Victoria Charles & Anatoli Podoksik

 

 

 

Pablo Picasso

Meisterwerke

Stier, 1947. Keramik, rötlicher Ton, 37 x 23 x 37 cm. Musée Picasso Antibes, Antibes.

 

 

 

Man Ray, Pablo Picasso, 1934. Musée national d’Art moderne, Centre Georges-Pompidou, Paris. © 2014 Man Ray Trust / Adagp, Paris.

Autor:

Victoria Charles & Anatoli Podoksik

Layout:

Baseline Co. Ltd

61A-63A Vo Van Tan Street

4. Etage

Distrikt 3, Ho Chi Minh City

Vietnam

© 2014 Confidential Concepts, worldwide, USA

© 2014 Parkstone Press International, New York, USA

Image-Bar www.image-bar.com

© Estate of Pablo Picasso, Artists Rights Society (ARS), New York

© Man Ray Trust / Adagp, Paris

Weltweit alle Rechte vorbehalten.

Soweit nicht anders vermerkt, gehört das Copyright der Arbeiten den jeweiligen Fotografen, den betreffenden Künstlern selbst oder ihren Rechtsnachfolgern. Trotz intensiver Nachforschungen war es aber nicht in jedem Fall möglich, die Eigentumsrechte festzustellen. Gegebenenfalls bitten wir um Benachrichtigung.

ISBN: 978-1-78525-710-0

Inhalt

Barcelona und Paris 1901-1906

Kubismus 1907-1914

Rappel à l’ordre 1915-1925

Kontakte mit dem Surrealismus 1926-1937

Krieg und Frieden 1937-1960

Die letzten Jahre 1961-1973

Biografie

Abbildungsverzeichnis

Barcelona und Paris
1901-1906

Dieses Gemälde, entstanden als Picasso zwanzig Jahre alt war, markiert einen seiner ersten Schritte in Richtung seiner künstlerischen Reife. In seiner Wahl von reinen Farben und deutlicher Perspektive zeigt er seine Verpflichtungen gegenüber den Post-Impressionisten, allen voran Paul Gauguin und Vincent van Gogh. Die zärtliche Darstellung eines Kindes steht im starken Kontrast zu dem kräftigen, manchmal gewalttätigen Charakter seines späteren Schaffens. Obwohl Picasso erst viele Jahrzehnte später die Taube als Friedenssymbol verwenden wird, kann die Taube, die das dargestellte Kind in Händen hält, bereits als Vorahnung dieser Symbolik angesehen werden.

Kind mit einer Taube, 1901. Öl auf Leinwand, 73 x 54 cm. Privatsammlung

Yo, Picasso, 1901. Öl auf Leinwand, 73,5 x 60,5 cm. Privatsammlung

Dies ist das Porträt eines Malers, der sich seines enormen Potenzials bewusst ist. Picasso begann seine zweite Reise nach Paris, eines der Mekkas der modernen Kunst, mit dem Versprechen einer Ausstellung in der Galerie Ambroise Vollard. Dort stellte er dieses Selbstporträt aus. Er zeigt sich als Mitglied der unkonventionellen Avantgarde des Montmartre mit einer Leichtigkeit, die er in den kräftigen Pinselstrichen demonstriert. Beeindruckend ist das gewaltige Selbstbewusstsein Picassos bereits in so jungen Jahren: In der oberen linken Ecke der Leinwand unterschreibt er nachdrücklich mit Yo, Picasso („Ich, Picasso“).

Selbstbildnis, 1901. Öl auf Leinwand, 81 x 60 cm. Musée Picasso Paris, Paris

Dieses Selbstporträt des Künstlers im Alter von zwanzig Jahren gehört zu den Meisterwerken, die Picasso während seiner Blauen Periode fertigte. In dieser Zeit (Ende 1901-1904) verwendete er eine überwiegend blaue Farbpalette. Mit der Farbe Blau verband er melancholische Themen, die er hauptsächlich in diesen Jahren darstellte. Im Vergleich zu Yo, Picasso ist dieses Gemälde beschaulicher und eindringlicher. Aber was wirklich bemerkenswert an diesem Vergleich ist, ist die Tatsache, dass sie im selben Jahr gemalt wurden. Viele Künstler hätte dafür eine lebenslange Entwicklung benötigt, Picasso benötigte höchstens ein paar Monate, vielleicht auch nur Wochen. Dies ist die erste in einer langen Reihe von großen stilistischen Entwicklungen in Picassos Œuvre.

Evokation: Das Begräbnis Casagemas’, 1901. Öl auf Leinwand, 150 x 90,5 cm. Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris, Paris

Im Februar 1901 erschoss sich der Künstler Carlos Casagemas in Gesellschaft seiner Freunde in einem Pariser Café, nachdem er von der Frau, die er liebte, zurückgewiesen worden war. Der 20-jährige Künstler war ein enger Freund Picassos, mit dem er sich ein Atelier teilte. Tief betroffen, war der Selbstmord Casagemas‘ eine der Episoden, die den Beginn der Blauen Periode Picassos markierte. Von den verschiedenen Gemälden, die er im Zusammenhang mit dem Tod des Freundes anfertigte und obwohl er nicht an der Beerdigung teilnahm, gehört das Bild Evokation: Das Begräbnis Casagemas’ zu den komplexesten. Die rein bildliche Zusammensetzung erinnert an die Werke von El Greco (beispielsweise Das Begräbnis des Grafen von Orgaz), ein Vergleich, den Picasso zweifellos auch anstrebte. Der untere Teil des Bildes zeigt den toten Casagemas umgeben von neun Trauernden. Dies wiederholt sich im oberen Bereich, in dem weitere neun Figuren – manche in erschreckender Ähnlichkeit mit Prostituierten – weinen und Casagemas‘ Aufstieg in den Himmel auf einem weißen Pferd beobachten. Eine nackte Frau küsst ihn während er seine Arme in Form einer Kreuzigung ausstreckt. Die Symbolik des Werkes wurde nie vollständig geklärt, aber es scheint, dass Casagemas als Heldenfigur die Apotheose eines tragischen Opfers erhält.

La Vie (Das Leben) , 1903. Öl auf Leinwand, 196,5 x 129,2 cm. The Cleveland Museum of Art, Cleveland

Wahrscheinlich „das Meisterwerk“ der Blauen Periode Picassos, ist La Vie ein geheimnisvolles Gemälde. Ein junges Paar steht gegenüber einer älteren Frau mit einem Säugling auf dem Arm. Hinter ihnen hängen zwei Bilder an der Wand. Der junge Mann, der auf die ältere Frau zeigt, war ursprünglich dazu bestimmt, ein Selbstporträt zu sein, aber Picasso gab diesem später die spezifischen Merkmale Casagemas‘. Die Bedeutung der Bildkomposition bleibt unklar. Meinungen reichen von Themen der sakralen und profanen Liebe bis zum Lebenszyklus und den harten Bedingungen eines Paares aus der Arbeiterklasse.

Porträt von Gertrude Stein , 1905-1906. Öl auf Leinwand, 100 x 81,3 cm. The Metropolitan Museum of Art, New York

Gertrude Stein (1874-1946) war eine US-amerikanische Schriftstellerin, die 1903 nach Frankreich zog. Sie und ihre Brüder waren begeisterte Sammler moderner Kunst und ihre Pariser Wohnung in der Rue de Fleurus wurde zu einem Treffpunkt vieler moderner Künstler und Schriftsteller wie Pablo Picasso, Henri Matisse, F. Scott Fitzgerald und Ernest Hemingway. Picasso begann 1905 dieses Porträt Steins, einer großen Sammlerin seiner Werke. Er verbrachte viel Zeit mit dieser Arbeit, nur damit sein Modell nach der Fertigstellung einen Mangel an Ähnlichkeit beklagen konnte. Picasso versicherte ihr zukunftsweisend, dass sie zu gegebener Zeit wie auf dem Gemälde aussehen würde.

GAUKLERFAMILIE, 1905. Öl auf Leinwand, 212,8 x 229,6 cm. National Gallery of Art, Washington, D.C.

Dies ist eines der signifikantesten Gemälde von Picassos sogenannter Rosa Periode. Er greift auf eines seiner wiederkehrenden Themen dieser Jahre zurück, der Zirkuswelt. Picasso wählt nicht die konventionelle Darstellung, um die Leistungen einer Gauklerfamilie zu zeigen, sondern eine mehr private, vor den Augen der Öffentlichkeit verschlossene. Im Bild existiert keine Bewegung, dafür aber Stille; keine Freude, sondern eher melancholische Kontemplation. Picasso stellt in seinem Gemälde eine Familie von Zirkusartisten als vernachlässigte Klasse dar; Künstler, mit denen der junge Maler sich identifizierte; er selbst führte während seiner ersten Jahre in Paris ein instabiles Leben auf der Suche nach Anerkennung.

Selbstbildnis mit Palette, 1906. Öl auf Leinwand, 91,9 x 73,3 cm. Philadelphia Museum of Art, Philadelphia

Aus der Furcht vor einer Typhusepidemie verließ Picasso Gósol eilig und kehrte kurz geschoren nach Paris zurück. Mag sein, dass dieser Umstand ihn anregte, sich in dem bekannten Selbstbildnis vom Herbst 1906 als kindlich jungen „Maler Adam“ darzustellen, so wie er sich selbst empfand. Der Blick des „Malers Adam“ mit vor Kraft strotzenden Händen und Torso wird nicht auf das Äußere gerichtet, er strebt nach innen. Sein Gedanke ist metaphorisch dargestellt mit vierfarbiger Palette: schwarz, ocker, weiß und rosa; ein großer Teil der Palette ist leer – die Arbeit steht noch bevor, aber das koloristische Credo ist zu spärlich für die Wiedergabe von flüchtigen und verführenden Wahrnehmungen. Picasso ähnelt hier einem Foto, das ihn im Alter von 15 Jahren zeigt, und diese Projektion seiner selbst als Halbwüchsiger in die Gegenwart zeugt davon, dass er sich als einen neuen, das Leben jetzt erst beginnenden Menschen versteht. Das, so scheint es, war das Ergebnis seiner Rückkehr zu den Mittelmeerquellen, zu den iberischen Wurzeln seiner künstlerischen Existenz.