Theorie weiter zur sogenannten Humoralpathologie aus. Der Vier-Säfte-Lehre zufolge besteht der Körper aus gelber Galle, schwarzer Galle, Schleim und Blut. Den Säften wurden die Qualitäten trocken oder feucht sowie warm oder kalt zugeordnet.

Vier-Säfte-Lehre

 

warm

kalt

trocken

gelbe Galle

schwarze Galle

feucht

Blut

Schleim

Krankheiten beruhten laut dieser Lehre auf einem gestörten Gleichgewicht der Säfte. Dementsprechend war es die Aufgabe eines Heilmittels, die Balance der Säfte wiederherzustellen. Wie die Säfte teilte man auch die Heilpflanzen nach den vier Qualitäten ein. Eine Erkrankung, die durch einen Überschuss an Schleim gekennzeichnet war und somit als feucht-kalt eingestuft wurde, beispielsweise eine Erkältung, konnte durch eine trocken-warme Pflanze, zum Beispiel Fenchel, therapiert werden. Im Vergleich zu den uralten Vorstellungen, dass übernatürliche Kräfte oder Götter für Gesundheit und Krankheit verantwortlich sind, stellte die Vier-Säfte-Lehre einen gewissen Fortschritt dar. Die Gelehrten versuchten, sich mit den körperlichen Ursachen von Krankheiten auseinanderzusetzen.