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INHALT

VORWORT

INTUITION: WEGWEISER IN EINER KOMPLEXEN WELT

ES GIBT MEHR ALS EINE INTUITION: BEISPIELE

ERKLÄRUNGSMODELLE DER KOGNITIONS-WISSENSCHAFTEN: DER INTUITION AUF DER SPUR

DAS WISSEN DES UNBEWUSSTEN

HIRNFORSCHUNG: WIE ENTSTEHT INTUITION?

AUTOMATISCHE ENTSCHEIDUNGEN: SCHNELLER, ALS DER VERSTAND ERLAUBT

MIT GEFÜHLEN BESSER ENTSCHEIDEN: DAS MODELL DER SOMATISCHEN MARKER

SPIEGELNEURONEN: MITGEFÜHL ENTSTEHT IM GEHIRN

INTUITION UND TRANSZENDENZ

DIE MYSTISCHE ERFAHRUNG

VISIONEN UND OFFENBARUNGEN

ACHTSAMKEIT: IM HIER UND JETZT LEBEN

WAS IST INTUITION?

INTERVIEW: ANTWORTEN VON EXPERTEN

LOSLASSEN UND ACHTSAM WERDEN: WIE WIR DIE INTUITION SCHULEN KÖNNEN

ÜBER DEN TELLERRAND SCHAUEN

ATEM – DER RUHENDE ANKER

DIE KUNST DES NICHTSTUNS – EINFACH NUR DA SEIN

DIE SCHLÜSSELFRAGE

INTUITIVES SCHREIBEN

DIE INTUITIONSPRÜFUNG

NACHWORT

LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS

DANK/IMPRESSUM

VORWORT

Vor einigen Jahren fuhr ich mit meiner Familie von Deutschland nach Kroatien in den Urlaub. Nach acht Stunden Autofahrt entschloss ich mich, an der letzten Kreuzung rechts abzubiegen und in einem fremden Ort nach einem Ferienquartier zu suchen. Diese Entscheidung hatte ich intuitiv getroffen. Meine Frau und die Kinder machten zum Glück mit und wir hatten anschließend einen wunderschönen Urlaub.

In der Regel planen die meisten Menschen – vor allem in Deutschland − ihren Urlaub schon Monate im Voraus bis ins Detail. Das war bei mir eigentlich nie so: Die meisten Entscheidungen habe ich intuitiv getroffen, im Beruf wie im Privatleben. Nicht immer bekam ich dafür Zuspruch und verständnisvolle Blicke. So zum Beispiel, als ich nach über 16 Berufsjahren kündigte und mit 40 ein Studium begann, um – wie ich intuitiv begriff – meiner Berufung zu folgen: Diese Entscheidung stieß auf viel Skepsis. Das war sicher verständlich, denn ich hatte zu diesem Zeitpunkt zwei minderjährige Kinder und eine in Teilzeit arbeitende Ehefrau.

Im Laufe meines Lebens hatte ich jedoch erkannt, dass es für das eigene Glück und Wohlergehen wichtig ist, seine wahre Berufung zu finden. Nicht allein Geld oder Karriere sollten daher meine Berufswahl bestimmen. Ich suchte nach einer Tätigkeit, die mich wirklich erfüllt. Ich wollte mehr Sinn in meinem Leben finden, meine Stärken einbringen und der Gemeinschaft bzw. Gesellschaft etwas geben.

Ein solcher Schritt erfordert viel Arbeit und Mut. Wir alle haben zahlreiche Wünsche und Ängste, die uns meist nur zum Teil bewusst sind. Wir werden geprägt durch unsere Erziehung und gesellschaftliche Werte, dadurch ist unsere Sichtweise oft verzerrt. Daher ist es nicht leicht, sich von falschen Sicherheiten und Abhängigkeiten zu lösen und sich der eigenen Berufung, dem eigenen authentischen Weg zu öffnen. Wir brauchen dafür ein tieferes Verständnis, ein intuitives Erkennen dessen, was wir im Innersten sind, denn das, was unsere tiefste Motivation offenbaren kann, ist etwas Ganzheitliches und geht in diesem Sinne über unser Denken hinaus. Für mich war meine Intuition oft eine Entscheidungshilfe, und mehr noch: ein tiefes, ganzheitliches Wissen. Diese Art von Wissen, man könnte auch von Weisheit sprechen, schafft ein Urvertrauen und schenkt uns ein Gefühl tiefer Verbundenheit mit uns selbst. So fällt es uns leichter, uns von Sorgen, starren Vorstellungen und unnötigen Ängsten zu lösen.

Ich hatte einige intuitive Erfahrungen, die spontan kamen, meine Vorstellungen komplett auf den Kopf stellten und mein Denken veränderten. Es gab auch Zeiten, in denen ich aus verschiedenen Gründen meiner Intuition nicht traute und stattdessen, meiner Ansicht nach, rational urteilte. Solche Entscheidungen erwiesen sich öfter als wenig passend oder glücklich.

Was bedeutet das nun? Bin ich besonders intuitiv begabt und sind Entscheidungen, die ich vernünftig, also rational treffe, schlecht? Nein, denn ich weiß, dass ich allein mit Intuition nicht weit gekommen wäre, z.B. wenn es um Prüfungen während meiner Ausbildungen ging oder um praktische Fragen wie Finanzierung oder Budgetplanung. Neben vielen „positiven“ Erfahrungen mit meiner Intuition waren Objektivität, das kritische Hinterfragen von Konzepten, Theorien und Erfahrungen für mich stets sehr wichtig. Heute sehe ich in beiden Aspekten, sowohl in der Intuition als auch in der Rationalität, wichtige Werkzeuge, um Probleme zu lösen und die Lebenssituation zu verbessern. Es geht also darum, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen beiden herzustellen.

Ein solches Gleichgewicht zu finden, ist aber nicht einfach, denn die Intuition wird heute vor allem in der westlichen Welt stark unterschätzt. Sie wird zumeist mit Skepsis betrachtet und weder als wichtige Funktion für unsere Entwicklung angesehen, noch wird danach gefragt, was die Entwicklung von Intuition fördert und unterstützt, wie intuitive Wahrnehmung sinnvoll integriert werden kann. Die Mittel des Denkens und des Verstandes werden überbewertet. So werden sie auch in diejenigen Bereiche hineingetragen, die allein mit logischem und unterscheidendem Denken nicht erfasst werden können, wie z.B. die Kunst und weite Bereiche der Psychologie und der Ethik. Dies motivierte mich, dieses Buch zu schreiben. In vielen beruflichen oder privaten Gesprächen wurde mir deutlich, dass viele immer mehr Wissen und Informationen ansammeln – weil sie sich dadurch sicherer fühlen und glauben besser im Leben zurechtzukommen. Doch zu viele Informationen sind oft eher eine Last als eine Hilfe. Es ist besser, die wirklich bedeutsamen Informationen auszuwählen. Nur: Wie kann ich wissen, was in der momentanen Situation für mich wirklich wichtig ist?

Es finden sich heute immer mehr Experten und Ratgeber zu allen möglichen Themen und wenn wir auf ihre Meinung hören, sehen wir vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. In meinem Leben traf ich viele sehr gebildete Menschen und war von ihrem Wissen beeindruckt. Mit der Zeit erlebte ich dann, wie viele von ihnen im täglichen Leben nicht zurechtkamen. Und ich fragte mich immer wieder, wie es sein kann, dass diese gebildeten, intelligenten Menschen sich so töricht verhalten. Im Weltgeschehen begegnet uns dieses Phänomen häufig und wir alle kämpfen mit den Folgen. Da sind die von den Politikern geplanten und durchgeführten Kriege, die Finanzprobleme der meisten Staaten, der akademisch gebildete Terrorist und so manch seltsame Entscheidungen der großen Unternehmensmanager.

Wie ist es zu erklären, dass wir mit unserem immensen Wissen und unserer Intelligenz da nichts ausrichten können? Heute wissen wir, dass es nicht nur die eine Intelligenz gibt, sondern viele Arten. Howard Gardner, Professor für Psychologie an der Harvard University, forscht intensiv in diesem Bereich und hat den Begriff von Intelligenz neu definiert. Er spricht von multiplen Intelligenzen: Dazu gehören die sprachliche, die logisch-mathematische, die räumliche, die musikalische, die motorische oder körperlich-kinästhetische Intelligenz, die personale, die naturkundliche sowie die noch in der Erforschung stehende existentielle Intelligenz. Zusätzlich wird heute von einer spirituellen Intelligenz gesprochen.

Wenn es so viele Arten von Intelligenz gibt – was genau ist dann ein intelligenter Mensch? So kann jemand ein sehr gutes logisches Verständnis besitzen, aber seine emotionale Intelligenz wenig entwickelt haben. Andererseits gibt es Menschen, die sich sehr gut in andere einfühlen und förmlich ihre Gedanken lesen können, aber bei einfachen Rechenaufgaben versagen, die mathematisches Denken erfordern. Das westliche Schulsystem fördert vor allem die Logik und die Sprache, da diese Fähigkeiten für die wirtschaftliche und technische Entwicklung besonders wichtig sind. Auf der Strecke bleiben die Fähigkeiten, die den Körper, das Emotionale, die Intuition und das ganzheitliche Denken betreffen. Für eine abgerundete Persönlichkeitsentwicklung sind sie jedoch unentbehrlich, denn sie stehen in Verbindung mit dem logischen Denken und bilden mit ihm eine Einheit.

In diesem Buch widme ich mich einem dieser Bereiche, die zu kurz kommen: der Intuition. Mir hat sie oft geholfen, Entscheidungen zu treffen. Dank meiner Intuition kann ich in vielen, vor allem in komplexen Situationen eine Lösung finden – nach der das bewusste Denken verzweifelt und erfolglos gesucht hat. Es gelingt mir, wirklich loszulassen und mich auf meine unbewussten Potenziale zu verlassen. Warum dies funktioniert, kann die Wissenschaft mittlerweile gut erklären: Deshalb stelle ich in diesem Buch auch Erkenntnisse aus den Kognitionswissenschaften vor.

Intuition hat auch mit Spiritualität zu tun. Es gibt kleinere und größere Wendungen im Leben, die man nicht vorausahnen und denen man nicht ausweichen kann. Darin sehe ich Schicksal oder Fügung. Für manchen mag sich dies etwas esoterisch oder zu religiös anhören. Dennoch ist Spiritualität ein wichtiger Aspekt der menschlichen Natur – neben dem Wissen, dem genetisch Vererbten, unserer Erziehung und dem Einfluss unserer Umwelt. Tatsächlich ist jeder zu einem Gutteil seines Glückes Schmied, aber es gibt Faktoren, die wir nicht beeinflussen können. So erreichen manche Menschen trotz ihres Talents, einer geeigneten Förderung, bester Rahmenbedingungen und viel Fleiß nicht das, was sie wollen. Andere ernähren sich immer ausgewogen, befolgen alle Ratschläge zur Gesundheitsprophylaxe und werden dennoch krank und sterben früh. Oft sprechen wir dann davon, Glück oder kein Glück zu haben. Ich persönlich sehe darin eine Art Schicksal. Dieses Schicksal kann ich nur auf einer tieferen Ebene wirklich verstehen und annehmen.

Vor vielen Jahren habe ich während eines mehrtätigen Zen-Meditationskurses Erfahrungen gemacht, an die ich mich noch sehr gut erinnern kann. Ich war nicht richtig darauf vorbereitet und wollte schon nach drei Tagen nach Hause fahren. Das Sitzen auf dem Meditationskissen und das Schweigen, das zum Programm gehört, bereiteten mir einige Probleme. Wir sind es heutzutage nicht mehr gewohnt, für einige Zeit – und hier spreche ich nicht von Tagen, sondern von Stunden oder gar Minuten – allein und still zu sein und nicht von anderen Dingen abgelenkt zu werden. Doch zurück zu meinem Erlebnis. Am dritten Tag widerfuhr mir etwas, was ich mit Worten nicht beschreiben kann, weil es über das logische Verstehen und das, was ich bis dahin kannte und erlebt hatte, hinausging. Ein Begreifen, ein Zustand tieferen Verständnisses für die Zusammenhänge überkam mich, ein Gefühl von Verbundenheit mit jedem und allem. Und neben diesem ekstatischen Gefühl stieg in mir die Erkenntnis auf, dass wir als Menschen alle in einem Boot sitzen und auf irgendeine Weise miteinander verbunden sind. So sind die Freude und das Leid des anderen auch meine Freude und mein Leid. Diese Erfahrung war nicht im Rausch oder von außen durch Worte oder Suggestion entstanden. Im Gegenteil, sie entsprang einem Zustand besonders ausgeprägter Klarheit und Präsenz. Ich erkannte, was immer da ist, aber unserem Alltagsbewusstsein verborgen bleibt. Es war ein Begreifen, das dazu dient, mehr von der Welt und den großen Zusammenhängen zu verstehen.

In diesem Buch beschreibe ich die verschiedenen Aspekte der Erfahrung von Intuition und stelle wissenschaftliche Erklärungsmodelle vor. Diese werden ergänzt durch die persönlichen Erkenntnisse ausgewählter Interviewpartner, die langjährige praktische Erfahrungen mit der Schulung von Achtsamkeit und Intuition haben. In diesem Zusammenhang wird das Achtsamkeitstraining bzw. die Meditation als eine Möglichkeit zur Schulung der Intuition vorgestellt.

INTUITION: WEGWEISER IN EINER KOMPLEXEN WELT

„Die Intuition ist ein göttliches Geschenk, der denkende Verstand ein treuer Diener. Es ist paradox, dass wir den Diener verehren und die göttliche Gabe entweihen.“

Albert Einstein

Die Halbwertszeit des Wissens ist durch die rasante technische Entwicklung und die Globalisierung extrem gesunken. Die Welt ist komplexer und das Wissen zur wichtigsten Ressource geworden. Eine enorme Menge an Wissen haben die Menschen angesammelt, was zu großen Fortschritten in verschiedenen Lebensbereichen geführt hat. Menschen und Unternehmen streben danach, immer mehr Wissen und Informationen anzuhäufen, um zu bestehen und wettbewerbsfähig zu sein. Daneben wird aber auch die Angst größer, nicht genug zu wissen. Und tatsächlich wird es immer schwieriger, einen Überblick zu behalten: Denn die Menge an Informationen steigt stetig und die Zeit, um diese zu verarbeiten, sinkt immer mehr. Die Autoren Christiane Schiersmann und Heinz-Ulrich Thiel stellen fest: „In den nächsten zehn Jahren [muss] die Menschheit mehr Wissen verarbeiten als in den letzten 2500 Jahren zusammen.“

Andreas Zeuch, Autor und Unternehmensberater, erklärt, dass sich die produzierten Daten schon im Jahr 2002 auf rund 5 Exabyte beliefen und sich in einem Zyklus von drei Jahren verdoppelt hatten. Um dies zu veranschaulichen, weist er auf das folgende Gedankenexperiment hin: „Bereits die 5 EB übersteigen die in der Library of Congress gespeicherten Daten um das 37.000-Fache! Die Library of Congress verfügt momentan über ca. 1047 Regal-kilometer an Büchern, Manuskripten etc., was in etwa der Strecke von Hamburg nach Genf entspricht. Um an den Büchern vorbeizufahren, die man aus den 5 EB bilden könnte, müssten Sie 100 Jahre lang täglich von Hamburg nach Genf und am nächsten Tag wieder zurück fahren. Was in der Zwischenzeit an neuen Daten gebildet wird, sollten Sie jetzt lieber nicht bedenken.“

Unendlich viele Nachrichten und Werbeinformationen prasseln auf uns ein. Nach einer Studie soll ein Amerikaner etwa 3000 Werbebotschaften am Tag bewusst oder unbewusst wahrnehmen. Das sind bei durchschnittlich 8 Stunden Schlaf ca. 200 pro Stunde. Bei diesem Übermaß an Informationen wird es immer schwieriger, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen und Entscheidungen zu treffen. Die Aufnahme- und Speicherfähigkeit unseres Verstandes allein ist begrenzt und die bewusste Verarbeitung der vielen Informationen braucht Zeit.

In der heutigen Berufswelt sind schnelle Entscheidungen gefragt – und vor allem richtige, was jedoch durch den Anstieg an Komplexität immer schwerer wird. So suchen die verschiedenen Managementdisziplinen, Psychologie, Neurowissenschaften sowie der Bildungssektor heute vermehrt nach Wegen, wie wir angemessene Antworten auf die vielen brennenden Fragen der modernen Welt finden können.

Der Verstand, die Logik, ist in einer immer komplexer werdenden Welt wichtig, reicht aber offensichtlich nicht aus, um wichtige Fragen zu beantworten. Wir brauchen also andere Mittel – aber welche? Heinz-Uwe Hobohm, Professor für Bioinformatik, erklärt: „Die Rolle des Verstandes ist so doktrinär in uns verankert, dass kaum jemand fragt, ob wir nicht noch andere Werkzeuge besitzen, um zu lernen, zu reagieren, uns zu entwickeln, mit Dingen und Menschen umzugehen.“

Eines dieser Werkzeuge ist die Intuition. Sie kann uns helfen, zu besseren Entscheidungen zu kommen. Im Bildungssystem spielt sie bislang keine Rolle und viele Psychologen stehen ihr eher skeptisch gegenüber, da sie in ihren Augen gegen die logischen Gesetze verstößt. Doch mittlerweile hat sich gezeigt – besonders durch neuere Erkenntnisse der Kognitionsforschung −, dass eine gute Intuition nicht nur für künstlerische Tätigkeiten wertvoll und wichtig sein kann.

Was Intuition ist, ist nicht leicht zu sagen: Gefühl, Instinkt, Bauchgefühl, sechster Sinn, Vorahnung, „den richtigen Riecher haben“, aber auch Eingebung, Vision, Innenschau, Erleuchtung, Einfall, Geistesblitz, Idee – solche unterschiedlichen Begriffe werden genannt, wenn man Menschen fragt, was sie unter Intuition verstehen.

Der Begriff der Intuition besitzt also unterschiedliche Schattierungen und die Übergänge sind fließend. Die Erfahrung einer Intuition kann verschiedene Merkmale aufweisen, sie ist nicht einheitlich definierbar und somit kaum eingrenzbar. Sowohl mit den Erklärungsmodellen der Kognitionswissenschaften als auch mithilfe der alten philosophischen und religiösen Weisheitslehren kann man sich ihr annähern.

Intuition wird verschieden wahrgenommen: Manchmal wird sie als ein „diffuses Erleben“ wahrgenommen – eine solche Intuition ist subtil und nicht offenkundig. Sie kann auch als klare, überzeugende und erwiesene Erfahrung auftreten, als ein „evidentes Erleben“. Erfahrungen von Intuition, die einen übersinnlichen Aspekt aufweisen und unsere gewohnten Wahrnehmungskategorien sprengen, können zum Teil in den spirituellen Kontext eingeordnet werden. Darüber hinaus gibt es Intuitionen, die mit kognitiven Prozessen verknüpft sind und zu einem konkreten Ergebnis führen können – man kann sie als „rational/funktional“ bezeichnen. Das sind die Intuitionen, die nach einer langen Phase des Suchens und Forschens zu einer Idee bzw. klaren Erkenntnis oder dem sogenannten Geistesblitz führen.

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Synonyme für den Begriff Intuition und eine mögliche Kategorisierung.

Achtsamkeitsforscher und Meditationslehrer erklären, dass Intuition in einem Bewusstseinszustand auftreten kann, der uns mit „unbewussten Quellen“ in Verbindung bringt. Ken Wilber spricht in diesem Zusammenhang von „der Ebene des transpersonalen Zeugen, des archetypischen Selbst“, auf der es möglich ist, „eine fundamentale Intuition“ wiederzugewinnen.

Intuition, die als „Eingebung“ erlebt wird, ist eine plötzliche Erkenntnis, die nicht über das bewusste Nachdenken zustande kommt, sondern aus Bereichen des Unbewussten stammt. Sie ist eine Erkenntnis, die weit über die rational logischen Denkprozesse des Bewusstseins hinausgeht und tiefere Einsicht in größere Zusammenhänge erlaubt. Es handelt sich um ein „Begreifen“, das nicht in Worte gefasst werden kann; ein nichtwissendes Wissen.

Auf den folgenden Seiten präsentiere ich einige typische Intuitionserfahrungen. Sie sollen helfen zu verstehen, auf was für unterschiedliche Art und Weise sich Intuition äußern kann.

ES GIBT MEHR ALS EINE INTUITION: BEISPIELE

Die meisten Menschen haben schon kleinere oder größere intuitive Erfahrungen gemacht. Oft wird dann von einem Aha-Effekt, einem Bauchgefühl, einer Vorahnung oder sogar einer Erleuchtung gesprochen.

Der Psychologe Timothy Wilson führte 1993 mit Studenten und Studentinnen ein Experiment durch. Er zeigte ihnen fünf Poster, und sie durften sich eins aussuchen: Dieses würden sie geschenkt bekommen. Die einen machten sich bewusst Gedanken darüber, welches ihnen am liebsten wäre. Sie analysierten ihre Überlegungen und machten sich dazu Notizen. Die anderen griffen zu, ohne lange nachzudenken. Sie entschieden sich intuitiv. Nach einiger Zeit wurden alle gefragt, ob sie mit der Auswahl immer noch zufrieden seien. Diejenigen, die sich spontan entschieden hatten, waren wesentlich zufriedener als diejenigen, die lange nachgedacht hatten.

Doch was geschieht da eigentlich? Was passiert, wenn man eine intuitive Erfahrung macht, und was ist Intuition?

Hier beschreibe ich vier Situationen, in denen Intuition auftreten kann.

Image Die Suche nach einer Lösung

Jeder kennt diese Situation: Man überlegt und analysiert lange, und je mehr man nachdenkt, desto weiter scheint man sich von der Lösung zu entfernen. Erst wenn ein gewisser Abstand zu dem Problem entstanden ist, etwa wenn man eine Nacht darüber geschlafen hat, hat man wie aus dem Nichts den entscheidenden Einfall.

Eine solche Situation beschrieb Friedrich August Kekulé 1890, der die Struktur des Benzols entdeckte – was zu einem Boom in der Chemieindustrie führen sollte:

„Da sass ich und schrieb an meinem Lehrbuch; aber es ging nicht recht; mein Geist war bei anderen Dingen. Ich drehte den Stuhl nach dem Kamin und versank in Halbschlaf. Wieder gaukelten die Atome vor meinen Augen. […] Mein geistiges Auge, durch wiederholte Gesichte ähnlicher Art geschärft, unterschied jetzt grössere Gebilde von mannigfacher Gestaltung. […] Und siehe, was war das? Eine der Schlangen erfasste den eigenen Schwanz und höhnisch wirbelte das Gebilde vor meinen Augen.

Wie durch einen Blitzstrahl erwachte ich; auch diesmal verbrachte ich den Rest der Nacht um die Consequenzen der Hypothese auszuarbeiten.“

Image Die Begegnung mit einem Fremden

Wenn man einem Unbekannten zum ersten Mal begegnet, hat man manchmal das Gefühl, dass etwas nicht in Ordnung ist. Rational gibt es dafür keinen Grund – dennoch wird etwas emotional wahrgenommen, was nicht logisch erklärt werden kann. So berichtet ein Personalleiter, der oft Vorstellungsgespräche führt:

„Ich habe am Anfang meines Berufslebens ein paar Mal die Erfahrung gemacht, wie das ist, wenn ich nicht auf meinen Bauch oder meine Intuition achte, und zwar bei Personaleinstellungen. Also, da hast du dann Unterlagen gekriegt, wo du denkst, Mensch, toll! Du lädst ein, tolles Gespräch, denkst: alles prima, stellst ein und irgendwo ist da was, was dir sagt: irgendwas ist nicht in Ordnung, und du denkst, ach, was soll der Quatsch … Ist doch alles in Ordnung, wunderbar, stellst ein, und der Mensch übersteht die Probezeit nicht, oder es gibt halt einfach Ärger. Und dann hab ich mir angewöhnt, sehr genau drauf zu achten, dass beide Kanäle stimmig sind und dass ich nur dann eine positive Entscheidung treffe, wenn ich auf beiden Ebenen ein positives Signal bekomme.“1

Image Eine Vorahnung

Man spürt, dass etwas in naher Zukunft passieren wird, etwa dass ein Ereignis eintritt oder einer Person etwas Bestimmtes widerfährt.

Eine Mutter hatte eine außergewöhnliche Erfahrung gemacht, die sie sich nicht erklären konnte. Deshalb schrieb sie einen Brief an eine Beratungsstelle:

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