Thomas Bauer

Rednecks radeln nicht.

Meine 3000 Kilometer auf einem Liegerad durchs wahre Amerika

Image

 

Image

 

Inhalt.

 

1 Kill 'em all! 7

 

2 Abenteuer im Land der 10.000 Seen:
Vom Lake Itasca nach Wabasha. 11

 

3 Begegnungen im Niemandsland:
Von Wabasha nach Hannibal. 89

 

4 Cowboysuche jenseits der Straßen:
Von Hannibal nach Memphis. 175

 

5 Zwischen Baumwollfeldern:
Von Memphis nach New Orleans. 261

 

6 One nation under god? 321

 

Anhang. 327

 

Pure Vernunft

darf niemals siegen.

 

Tocotronic

 

Jeder Mensch hält die Summe

seiner Tölpeleien

für Erfahrung.

 

Oscar Wilde

 

1.
Kill ‘em all!

 

Auf einmal stand er vor mir. Ich hatte gerade das Motel verlassen und wollte am Gebäude entlangfahren, um auf den Highway zu kommen, da hob er die Hand und rief: „Hey du, anhalten!“ Vor Überraschung trat ich sofort auf die Bremse. Das war natürlich ein Fehler, machte es uns beiden doch klar, wer hier das Sagen hatte.

Andererseits ragte der Kerl hünenhaft vor mir auf. Sein sonnenverbranntes Gesicht ließ nicht erkennen, von welcher Farbe es einst gewesen sein mochte, aber seine wilden rötlichen Locken deuteten auf eine irische Abstammung hin. Natürlich trug er einen Bart, das taten fast alle hier. Mehr Sorge bereiteten mir seine Tätowierungen, besonders das Spinnennetz am Ellbogen, das nicht nur bei Skinheads beliebt war, sondern auch anzeigen kann, dass man gesessen hat.

Gebannt starrte der Riese auf das Gefährt, in dem ich saß. Ich konnte es ihm nicht verübeln: Ein Liegerad mit Hartschalenverkleidung bekam man nicht alle Tage zu sehen, vor allem nicht in diesem Teil der Welt, wo man selbst bis zum Laden auf der anderen Straßenseite den Pickup nahm. Doch da war ich nun einmal, in einer drei Meter langen Eigenkonstruktion, die aussah wie ein erstarrtes Insekt. Ein Tüftler aus Oregon hatte sie gebaut. Und natürlich musste das genauer untersucht werden.

„Was ist das denn für ein seltsames Ding?“, wollte der Muskelprotz wissen. Zumindest glaubte ich das zu verstehen: „What kind of weird thing is that?“ Sicher konnte ich mir da nicht sein. Seit ich in den Südstaaten unterwegs war, verstand ich so gut wie nichts mehr von dem, was mir die Leute sagen wollten. Schon gar nicht hier im ländlichen Arkansas, in einem Nest namens Osceola.

Das war kein Akzent mehr, das war eine andere Sprache! Die Vokale wurden gedehnt, bis es ihnen wehtun musste. Hier sagte man nicht „man“, sondern etwas wie „meeeiiin“. Im nächsten Augenblick aber stopfte man ganze Sätze in eine Silbe: „Y‘ know what I’m saying?“.

„Wha’ kinda weird thang that?“, sagte der Hüne also. Als er sich vorbeugte, um mein Gefährt genauer in Augenschein zu nehmen, konnte ich einen Blick auf sein T-Shirt werfen. „Kill 'em all“, stand da, „Töte sie alle“. Das war zunächst mal nicht sonderlich beunruhigend. Ich kannte die dazugehörige Zeichnung: den Blutspritzer, der einen Kopf darstellte, und daneben die Hand, die nach einem Hammer griff. Trotz dieses martialischen Titelbilds gelang Metallica 1983 schon mit ihrem ersten Album der Durchbruch.

Es waren seine Augen, die mich in Alarmbereitschaft versetzten – sein harter, Blick, der die Welt nicht betrachtete, sondern in Besitz nahm. Mit einem solchen Blick beobachtet man keine Landschaft, sondern schätzt seinen Gegner ab.

Ich musterte die Umgebung, hoffte, dass jemand auf dem Weg hierher war –, der Manager des Motels vielleicht oder ein Gast, der etwas vergessen hatte. Leider aber waren wir allein auf weiter Flur. Der Verkehr brauste den nahen Highway entlang und auf dieser Seite hatte das Motel keine Fenster.

Plötzlich erinnerte ich mich daran, dass mich gestern Abend der Sheriff angehalten hatte. Zwölf Mal hatte mich die Polizei bisher von der Straße geholt – meistens, weil die Beamten wissen wollten, mit was für einem Ding ich da unterwegs war. „Sieh zu, dass du abends in deinem Zimmer bist“, hatte der Ordnungshüter mir geraten, „das hier ist nicht die beste Gegend.“

Obwohl ich – in einem engen Gefährt sitzend, das meinem Gegenüber kaum bis zur Hüfte reichte – in einer denkbar ungünstigen Ausgangsposition war, hielt ich, als mich der Kraftmeier taxierte, seinem Blick stand.

„Wirklich ein nettes kleines Ding“, sagte er. Dann griff er mit routinierter Selbstverständlichkeit in die rechte Tasche seiner verwaschenen Jeans und zog eine Pistole hervor.

Später sollte ich erfahren, dass es sich um eine KAHR P9 handelte. Ihr Griff aus Polymer macht sie leicht; darum wird sie zum Beispiel von Beamten des New York Police Departments als Zweitwaffe geführt.

Im Augenblick war mir das herzlich egal. Was hat mich nur geritten, dachte ich wieder einmal, mit einem so auffälligen Fahrzeug durch ein derart raues Land zu ziehen?

 

2.
Abenteuer im Land der 10.000 Seen:
Vom Lake Itasca nach Wabasha.

 

Aller Anfang ist schwer.

 

Am Abend des 30. März 2016 wurde John, der im Flughafen von Bemidji arbeitete, Zeuge eines seltsamen Ereignisses. Er hatte eben das Gepäck der neun Passagiere, die mit der Elf-Uhr-Maschine gekommen waren, in den Ankunftsraum gestellt. Acht von ihnen zogen wie gewohnt eine Tasche oder einen Rucksack heraus und verließen das Gebäude. Kurz darauf hörte man die Motoren ihrer Pickups. Im Nu wurde es still im Flughafen und John löschte das Licht.

Er wollte gerade die Türen abschließen, als er einen Schatten bemerkte, der unschlüssig im Inneren des Gebäudes umherhuschte. Erst als John ihm bedeutete, dass hier heute keine Flieger mehr starten oder landen würden, trat der Fremdling hervor. Ob es hier so etwas wie ein Taxi gebe, wollte der Mann wissen. Ein Taxi!

Ein Zug würde es auch tun oder ein Bus vielleicht, meinte er dann. Da lachte John laut auf. Zumindest war es ein gelungener Witz, der ihn in den Feierabend begleitete.

Johns Gelächter war mir Antwort genug. Den Rucksack auf der rechten, die Reisetasche auf der linken Schulter: So stapfte ich los, um Bemidji zu erreichen. Ich hatte dort ein Hotel gebucht und wollte mich nach dem langen Flug ausruhen.

Nur: Wo befand sich diese Stadt? Um mich herum war es stockdunkel. Linkerhand raschelte es, dort musste ein Wald sein. Rechts von mir verlief in einiger Entfernung eine mehrspurige Straße, auf der zu dieser Zeit nicht ein einziges Auto unterwegs war. Von weither, jenseits von Wald und Straße, leuchteten Lichter herüber. Dort musste Bemidji sein.

Dass der mächtige Mississippi gerade hier nahe der kanadischen Grenze entsprang, hatte ich noch ein paar Wochen vor Beginn der Reise nicht gewusst. Und auf einmal, beinahe wie in einem Traum, war ich hier.

Bemidji also: Dem Zollbeamten hatte ich bei der Zwischenlandung in Atlanta den Städtenamen buchstabieren müssen. Argwöhnisch hatte er mich daraufhin angeschaut und mich drei Mal gefragt, was ich dort wolle.

Im Moment fragte ich mich das auch. Zum vierten Mal stellte ich die Tasche auf den Boden. Einerseits, weil sie schwer war, andererseits, um einen weiteren Pullover hervorzukramen, den ich eilig überstreifte. Es war kalt. Als ich die ersten Häuser der Siedlung erreichte, sah ich im Licht der Straßenlaternen, wie mein Atem Wölkchen bildete. Eine Straßenpfütze, die ich umrundete, war mit solidem Eis bedeckt.

Zwei Minuten vor Mitternacht stieß ich die Tür des günstigsten Hotels von Bemidji auf. Mit mir trat die Kälte in den Raum. Augenblicklich breitete sie sich aus und wurde erst vom hohen Tresen einer Rezeption abgefangen, über dem das bärtige Gesicht eines Mannes auftauchte, den ich mir gut als Fallensteller oder auf der Hirschjagd vorstellen konnte. In seinen Augen spiegelte sich die kompromisslose Weite Minnesotas – während in meinen derzeit wohl nur der übermächtige Wunsch nach einem warmen Bett geschrieben stand.

Der Bärtige warf einen flüchtigen Blick auf meine Reisetasche, dann nickte er, als habe er soeben ein Rätsel entschlüsselt.

„Wir haben dich ein bisschen früher erwartet“, meinte er, ehe er mir den Zimmerschlüssel gab. „Hast wohl kein Auto, was?“

 

Papa Dean.

 

Die spinnen, die Amis: Was ich immer schon geahnt hatte, bestätigte sich in Bemidji, einer Stadt mit gerade mal 12.000 Einwohnern und mit 43 Kirchen. Alle waren sie hier, die Baptisten und die Lutheraner, die Mitglieder der Pfingstgemeinde und die Zeugen Jehovas, die Katholiken und die Protestanten, die Methodisten und die Presbyterianer. Ihre Bauwerke waren kaum zu übersehen.

Und das war noch gar nichts. In den Vereinigten Staaten mit ihren über 300 anerkannten Religionsgemeinschaften blühen noch ganz andere Gewächse. Die Church of Euthanasia zum Beispiel, deren Mitglieder Selbstmord und Kannibalismus befürworten, da sie der Meinung sind, dass die Welt nur dann gedeihe, wenn die Menschheit aussterbe. 24 der 50 amerikanischen Bundesstaaten erkennen Gebete gesetzlich als Medizin an. Gesetzlich!

„In God We Trust“, steht auf den Dollarscheinen. Warum gerade auf so etwas Profanem wie Geld? Weil es genau darum geht: „Gott will, dass wir reich werden“, so erzählen es die Prediger zur besten Sendezeit in den Fernsehshows. Reichtum gilt als Belohnung für ein gottesfürchtiges Leben.

Bereits die ersten Siedler betrachteten sich als Gesandte. Sie setzten ihre Auswanderung aus der Alten Welt mit dem Auszug Israels aus Ägypten gleich: Das neue Land sollte die Welt erleuchten wie dereinst die Heilige Stadt auf dem Berge Zion. Dass dieses Sendungsbewusstsein mit zunehmender Militärmacht eine bis dahin ungekannte Wucht erhielt, bekamen nicht nur die Indianer im eigenen Land zu spüren, sondern beispielsweise auch die Sandinisten in Nicaragua, die Demokraten um Salvador Allende in Chile und der Vietcong in Südostasien.

Zuweilen jedoch müssen wohl selbst die Amerikaner daran erinnert werden, dass sie das auserwählte Volk sind. Als sie den Glauben ihrer Landsleute in Gefahr wähnten, brachten konservative Theologen im frühen 20. Jahrhundert drei Millionen Hefte unters Volk. Diese Priester nannten sich „Die Fundamentalisten“. Sie wollten einige „Grundwahrheiten“ sichern, darunter die Irrtumsfreiheit der Bibel, die Jungfräulichkeit Marias und die baldige Wiederkehr des Heilands.

Als die Industrialisierung die Städte und Singleraten wachsen ließ, fielen die Lehren der Fundamentalisten und das damit verbundene Heilsversprechen vor allem bei den Arbeitern und Angestellten im Norden auf fruchtbaren Boden. Der Süden zog in den Siebzigerjahren nach. Heute zählt sich ein Viertel der Christen in den Vereinigten Staaten zu den Fundamentalisten. Sie sind gut organisiert und pflegen beste Beziehungen zur politischen Rechten. Und noch immer ziert die Dollarscheine nicht nur das Glaubensbekenntnis, sondern auch eine Pyramide, über der ein Auge schwebt: das Auge Gottes, der über sein Reich, die Vereinigten Staaten von Amerika, wacht. Die spinnen, die Amis.

Andererseits: Vielleicht schaffen christliche Tugenden ja gerade hier im äußersten Norden des Landes einen Ausgleich zum Alltag. Als ich „die erste Stadt am Mississippi“ erkundete – selbstverständlich war ich der einzige Fußgänger –, traf ich vor allem auf Naturburschen mit massigen Schädeln und dunklen Locken. Sie wohnten drei Schritte von der Durchgangsstraße entfernt in Häusern, die an die Optik von Dixi-Toiletten erinnerten. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie diese Hütten einen Sturm überstehen sollten. Vielleicht standen darum neben den Gebäuden Autos, die ungefähr dieselbe Größe hatten wie die Häuser. Wenn es hart auf hart kommt, kann man einfach davonfahren.

Zuweilen trat einer der Bewohner auf die Straße, warf mir einen verständnislosen Blick zu und brauste anschließend mit röhrendem Motor an mir vorbei. Ich stellte mir dann vor, dass er sich zu einem der vielen Seen in der Umgebung begab, um dort noch rasch einen Bären zu schießen oder mit einem Büffel zu ringen, ehe er zum Abendessen nach Hause kam. Ein bisschen fühlte ich mich wie Johnny Depp, der sich im Schwarzweißfilm „Dead Man“ etwas unbedarft per Zug nach Westen begibt. Der Filmbeginn verdeutlicht ganz ohne Worte, dass der gepflegte Mann aus dem gesitteten Osten nunmehr in eine weitaus rauere Welt geraten ist.

Es sollte einem gemütlichen Intellektuellen mit kleinen klugen Augen vorbehalten sein, mein Bild von Bemidji gründlich zu korrigieren. Ich hatte mir eben die Sehenswürdigkeiten der Stadt erwandert. Das war eine überschaubare Leistung, denn es gab ihrer bestenfalls zwei. Eine von ihnen, die deutsche Sprachschule „Waldsee“, führte interessante Argumente ins Feld, warum man hier einen Kurs belegen sollte. „Fantastisches deutsches Essen!“, schrie einer ihrer Flyer: „Probiere unser Raclette und unser Fondue, schlürfe einen Espresso und genieße unser hausgemachtes Gelato.“

Dass nicht eines dieser Beispiele für „deutsches Essen“ herhalten konnte, schien niemandem aufgefallen zu sein. Auch den dortigen Deutschlehrern nicht. Es kam halt alles irgendwie aus Europa. Vielleicht wollte man auch nicht mit Wurst oder Sauerkraut werben. Von der „Schwarzwälder Kirschtorte“, die gewiss niemand aussprechen konnte, ganz zu schweigen.

Klar hingegen war, sofern man den Einwohnern glauben konnte, dass die USA ihre heutige Gestalt niemand anderem als einem Freundespaar aus Bemidji verdanken. Dessen Geschichte wird in ganz Minnesota erzählt; sie wurde von Walt Disney verfilmt und spielt eine große Rolle in Stephen Kings Horror-Roman „Es“.

Paul Bunyan war ein mystischer Holzfäller; begleitet wurde er von seinem treuen Ochsen Babe. Beide waren sie ungemein stark und riesengroß – größer noch als die Statuen, die man ihnen zu Ehren 1939 im Zentrum von Bemidji errichtet hatte.

Wenn Babe herumstapfte, füllten sich seine Fußspuren mit Wasser; auf diese Weise entstanden die 10.000 Seen Minnesotas. Paul wiederum konnte mit der bloßen Faust die Erde spalten. Er schuf die Niagarafälle, damit er duschen konnte, und den Lake Superior als Badewanne für Babe. Als er dereinst, seine Axt hinter sich her schleifend, im Südwesten unterwegs war, schuf er dadurch den Grand Canyon. Und als er aus Versehen einmal die falschen Hölzer stromabwärts nach New Orleans geschickt hatte, ließ Paul seinen Ochsen aus dem Mississippi trinken und kehrte dadurch die Strömung um, sodass die Hölzer wieder zurückkamen.

Paul und Babe, deren Geschichten in den Holzfällercamps des Nordens entstanden sind, verweisen bis heute auf die glorreichen Zeiten am Oberlauf des Flusses, als man zwei Drittel des Landes mit Holz belieferte und ein schwungvoller wirtschaftlicher Aufstieg begann, der jahrzehntelang anhalten sollte.

Gleich neben den Statuen stand ein unscheinbares Gebäude. Als ich darauf zuging, las ich über der Eingangstür den Schriftzug „Tourist Information“. Ich öffnete sie, trat in den beheizten Raum und traf dort „Papa Dean“.

Unsere Begegnung begann alles andere als vielversprechend. Wie ich von hier zur Quelle des Mississippi gelangen könne, fragte ich ihn.

„Kein Problem, fahren Sie einfach südwärts aus der Stadt und …“

„Ich habe aber kein Auto.“

„WAAAS?“

Er war offenkundig ratlos. Vorsichtig warf ich ein, dass es ja so etwas wie Busse gebe, auch ein Taxi vielleicht, und dann sei das Land ja berühmt für seine Eisenbahn.

Papa Dean zuckte mit den Schultern. Nichts dergleichen könne ich hier erwarten, versicherte er mir, das gebe es bestenfalls im Sommer, und der sei extrem kurz; zuweilen falle er auch ganz aus.

Ernüchtert lief ich zurück zum Hotel und bekam dort dieselbe Auskunft. Eine halbe Stunde später aber klingelte in meinem Zimmer das Telefon.

„Hallo?“

„Guten Tag, Sir. Papa Dean von der Touristeninformation ist eben hier eingetroffen. Er sagt, dass er Sie gerne mitnehmen möchte zur Quelle des Mississippi.“

 

Flyover States.

 

„Dort vorn müssen wir abbiegen. Von hier aus sind es nur noch 50 Meilen bis zur Quelle.“

Neben Papa Dean zu sitzen, in einem dieser Vehikel, die aussehen, als hätte man vier europäische Autos ineinander verbaut, war ein Privileg. Es rührte mich, mitzuerleben, wie er mich auf Kleinigkeiten hinwies. Als handele es sich um Sehenswürdigkeiten. Natürlich fuhr er selbst auf kerzengerader und leergefegter Straße stur seine „sixty miles per hour“.

„Der Campingplatz rechts von uns“, ich blickte hin und sah zwei Zelte, „wird von Chippewa-Indianern betrieben. Mein Kumpel Bob ist im Sommer manchmal dort. Der interessiert sich aber weniger für die Natur als für das Glücksspiel, das sie dort anbieten. Viele unserer Indianer werden derzeit steinreich damit. Man könnte sagen, dass sie ihr Glück gemacht haben.“

„Und das Bächlein, das sich so filigran zwischen den beiden Zelten hindurchringelt, trägt das vielleicht so einen poetischen indianischen Namen, den man kaum aussprechen kann?“, fragte ich.

„Und ob: Das ist der Mississippi.“

Einem Steinesammler und Bücherwurm war es vorbehalten, die Quelle des bedeutendsten Stroms der Vereinigten Staaten zu entdecken. Zuvor waren zahlreiche Expeditionen fehlgeschlagen. Immer wieder waren Landvermesser, Trunkenbolde und Lebenskünstler losgezogen und hatten kurzerhand einen der 11.842 Seen Minnesotas zur Quelle des Mississippi erklärt. Immer aber hatten sich ihre Angaben als falsch erwiesen. Beinahe 50 Jahre lang wusste man nicht, wo genau der Fluss, den man 1783 im „Vertrag von Paris“ immerhin als westliche Grenze des neuen Landes festgelegt hatte, denn nun verlief.

Es dauerte bis 1832, ehe Henry Rowe Schoolcraft den Ursprung des Mississippi zweifelsfrei in einem See verortete, den er folgerichtig Lake Itasca taufte, nach den lateinischen Wörtern „veritas“ (Wahrheit) und „caput“ (Kopf) – das „wahre Haupt“ des Flusses also.

Warum gelang Schoolcraft, was so vielen vor ihm versagt geblieben war? Während sich seine Mitstreiter in der Regel von der Aussicht auf schnellen Ruhm blenden ließen und die Indianer geringschätzten, vertraute Schoolcraft, der ein Halbblut geheiratet hatte, der Auskunft der Ureinwohner. Vielleicht lag das auch daran, dass er als einer von wenigen ihre Sprache gelernt hatte. So konnte er am 13. Juli 1832 in seinem Tagebuch vermerken: „Unser indianischer Führer Oza Windib ging voraus, auf seinen Schultern trug er seinen Anteil an der Bürde in Form eines der Kanus. Was lang gesucht worden war, erschien urplötzlich: Als wir aus dem Dickicht auf eine kleine, von Unkraut überwucherte Lichtung traten, eröffnete sich unseren Blicken der bejubelte Anblick eines schimmernden Gewässers. Es war der Itasca-See, der Ursprung des Mississippi.“

Selbst nachdem er die Quelle des wichtigsten Stroms Nordamerikas entdeckt hatte, blieb Schoolcraft vergleichsweise bescheiden. Er zog nach Washington, D.C., und veröffentlichte dort Bücher über indianische Lebensgewohnheiten und Mythen.

Seine Bedeutung erwächst dem Mississippi nicht nur aufgrund seiner Größe. Obwohl diese gewaltig ist: Beinahe 4000 Kilometer ist das Wasser des Stroms unterwegs; gemeinsam mit dem Missouri bildet es das viertlängste Flusssystem der Erde (nach dem Nil, dem Amazonas und dem Jangtsekiang).

Das allein würde trotzdem nicht dafür sorgen, dass selbst noch abgebrühten Managern, die weit weg in New York oder Seattle ihren Geschäften nachgehen, zuverlässig Bilder durch den Kopf schießen, sobald der Name des Flusses fällt. Bilder, die seit jeher verwoben sind mit der Geschichte der USA.

Der Mississippi ist untrennbar verknüpft mit dem amerikanischen Gründungsmythos: Ohne diese Handelsstraße wären die Vereinigten Staaten schlichtweg nicht denkbar gewesen. Der Strom war die Lebensader der jungen Nation.

Jahrzehntelang bildete der Mississippi „the frontier“, die Grenze, die den besiedelten Osten vom „Wilden Westen“ trennte. Hier brachen Lewis und Clark 1804 auf, um erstmals zur Westküste des Landes zu gelangen. Ihre Tagebücher dokumentieren eine waghalsige Reise durch die Great Plains und über die Rocky Mountains hinweg. Lewis und Clark ermöglichten dadurch die Gründung einer „mächtigen Nation zwischen Atlantik und Pazifik“, wie sie der damalige Präsident Thomas Jefferson gefordert hatte. In seiner geostrategischen Bedeutung ist ihre Expedition bis heute kaum zu überschätzen.

Kurz darauf begann die goldene Ära der Dampfschifffahrt. Erlebnishungrige Ladies und streitlustige Gentlemen fuhren stromauf-und stromabwärts. Zu ihrem Zeitvertreib erfand man auf einem der Raddampfer das Pokerspiel und später auch das Wasserskifahren.

Der Mississippi wurde zum „ersten Highway der USA“, zum Abenteuerspielplatz von Gestalten wie Tom Sawyer und Huckleberry Finn. St. Louis, am nördlichen Rand des schiffbaren Abschnitts gelegen, mutierte damals von einer zweckmäßigen Siedlung zum Auffangbecken für Händler und Abenteurer. Memphis und New Orleans entwickelten sich zu Großstädten; ihren Hunger nach Arbeitskräften stillten sie mit Sklaven aus Afrika.

Der amerikanische Bürgerkrieg entzündete sich nicht zuletzt daran, dass es den Konföderierten gelungen war, den Zugang zum Fluss zu blockieren – sie hatten kurzerhand „Wasserzölle“ eingeführt. Und er wurde entschieden, als die Unionssoldaten 1863 die Festung Vicksburg einnahmen, die sich direkt am Mississippi befindet. Kurz nach dem Fall von Vicksburg gaben die Südstaaten den Krieg verloren: Wer den Fluss kontrollierte, war in der Lage, den Bürgerkrieg zu gewinnen.

Vor diesem Hintergrund wird klar, warum der US-amerikanische Reiseschriftsteller Paul Theroux zu dem Schluss kommt, der Mississippi sei „Sinnbild der Freiheit und Hauptschlagader unseres Landes“. T.S. Eliot nennt den Mississippi den „mächtigen braunen Gott“ und konstatiert: „Der Fluss ist innen in uns.“ Er muss es wissen, stammt er doch aus St. Louis.

Von der mystischen Überhöhung oder auch nur der gewaltigen Kraft, die der Strom im Verlauf seiner langen Reise entwickeln sollte, war wenig zu spüren, als ich mit Papa Dean am Lake Itasca ankam. Wälder umkränzten das Wasser, die Luft roch nach Harz und Moos. Außer einem Fußweg war kein Hinweis auf eine wie auch immer geartete Zivilisation erkennbar. Das hier war ein Gebiet für Bären und Hirsche. Ein unscheinbares Rinnsal umspülte meine Schuhe; es war der Mississippi.

„Du kannst gerne ein paar Bilder schießen“, ermunterte mich Papa Dean und zeigte auf einige Steine, die man ins Wasser gesetzt hatte. Auf diese Weise konnte man den Fluss überqueren und damit die sogenannte „Minnesota-Taufe“ absolvieren. Pflichtbewusst knipste ich drauflos. Am folgenden Morgen würde ich die meisten Fotos löschen.

Mein Gastgeber erzählte mir hingebungsvoll von „seinem“ Fluss. Papa Deans Wangen wurden dabei rot wie Tomaten, seine Augen blitzten und mehrmals sprang er auf kleine Felsen – mit einem Schwung, der seine siebzig Jahre verleugnete.

Irgendwann fiel mir auf, dass ich Papa Dean mochte. Nicht nur, weil er mich hierhergefahren und mein Angebot, ihn dafür zu entlohnen, erbost abgelehnt hatte. Nein, ich mochte seine ruhige Art und die demonstrative Gemütlichkeit, die sich auch in seinem Äußeren zeigte.

Beinahe alles an Papa Dean war rund: sein Gesicht, seine Nase, sein Bauch. Selbst seinen Armen und Beinen fehlte alles Kantige. Er war nicht eben muskulös, vermittelte aber eine Stärke, die nichts mit Kraftmeierei zu tun hatte. Sie glich vielmehr einem Strom, der mit souveräner Verlässlichkeit zum Meer findet. Papa Deans Bewegungen waren geschmeidig, zumindest für einen Siebzigjährigen, doch niemals zackig. Sie strömten eine diffuse, schwer greifbare Harmonie aus, die sich um mich legte wie eine wärmende Jacke.

Da er offenbar mit sich im Reinen war, konnte Papa Dean sich um die Belange anderer kümmern. In der Touristeninformation arbeitete er ehrenamtlich. Und das selbst im Winter, wenn höchstens ein paar versprengte Backpacker zu ihm gelangten.

Am meisten aber gefiel mir, wie Papa Dean zum Kind wurde, sobald er von seinen Enkeln, von Bemidji oder von dem großen Fluss sprach, den zu erkunden ich aufgebrochen war.

„Hast du gewusst, Thomas, dass ein Wassertropfen, der unseren Lake Itasca verlässt, geschlagene drei Monate unterwegs ist, ehe er am Golf von Mexiko ankommt? Das willst du wohl schneller schaffen, right? Dann mach dich auf was gefasst! Schon für morgen ist heftiger Schneefall angesagt. Du wirst außerdem durch die Tornadoalley kommen, die Straße der Tornados. Die Saison hat übrigens gerade begonnen. In den Sümpfen von Louisiana wirst du dafür von der Sonne gebraten werden – wenn du überhaupt bis dorthin kommst, meine ich.“

„Hm, klingt verlockend. Was erwartet mich noch unterwegs?“

„Na ja, zunächst folgst du dem Flüsschen hier nach Norden ...“

„Wirklich? Ich dachte, nach Süden.“

„Nein: Nordwärts, dorthin geht es! Der Mississippi baut nämlich immer mal wieder Umwege in seinen Lauf ein, das wirst du noch merken. Tja, dem gefällt es eben bei uns. Du fährst also nach Norden, dann schlägst du einen großen Bogen ostwärts. Dabei gelangst du durch das Indianerreservat von Leech Lake. Wenn ich dir einen Tipp geben darf: Halte dich vom dortigen Kasino fern. Viel zu viele meiner Landsleute sind Spieler und kommen da nicht mehr raus; das musst du nicht auch noch ausprobieren.“

„Verstehe. Und was kommt danach?“

„Nichts, gar nichts. Links und rechts der Straße wirst du tagelang schneebedeckte Bäume sehen, alle paar Stunden kreuzt vielleicht ein Auto deinen Weg. Nimm am besten einen ganzen Haufen Proviant mit. Es kann da draußen ganz schön einsam werden. Nachdem du dich gefragt haben wirst, ob es in unserem Land wohl auch so etwas wie eine Zivilisation gibt mit Häusern und Kinos und Burger-King-Filialen und so, kommst du nach Minneapolis. Der Wechsel von gespenstisch leeren Highways zum großstädtischen Verkehrsgewühl wird dir wohl erst mal den Atem nehmen. Von da an geht’s dann aber endlich schnurstracks südwärts.“

„Alles klar. Und dann komme ich nach New Orleans?“

„Nein, Mann! Du verlässt dann erst mal Minnesota, den ersten der zehn Bundesstaaten, durch die du gelangen wirst.“

„Zehn?“

„Yep. Wenn man Kentucky mitzählt, das der Fluss sozusagen nur streift. Du hast dir da was vorgenommen. Der Mississippi ist ein unsteter Bursche, er bricht immer mal wieder nach Westen und nach Osten hin aus. An beiden Ufern erheben sich Berge, die man gerne unterschätzt. Du musst bedenken, dass die Hauptreiserouten in unserem Land seit jeher von Ost nach West und umgekehrt verlaufen, viel seltener von Nord nach Süd. Go West, hieß es bei uns nun einmal! Aber, ähm, abgesehen von all diesen Dingen hast du natürlich eine tolle Reise vor dir!“

Unsicher geworden, lächelte Papa Dean mir zu. Er hatte bemerkt, dass ich bei seinen Ausführungen schweigsam geworden war.

Natürlich meinte er es gut mit mir. Zwei Herzinfarkte hatten ihn vorsichtig werden lassen. Und bereits die Tatsache, dass ich in Bemidji so unbedarft nach der Quelle des Flusses gefragt hatte, drängte Papa Dean offenbar in die Rolle des besorgten Vaters. Seinen Spitznamen, seine Familie und jeder seiner Freunde nannten ihn so, trug er mittlerweile mit Stolz.

Seine Blicke erzählten hingegen eine ganz andere Geschichte. Er wirkte beinahe jugendlich begeistert, wenn er mir vom Wegverlauf des Flusses erzählte. Sein Sohn Eric hatte vor ein paar Jahren an der Race across America teilgenommen, einer Art Supermarathon für Radfreaks, bei dem die Teilnehmer in weniger als zwölf Tagen von der Pazifik-zur Atlantikküste fahren.

Wahrscheinlich wäre Papa Dean gern mit mir gezogen. Bei allem Abwägen, das er zutage legte, steckte doch auch eine gehörige Portion Neugier in ihm.

Wie passte einer wie er, dem der Bart im Gesicht ebenso fehlte wie das Poltern in der Stimme, in die Gemeinschaft kerniger Holzarbeiter und ultrasportlicher Draufgänger, die hier oben nahe der kanadischen Grenze ein robustes Leben führten? War er als Jugendlicher gehänselt worden? Hatte er darum, wie er mir anvertraut hatte, einige Jahre in Kanada gewohnt?

„Schon“, meinte Papa Dean, „dann ist es aber besser geworden. Bemidji war gut zu mir. Zugegeben, manchmal dauert der Winter bei uns acht Monate und es ist nicht viel los. Aber ich mag eben, dass es beschaulich zugeht und dass ich jeden Einwohner kenne. Jeden, verstehst du?“

Nur politisch sei es in den vergangenen Jahren schwierig geworden. Er werde Hillary wählen, sagte er verschwörerisch, Hillary Clinton solle Präsidentin werden, „trotz allem“. Es war das letzte Mal, dass ich unterwegs auf einen Wähler der Demokraten stoßen sollte. Von hier an würde ich durch „Trumpland“ fahren. „Make America great again“, so würde es allerorten auf Schildern, Hauswänden und Baseballkappen stehen: der Slogan, den der republikanische Donald Trump von Ronald Reagan abgekupfert hatte.

„Warum Hillary, Papa Dean?“

„Well …“, begann er, und seine Zähne mahlten dabei, als müssten sie sein Missfallen unterstreichen, „warum die Pest statt der Cholera? Sie ist halt das kleinere Übel. Ich meine, natürlich ist sie beschissen etabliert und wahrscheinlich hat sie gehörig Dreck am Stecken. Aber: Trump, really? Das ist einer, der mittags nicht mehr weiß, was er am Morgen gefordert hat. Der bezieht an einem Tag drei unterschiedliche Positionen zur Abtreibung. Und dann will er noch eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen lassen. Der weiß wohl nicht, woher unsere Arbeitskräfte kommen. Wer räumt denn unseren Dreck von den Straßen und stopft unsere Einkäufe bei Walmart in die Tüten, hä?“

Papa Dean war ungewohnt laut geworden.

„In den meisten Ländern Europas rennst du damit offene Türen ein“, beschwichtigte ich ihn. „Hier ist das wohl ein bisschen anders.“

„Oh ja“, seufzte er. „Der Terroranschlag auf das World Trade Center in New York hat unser Land komplett umgekrempelt. Das macht sich keiner von euch in Europa klar. Seitdem tritt die Polizei martialisch im öffentlichen Raum auf. Und einige meinen eben, dass alles Übel von draußen kommt. Sie schießen übers Ziel hinaus mit ihrer Kritik an der Einwanderung und in ihrer Ablehnung des Islam – vor allem hier in den von allen Eliten übersehenen Flyover States.“

„In den … was? Wie hast du die Gegend hier gerade genannt?“

„Na, die Flyover States eben. Das sind die Steppen – die Steppen! –, über die unsere Geschäftsleute hinwegfliegen, um zum Beispiel von Boston nach Los Angeles zu gelangen oder von San Francisco nach Charlotte. Wir nennen unsere Region natürlich ganz anders: Für uns ist sie das Heartland, weil genau hier das wahre Herz Amerikas schlägt.“

„Sie“ und „wir“: Mit dieser Unterscheidung sprach Papa Dean aus, was ich auf der weiteren Reise immer wieder zu hören bekommen sollte. Allerorten würde ich auf Vorbehalte gegenüber „denen da oben“ stoßen.

„Die da oben“, das waren die feinen Damen und gutsituierten Herren in den angesagten Küstenmetropolen, die trotzdem in schuhkartongroßen Wohnungen hausten. Die Café latte schlürften, sich gestelzt über Bücher und Theaterstücke unterhielten und sich einen Dreck um ihre Landsleute scherten, die in den unermesslichen Weiten des „Mittelteils“ ein ehrliches, aber wenig glamouröses Leben führten.

Trotz ihres Namens sind die Vereinigten Staaten zweigeteilt. Aber nicht in West und Ost, obgleich einige Rapper diesen Anschein erwecken wollen („Westcoast!“). Auch nicht in Nord und Süd, selbst wenn die Geschichte dies nahelegen würde.

Die USA sind zerstritten, die eine Seite hasst die andere bis aufs Blut, aber die Trennlinien verlaufen zwischen den liberalen Küstenstädten in Ost und West und den immensen Binnenebenen, die wahlweise als „rückständig“ oder als „wahrhaftig“ bezeichnet werden.

Boston, New York und die Appalachen hatte ich auf meinen Reisen bereits kennengelernt. Nach dem Abitur war ich zudem die Westküste der USA von Los Angeles nach Seattle entlanggefahren. Jetzt hingegen wollte ich durch das Land der Rednecks streifen und jenen Gestalten begegnen, deren Nacken vom Arbeiten auf den Feldern rot geworden waren.

Wie ticken diese Menschen? Was treibt sie um? Und was hatten sie, verdammt noch mal, eigentlich gegen einen guten Café latte einzuwenden?

Ich wollte es herausfinden. Einstweilen, nach meinem ersten Tag in den großen Ebenen rund um den Mississippi, war mir immerhin klar geworden, dass einige dieser Hillbillies, so nannten sie sich zuweilen mit einem Augenzwinkern selbst, ein offenes Ohr für die Bedürfnisse ihrer Gäste hatten. Keine so schlechten Voraussetzungen für meine weitere Reise, dachte ich, als Papa Dean mich in Bemidji vor einer provisorisch anmutenden Hütte absetzte. Das war das FedEx-Häuschen, in dem, wenn alles gut gegangen war, seit gestern ein reichlich seltsames Gefährt auf mich wartete. Ein Gefährt, das mir immer wieder helfen sollte, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, denen ich unterwegs begegnete.

Ich musste Papa Dean noch versprechen, mich zu melden, sobald ich in New Orleans angekommen wäre. Dann brauste er in seinem überdimensionierten Jeep zurück zur Touristeninformation und ich ging mit gemischten Gefühlen auf das unscheinbare Gebäude zu.

 

Im Bauch der Flunder.

 

Unwillkürlich suchte der Angestellte Zuflucht hinter seinem Schreibtisch, als ich vor ihn trat und fragte, ob eine vier Meter lange Holzkiste in seinem Lager stehe. Offenbar hatte er dem baldigen Feierabend entgegengeträumt und war durch mein Eintreten daran gehindert worden. Dafür sollte er heute etwas zu erzählen bekommen. Nachdem ich ihm ein halbes Dutzend Papiere überreicht hatte, führte er mich zu besagter Kiste. Dort angekommen, sah ich, dass Taylor, der Tüftler aus Oregon, dem ich dieses Gefährt verdankte, ein gründlicher Mensch war. Vierundsechzig Nägel hielten die Konstruktion zusammen. Als ich durch eine Ritze ins Innere blickte, konnte ich sehen, dass das Velomobil zusätzlich mit Kabelbindern festgemacht worden war.

Es könne ein wenig dauern, bedeutete ich dem Angestellten. Schon fürchtete ich, dass er mich daraufhin nach Hause schicken würde. Stattdessen machte er auf dem Absatz kehrt und ging zurück zu seinem Schreibtisch – aber nur, um dort ein Schild anzubringen, auf dem stand, dass man ihn hinten im Lager antreffen könne. Kurz darauf kam er mit einem Werkzeugkoffer in der Hand zu mir zurück.

Gemeinsam werkelten wir eine knappe Dreiviertelstunde; dann zog ich das Monstrum aus der Kiste. Der Angestellte zeigte darauf, runzelte die Stirn und sagte: „Da ist es ja endlich, das … Ding. Was ist das?“

„Ein Velomobil.“

„Ein was?“

An diese Frage würde ich mich gewöhnen müssen: Ich sollte sie ab jetzt täglich einige Dutzend Mal beantworten. Daran schloss sich zumeist die zweite Frage an: „Und was hast du damit vor?“

Der Angestellte entschied sich hingegen für eine andere: Er fragte, wie wir dieses schwere Teil eigentlich vom Lagerraum hinunter auf die Erde bekommen sollten.

Kein schlechter Hinweis. Immerhin lag der Raum gut zwei Meter oberhalb des Bodens. Ich gab mich verlegen, musterte aus dem Augenwinkel jedoch einen Gabelstapler, der in einer Ecke stand. „Schon gut“, meinte mein Gegenüber, er dürfe dieses Gerät eigentlich nicht bedienen, das sei einem Kollegen vorbehalten. Da ich aber morgen in der Früh losfahren wolle, würde er eine Ausnahme machen.

Gemeinsam hievten wir das Velomobil auf die Gabeln, dann setzte er es vorsichtig ab und ich stieg ein.

In der Zwischenzeit war es dunkel geworden. Über mir wiegten sich Baumwipfel im stärker werdenden Wind. Die FedEx-Station lag hinter mir. Es hätte ein schöner Abend werden können, wäre ich in einem beheizten Cabrio oder gut eingepackt auf einem Motorrad unterwegs.

Stattdessen rotierten die Pedale meines Velomobils knirschend um die eigene Achse. Sie hatten offenbar Mühe, das Gefährt voranzubringen. Der Boden war gefroren und hart. Ich rumpelte über Steine hinweg, die ich im zunehmenden Dunkel nicht erkennen konnte. Der Wind rüttelte am Velodach, einer anderthalb Millimeter dünnen Fiberglasscheibe, die den Elementen kaum etwas entgegenzusetzen hatte.

Von unten war das Velomobil offen; von dort wehte feiner Schneestaub herein, der sofort meine Hosenbeine okkupierte und sich in meinen Turnschuhen sammelte. Alles in allem war mein erster Ausflug in dieser Flunder mehr als ernüchternd.

Beim Hotel angekommen, stellte ich das „Ding“ hinter dem Gebäude ab und legte mich schlafen. Unterhalb meines Fensters floss der Mississippi vorbei. Ich hoffte, dass er mich schon bald in freundlichere Klimazonen führen würde.

 

Drei Reifen und zwölf Bücher.

 

Im Frühstücksraum des Hotels vermeldete der Fernseher am nächsten Morgen 28 Grad, doch das täuschte, handelte es sich doch um Fahrenheit. Die Temperaturen lagen also knapp unterhalb des Gefrierpunkts.

Dass wir auf derartige Umrechnungen angewiesen sind, verdanken wir einem deutschen Physiker: Daniel Gabriel Fahrenheit erfand 1709 das Alkohol-und 1714 das Quecksilberthermometer. Um von Fahrenheit auf Celsius schließen zu können, muss man „einfach“ vom Ausgangswert 32 abziehen und das Ergebnis anschließend mit fünf Neunteln multiplizieren. Als Faustregel kann man festhalten, dass 90F etwa 30°C, 70F etwa 20°C und 50F etwa 10°C entsprechen. Und dass 28F bittere Kälte bedeuten.

Bange machen zählte aber nicht – vor allem nicht in diesem Land, in dem ständig vor allem gewarnt wird und 1000 Gefahren hinter der nächsten Ecke zu lauern scheinen.

„Wissen Sie, dass Tuberkulose jeden treffen kann?“, fragte eine junge Frau auf dem Fernsehbildschirm. „Ich war Sportlerin, bis die Katastrophe in mein Leben kam ...“ Wenig später beschworen tiefe Cellotöne Einbrecher herauf, die jederzeit „auch in dein Haus“ kommen können.

Ein amerikanischer Hochschulabsolvent wird nach seiner Ausbildung 10.000 Stunden in der Schule, aber 15.000 Stunden vor dem Fernseher verbracht haben. Er wird bis dahin 20.000 TV-Morde gesehen haben. Die Glotze läuft in den USA sieben Stunden täglich – im Durchschnitt. Sehnen sich die Amerikaner derart nach den Abenteuern ihrer Vorfahren, nach den Cowboys und Indianern und den Wirren des Bürgerkriegs, dass sie mit solchen Mitteln versuchen, ihrem fade gewordenen Alltag zu entfliehen?

Ich für meinen Teil begab mich lieber auf eine Tour, als mich von den immer neuen Horrorszenarien beeindrucken zu lassen, die weiterhin aus dem Fernseher quollen. Ich schulterte meinen Rucksack, klemmte mir das Handgepäck unter den Arm und begab mich zu dem seltsamen Gefährt, das hinter dem Hotel wohlbehalten auf mich wartete. Eine Schneeschicht bedeckte es; der ganze Boden war weiß gepudert, und es schneite kräftig weiter.

Es folgte ein Prozedere, das ich im Verlauf der weiteren Reise zunehmend hassen würde. Hinter dem Sitz führte eine handbreite Öffnung in den Rumpf des Vehikels hinein. Dort hindurch würde ich mein Gepäck jeden Morgen zwängen müssen und jeden Abend wieder herausholen. In Klartext hieß das, dass ich meine Habseligkeiten einzeln unterbringen musste.

Ich schob zunächst die Isomatte und meinen Schlafsack hinein, baute anschließend ein Nest aus Pullovern, T-Shirts und Unterwäsche und legte schließlich empfindliche Gegenstände wie meine beiden Laptops und den Fotoapparat zuoberst. Dieses System sollte ich bis New Orleans beibehalten.

Zwölf Bücher mussten mit, da halfen keine Gegenargumente und kein gutes Zureden. Die Helden meiner Jugend sollten mit mir unterwegs sein. Jack London und F. Scott Fitzgerald würden durch dick und dünn mit mir ziehen. Stephen Crane und William Faulkner würden auf der Strecke zwar ordentlich durchgeschüttelt werden, mich aber zu Höchstleistungen anstacheln. Dorothy Parker und Raymond Chandler würden mir zum Ausgleich so manche behagliche Stunde schenken, wenn ich abends auf dem Bett oder in der Badewanne eines Motels lag.

Immer schon war ihr Amerika mein Amerika gewesen. Ich hatte mich, kaum dass ich lesen konnte, in ihre Welten begeben, war auf der Spur reizender Damen und listiger Ganoven durch ein heißblütiges und schweißtreibendes Land gezogen, das ich mir früh als Sehnsuchtsort ausgesucht hatte. Auch wenn Popsternchen, dickliche Fast-Food-Junkies und dummdreiste Präsidentenanwärter in den vergangenen Jahren viel aufgeboten hatten, um mein Bild der USA zu verdunkeln.

Wahrscheinlich war ich auch deshalb genau hier im Mittleren Westen mit einem schreiend ungewöhnlichen Gefährt aufgebrochen: um die Überbleibsel jenes so abenteuerdurchwebten und lebenshungrigen Amerikas aufzusammeln. Mein Velomobil sollte mir dabei gute Dienste leisten. Jemanden in einem solchen Dreirad will man kennenlernen.

Einstweilen aber musste ich das seltsame Ding, das jetzt mein Gepäck beherbergte, zum Vorwärtsfahren überreden. Ich quetschte mich in die Fahrerkabine und drückte und zog an diversen Knöpfen und Stangen, die in meiner Reichweite angebracht waren. Vielleicht hätte ich Taylor um Bedienungshinweise bitten sollen oder zumindest einmal in meinem Leben in einem solchen Fahrzeug gesessen haben. Dafür aber war es nun zu spät.

Eine halbe Stunde kreuzte ich auf dem hoteleigenen Parkplatz herum. Vermutlich filmten die Angestellten meine Versuche aus dem warmen Gebäudeinneren heraus mit ihren Mobiltelefonen. Vielleicht hatten sie den seltsamen Deutschen, der ihnen heute Vormittag vor die Nase gesetzt wurde, auch schon in den sozialen Medien bekannt gemacht. Irgendwann meinte ich, dieses Ding, das mich umgab, einigermaßen im Griff zu haben. Ich hatte sogar die Gangschaltung gefunden. Den Fahrersitz hatte ich so tief wie möglich angebracht, damit das Dach des Gefährts nicht länger auf meinen Kopf drückte.

Auf den Straßen von Bemidji wurde ich angegafft und angehupt. Ich wurde angelacht und angemacht, überholt und ausgebremst. Und zwei Mal musste ich an einer roten Ampel aussteigen, um Passanten zu erklären, was um alles in der Welt das denn für ein fahrbarer Untersatz war.

Als mich am Ortsende ein vollbärtiger Farmer von seinem Traktor herunter fragte, wohin ich in dieser weißgrauen Ellipse gelangen wollte, murmelte ich etwas von „erst mal nach Norden“ und war froh, als der Trecker weiterfuhr. Sein rechtes Hinterrad hatte neben mir aufgeragt wie ein Stalagmit.

 

UFOs und das große Nichts.

 

Der Schnee knirschte unter den Rädern, als ich Bemidji verließ. Alle paar Kilometer musste ich anhalten, um die Scheibe zu säubern. Am schlimmsten war der Wind. Unablässig rüttelte er am Dach des Velomobils, bis ich es besorgt festhielt – zuerst mit der rechten Hand, dann, als ich diese vor Kälte nicht mehr spürte, mit der linken.

Die Bewohner Bemidjis sagen, dass es in manchen Wintern so kalt wird, dass die Worte in der Luft gefrieren, ehe sie das Ohr eines Empfängers erreichen. Im Frühjahr tauten sie dann auf, und ein Gemurmel erfülle die Luft.

Vorerst war jedoch nichts um mich herum zu hören außer dem Sirren dreier Räder, die sich keine zehn Zentimeter von mir entfernt um die eigene Achse drehten, und dem gelegentlichen Schmatzen, mit dem sie den Schneematsch zerteilten. Beiderseits der Straße erstreckten sich die Birken und Eichen des Chippewa-Waldes. Wölfe und Bären lebten darin und wohl auch einige der 8000 Ojibwe-Indianer, denen man diesen unwirtlichen Landfleck zugewiesen hatte. Sie gelten als unangepasst und misstrauisch – was ich nachvollziehen konnte, betrachtete man die Umgebung genauer: Man hatte sichergestellt, dass es sich um Land handelte, in dem ganz sicher keine Rohstoffe mehr gefunden werden würden.

Armut und Drogen, Schmuggel und Kasinokomplexe, die wie vom Himmel gefallen links oder rechts der Straße auftauchten, prägen die Gegend. Hunderte Autos parkten jeweils davor. Staunend fuhr ich an ihnen vorbei, unmittelbar darauf tauchte ich erneut ein in die Wildnis der Wälder.

Nach einigen Stunden hatte ich den Eindruck, in einen endlosen Windkanal geraten zu sein. Zielstrebig führte die Straße nach Osten. Als deutete sie mit einem besonders feingliedrigen Finger auf die nächste Siedlung. Bis ich dort ankam, war ich wie aus der Zeit gefallen unterwegs. Nichts änderte sich um mich herum. Ich fuhr und fuhr durch diesen Tunnel aus Wald und Himmel, ich strampelte wie wild und hatte doch das Gefühl, auf der Stelle zu treten. Als sei der Schnee in Wahrheit Seife, die den Boden bedeckte und mich nicht vorankommen ließ. In Zeitlupe krochen Bäume, hin und wieder auch ein Straßenschild mit der Aufschrift US-2 East an meinem verschmutzten rechten Fenster entlang.

„Was hast du mir bloß angedreht, Taylor“, fragte ich mich immer eindringlicher. Die ungewohnte Konstruktion schützte mich zwar passabel gegen den Wind, solange ich das Dachfenster festhielt. Die Pedale aber konnte ich nur mit Mühe bewegen. Trotz aller Versuche – ich legte Hebel um, drückte auf Knöpfe und rüttelte an Schaltern – konnte ich den Vormittag lang lediglich aus drei schwergängigen Widerständen wählen. Zuweilen leuchtete ein rotes Licht auf, das an einer Art Kassettenrekorder neben dem Sitz angebracht war.

Irgendetwas stimmte nicht. So jedenfalls würde ich Monate brauchen, ehe ich New Orleans erreichte. Wie konnte das sein? In Gedanken ging ich durch, was mir Taylor über das Velomobil anvertraut hatte. Schalten könne ich mit dem rechts angebrachten Hebel, erinnerte ich mich an seine Worte. Dort aber, direkt vor mir, war eine Gangschaltung angebracht, die offenbar nicht funktionierte. Der Hebel ließ sich ohne Widerstand nach hinten drücken. Probeweise versuchte ich es noch einmal. Dabei musste ich versehentlich an den Schalter gekommen sein, der sich auf dem kassettenrekorderähnlichen Ding links von meinem Sitz befand. Vermutlich hatte ich zudem einige Hebel in eine neue Position gebracht. Das rote Licht hörte auf zu blinken; es leuchtete jetzt durchgängig. Im selben Augenblick erwachte eine neue Kraft im Rad. Ein Zucken ging durch das ganze System, erfasste auch mich, der ich ängstlich dachte, etwas kaputt gemacht zu machen. Dann machte das Velomobil einen Satz nach vorne. Das war der Moment, in dem mir klar wurde, dass ich den Elektromotor aktiviert hatte. Er sollte mir grandiose Dienste leisten, ganz besonders hier auf diesen zielstrebigen, bestens asphaltierten Straßen, denen man folgen konnte wie in Trance. Musste man doch zu keiner Zeit befürchten, falsch abzubiegen oder gar in einen Stau zu geraten. Sollte – nach ein oder zwei Stunden vielleicht – sich doch die Möglichkeit einer Abzweigung ergeben, so kündigte sich dieses Ereignis lange vorher an. Dann tauchten Straßenschilder auf mit Namen darauf, die an Fallensteller, Saloons und rauchende Colts denken ließen. 15 Meilen bis Deer River. 50 bis Blackduck. Willkommen in Ball Club! Hier in diesem grandiosen Nichts konnte ich die Stärken des Velomobils ausnutzen. Energisch trieb der Elektromotor das stromlinienförmige Gefährt voran. Noch ehe die Sonne die Oberkante des Horizonts berührte, gelangte ich nach Grand Rapids.

 

Zweckmäßige Motels und eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.

 

Das wäre eine grandiose Leistung gewesen, wenn es sich um das berühmte Grand Rapids in Michigan gehandelt hätte, 1000 Kilometer von meinem Ausgangspunkt entfernt, Heimat von Gerald Ford, dem 38. Präsidenten der USA, mit einer Viertelmillion Einwohnern und einer angesehenen Möbelproduktion. Stattdessen war es Grand Rapids in Minnesota, 112 Kilometer östlich von Bemidji und Heimat einer Burger-King-Filiale, in der ich mir heute Abend den Magen verderben sollte, mit immerhin einem günstigen Motel („But what the heck is THIS ...?“) und jeder Menge Schnee.

Bei Städtenamen sind Amerikaner wenig kreativ. Allein Berlin gibt es über 30 Mal im Land, weshalb man immer den jeweiligen Bundesstaat hinzufügen muss. Mir erschien das reichlich kompliziert.

Die Motels hingegen sollte ich auf meiner Reise noch lieben lernen. Auf den ersten Blick handelt es sich um zweckmäßige Buden, dicht an einer Einoder Ausfallstraße gelegen, mit Wänden kaum dicker als Papier. Auf den zweiten übrigens auch. Ein verrostetes Kettchen gibt vor, die Zimmertür zu sichern. Die wirklich wichtigen Dinge, allen voran die Fernbedienung für den Fernseher, sind nochmals extra mit einem Draht vor Diebstahl geschützt. Immer, selbst in der günstigsten Absteige, gibt es eine Klimaanlage, außerdem einen Flachbildschirm und eine unübersichtliche Senderauswahl, außerdem WLAN und ein Bett, in dem eine Kleinfamilie bequem Platz fände. Auf diesem Bett findet sich grundsätzlich eine Armada an Kissen. Eines davon benutzt man zum Schlafen, die anderen wirft man auf den Boden, wo sie die Putzkraft am nächsten Morgen aufliest und zurück aufs Bett legt.

Zuweilen ähnelten sich die Gebäude und die Zimmer derart, dass ich vermutete, man habe das Motel gleich nach meinem Besuch kurzerhand auf einen Tieflader gepackt und an meinem nächsten Etappenziel wieder abgestellt.

Solche Motels boten mir aber alles, was ich nach einem Fahrtag benötigte. Sie verzichteten dabei auf Schnickschnack und falsche Versprechungen. Es sind ehrliche Orte, die man aufsucht, um zu ganz anderen Orten zu gelangen, und ich mochte es, dass sie nicht versuchten, mich festzuhalten.

Genau so ein Etablissement fand ich in Grand Rapids vor. Nur dass nebenan mittlerweile auch die Lichter einer überdimensionierten Tankstelle und eines Burger King „brüllten und schrien“, wie Stephen Crane es in seiner Kurzgeschichte „Das blaue Hotel“ formulierte. Die Stadt schien dagegen weit weg zu sein, zumindest für einen Fußgänger. Im Grunde genommen war es auch gar keine Stadt, sondern eine vierspurige Durchgangsstraße, an die man links und rechts ein paar Läden und Häuser gesetzt hatte.