Über das Buch

Dem großen Schriftsteller Claudio Magris widerfahren die verrücktesten Dinge. Als er etwa in Triest von einer Dame erst erkannt wird, als sie den Namen seines Hundes erfährt: »Dann müssen Sie ja Professor Magris sein.« Die Realität erscheint komisch, wie in jener New Yorker Kunstgalerie, wo verpackte Gemälde von Besuchern für Avantgarde gehalten werden, und oft genug absurd, wie der Maßnahmenkatalog gegen das »Urinieren in der Öffentlichkeit« der Triester Stadtverwaltung. Magris zeichnet in diesen Momentaufnahmen aus den letzten zwei Jahrzehnten eine kleine menschliche Komödie, die die Absurdität und die Poesie unseres Alltagslebens blitzartig hervorscheinen lässt.

Claudio Magris

Schnappschüsse

Aus dem Italienischen von Ragni Maria Gschwend

Carl Hanser Verlag

»Schnappschuss, der:

… mit einer sehr kurzen Belichtungszeit aufgenommen und ohne Verwendung einer Stütze …«

Salvatore Battaglia, Großes Wörterbuch der Italienischen Sprache

Auf den Klippen

An der Riviera von Barcola, in Triest. Na ja, was heißt Riviera? Ein schmaler felsiger freier Strand entlang der Hauptzufahrtsstraße in die Stadt; das Wasser ist sofort tief, am Ufer flaumige Tamarisken wie Wellen, ein weiter, offener Meereshorizont, der einem in der Kindheit das Gefühl ozeanischer Grenzenlosigkeit vermittelte, in einer éducation sentimentale, in der man ein für alle Mal die Verbindung zwischen dem Eros und dem Meer begreifen lernte. Diese Menschen im Badeanzug, die sich weder in einer Badeanstalt noch an einem richtigen Strand befinden, sondern vor den Toren der Stadt und fast schon in der Stadt, vermitteln den Eindruck von einem selbstbewussten und genussvollen Leben.

Triest ist nicht nur die Kreuzung zwischen Ost und West, wie es immer genannt wird, sondern auch zwischen Nord und Süd, zwischen der skandinavischen Melancholie gewisser winterlicher Sonnenuntergänge und der südlichen Vitalität des Sommers. Am Ende des Golfs, wo die italienischen Wasser slowenisch und danach kroatisch werden, sieht man den Dom von Pirano, die Spur des jahrhundertealten Markus-Löwen in Istrien, und etwas weiter Punta Salvore mit seinem Leuchtturm und seinen Pinien im Wind. Die Leute, die sich von Mai bis Oktober jeden Tag auf diese Klippen von Barcola begeben, sind Stammgäste; durch stillschweigende Vereinbarung hat jeder von uns seinen festen Platz am Ufer, der im Allgemeinen von den Nachbarn respektiert wird, mit denen man einen freundlichen Kontakt pflegt, ohne jedoch zu vertraulich zu werden. Hin und wieder weht, angekündigt von den Zeitungen, die Androhung herüber von Verboten, Bebauungsplänen, Errichtung von kostenpflichtigen Badeanstalten oder kleinen touristischen Häfen — eine Drohung, die sich bisher jedes Mal in Luft aufgelöst hat, dank kämpferischer Briefe an die Presse und die Obrigkeiten, geschickt von »Männern der Feder«, deren es zahlreiche und ausdauernde unter den Badenden gibt, und Protesten, die sogar von Triestern kommen, die seit Jahren in New York oder in Adelaide leben, aber diese Klippen nicht vergessen haben. Ehrlich gesagt, zeigen die Behörden Verständnis dafür, dass dieser freie Sprung ins Wasser ein öffentliches Gut ist, zur Qualität des öffentlichen Lebens beiträgt, und sie kümmern sich um die kostenlosen Duschen und die Tamarisken.

Vor ein paar Jahren waren die Klippen ins Rampenlicht geraten aufgrund eines Ertrunkenen, dessen ans Ufer geschwemmter und mit einem Leintuch bedeckter Körper lange inmitten der Badenden lag, die sich neben ihm weiter ruhig sonnten, mit jener vertrauten Gleichgültigkeit des Lebens gegenüber dem Tod, die das grelle, sengende Licht des Sommers noch mitleidloser macht. Das Leintuch, das ihn bedeckte, schien weniger dem Respekt ihm gegenüber und dem unverletzlichen heiligen universalen Mysterium, das ihm widerfahren war und in das er eintrat, zu gelten als einer Rücksicht auf die Badenden, um sie nicht durch die Unerträglichkeit und Schamlosigkeit des Todes zu stören. Nur ein kleines Kind schaute neugierig auf diese Gestalt am Boden, vielleicht ohne zu begreifen, was passiert war — wie ein Hund, der an irgendetwas Unbekanntem schnuppert.

Wenig Spektakel, seltene Störungen an dem ruhigen öffentlichen Strand. Eine Mutter tadelt ihren Sohn, ein Kind von vier oder fünf Jahren, das mit einer entzückenden Gleichaltrigen spielt — schwarz wie Ebenholz, offensichtlich von den Eltern, zwei Deutschen, adoptiert, die sich ein bisschen weiter weg niedergelassen haben. Der Junge schießt mit einer Wasserpistole um sich und springt über die sich sonnenden Körper, die für ihn noch nichts Begehrenswertes oder Verwirrendes haben. Als man ihn ausschimpft, protestiert er und sagt, dass man auch das kleine Mädchen schimpfen müsse. »Was denn für ein Mädchen?«, fragt die Mutter, die es nicht sieht, weil die Kleine sich hinter einem Baum versteckt hat. »Die, die so redet, dass man nichts versteht«, antwortet er, offensichtlich beeindruckt von der Tatsache, dass die Kleine die Dinge auf eine für ihn nicht verständliche Weise benennt, und etwas wütend darüber, dass sie auch andere Namen haben können.

Es kommt ihm nicht in den Sinn, das Mädchen durch seine Hautfarbe zu identifizieren, die selbst neben der Bräune der Sonnenbadenden deutlich hervorsticht. Dieser Farbunterschied, der in anderen Situationen möglicherweise Trennung und Absonderung hätte hervorrufen können und vielleicht immer noch kann, ist unerheblich, gemessen an dem Unterschied zwischen dem Italienischen und dem Deutschen. Doch nicht einmal dieser hat die Macht, die beiden zu trennen, denn kaum ist das kleine Mädchen, in der Zwischenzeit gebührend von den Eltern (auf Deutsch) ermahnt, wieder da, fangen sie sofort an, aufs Neue hintereinanderher zu rennen und sich vollzuspritzen, ohne zu wissen, dass sie gerade eine Lektion über Verschiedenheit und Identität erteilt haben, Themen, wie sie im Übrigen auch bei den so häufigen kulturell-balneologischen Zusammenkünften an den sommerlichen Stränden beliebt sind, zumindest an den ein bisschen eleganteren als jenem auf den Klippen von Barcola.

10. August 2009

Die Taube und der Doppeladler

Im Triester Volksgarten, zu Füßen einer Statue, die eine halbnackte Italia mit einem Doppeladler auf der Schulter darstellt — Symbol des habsburgischen Österreichs, im Ersten Weltkrieg zerschlagen und in eine Art köstlichen Wildbrets zum In-die-Pfanne-Hauen verwandelt — liegt eine tote Taube, hingestreckt, die Beine in der Luft, ein Auge blutverkrustet und halb aus seiner Höhle getreten. Sechs oder sieben andere Tauben kommen aus einem Gebüsch hervor, nähern sich hüpfend — eine ordentlich nach der anderen — und stürzen sich der Reihe nach auf die Tote, während die übrigen zuschauen, steigen auf sie drauf, wobei sie heftig mit den Flügeln schlagen und ständig den Schnabel öffnen und wieder schließen. Die Leichenschändung dauert immer nur ganz kurz, offensichtlich sind die Tauben rasche Liebhaber; dafür stellt sich jede gleich wieder erneut an und wiederholt nach wenigen Sekunden die Aktion. Es gibt die eine oder andere Taube, die, ehe sie sich von dem immer unförmiger und entstellter werdenden Körper etwas abknapst, den Hals vorstreckt und neigt und dem reglosen und bereits übel zugerichteten Kopf ein paar heftige Hiebe mit Schnabel und Füßen versetzt, wobei das verletzte Auge noch weiter zu Brei wird. Nach ein paar Minuten entfernt sich die Gruppe und verschwindet zwischen den Stiefmütterchen. Eine Taube aber bleibt zurück, bleibt stehen und glotzt argwöhnisch mit einem aufgerissenen Auge, starr wie das des Kadavers.

17. April 1999

Der Wirt und sein Krieg

Auch in den Wirtshäusern redet man über den Krieg in Serbien und, in weiterem Sinn, über den Krieg im Allgemeinen. Selbst der Wirt hinter der Theke einer Gastwirtschaft am Fuße des Hügels San Giusto in Triest sagt seine Meinung dazu. Auch er hat den Krieg mitgemacht, 194445, aber er könnte nicht wirklich sagen, für oder gegen wen. Die Deutschen hatten ihn gefangen genommen und nach ein paar Monaten Haft vor die Wahl gestellt, entweder nach Deutschland deportiert zu werden oder mit ihnen zusammenzuarbeiten. Nachdem er sich für die zweite Lösung entschieden hatte — man kann nur das kleinere Übel wählen, sagt er, nie das Bessere —, wurde er zur Bewachung eines Bahngleises abgestellt, zusammen mit anderen, darunter vor allem einem Wurstfabrikanten aus Rom, der ihm beibrachte, bei welcher Temperatur man die verschiedenen Wurstwaren aufbewahren muss.

Entlang dieses Bahngleises ist nie etwas passiert; nur einmal hatte er einer Frau geholfen, die einen sehr schweren Koffer hinter sich herschleifte, das Gleis zu überqueren und die steile Böschung auf der anderen Seite wieder hinaufzusteigen. Abends kamen jedoch manchmal die Partisanen und fingen an, die Kaserne, in der sie untergebracht waren, zu beschießen, die später eine »Osmiza«, eine Bauernschänke auf dem Karst, wurde. Zum Glück hatte der Wurstfabrikant ein Maschinengewehr, das viele Schüsse hergab; er dagegen schleuderte ein paar Handgranaten aus dem Fenster, aber blindlings, hinten im Raum stehend, um nicht als Zielscheibe zu dienen, und ohne zu sehen, wohin die Bomben fielen. Gegen Morgen zogen sich die Partisanen zurück, er und die anderen kochten sich etwas und schliefen ein paar Stunden. Gefangen genommen von den Partisanen, die schließlich die Kaserne-Osmiza erobert hatten, und in Handschellen zu einem Kommando in Slowenien verbracht, wurde er in dem Dorf von der Frau wiedererkannt, der er über die Gleise geholfen hatte. Daraufhin befreit, wurde er von den Partisanen angeheuert, die ihn in der Küche arbeiten ließen, wo er die Anfangsgründe seiner späteren Tätigkeit als Wirt lernte.

Er ist ein großzügiger Mensch, mit einem instinktiven Gefühl für Solidarität mit den anderen. Bei dem feierlichen Begräbnis der drei in Mostar ermordeten Journalisten der RAI, im Februar 1994, stammte der größte Kranz in der Kathedrale San Giusto von ihm, der ihnen nie begegnet war. Nur so, aus Großzügigkeit: »Ich kann ihnen kein Glas Wein anbieten und daher …« Als ich ihn frage, ob während der Angriffe auf das Haus, in das die Deutschen sie gesteckt hatten, einer gestorben sei, antwortet er, »ach was!«, erstaunt über die Frage. Aber es hätte ihn auch nicht empört, wenn es geschehen wäre, womöglich ihm selbst. Sterben gehört zu den offensichtlichen Risiken des Handwerks des Lebens, wie der polnische Schriftsteller Stanisław Lec gesagt hat, den er zwar bestimmt nicht gelesen hat, aber mit dem er, ohne es zu wissen, voll und ganz übereinstimmte — jedenfalls ist leben gefährlich, denn wer lebt, stirbt.

5. Mai 1999

Ein unzuverlässiger Toter

In einem überfüllten Saal in Budapest wird ein literarisches Symposium abgehalten. Plötzlich werden aus dem Publikum aufgeregte Stimmen laut, die nach einem Arzt rufen. Ein alter Mann in blauem Anzug und weißem Hemd mit steifem Kragen ist bleich und entkräftet auf seinem Stuhl zusammengesackt. Man öffnet die Fenster, jemand ruft nach einem Krankenwagen, der Mann wird in einen Nebenraum getragen und auf eine Couch gelegt. Auf dem Podium sehen sich Organisatoren und Redner verlegen an, ohne zu wissen, wie man sich verhalten soll, hin- und hergerissen zwischen der Rücksicht auf das Leben beziehungsweise den (eventuellen) Tod, der Verpflichtung dem Publikum gegenüber, dem automatischen Impuls, die begonnene Veranstaltung irgendwie zu Ende zu bringen, der Eitelkeit des Autors, das eigene Buch gelobt zu hören, und für jeden Redner die Angst, sollte das Schlimmste eintreffen, während gerade er spricht, für einen Unheilbringer zu gelten. Wahrscheinlich wünscht sich ein jeder, dass, wenn es wirklich passieren sollte, es nicht hier passiert, sondern anderswo, im Krankenhaus, und womöglich erst am nächsten Tag.

Beruhigende, wenn auch vorsichtige Nachrichten, die aus dem anderen Raum kommen und zunehmend positiver klingen, führen dazu, dass man mit der Veranstaltung fortfährt, die, nach einer gewissen Verlegenheit, immer gelöster vor sich geht und mit der erwarteten Zufriedenheit endet. Danach gibt es ein reichhaltiges und köstliches Buffet in einem anderen Saal, der sich in wenigen Minuten in ein Gedränge von Menschen verwandelt, die sich mit beiden Händen vollstopfen. In diesem Gedränge erkennt man plötzlich den bis vor kurzem anscheinend todgeweihten alten Mann, der sich wieder vollkommen erholt hat — wahrscheinlich von einem Blutzuckerabfall — und sich jetzt mit Palatschinke und Brühwurst vollstopft, im Stehen, hin und her geschubst von der Menge, die die Hände mit Gläsern und Papptellern belegt hat.

Einer der Vortragenden betrachtet ihn stirnrunzelnd, vielleicht empört darüber, dass sein Beitrag durch ein unbedeutendes Übelsein unterbrochen wurde. Um das Recht zu haben, einen Autor wie ihn zu unterbrechen, braucht es einen ernsthaften Grund, beispielsweise etwas, das mit dem Tod oder zumindest mit seiner Möglichkeit zu tun hat, und nicht irgendein belangloses Übelsein, das der Bedeutung und dem Gewicht seiner Bücher nicht entspricht. Der Tod sollte nicht so unzuverlässig sein. Jedenfalls kann man sich nicht zweimal in so kurzer Zeit erschüttern lassen. Wenn der alte Herr jetzt stürbe, mit diesem Stück Schokoladentorte in Händen, würde er die Gemüter sehr viel weniger bewegen als zwei Stunden zuvor. Auch für eine berühmte Persönlichkeit wäre es ein rechtes Unglück gewesen, kurz nach Gianni Versace und Lady Diana zu sterben, nachdem das Übermaß an Rührung für eine Zeitlang die Reserven an Tränenflüssigkeit erschöpft hat.

14. Juni 1999

Dreizehntausendachthundertneunundsiebzig Abende

Der deutsche Bankmanager Hilmar Kopper verlässt seine Gattin Irene nach achtunddreißig Ehejahren für Brigitte Seebacher. Dagegen wäre nichts zu sagen, wenn der Banker, Vorstandssprecher der Deutschen Bank, nicht eine unfreiwillig komische Rechtfertigung seines Verlassens des ehelichen Hauses gegeben hätte: Anstatt den Mund zu halten — schließlich geht die Angelegenheit nur ihn und seine Frau etwas an — oder höchstens zu sagen, dass die Beziehung mit seiner Frau Irene beendet sei, so wie auch intensive und langlebige Beziehungen enden können und manchmal enden und man die Konsequenzen daraus ziehen muss, verkündet er: »Ich will tun, was ich will, und endlich frei sein. Und wenn ich abends keine Lust zum Essen habe, dann will ich auch nicht essen.«

Armer Vorstandssprecher, was für ein elendes Leben muss er bis jetzt geführt haben, wenn er achtunddreißig Jahre gewartet hat, um sein Haupt zu erheben, wenn er 13.879 Abende bereit war, Bissen hinunterzuwürgen, die ihm wie Blei im Magen lagen. Man kann sich nur wünschen, dass er bei seiner verantwortungsvollen Banktätigkeit entschlossener ist. Sollte seine Frau Irene eine solche ägyptische Plage gewesen sein, dann muss er keine große Erfahrung mit Frauen und mit der Liebe gehabt haben, sonst hätte er das rechtzeitig gemerkt. Und noch weniger Erfahrung muss er gehabt haben, wenn sie das keineswegs war und er das Abenteuer nicht begriffen hat, die Freiheit, das Spiel, das Risiko, die Intensität des geteilten Lebens, die liebevolle Vertrautheit, die ständig wächst, die Odyssee des Lebens, Schlafens, Altwerdens und vor allem die Welt gemeinsam zu entdecken und zu lieben. Der unerfahrene Präsident versteht es offensichtlich nicht, das Leben zu teilen, ohne zu gehorchen, und als er sich plötzlich frei dünkt, stampft er wie ein Kind mit den Füßen auf und sagt ständig: Ich will, ich will, ich will! Aber wer garantiert ihm, dass Frau Brigitte Seebacher ihn nicht auch vollstopfen wird, wenn er so fügsam ist?

Die etwas kitschigen Behauptungen Letzerer über die Liebe auf den ersten Blick und das Leben, das natürlich schön ist, lassen nicht viel erhoffen. Und doch war Brigitte Seebacher die Frau von Willy Brandt, dem Mann, der gegen den Nationalsozialismus gekämpft und im Warschauer Ghetto auf die Knie gefallen ist … Wie schreibt Baudelaire in den Blumen des Bösen, als er über Andromache, die Witwe Hektors, des trojanischen Helden, spricht, über ihr Leben als Gefangene und Exilantin nach dem Fall Trojas und ihrer neuen Verbindung mit dem bescheidenen Helenos: »Ach je, jetzt Gattin des Helenos und ehemals Hektors Gemahlin!«

19. Juli 1999

In der Galerie Castelli

New York, Oktober 1989, in der Galerie Leo Castelli, 420 West Broadway, eines der Herzen und einer der heiligen Orte der Kunst in der ganzen Welt. Die Galerie, welche die Pop-Art entdeckt, gefördert und manchmal geschaffen hat, sowie ganz allgemein einige der großen Schulen und der zeitgenössischen Kunstströmungen. Es ist ein etwas besonderer Tag; die Galerie, ebenso wie viele andere der Stadt, ist in Trauer gehüllt zum Zeichen des Protests gegen das Urteil eines Richters, der einen Künstler — oder vielleicht eine Ausstellung oder eine Performance — wegen Obszönität verurteilt hat. Die Bilder an den Wänden — jene Bilder, derentwegen die anspruchsvollen Besucher aus den verschiedensten Teilen der Welt kommen und denen sie sich nähern wie Kultgegenständen — sind von einem schwarzen Tuch umhüllt; viele an den Wänden hängende Quadrate und Rechtecke, ebenfalls verhüllt vom gleichen schwarzen Tuch, alle gleich, abgesehen von den Dimensionen. Die Galerie ist offensichtlich leer; ihre Besucher sind es nicht gewohnt, unvorbereitet hinzukommen, sondern sind im Allgemeinen gut informiert über das, was in diesem Tempel der Postmoderne und jedem anderen möglichen »Post« von allem vor sich geht; sie wissen also, dass an diesem Tag keine Bilder ausgestellt werden.