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Über das Buch

Zahlen bestimmen unseren Alltag. Wir lesen die Uhrzeit, vergleichen Angebote im Supermarkt, kontrollieren das Wechselgeld an der Kasse usw.

Trotzdem scheint es schick zu sein, freimütig zu äußern: „In Mathe war ich immer schlecht!“

Wie oft habe ich diesen Satz gehört! Aber nie betraf er ein anderes Fach, obwohl in Deutsch und Fremdsprachen auch nicht jeder ein Musterschüler war. Was in einem Fall noch als Kavaliersdelikt aufgefasst wird, gilt im anderen schon als Blamage.

Zwanzig Episoden schildern Alltagssituationen, die das Gefühl für und den Umgang mit Zahlen behandeln. Damit aber haben die Protagonisten auf eine oft heitere Art ihre Probleme.

So wird in Nachworten der mathematische Hintergrund geklärt und im Anhang vertieft.

Nein – das Buch ist kein Aprilscherz, obwohl einige Begebenheiten darin das Zeug dazu hätten.

Hans-Werner Lücker am 1. April 2018

Über den Autor

Hans-Werner Lücker, geboren 1953, ist pensionierter Gymnasiallehrer mit den Fächern Mathematik, Physik und Informatik. Er widmet sich seit zehn Jahren dem Schreiben und dabei vor allem der Lyrik.

Sein Erstlingswerk „Gedanken stapeln, Worte pflegen, Sprüche klopfen“ erschien im Dezember 2016, gefolgt von der Geschichtensammlung „Das Klassenbuch“ im August und dem Lyrikband „Meine Lebensgedichte“ im Dezember 2017.

Hans-Werner Lücker

„Mathe konnte ich
noch nie!“

Episoden auf den Spuren eines vermeintlichen Kavaliersdeliktes

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Ich freue mich über eine Rückmeldung auf meiner Facebook-Autorenseite:

www.facebook.com/hanswernerluecker

© 2018 Hans-Werner Lücker

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN:978-3-7469-2620-9(Paperback)
978-3-7469-2621-6(Hardcover)
978-3-7469-2622-3(e-Book)

Umschlagsbild mit freundlicher Genehmigung von Casio Europe

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

INHALT

Statt eines Vorwortes: Mut zur Lücke?

Nur ein Zentimeter

Mehrwertsteuer geschenkt!

Die Kugel fällt schon mal weg!

Von der Rolle

„Pizza Wundaba“

Am Puls der Zeit

Nullen in Radio und TV

Literarischer Schwimmunterricht

Wenn der Groschen fällt

Aspekt Bildung

Der Posaunist

Großer Zensus in kleiner Wohnung

Unwahrscheinlich wahrscheinlich!

Zusammen oder getrennt?

Das Drittel

Spießbraten im Überfluss

Die unmögliche Zehn

Was ist Watt?

Herzdame

Anhang

Mehrwertsteuer geschenkt!

Die Kugel fällt schon mal weg!

Von der Rolle

„Pizza Wundaba“

Literarischer Schwimmunterricht

Herzdame

Statt eines Vorwortes:
Mut zur Lücke?

Ein paar Monate nach der Jahrtausendwende fühlte ich mich gezwungen den Zahnarzt zu wechseln.

Der mir bis dahin angestammte und vertraute Herr im weißen Kittel hatte mir zwar einige Backenzähne gezogen, zeigte sich aber hinsichtlich der Restauration meiner Zahnlandschaft wenig motiviert.

Auch fuhr er ständig in den Urlaub, obwohl er nur noch halbtags arbeitete.

Als ich endlich wieder einen Termin bekam und ihn fragte: „Was machen wir denn nun mit den leeren Stellen in meinem Unterkiefer?“, überlegte er nicht lange.

„Haben Sie einfach Mut zur Lücke, Herr Lücker!“, entgegnete er lapidar, lachte laut und meinte wohl noch, dass mir sein zweifelhafter Humor gefiele. Ich jedoch war bedient.

Eine Woche später weilte ich in der Beratungssprechstunde bei meinem neuen Zahnarzt. In einem supermodernen Behandlungsraum erklärte mir der schlanke und hochgewachsene Endfünfziger, dass er die Zahnlücken mit je einer Brücke links und rechts zu schließen gedenke.

„Das Abschleifen, den Abdruck und die Provisorien können wir in einer Zwei-Stunden-Sitzung erledigen.“ Ich schluckte kurz – empfand ich doch schon die fünf Minuten auf dem fast in die Horizontale gekippten Zahnarztstuhl als bedrohlich.

„Und weiter?“ Ich bemühte mich, ruhig zu bleiben. „Dann haben Sie ein paar Wochen Ruhe, bis ich die vom Zahntechniker gelieferten Brücken einsetzen kann.“ Der Arzt sah mich erwartungsvoll an.

Mein Nicken musste ihm gereicht haben. Mit den Worten „Lassen Sie sich von der Dame an der Anmeldung einen Termin geben!“ verabschiedete er sich von mir.

Erleichtert sprang ich von meinem Zwangsliegeplatz, ehe die Assistentin die Rückenlehne des Stuhles wieder senkrecht stellen konnte.

Mir ist ziemlich mulmig zumute, als ich auf den praxiseigenen Parkplatz einbiege. Selbst die lückenhaft abgestellten Autos wirken heute – zwei Zahnreihen gleichend – bedrohlich auf mich.

Die Gewissheit, über Stunden stillhalten zu müssen und dabei mehr liegend als sitzend dem Gott in Weiß und seinem assistierenden Erzengel ausgeliefert zu sein, treibt meinen Pulsschlag schon in schwindelerregende Höhen, ehe ich das Gebäude überhaupt betreten habe.

„Mund auf, Augen zu und durch!“, beschwöre ich meine missliche Lage, als das Duo mit den Bauarbeiten beginnt.

Ob nun die Schweißtropfen auf meiner Stirn, das echte Interesse oder die pure Neugier des Baustellenleiters der Auslöser sind – jedenfalls startet dieser eine für mich unvergessliche Konversation.

„Was machen Sie eigentlich beruflich?“ „Herer“, entweicht es rachenlauthauchend meinem bis zum Anschlag geöffneten Mund.

Mein Gegenüber scheint mich verstanden zu haben. „Etwa am Gymnasium?“ Ich nicke millimeterkurz auf die bohrende Frage.

„Und was sind Ihre Fächer?“ „Hühick oang Hachehahick.“ „Soso – Physik und Mathematik.“ Der Chef blickt bedeutungsschwer zu seiner Assistentin, die sich mit dem Absauger in meinem Mund müht.

„Schwierige Fächer! Wie kommen Ihre Schüler damit zurecht?“, fühlt er mir weiter auf den Zahn. Ich kann ihm bei bestem Willen mit meinem besetzten Mund keine verständliche Antwort geben – drum lasse ich es sein.

„Bitte mal gründlich ausspülen und ausspucken!“ Während ich diese Zeit nutze, um den krampfnahen Kiefergelenken eine verdiente Pause zu gönnen, hebt der Mann hinter dem Mundschutz zum Geständnis an.

„Mit Physik habe ich mich erst an der Uni abgequält. Aber in Mathe war ich schon an der Schule immer schlecht.“

Ehe ich etwas entgegnen kann, fährt er mit dem Abschleifen meiner geschundenen Brückenköpfe fort und fügt mit einem vielsagenden Augenzwinkern hinzu: „Und – hat es mir geschadet?“

Nur ein Zentimeter

Der bedeutende Schriftsteller Martin Walser lebt und wirkt in Überlingen. Anlässlich seines neunzigsten Geburtstages strahlte der SWR am 18. März 2017 die Dokumentation „Mein Diesseits“ aus.

Der Literaturkritiker und Autor Denis Scheck unternimmt darin mit dem Jahrhundertschriftsteller Walser eine Lebensreise um den Bodensee.

In einer Szene stehen die beiden sinnierend am Kiesstrand des Sees und führen das folgende Gespräch, das ich mit Erlaubnis des SWR und der Protagonisten hier zitieren darf*.

Martin Walser:

„Im ,Springbrunnen’** kommen zwei Jungen – also der Johann und der Adolf. Die streiten immer wer Recht hat und so – ist immer so ’ne Konkurrenz.

Und dann sagt der Adolf – natürlich um einmal wieder unwiderlegbar Recht zu haben: ,Wenn der Seespiegel um einen Zentimeter sinkt, wie viel Kubikmeter Wasser fehlen dann dem See?’

Und bei mir steht: 45 Millionen Kubikmeter Wasser fehlen ihm durch einen Zentimeter. Und jetzt – erst dieses Jahr – hat einer irgendwoher geschrieben – der hat das Buch jetzt erst gelesen: Nicht 45 sondern 4,5. Da fehlt das Komma.

Und er hat ein PS unten an den Brief geschrieben. Das fand ich noch schöner. ,Bei allem Respekt für Ihre Person und bei aller Bewunderung für Ihr literarisches Genie – sie sollten Ihre Augenbrauen stutzen lassen.’ Und warum – hat er geschrieben: ,So sieht es nämlich verwildert, wirr und greisenhaft aus.’ “

Denis Scheck (lachend):

„Was man sich von seinen Lesern alles sagen lassen muss!“

Martin Walser:

„Nein – ich habe gar nichts dagegen.“

Denis Scheck:

„Aber Sie sehen nicht verwildert, wirr und greisenhaft aus – sondern imposant.”

Martin Walser:

„Ja – nein – gut. Ich habe nicht die Absicht zu entsprechen. Aber es ist doch interessant, welchen Eindruck man macht. Das hätt’ ich auch nicht erwartet. Verwildert – gut – kann noch sein, aber wirr? Greisenhaft auch, aber wirr nicht!“

* Titel: Mein Diesseits

Untertitel: Unterwegs mit Martin Walser und Denis Scheck

SWR Fernsehen

Sendung vom 18.03.2017

Autor: Frank Hertweck

** „Ein springender Brunnen“, Roman von Martin Walser, 1998 Suhrkamp Verlag

Klärendes Nachwort

Nein – als wirr schätze ich Martin Walser nun wirklich nicht ein. Aber vielleicht verwirrt er mit seiner Episode die Leserinnen und Leser, weil er nicht auflöst, wie er und der Briefschreiber auf die unterschiedlichen Angaben gekommen sind. Irren sich vielleicht sogar beide?

Der Hauptteil des Bodensees – der Obersee – hat eine Fläche von A = 473 km2. Das sind 473 Mio m2 (1 km2 = 1 km ⋅ 1 km = 1000 m ⋅ 1000 m = 1 Mio m2). Weil 1 cm = 0,01 m, ergibt sich für das Volumen V, das dem Bodensee nach Senkung des Wasserspiegels um h = 1 cm fehlt: V = A ⋅ h = 475 Mio m2 ⋅ 0,01 m = 4,75 Mio m3.

Folglich ist Martin Walser oder seinem Lektor oder beiden in dem Buch „Ein springender Brunnen“ tatsächlich ein Stellenfehler unterlaufen.