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Bildung durch Sprache und Schrift, Band 2

Hrsg. von Michael Becker-Mrotzek, Hans-Joachim Roth, Marcus Hasselhorn, Petra Stanat

 

 

 

 

 

»Bildung durch Sprache und Schrift« (BiSS) ist eine gemeinsame Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) sowie der Kultusministerkonferenz (KMK) und der Konferenz der Jugend- und Familienminister (JFMK) der Länder.

Das dieser Publikation zugrundeliegende Vorhaben wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter den Förderkennzeichen 01JI1301A, 01JI1301B und 01JI1301C gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autoren und Herausgebern.

Titz, Weber, Ropeter, Geyer, Hasselhorn (Hrsg.)

Konzepte zur Sprach- und Schriftsprachförderung umsetzen und überprüfen

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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1. Auflage 2018

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-034476-1

E-Book-Formate:

pdf:      ISBN 978-3-17-034477-8

epub:   ISBN 978-3-17-034478-5

mobi:   ISBN 978-3-17-034479-2

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Vorwort der Herausgeberinnen und Herausgeber

 

 

Bildung durch Sprache und Schrift (BiSS) ist eine gemeinsame Initiative von Bund und Ländern. Ihr liegt eine Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), der Kultusministerkonferenz (KMK) und der Jugend- und Familienministerkonferenz der Länder (JFMK) zugrunde. 2013 startete BiSS als eine bildungsetappenübergreifende Initiative zur Verbesserung der Sprachförderung, Sprachdiagnostik und Leseförderung. Seitdem entwickelten bundesweit über hundert Verbünde aus je drei bis zehn Kindertageseinrichtungen und/oder Schulen entlang thematischer Module ihre Konzepte der Sprachbildung, Sprach- und Leseförderung weiter. Ein für die wissenschaftliche Ausgestaltung und Gesamtkoordination von BiSS verantwortliches Trägerkonsortium unterstützt die Durchführung der Initiative. Verantwortlich für dieses wissenschaftliche Trägerkonsortium sind Michael Becker-Mrotzek und Hans-Joachim Roth (Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache der Universität zu Köln), Marcus Hasselhorn (Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung, DIPF) und Petra Stanat (Humboldt-Universität zu Berlin in Kooperation mit dem Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen, IQB).

Der vorliegende Band ist der zweite einer sechsbändigen Herausgeberreihe »Bildung durch Sprache und Schrift«. Er greift die Schritte der Umsetzung und Überprüfung von Konzepten zur Förderung von Sprache und Schrift auf. Die Qualität der Umsetzung solcher Konzepte hat einen wesentlichen Anteil daran, ob die zugrunde liegenden Ideen eines Konzepts förderwirksam werden, bzw. ob diese zu einer hochwertigen sprachlichen Bildung und Förderung führen können. Der vorliegende Band ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil geht es um die bei der Umsetzung von Konzepten zu berücksichtigenden Qualitätsstandards. Schritte der Qualitätssicherung werden ebenso erläutert wie die Fragen, welche Werkzeuge zur Umsetzung von Konzepten tauglich sind oder wie die Implementation von Konzepten in der Praxis gelingen kann. Der zweite Teil des Bandes fokussiert die Überprüfung von Konzepten. Hier wird dargestellt, warum Konzepte evidenzbasiert überprüft werden sollten und welche Formen der externen Evaluation und der Selbstevaluation in der Arbeit mit Konzepten zur Verfügung stehen. In Teil III des Bandes werden schließlich die Umsetzung und Überprüfung von Konzepten anhand je eines Beispiels für den Elementar-, den Primar- und den Sekundarbereich konkretisiert.

Inhalt

  1. Vorwort der Herausgeberinnen und Herausgeber
  2. Teil I: Qualitätsstandards bei der Umsetzung von Konzepten
  3. Kapitel 1: Konzepte der Sprachbildung und Sprachförderung erproben, überprüfen und optimieren
  4. Sofie Henschel & Petra Stanat
  5. Einleitung
  6. 1 Qualitätssicherung vor der Erprobung: Konzeptevaluation
  7. 2 Qualitätssicherung während der Erprobung: prozessbegleitende (formative) Fremdevaluation bzw. Selbstevaluation
  8. 3 Fazit und Ausblick
  9. Literatur
  10. Kapitel 2: Werkzeuge zur Umsetzung von Konzepten: Woran erkennt man gute Tools?
  11. Sabrina Geyer, Cora Titz, Susanne Weber, Anna Ropeter & Marcus Hasselhorn
  12. Einleitung
  13. 1 Wann ist ein Tool ein passendes Tool?
  14. 2 Welche Kriterien kennzeichnen gute Diagnostik-Tools?
  15. 3 Welche Kriterien kennzeichnen gute Förder-Tools?
  16. 4 Fazit und Ausblick
  17. Literatur
  18. Kapitel 3: Qualitätsbestimmende Faktoren bei der Implementierung von (Sprach-)Förderkonzepten
  19. Michael Becker-Mrotzek & Judith Butterworth
  20. Einleitung
  21. 1 Was soll unter Sprachförderkonzepten verstanden werden?
  22. 2 Was soll unter Implementation verstanden werden?
  23. 3 Wie funktioniert Implementation? Strategien und Prozesse
  24. 4 Welche Strategien eignen sich für die Implementation von Sprachförderkonzepten?
  25. 5 Fazit
  26. Literatur
  27. Teil II: Überprüfung von Konzepten
  28. Kapitel 4: Warum sollten Sprachförderkonzepte überprüft werden? Evidenzbasierung als Prinzip der Qualitätssicherung
  29. Dominique Rauch & Johannes Hartig
  30. Einleitung
  31. 1 Evidenzbasierung im Bildungsbereich: Kritik, Probleme und Besonderheiten
  32. 2 Wissenschaftliche Evidenz für die Wirksamkeit pädagogischer Handlungskonzepte
  33. 3 Wissenschaftliche Evidenz und pädagogisches Handeln
  34. 4 Evidenz durch Implementationsforschung
  35. 5 Grenzen von Evidenzbasierung
  36. Literatur
  37. Kapitel 5: Formen und Methoden der externen Evaluation
  38. Johannes Hartig & Dominique Rauch
  39. Einleitung
  40. 1 Formen der Evaluation
  41. 2 Messung von Kriteriumsvariablen
  42. 3 Untersuchungsdesigns für Wirksamkeitsnachweise
  43. 4 Ausblick
  44. Literatur
  45. Kapitel 6: Möglichkeiten der Selbstevaluation in der Initiative »Bildung durch Sprache und Schrift«
  46. Susanne Giel, Katharina Klockgether & Susanne Mäder
  47. Einleitung
  48. 1 Was ist Selbstevaluation?
  49. 2 Die Workshopreihe zu Selbstevaluation in BiSS
  50. 3 Die praktische Durchführung einer Selbstevaluation
  51. 4 Selbstevaluation in der BiSS-Praxis
  52. 5 Fazit und Ausblick
  53. Literatur
  54. Teil III: Beispiele zur Umsetzung und Überprüfung von Konzepten
  55. Kapitel 7: Ein Förderkonzept im Elementarbereich: Dialogisches Lesen
  56. Nils Hartung & Marco Ennemoser
  57. Einleitung
  58. 1 Beschreibung des Konzepts
  59. 2 Beschreibung der Umsetzung, Herausforderungen und unterstützenden Bedingungen
  60. 3 Beschreibung der Überprüfung des Konzepts und empirische Ergebnisse
  61. 4 Fazit
  62. Literatur
  63. Kapitel 8: Niemanden zurücklassen – Lesen macht stark – Grundschule – Diagnose und Förderung von Lese- und Schreibkompetenzen im Primarbereich
  64. Stefanie Bredthauer, Simone Jambor-Fahlen, Anne Prien, Victoria Scholz & Jutta Weiß
  65. Einleitung
  66. 1 Theoretischer Hintergrund des Konzeptes Lesen macht stark – Grundschule
  67. 2 Entwicklung des Diagnose- und Förderinstruments
  68. 3 Umsetzung des Konzepts – ein Fallbeispiel
  69. 4 Fortbildungs- und Informationsinitiative des IQSH
  70. 5 Überprüfung des Konzepts: Pilotierungs- und Evaluationsstudie
  71. 6 Ausblick
  72. Literatur
  73. Kapitel 9: Ein Förderkonzept im Sekundarbereich: Implementation von Lesestrategien zur Förderung der Selbstregulation beim Lesen
  74. Jörg Jost, Fabiana Karstens, Sarah-Ines Meudt, Anke Schmitz, Nina Zeuch & Elmar Souvignier
  75. Einleitung
  76. 1 Leseförderung und deren Implementation
  77. 2 Bottom-up-Implementation von Lesefördermaßnahmen im BiSS-Projekt Oberfranken
  78. 3 Formative Evaluation des BiSS-Projektes Oberfranken
  79. 4 Erste Befunde der formativen Evaluation
  80. 5 Fazit
  81. Literatur
  82. Die Herausgeberinnen und Herausgeber
  83. Die Autorinnen und Autoren

Teil I:  Qualitätsstandards bei der Umsetzung von Konzepten

 

In Teil I dieses Bandes widmen sich drei Kapitel grundlegenden Aspekten der Qualitätssicherung bei der Umsetzung von Konzepten. In Kapitel 1 geben Henschel und Stanat einen Überblick über Qualitätssicherungsmaßnahmen vor und während der Erprobung von Konzepten, mit deren Hilfe die Umsetzung von Konzepten optimiert werden kann. Thematisiert werden Fragen nach der theoretischen Fundierung eines Konzeptes ebenso wie die Berücksichtigung situativer Bedingungen in der Praxis. Diese haben einen bedeutsamen Anteil daran, ob ein Konzept tragfähig wird. Die Autorinnen geben Hinweise, wie Qualitätssicherungsmaßnahmen beschaffen sein sollten, damit Hinweise für die Optimierung eines Sprachbildungs- bzw. Sprachförderkonzepts gewonnen werden können.

In Kapitel 2 greifen Geyer, Titz, Weber, Ropeter und Hasselhorn den Umstand auf, dass Konzepte zur sprachlichen Bildung und Förderung mit Hilfe verschiedener Methoden und Werkzeuge (Tools) umgesetzt werden können. Die Autorinnen und der Autor stellen Qualitätsmerkmale vor, die bei der Auswahl von Diagnostik- und Förder-Tools zur Umsetzung eines Konzeptes beachtet werden sollten. Bei der Auswahl steht immer die Passung zwischen dem im Konzept formulierten Ziel und der jeweiligen Zielgruppe im Vordergrund, die neben der Erfüllung von Qualitätskriterien letztlich bestimmt, ob ein Tool »ein gutes Tool« ist.

In Kapitel 3 stellen Becker-Mrotzek und Butterworth qualitätsbestimmende Faktoren bei der Implementation von Konzepten der Sprachförderung vor. Sie gehen der Frage nach, mit welchen Strategien Kitas und Schulen Konzepte erfolgreich implementieren können. Unterschieden werden dabei »bottom-up«-, »top-down«- und Mischstrategien (adaptive o. symbiotische Strategien), bei denen die Implementation von Konzepten entweder aus der Praxis heraus erfolgt, durch eine externe Instanz vorgenommen wird oder in enger Zusammenarbeit zwischen beispielsweise Akteurinnen und Akteuren aus der Bildungsforschung, -administration oder -praxis.

Kapitel 1: Konzepte der Sprachbildung und Sprachförderung erproben, überprüfen und optimieren

Sofie Henschel & Petra Stanat

Ein zentrales Ziel der Bund-Länder-Initiative »Bildung durch Sprache und Schrift (BiSS)« besteht darin, Konzepte der Sprachbildung und -förderung in Verbünden (Zusammenschluss von drei bis zehn Schulen und/oder Kitas) unter spezifischen lokalen Rahmenbedingungen im Kita- und Schulalltag weiterzuentwickeln und umzusetzen. Häufig verfolgen Verbünde zwar sehr ähnliche oder sogar die gleichen Zielsetzungen, die inhaltliche und strukturelle Ausgestaltung der Konzepte unterscheidet sich mitunter aber erheblich. Mit Hilfe geeigneter Qualitätssicherungsmaßnahmen sollte deshalb möglichst frühzeitig überprüft werden, ob die ausgewählten Umsetzungsstrategien bzw. Vorgehensweisen unter den gegebenen kontextuellen Bedingungen geeignet sind, um die angestrebten Sprachbildungs- und Sprachförderziele zu erreichen. Dabei geht es zunächst darum, inwieweit die verschiedenen Komponenten des ausgearbeiteten Konzeptes und die gewählten Umsetzungsstrategien aus theoretischer Sicht stimmig sind: Gibt es gute Gründe dafür, zu erwarten, dass die angestrebten Ziele mit dem geplanten Vorgehen erreicht werden können? Bei der anschließenden Erprobung wird dann überprüft, ob sich das Konzept in der pädagogischen Praxis bewährt: Ist das Konzept in der konkreten Umsetzung akzeptiert, umsetzbar und zielführend? Der Beitrag beschreibt, worauf beim Einsatz von Qualitätssicherungsmaßnahmen geachtet werden sollte, um Hinweise auf die Optimierung eines Sprachbildungs- bzw. Sprachförderkonzeptes zu erhalten.

Einleitung

Wenn sich Kitas und Schulen das Ziel setzen, in ihrem pädagogischen Alltag gezielt sprachliche Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen zu fördern, erfolgt dies auf der Grundlage eines Konzeptes. In der Bund-Länder-Initiative BiSS beschreiben Konzepte aufeinander abgestimmte Maßnahmen der Professionalisierung, Diagnostik und Förderung. Sie umfassen jeweils konkrete Zielsetzungen sowie möglichst genau beschriebene inhaltliche (z. B. Vermittlungsstrategien, wie etwa konkrete methodische Vorgehensweisen, Fördertechniken sowie Materialien) und strukturelle Aspekte (z. B. Dauer, Umfang bzw. Häufigkeit oder Intensität), von denen begründet anzunehmen ist, dass sich mit ihnen die jeweiligen Ziele erreichen lassen. Häufig werden mit Konzepten der Sprachbildung und Sprachförderung sehr ähnliche Ziele angestrebt, wie beispielsweise die Verbesserung der sprachlichen Interaktionsqualität zwischen pädagogischen Fachkräften und Kindern, wodurch wiederum die Sprachproduktion und -rezeption der Kinder gefördert werden sollen. Wie bei der Professionalisierung der pädagogischen Fachkräfte und bei der Förderung im Kitaalltag inhaltlich und strukturell konkret vorgegangen wird, unterscheidet sich zwischen den Konzepten aber oft erheblich. Sowohl die Wahl der Inhalte und der damit verbundenen Art diese zu vermitteln (z. B. welche konkreten Fördertechniken oder Materialien) als auch die strukturelle Gestaltung der Umsetzung (z. B. Dauer, Intensität) kann etwa durch die lokalen Bedingungen, wie zum Beispiel personelle, zeitliche und finanzielle Ressourcen, institutionelle Vorgaben und Merkmale der Zielgruppe (z. B. Vorwissen, Alter oder sprachliche sowie sozioökonomische Zusammensetzung), beeinflusst sein. Gibt es in einer Kitagruppe viele Kinder mit sehr geringen deutschen Sprachkenntnissen, die mit einer ausschließlich alltagsintegrierten Förderung möglicherweise nicht ausreichend gefördert werden können, ist es sinnvoll, den inhaltlichen Schwerpunkt in einem Fortbildungskonzept nicht nur auf die alltagsintegrierte Anwendung sprachlicher Modellierungstechniken zu legen, sondern beispielsweise auch auf das dialogische Lesen in der Kleingruppe (Alt, 2013), mit dem dann insbesondere die Kinder mit geringen Deutschkenntnissen zusätzlich gefördert werden. Strukturell könnte es zudem sinnvoll sein, Fachkräfte, die bereits viel Erfahrung mit sprachlichen Modellierungstechniken haben, mit einem Lehrvideo (z. B. für dialogisches Lesen) fortzubilden, während bei weniger erfahrenen Kolleginnen und Kollegen ggf. zusätzlich Präsenzveranstaltungen sinnvoll sein können, um sie durch wiederholte Auffrischung oder Coaching zu unterstützen.

Ob die jeweilige Ausgestaltung eines Sprachbildungs- oder Sprachförderkonzeptes erfolgreich ist, hängt zunächst davon ab, wie gut die inhaltlichen und strukturellen Komponenten innerhalb und zwischen verschiedenen Konzeptebenen (Professionalisierung, Diagnostik und Förderung) aufeinander und auf die jeweilige Zielgruppe abgestimmt sowie an die lokalen Bedingungen angepasst sind. Wenn das Konzept in sich nicht stimmig ist, wird der Versuch, es erfolgreich umzusetzen, mit hoher Wahrscheinlichkeit scheitern. Vor dem Hintergrund des enormen Arbeitsaufwandes, der mit einer Entwicklung von Sprachbildungs- und Sprachförderkonzepten verbunden ist, sollte das ausgearbeitete und verschriftlichte Konzept deshalb unbedingt noch vor der eigentlichen Erprobung daraufhin überprüft und bewertet werden, ob es gut begründet ist. Denn nur dann ist zu erwarten, dass die angestrebten Ziele mit den gewählten Vermittlungsstrategien wirksam sind. Allerdings nützen die besten theoretischen Konzepte nichts, wenn sie sich in ihrer konkreten Umsetzung in der pädagogischen Praxis nicht bewähren. Dazu müssen sie akzeptiert, umsetzbar und zielführend sein. Um sicherzustellen, dass ein Sprachbildungs- oder Sprachförderkonzept sein Wirkungspotenzial unter alltäglichen Bedingungen ausschöpft, sollten frühzeitig und gezielt Maßnahmen der Qualitätssicherung und eine darauf basierende Ergebnisreflexion umgesetzt werden. Worauf dabei geachtet werden sollte, wird in den folgenden Abschnitten genauer dargestellt.

In Abschnitt 1 wird zunächst beschrieben, anhand welcher Fragestellungen bereits vor der praktischen Erprobung überprüft werden kann, wie fundiert das Konzept ist und ob alle Bestandteile konzeptuell gut aufeinander abgestimmt sind. In Abschnitt 2 geht es dann darum, welchen Fragestellungen bei der praktischen Erprobung mit Hilfe welcher Methoden gezielt nachgegangen werden sollte, um zu prüfen, ob sich das Konzept unter alltäglichen Bedingungen in der Praxis bewährt. Anhand exemplarischer Ergebnisse wird erläutert, welche Konsequenzen sich daraus für die Optimierung des Konzeptes ableiten lassen.

1           Qualitätssicherung vor der Erprobung: Konzeptevaluation

Bei der Konzeptevaluation wird anhand der vorliegenden Dokumente, in denen das Konzept beschrieben ist, in einem ersten Schritt die Fundierung überprüft und reflektiert. Die zentrale Leitfrage für die Bewertung der Fundierung ist dabei, auf welcher theorie- oder evidenzbasierten Grundlage anzunehmen ist, dass das Konzept zielführend sein wird.

Wenn es sich um einen theoretisch fundierten Ansatz handelt, dann muss es gute (z. B. spracherwerbstheoretische) Gründe für die Annahme seiner Wirksamkeit geben. So könnte erwartet werden, dass die Sprachproduktion von Kindern im Kindergartenalter angeregt und verbessert werden kann, wenn gezielte sprachliche Interaktionsprinzipien angewendet werden, z. B. durch W-Fragen, Ergänzungsfragen oder offene Nachfragen. In diesem Beispiel besteht die zugrunde liegende spracherwerbstheoretische Annahme darin, dass die Kinder durch die Fragetechniken vermehrt zu anspruchsvollen sprachlichen Äußerungen motiviert werden. Durch die kommunikative Auseinandersetzung sollen die Kinder beiläufig ihren Wortschatz erweitern und aus dem modellhaften Input der pädagogischen Fachkräfte sprachliche Regeln ableiten (Ritterfeld, 2000).

Für die genannten sprachlichen Interaktionsprinzipien wurde in verschiedenen empirischen Studien bereits gezeigt, dass diese bei einer konsequenten Anwendung im Rahmen des dialogischen Lesens sowohl in der Eltern-Kind-Interaktion als auch in der Kita-Kleingruppe die sprachproduktiven und -rezeptiven Leistungen verbessern (z. B. Erweiterung des produktiven bzw. rezeptiven Wortschatzes; vgl. Mol, Bus, de Jong & Smeets, 2008). Wenn die sprachlichen Interaktionsprinzipien also im Rahmen des dialogischen Lesens in der Kindertageseinrichtung angewendet werden sollen, handelt es sich nicht nur um einen theoriebasierten, sondern auch um einen evidenzbasierten Ansatz, da seine Wirksamkeit bereits in der Praxis gezeigt werden konnte.

Wenn eine überzeugende Fundierung des Konzeptes insgesamt gegeben und begründet anzunehmen ist, dass es im Allgemeinen zielführend und wirksam sein wird, sollte anschließend spezifischer überprüft und reflektiert werden, wie gut die einzelnen inhaltlichen und strukturellen Bestandteile des Konzeptes aufeinander abgestimmt sind. Dabei wird zunächst die angestrebte Zielsetzung bewertet, und zwar vor dem Hintergrund, ob sie für die jeweilige Zielgruppe (z. B. Kinder, Schülerinnen und Schüler, pädagogische Fachkräfte) unter den situativen Bedingungen als smart (Doran, 1981) gelten kann. Ein Ziel ist dann smart, wenn es spezifisch, messbar, akzeptiert, realistisch und terminiert ist. Die Überprüfung der Zielsetzung anhand der smart-Kriterien ist besonders wichtig, weil Ziele nicht (gut) messbar, wenig akzeptiert und unrealistisch sind, wenn sie zu allgemein oder zu komplex formuliert werden.

Ein zu allgemein formuliertes Ziel wäre zum Beispiel die Verbesserung der Sprachentwicklung bei Kindern im Kindergartenalter. Damit das Ziel spezifisch wird, muss konkretisiert werden, welche produktiven (z. B. produktiver Wortschatz: Zugewinne in der mittleren Äußerungslänge) und/oder rezeptiven Leistungen (z. B. rezeptiver Wortschatz oder Satzverständnis) bei welchen Kindern (z. B. monolingual deutsche Kinder zwischen drei und fünf Jahren) verbessert werden sollen. Die zuvor genannten sprachlichen Leistungen (z. B. produktiver bzw. rezeptiver Wortschatz) wären für drei- bis fünfjährige monolingual deutsche Kinder z. B. mit Hilfe des Sprachentwicklungstests SETK 3–5 (Grimm, 2001) messbar, da dieser entsprechende Untertests bereithält (Enkodierung semantischer Relationen bzw. Verstehen von Sätzen). Wenn sichergestellt ist, dass die pädagogischen Fachkräfte, die die Kinder fördern, die Ziele des Konzeptes mittragen und bereit sind, sich für die Umsetzung der Förderung (sofern erforderlich) fortzubilden, ist das Ziel akzeptiert. Als realistisch kann das Ziel dann betrachtet werden, wenn es in dem vorgesehenen Zeitraum erreichbar ist. Erfolgt die Förderung der produktiven und rezeptiven Sprachkompetenzen z. B. mit Hilfe des dialogischen Lesens bei monolingual deutschen Kindern in der Kleingruppe der Kita, wäre beispielsweise eine Förderphase über vier bis acht Wochen sinnvoll, da die Wirksamkeit des Ansatzes für diesen Zeitraum bereits gezeigt werden konnte (Ennemoser, Kuhl & Pepouna, 2013). Durch die Festlegung der Förderdauer wird die Zielsetzung terminiert, denn im Anschluss daran wird überprüft, ob das angestrebte Ziel erreicht wurde. Wenn Konzepte, die bereits einer wissenschaftlichen Wirksamkeitsprüfung unterzogen wurden, in einer anderen Zielgruppe eingesetzt werden sollen, muss überlegt werden, ob die angestrebte Zielerreichung realistisch ist oder ggf. adjustiert werden muss. Zum Beispiel hat sich gezeigt, dass bei vier- bis fünfjährigen Kindern ein deutlich geringerer Lernzuwachs durch das dialogische Lesen in der Kleingruppe erreicht wird als bei jüngeren Kindern (Mol, Bus & de Jong, 2009), sodass bei einer Förderung älterer Kinder mit kleineren Effekten zu rechnen ist.

Zwar zielen Sprachbildungs- und Sprachförderkonzepte in erster Linie darauf ab, sprachliche Kompetenzen, also kognitive Merkmale, zu verbessern. Wenn im Konzept aber begründet angenommen wird, dass durch die geplanten Vorgehensweisen auch motivationale oder emotionale Merkmalsbereiche verändert werden (z. B. Interesse an den Inhalten, wahrgenommenes Kompetenzerleben bzw. Freude und Wohlbefinden), dann sollten auch diese anhand der smart-Kriterien überprüft werden. Erfüllen die anvisierten Ziele die smart-Kriterien, wird im nächsten Schritt bewertet, wie gut die Inhalte und Vermittlungsstrategien aufeinander abgestimmt sind, und zwar innerhalb und zwischen den drei zentralen Konzeptebenen Professionalisierung, Diagnostik und Förderung.

Im Bereich Diagnostik wird bewertet, ob das ausgewählte Test-, Beobachtungs- oder Befragungsverfahren für die Zielüberprüfung und -erreichung geeignet ist. Im Idealfall kann dabei auf ein Verfahren zurückgegriffen werden, das sich nachweislich bereits als objektiv, reliabel und valide erwiesen hat. Für den bereits erwähnten SETK 3-5 (Grimm, 2001) wäre das der Fall. Eine Orientierung für die Auswahl von Diagnoseverfahren, die sich für unterschiedliche Zielsetzungen im Bereich der Sprachbildung und Sprachförderung eignen, bietet die BiSS-Tooldatenbank.

Im Bereich Förderung wird bewertet, ob die Inhalte und Methoden bzw. Vermittlungsstrategien, die eingesetzt werden sollen, für die Zielerreichung unter den gegebenen Bedingungen geeignet sind. Auch hier wird also, ähnlich wie zuvor für das Gesamtkonzept, noch einmal ganz konkret der Frage nachgegangen, ob (theorie- oder evidenzbasiert) erwartet werden kann, dass die einzelnen Inhalte und Vermittlungsstrategien zielführend sein werden. Soll beispielsweise ein evidenzbasierter Förderansatz, der aus mehreren, aufeinander aufbauenden Phasen besteht und sich in einer durchschnittlich leistungsstarken Lernergruppe bewährt hat, in einer deutlich schwächeren Lernergruppe angewendet werden, könnte es sinnvoll sein, die einzelnen Phasen inhaltlich etwas anders zu gestalten oder durch mehrere Wiederholungen zu intensivieren oder zeitlich auszudehnen. Für die Förderung des Leseverstehens mit den Peer-Assisted Learning Strategies (Slavin, Lake, Davis & Madden, 2011), die aus drei aufeinander aufbauenden Leseaktivitäten bestehen (Lautlesen im Tandem, Zusammenfassen des gelesenen Abschnitts, Vorhersagen zu Inhalten des Folgeabschnitts), hat sich in einer qualitativen Studie z. B. angedeutet, dass schwächere Schülerinnen und Schüler die Aktivitäten Zusammenfassen und Vorhersagen, die die dritte Phase betreffen und auf eine Förderung des vertieften Textverstehens abzielen, in dem vorgesehenen Förderzeitraum nicht sicher erlernen konnten (Philipp, 2016). Sollen also schwächere Schülerinnen und Schüler mit diesem Konzept gefördert werden, könnte es sinnvoll sein, die anspruchsvollen Leseaktivitäten (Zusammenfassen, Vorhersagen) von vorneherein intensiver zu planen, etwa durch zusätzliche Übungsaktivitäten, die über einen längeren Zeitraum durchgeführt werden.

Im Bereich Professionalisierung sollte schließlich überprüft werden, ob die pädagogischen Fachkräfte in ausreichendem Maße über die erforderlichen Kompetenzen verfügen, um die Inhalte und Vermittlungsstrategien so umzusetzen, wie dies im Konzept vorgesehen ist (»wiedergabetreu«). Je nachdem, welche Art der Unterstützung die pädagogischen Fachkräfte benötigen, um die fachlichen Kompetenzen aufbauen zu können, kommen z. B. Handreichungen, Präsenzveranstaltungen, Coaching oder Netzwerkstrukturen für den fachlichen Austausch sowie Kombinationen aus diesen Angeboten infrage. Zudem ist zu überlegen, ob eine bestimmte Materialausstattung erforderlich und vorhanden ist, damit das Konzept erfolgreich umgesetzt werden kann. Ist etwa vorgesehen, dass die Schülerinnen und Schüler in einer Fördereinheit mit digitalen Medien oder Tablets arbeiten bzw. Kinder in der Kita naturwissenschaftliche Experimente durchführen sollen, dann müssen diese Materialien (z. B. Tablets mit Internetzugang und Materialien für die Experimente) vor der Erprobung bereitgestellt werden.

Nach Möglichkeit sollten die Ergebnisse der Analyse und die Bewertung des Konzepts in einem professionellen Austausch, in den verschiedene Akteure mit unterschiedlichen Funktionen und Perspektiven eingebunden sind, reflektiert und diskutiert werden. Neben Personen mit koordinierender Funktion (in BiSS z. B. die Person, die den Verbund koordiniert), die das Konzept zwar häufig federführend ausgearbeitet haben, selbst aber nicht an der Umsetzung in der pädagogischen Praxis beteiligt sind, sollten auch Vertreterinnen und Vertreter der unmittelbar durchführenden Personengruppe (z. B. pädagogische Fachkräfte) beteiligt werden. Prinzipiell ist es sinnvoll, alle Akteursgruppen einzubeziehen, die zu einer erfolgreichen Umsetzung des Konzeptes beitragen. Je nach Ausgestaltung des Konzeptes können dies Personen sein, die die Fortbildung durchführen, Mitglieder der Einrichtungsleitungen (z. B. um Akzeptanz und Unterstützung sicherzustellen) oder der Bildungsadministration (z. B. um erforderliche Ressourcen zu sichern) sowie Forschende, die die Praktikerinnen und Praktiker beraten und wissenschaftlich begleiten. Dabei gilt es, praktische Ziele und Interessen mit institutionellen Vorgaben und ggf. wissenschaftlichen Standards abzugleichen.

Stellt sich heraus, dass einzelne Konzeptbestandteile noch nicht ausreichend ausgearbeitet oder aufeinander bzw. auf lokale Bedingungen oder institutionelle Vorgaben abgestimmt sind, sollten diese unbedingt noch vor der Erprobung in der pädagogischen Praxis überarbeitet und einer erneuten Konzeptevaluation unterzogen werden. Es ist deshalb wichtig, ausreichend Zeit und Raum für die Überprüfung und die gemeinsame Reflektion und Diskussion einzuplanen. Die praktische Erprobung sollte keinesfalls voreilig erfolgen, um Fehlschläge und Frustrationen zu vermeiden. Denn ein Konzept wird nur dann erfolgreich umsetzbar sein, wenn es hinreichend fundiert, stimmig und unter den Beteiligten konsensfähig ist.

2          Qualitätssicherung während der Erprobung: prozessbegleitende (formative) Fremdevaluation bzw. Selbstevaluation

Hat sich das Konzept aus theoretischer Perspektive als gut begründet und stimmig erwiesen, dann geht es bei der Erprobung nun darum zu überprüfen, ob es sich auch in der pädagogischen Praxis bewährt. Im Wesentlichen lassen sich dabei zwei Vorgehensweisen unterscheiden: Entweder die Erprobung wird wissenschaftlich in einer prozessbegleitenden (formativen) Fremdevaluation begleitet, oder Praktikerinnen und Praktiker werden gewissermaßen zu Forschenden in eigener Sache und führen eine Selbstevaluation durch (vgl. dazu auch Hartig & Rauch, Kapitel 5 bzw. Giel, Klockgether & Mäder, Kapitel 6, beide in diesem Band).

Einen Idealfall der wissenschaftlich begleiteten formativen Fremdevaluation bildet der Design-Based Research Ansatz (Anderson & Shattuck, 2012), bei dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über einen längeren Zeitraum eine Art symbiotischer Zusammenarbeit mit Praktikerinnen und Praktikern eingehen. Das Ziel dieser Zusammenarbeit besteht darin, ein zuvor gemeinsam entwickeltes Konzept mehrfach zu erproben und zu evaluieren. Dabei wird beispielsweise untersucht, was die Zielerreichung unter den spezifischen situativen Bedingungen unterstützt oder erschwert. Die Erfahrungen und Ergebnisse aus der Evaluation werden fortlaufend gemeinsam reflektiert und diskutiert. Auf diese Weise können die wissenschaftliche und praktische Perspektive miteinander verschränkt werden, wodurch die (inhaltliche und strukturelle) Ausgestaltung des Konzeptes schrittweise immer besser auf die angestrebte Zielsetzung unter den gegebenen situativen Bedingungen angepasst werden kann. Der Mehrwert dieses multiperspektivischen Vorgehens besteht darin, dass das Verständnis eines Konzepts und dessen Umsetzungsmöglichkeiten und Wirkungsweisen unter den spezifischen Praxisbedingungen erweitert werden. Davon profitieren im günstigsten Fall alle Beteiligten: Für pädagogische Fachkräfte können daraus z. B. Vermittlungsstrategien resultieren, die sich in der formativen Evaluation bewährt haben, und die zu konkreten Verbesserungen in der pädagogischen Praxis führen. Für Forschende lassen sich aus den Ergebnissen anwendungsbezogene theoretische Prinzipien des Lehrens und Lernens unter den lokalen Bedingungen ableiten, und für die Bildungsadministration entsteht Steuerungswissen, das etwa für die Ressourcenplanung und Gestaltung von Fortbildungsmaßnahmen genutzt werden kann (Cobb, Confrey, diSessa, Lehrer & Schauble, 2003). Da das Konzept bei diesem Vorgehen iterativ, also wiederholt erprobt, evaluiert und optimiert wird, ist es sowohl für Praktikerinnen und Praktiker als auch für Forschende sehr ressourcenintensiv und arbeitsaufwändig (Souvignier & Philipp, 2016). In der Bund-Länder-Initiative BiSS wird diese Strategie nur in einem kleinen Teil der Verbünde realisiert (ca. 15%). In der Mehrzahl der BiSS-Verbünde erfolgt die Entwicklung und Erprobung der Konzepte hingegen weitgehend ohne wissenschaftliche Begleitung. In diesen Fällen sollte die Erprobung durch eine Selbstevaluation begleitet werden. Diese Methode hält für Praktikerinnen und Praktiker niedrigschwellige und praktikable Methoden bereit, um die Umsetzbarkeit und die Zielerreichung des Ansatzes zu überprüfen, datenbasiert systematisch zu reflektieren und auf dieser Grundlage zu verbessern.

Anders als bei einer Fremdevaluation steht bei der Selbstevaluation die Reflexion und Weiterentwicklung der eigenen Arbeit im Mittelpunkt (DeGEval, 2004). In den vergangenen Jahren sind zahlreiche Handreichungen (Buhren, 2011) und weitere anwendungsbezogene Publikationen entstanden, die Möglichkeiten und Vorgehensweisen der Selbstevaluation für den pädagogischen Alltag exemplarisch beschreiben (Altrichter, Messner & Posch, 2004; vgl. dazu auch Giel et al., Kapitel 6 in diesem Band; Buhren, 2011; Klopsch, 2012). Da die Methoden der Selbstevaluation häufig ein hohes Maß an Flexibilität bieten, lassen sie sich in vielen Fällen mit überschaubarem Aufwand auf die eigenen Ziele und Fragestellungen anpassen und gut in den pädagogischen Alltag integrieren (Schratz, Iby & Radnitzky, 2000).

Je nachdem, ob das Konzept im Rahmen einer Fremdevaluation oder einer Selbstevaluation erprobt wird, wird sich die Komplexität des methodischen Vorgehens unterscheiden. In beiden Fällen ist es jedoch erforderlich, im Vorfeld konkrete Fragestellungen zu formulieren, denen bei der Erprobung nachgegangen werden soll, um zu überprüfen, ob sich das Konzept bzw. ein ausgewählter Konzeptbestandteil (z. B. eine Fördereinheit) unter den gegebenen situativen Bedingungen bewährt. Dabei sollte zum einen überprüft werden, ob das Konzept als akzeptiert und umsetzbar bewertet wird. Denn empirische Studien weisen darauf hin, dass pädagogische Fachkräfte ihr Verhalten nicht nur kurzfristig (z. B. für die Dauer der Projektlaufzeit), sondern dauerhaft verändern, wenn diese Kriterien erfüllt sind (Golddenbaum, 2012; Gräsel, 2010). Darüber hinaus muss das Konzept in seiner konkreten Umsetzung unter den situativen Bedingungen zielführend und damit wirksam sein.

Im Folgenden wird beschrieben, worauf bei der Erfassung und Auswertung von Akzeptanz und Umsetzbarkeit (image Abschnitt 2.1) sowie Zielerreichung (image Abschnitt 2.2) während der Erprobung geachtet werden sollte, welche Ergebnisse auftreten können und welche Schlussfolgerungen sich daraus für die Optimierung des Konzeptes ergeben.

2.1       Überprüfung der Akzeptanz und Umsetzbarkeit

Wie kann man bei der Erhebung und Auswertung vorgehen?

Um abschätzen zu können, inwieweit das Konzept bzw. ausgewählte Bestandteile des Konzeptes als akzeptiert und umsetzbar bewertet werden, ist es erforderlich, die jeweils an der Durchführung beteiligten Lehr- bzw. Fachkräfte sowie ggf. weitere Akteure zu befragen. Als Befragungsverfahren kommen beispielsweise Fragebögen, (offene oder standardisierte) Interviews oder ein strukturierter Austausch in einer Reflexionsgruppe in Frage. Um das Ausmaß der wahrgenommenen Akzeptanz und Umsetzbarkeit zu ermitteln, können z. B. Aussagen formuliert werden, für die die befragten Personen den Grad ihrer Zustimmung angeben – etwa anhand unterschiedlicher Kategorien (z. B. Wie sehr stimmen Sie den folgenden Aussagen zu? 1 = stimme überhaupt nicht zu bis 4 = stimme völlig zu).

Unabhängig davon, wie erfasst wird, ob der Ansatz akzeptiert, angemessen und umsetzbar eingeschätzt wird, müssen die gewonnenen Daten nachvollziehbar und verständlich aufbereitet werden, damit die Ergebnisse gemeinsam reflektiert und daraus Konsequenzen für die Optimierung abgeleitet werden können (siehe nächster Abschnitt). Bei einer gemeinsamen leitfragegestützten Reflexion in einer professionellen Lerngemeinschaft bietet es sich z. B. an, die Ergebnisse direkt (z. B. anhand einer Zielscheibe; Schratz et al., 2000) grafisch zu veranschaulichen und zu diskutieren. Wurden die Daten quantitativ erfasst, geben prägnante Darstellungen, wie Tabellen, Diagramme oder andere Abbildungen, einen guten Überblick. Bei qualitativen Daten (z. B. aus Interviews) ist eine Orientierung an inhaltsanalytischen Verfahren sinnvoll, bei denen die Komplexität mittels Kategorienbildung regelgeleitet auf zentrale Hauptaussagen reduziert wird (Mayring, 2003), die dann die Grundlage für die Ergebnisreflexion bilden.

Welche Ergebnisse können auftreten und welche Schlussfolgerungen ergeben sich daraus?

Wenn die pädagogischen Fachkräfte, die das Konzept umsetzen, seine Akzeptanz und Umsetzbarkeit entgegen der Erwartung als unzureichend bewerten, deutet das zunächst einmal darauf hin, dass einzelne Konzeptbestandteile entweder untereinander nicht stimmig sind oder nicht gut genug auf die situativen Bedingungen (z. B. die Voraussetzungen der Zielgruppe) abgestimmt sind. Um die Passung zu verbessern, reicht es nicht aus, lediglich festzustellen, dass das Konzept insgesamt oder einzelne Bestandteile des Konzepts als wenig akzeptiert oder umsetzbar eingeschätzt werden, sondern es sollte ebenfalls ermittelt werden, welche konkreten Aspekte der Ausgestaltung in welcher Art und Weise verbessert werden müssten. Eine gemeinsame Ergebnisreflexion mit Beteiligung der Akteure, die an der unmittelbaren Durchführung beteiligt sind, ist deshalb unbedingt erforderlich.

Ein Konzept wird z. B. dann nicht akzeptiert, wenn Inhalte oder Vermittlungsstrategien dem Kompetenzniveau oder den Interessen der Zielgruppe nicht ausreichend entsprechen, wenn sie als zu komplex empfunden oder für die Zielerreichung als zu aufwändig eingeschätzt werden. In diesen Fällen ist das Konzept möglicherweise mit den vorhandenen Handlungsroutinen nicht kompatibel. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn die Arbeitsbelastung der pädagogischen Fachkräfte durch die veränderten Vorgehensweisen deutlich steigt, gleichzeitig aber kein substanzieller und unmittelbarer Nutzen durch die Veränderung wahrgenommen wird (Gräsel, 2010). Die Akzeptanzprobleme könnten im letztgenannten Fall damit zusammenhängen, dass das Konzept bzw. Bestandteile des Konzeptes als nicht angemessen eingeschätzt werden, z. B. weil sich das vorgesehene standardisierte Diagnoseverfahren in der Erprobung als zu aufwändig und kompliziert in der Anwendung oder in der Auswertung erwiesen hat. Da sich das Verfahren aufgrund des hohen Zeitaufwandes nicht gut in den pädagogischen Alltag integrieren lässt, wird es auch als nicht gut umsetzbar bewertet. In der gemeinsamen Ergebnisreflexion sollte auf Grundlage solcher Erkenntnisse überlegt werden, ob das Verfahren durch ein weniger komplexes ersetzbar ist, ohne die Zielerreichung zu gefährden. Ist das nicht der Fall, muss überlegt werden, welche weitere Unterstützung die Fachkräfte benötigen, um das Verfahren ökonomischer in ihren pädagogischen Alltag integrieren zu können (z. B. Coaching bei der Durchführung). Dieses Beispiel macht deutlich, dass der subjektiv wahrgenommene Grad der Akzeptanz und der Umsetzbarkeit nicht unabhängig voneinander sind, denn häufig resultieren etwa Akzeptanzprobleme gerade daraus, dass Inhalte oder Vermittlungsstrategien des Konzeptes als zu aufwändig – und damit als nicht umsetzbar – wahrgenommen werden.

Darüber hinaus beeinflussen auch individuelle und institutionelle Bedingungsfaktoren, inwieweit ein Konzept als akzeptiert, angemessen und umsetzbar bewertet wird. Individuelle Bedingungsfaktoren betreffen vor allem Merkmale der pädagogischen Fachkräfte, wozu u. a. Kompetenzerleben, Motivation, positive vs. ablehnende Einstellungen und Überzeugungen gegenüber veränderter Handlungsroutinen, Stressresistenz und Belastungserleben sowie die Einbindung in Austauschgruppen zählen (Gräsel, 2010). Institutionsbezogene Bedingungsfaktoren betreffen zum einen soziale Merkmale, wie etwa eine innovationsunterstützende Einrichtungsleitung, die das Vorhaben im Team oder Kollegium bestärkt, geteilte Verantwortlichkeiten und soziale Unterstützung im Team sowie die Bereitstellung von Ressourcen (z. B. Abminderungsstunden, Materialausstattung, finanzielle Anreize). Zum anderen muss der Umsetzung des Konzeptes und der damit angestrebten Zielerreichung eine realistische Zeitplanung zugrunde liegen, denn insbesondere zu ambitionierte Ziele (z. B. der Einrichtungsleitung) können Widerstände durch Überforderung hervorrufen und infolgedessen Akzeptanz, Angemessenheit und Umsetzbarkeit einschränken (Golddenbaum, 2012).

2.2        Überprüfung der Zielerreichung

Was soll erfasst werden und wie kann man bei der Erhebung und Auswertung vorgehen?

Bei der Erprobung von Sprachbildungs- oder Sprachförderkonzepten wird die Zielerreichung häufig auf mindestens zwei Ebenen überprüft. So betreffen die unmittelbaren Ziele einer Fortbildung zur alltagsintegrierten Anwendung sprachlicher Interaktionstechniken in der Kindertageseinrichtung etwa die Frage, ob sich das Wissen über Sprachförderung und die Sprachförderkompetenz der pädagogischen Fachkräfte durch die Fortbildung erweitert und ob die sprachlichen Modellierungstechniken anschließend so umgesetzt werden wie im Konzept vorgesehen (»wiedergabetreu«). Letzteres umfasst neben der Vollständigkeit (z. B. ob sprachliche Äußerungen des Kindes nicht nur korrigierend wiederholt, sondern auch erweitert werden) auch die Häufigkeit (z. B. mehrere Sprecherwechsel), mit der die sprachlichen Modellierungstechniken angewendet werden sollen. Je nachdem, welche strukturellen Merkmale das Konzept aufweist, könnte es auch sinnvoll sein, die vorgesehene Dauer oder Intensität der Förderung zu erfassen – etwa, ob das Lesetandem so wie geplant über einen Zeitraum von drei Monaten drei Mal wöchentlich à 15 Minuten zur Förderung der Leseflüssigkeit im Fachunterricht eingesetzt wird. Um Anhaltspunkte zu gewinnen, ob die Vermittlungsstrategien wie geplant umgesetzt werden, eignen sich vor allem Beobachtungsverfahren. Dazu zählen u. a. kollegiale Hospitationen, Videoaufzeichnungen oder Selbstbeobachtungsprotokolle, bei denen die Umsetzungsgenauigkeit z. B. anhand eines zuvor ausgearbeiteten Kriterienkatalogs beurteilt wird.

Ob ein Konzept oder einzelne Konzeptbausteine so wie geplant umgesetzt werden, hängt eng mit der zuvor erwähnten wahrgenommenen Umsetzbarkeit zusammen. So wäre es möglich, dass Lehrkräfte angeben, dass das Lesetandem (Rosebrock, Nix, Rieckmann & Gold, 2013) nicht gut im Fachunterricht umsetzbar ist, weil nicht ausreichend geeignete Texte zur Verfügung stehen, anhand derer die Förderung drei Mal wöchentlich à 15 Minuten durchgeführt werden kann. Dies könnte zur Folge haben, dass das Lesetandem nur sporadisch und damit seltener als geplant zum Einsatz kommt. Das könnte wiederum dazu führen, dass sich die Lesegeschwindigkeit der Schülerinnen und Schüler nicht wie erwartet verbessert.