EVA CHRISTOFF

 

 

DIE TERRANAUTEN, Band 7:

Die Kinder Yggdrasils

 

 

 

Science-Fiction-Roman

 

 

 

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

DIE KINDER YGGDRASILS von Eva Christoff 

 

Das Buch

 

Man schreibt das Jahr 2500 irdischer Zeitrechnung.

David terGorden beschließt, mit dem einzigen Oppositionellen im Konzil, dem Manag Pankaldi, in Verhandlung zu treten. Er fordert, dass die Jagd auf die Treiber ein Ende finden muss und die Experimente mit der Kaiserkraft einzustellen sind. Doch bevor ein Ergebnis gefunden werden kann, erreichen David beunruhigende Nachrichten aus dem heiligen Tal: Valdec hat den uralten Mistelbaum mit einer Krankheit überzogen - der Urbaum beginnt zu sterben...

 

DIE TERRANAUTEN – konzipiert von Thomas R. P. Mielke und Rolf W. Liersch und verfasst von einem Team aus Spitzen-Autoren – erschien in den Jahren von 1979 bis 81 mit 99 Heften und von 1981 bis 87 mit 18 Taschenbüchern im Bastei Verlag. 

Der Apex-Verlag veröffentlicht die legendäre Science-Fiction-Serie erstmals und exklusiv als E-Books.

  DIE KINDER YGGDRASILS von Eva Christoff

 

 

 

Terra, Heimat der Menschheit, 3. Planet des Sol-Systems, Donnerstag, 7. Januar 2500 – Terra-Normzeit:

 

Ultima Thule starb.

Die Stadt versank im eisigen Wasser der drei Seen, über denen sie zu Beginn des 22. Jahrhunderts erbaut worden war. Durch die Explosion verborgener Sprengladungen waren die beiden schmalen Zugänge des Talkessels von Ultima Thule, die sonst die Abflüsse der Seen gebildet hatten, verschüttet worden. Das steigende Wasser hatte die drei Stadtseen zu einer durchgehenden Wasserfläche zusammenfließen lassen, aus der nur noch die Spitzen der höchsten Gebäude und der Palast ragten.

Der Palast, wie man die bizarr gebaute Zentrale des vor wenigen Tagen ermordeten Biotroniks-Inhabers Growan terGorden nannte, wirkte mit seinen Hunderten von Kuppeln und Türmchen wie ein sterbendes Seeungeheuer mit zahllosen Köpfen. Nebelschwaden legten sich als Leichentuch über die versinkende Stadt. Die Szene wäre ganz nach dem Geschmack des alten Growan gewesen, der eine auffällige Vorliebe für melodramatische Auftritte gehabt hatte. Es schien, als triumphiere Growan nun im Tod über seinen Widersacher, den Konzilsvorsitzenden Max von Valdec, der ohnmächtig dem Ende von Ultima Thule zusehen musste.

Längst war die Stadt von allen Bewohnern verlassen worden, nur ein Schwarm Gleiter der Grauen Garde kreiste noch über den Nebelschwaden, und in viertausend Metern Höhe schwebte ein Ringo-Raumer des Kaiser-Konzerns. Von Bord des Ringos verfolgte Max von Valdec die Entwicklung.

Der Konzilsvorsitzende stand vor dem großen Beobachtungsbildschirm in der Zentrale des Kleinraumschiffes. Mit zusammengepressten Lippen verfolgte der hochgewachsene hagere Mann mit dem grauen Haar und den grauen Augen die Infrarotbilder vom Untergang der Biotroniks-Hauptstadt. Mit Ultima Thule versanken auch alle Träume von der Übernahme Biotroniks durch Valdecs Kaiser-Konzern in den Fluten.

Queen Mandorla trat neben Valdec. Sie war die Oberbefehlshaberin aller Grauen Garden des Kaiser-Konzerns. Sie berührte ihren Chef leicht an der Schulter. Mit einem resignierenden Seufzer wandte sich der Konzilsvorsitzende vom Bildschirm ab. »Es sieht aus, als gelänge es Growan tatsächlich, die Geheimnisse von Biotroniks mit ins Grab zu nehmen, nicht wahr, Mandorla?«, meinte er.

»Zumindest vorübergehend, Lordoberst«, bestätigte die Queen. »Mir liegen inzwischen die ersten Auswertungen der Ereignisse vor. Ganz offensichtlich haben wir es nicht mit einer Naturkatastrophe zu tun. Der Anstieg des Wassers, die Explosionen und der Temperatursturz im Tal sind künstlich herbeigeführt worden. Durch unsere Übernahme des Biotroniks-Computers ist eine Art Verteidigungsprogramm ausgelöst worden, das sowohl für die Vulkanausbrüche um das Heilige Tal als auch für die Vereisung von Ultima Thule verantwortlich ist. Wir haben ein Energiefeld angemessen, das sich über den Talkessel gelegt hat und dessen Ursprung einige hundert Meter unter der Stadt liegt. Das Feld verursachte die unnatürliche Temperaturabsenkung.«

Valdec zog die Augenbrauen hoch. »Was ist das für ein Feld? Mir war bisher nicht bekannt, dass so etwas durch ein Energiefeld herbeigeführt werden kann.«

Die Queen zuckte die Achseln. »Mit den uns bekannten technischen Mitteln ist so etwas auch nicht möglich. Das Feld zapft Weltraum II an. Growan scheint uns auch darin einen Schritt voraus gewesen zu sein.«

»Das ist unglaublich!« Man sah Valdec an, dass er dicht davor stand, die Fassung zu verlieren. Und das wollte bei dem für seine eiskalte Ruhe bekannten Konzilsvorsitzenden einiges heißen.

Seit Jahrzehnten arbeiteten die Wissenschaftler von Valdecs Konzern an einem technischen Ersatz für die nur mit den von Biotroniks gelieferten Misteln möglichen Treiberraumfahrt. Valdec hatte den Besitzer des Biotroniks-Konzerns für einen sentimentalen Narren gehalten, der sich aus Familienstolz an sein überliefertes Monopol klammerte. Doch nun stellte sich heraus, dass Growan terGorden längst besessen hatte, was den Kaiser-Wissenschaftlern erst vor wenigen Jahren zu entwickeln gelungen war.

»Warum, um alles in der Welt, hat dieser alte Narr keinen Gebrauch von seinem Know-how gemacht?«, fragte Valdec die Queen.

»Wir haben die terGordens völlig falsch eingeschätzt«, erwiderte sie. »Ihnen und den Treibern geht es nicht um materielle Vorteile. Sie haben sich einem mystischen Glauben an die Misteln des Urbaums verschrieben. Yggdrasil ist für sie …«

Das Schrillen der Energieortung unterbrach Mandorla.

»Wir haben einen sprunghaften Anstieg der Energieausstrahlung rund um Ultima Thule angemessen«, meldete der Pilot des Raumers

Valdec beugte sich dicht an den Bildschirm heran. Nur noch die höchsten Spitzen des Palastes ragten aus dem Wasser. Ein, zwei Sekunden später schloss sich der See über ihnen. Im gleichen Moment übertrugen die auf die versunkene Stadt gerichteten Außenmikrofone des Ringos ein donnerndes Knistern.

Die Oberfläche des Sees verwandelte sich schlagartig in eine solide Eisschicht. Es folgte ein winziger Augenblick gespannter Stille. Mandorla nickte Valdec aufmunternd zu.

Dann ging auf allen Frequenzen ein Funkspruch ein: »Vereisung Ultima Thule abgeschlossen. Achtung: Ab sofort ist der Großraum Ultima Thule zum Sperrgebiet erklärt. Ich wiederhole: Die Planquadrate 18 – 72 bis 19 – 12 sind ab sofort Sperrgebiet. Nach 180 Sekunden wird das Sperrgebiet militärisch gesichert. Achtung: Ab sofort wird der Großraum …«

Wütend ballte der Lordoberst die Fäuste. »Wo steckt dieser verdammte Sender?«, herrschte er den kommandierenden Grauen des Ringos, Hauptmann Löwis, an.

Der Graue nahm einige Schaltungen an seinem Instrumentenpult vor. »Der Sender steht im Palast«, meldete er dann. »Es dürfte sich um den Biotroniks-Computer handeln.«

»Bringen Sie ihn zum Schweigen, Hauptmann!«

Bevor der Graue den entsprechenden Feuerbefehl durchgeben konnte, wurden sie direkt angefunkt.

»Achtung! Unbekanntes Raumschiff über Ultima Thule! Identifizieren Sie sich nach Code Grün-Weiß oder verlassen Sie sofort das Sperrgebiet. Sie haben noch 30 Sekunden zur Identifikation, 29, 28, 27 …«

Hauptmann Löwis wies die Gleiter der Garde an, sich zurückzuziehen, um dem Ringo freies Schussfeld zu verschaffen. Doch als er die Laserkanonen des Kaiser-Raumers freigeben wollte, hielt ihn Queen Mandorla zurück.

»Wenn wir auf den vereisten Palast schießen, zerstören wir wahrscheinlich die ganze Stadt. Damit verlieren wir …« Mandorla kam nicht mehr dazu, ihre Einwände vorzubringen.

Man hatte angenommen, dass seit der Besetzung Ultima Thules durch Valdecs Garde alle Verteidigungsanlagen abgeschaltet oder demontiert worden waren. Eine gefährliche Fehleinschätzung, wie sich jetzt herausstellte.

An einem Berghang über der Stadt bildete sich ein glühender Fleck. Gestein über einer verborgenen Laser-Stellung schmolz ab, und dann zuckte ein armdicker Laserstrahl zu Valdecs Raumschiff hinauf.

Der Ringo wurde gestreift. Der Energiestrahl rasierte einen der Magnet-Ringe, dem die Kleinraumschiffe ihren Namen verdankten, zur Hälfte ab. Das Schiff wurde aus seiner Position gerissen, geriet ins Trudeln. Nur mit Mühe konnte der Pilot die Flugbahn wieder stabilisieren.

Valdec und Mandorla, die vor dem Sichtschirm gestanden hatten, wurden durch die kleine Zentrale geschleudert. Der Lordoberst ging zu Boden. Die Queen konnte sich gerade noch am Pilotensessel festklammern.

Stöhnend richtete sich Valdec wieder auf. In seinem Gesicht zuckte es.

Dafür wird er halb Grönland einäschern lassen, dachte Mandorla im ersten Augenblick, als sie die Augen des Lordoberst sah.

»Das war ein Warnschuss«, meldete sich die weich modulierte elektronische Stimme des Biotroniks-Computers wieder. »Verlassen Sie unverzüglich das Sperrgebiet, unbekanntes Raumschiff.«

Valdec biss sich auf die Lippen. Seine kalte Arroganz war von ihm abgefallen. Sein Blick suchte Mandorlas Augen, und Mandorla erkannte zum ersten Mal etwas wie Furcht in diesem Blick. Aber der Befehl, den Valdec dann gab, fiel völlig anders aus, als die Queen erwartet hatte.

»Abdrehen, Hauptmann Löwis. Lassen Sie das angegebene Sperrgebiet räumen.«

Löwis warf dem Lordoberst einen ungläubigen Blick zu.

»Haben Sie nicht verstanden, Hauptmann?«, schaltete sich Mandorla sofort ein. »Rückzug!«

Der Hauptmann nickte und gab blitzschnell die entsprechenden Befehle an die Gleiterflotte der Garde weiter. Der Ringo hatte inzwischen auf direktem Kurs die gesperrte Zone über Ultima Thule verlassen.

»Wie schlimm ist der Schaden an unserem Schiff?«, erkundigte sich Valdec beim Piloten.

»Unsere Manövrierfähigkeit ist eingeschränkt, aber wir sind sonst noch voll flugtüchtig.«

»Dann fliegen Sie nach Berlin. Direkt. Ohne Zwischenlandung«, befahl Valdec.

Mandorla bewunderte, wie schnell sich Valdec auf die neue Situation eingestellt hatte. Ein weiteres Vorgehen gegen Ultima Thule wurde unter den gegebenen Umständen zu einem unkalkulierbaren Risiko, also verzichtete der Lordoberst darauf.

»Wie lauten Ihre weiteren Anweisungen für Grönland?«, fragte sie ihren Chef.

»Die Garde zieht sich bis auf einige Beobachtungsposten zurück. Drei Raumschiffe der Garde beziehen einen stationären Orbit über Grönland, aber außerhalb der Atmosphäre. Zivilisten dürfen Grönland ab sofort weder verlassen noch betreten. Stellen Sie ein Wissenschaftlerteam zusammen, das die Verteidigungsanlagen von Grönland erkundet und ihren Wirkungskreis genau vermisst. Und diesmal wirklich alle Anlagen entdecken. Biotroniks ist vereist, aber der Palast existiert noch. Wir werden einen Weg finden, an seine Geheimnisse heranzukommen. Danach können wir ihn immer noch vernichten.«

Während der Ringo Kurs auf Berlin nahm, ließ Valdec sich eine Konferenzschaltung in die Zentrale legen und unterhielt sich mit seinen Chefwissenschaftlern über die Fortschritte bei der Entwicklung der Kaiser-Kraft, als sei nichts geschehen.

 

*