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Ines Maria Eckermann

Ich brauche nicht mehr

Ines Maria Eckermann

Ich brauche NICHT mehr

Konsumgelassenheit erlangen und nachhaltig glücklich werden

Tectum Verlag

Ines Maria Eckermann
Ich brauche nicht mehr
Konsumgelassenheit erlangen und nachhaltig glücklich werden

© Tectum – ein Verlag in der Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2019

E-Pub: 978-3-8288-7050-5

(Dieser Titel ist zugleich als gedrucktes Werk unter der ISBN 978-3-8288-4173-4 im Tectum Verlag erschienen.)

Zeichnungen im Innenteil: © Ines Maria Eckermann

Autorinnenportrait: © Ines Maria Eckermann

Alle Rechte vorbehalten

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www.tectum-verlag.de

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben
sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Inhalt

Bevor es losgeht …

Vorwort

Kapitel 1: Glück

Wie alles begann

Glück für Leute von heute

Wenn das Glück keine Kraft mehr hat

Bassist oder Banker – Vom Glück und vom Sinn des Lebens

Dem Glück auf die Sprünge helfen – Expertentipps für positives Denken

Kapitel 2: Pleonexia

Pleo-was?

Missgunst, Gier und Todsünden

Knopf im Kopf – Wo das Glück entsteht

Von Ratten und Menschen – und Chips

Im Hamsterrad des Glücks

FOMO – Verhungern an der Fülle

Kapitel 3: Marken, Medien, Materialismus

Wünsche, Wirren, Wirtschaftswandel

Genug ist zu wenig

Überholt vom nächsten Modell

Mit Perfektion ins Unglück

XXL-Burger und Binge Watching

Die Kultur des Glücks

Kapitel 4: Nachhaltigkeit

Hungrige Welt, satte Schafe

Die Grenzen der Erde

Den Boden unter den Füßen verlieren

Tiefkühlpizza in der Wüste und Gärtnern auf dem Dach

Nachhaltig lecker – Die Zukunft auf dem Teller

Superfoods – super schädlich

Mit dem SUV zum Biomarkt

Psychologie auf der Überholspur

Flucht aus der dicken Luft

Urlaub für die Umwelt

Ohne Müll ist auch eine Lösung

Womit wir uns rausreden

20 Tipps für mehr Karmapunkte

Kapitel 5: Minimalismus

Mir reicht’s! Die Eleganz der Genügsamkeit

Das einfache Leben

Warum weniger mehr ist

Wo fange ich an?

Weg damit!

Das Minimalismus-Paradoxon

Wie viele Unterhosen darf ich haben? Und muss ich sie wenden?

Digitale Entgiftung

Kapitel 6: Konsumgelassenheit

Konsumgelassenheit? Immer schön gelassen bleiben!

Arbeiten bis zum Umfallen

Drahtseilakt zwischen Absturz und Leben

Chronos, Chaos und der wahre Wohlstand

Schluss mit frustig: Ich kauf nix mehr!

Weniger wollen: Wenn der Weihnachtsmann arbeitslos wird

JOMO – Die Freude, etwas zu verpassen

Achtsamkeit und Dankbarkeit, in Wenigkeit, Amen

Anmerkungen

Bevor es losgeht …

Danke, Ivo und Toni, Petra und Gianni, dass ihr mich während der vielen durchtippten Abende beherbergt, mit Tee, Gemüse und Keksen, mit frischer Motivation und Inspiration gefüttert habt. Danke, Charlotte, dass du dich wie immer tapfer durch mein Textchaos gefräst hast. Und danke, dass ihr so seid, wie ihr seid. Schön, dass es euch gibt.

Herzlichen Dank auch an meine Interviewpartner für die guten Gespräche:

Prof. Dr. Corinna Peifer

Professorin für Psychologie, Ruhr-Universität Bochum

(Kapitel 1 → Dem Glück auf die Sprünge helfen)

Prof. Dr. Alexander Filipović

Professor am Stiftungslehrstuhl für Medienethik, Hochschule für Philosophie München

(Kapitel 3 → Die Kultur des Glücks)

Prof. Dr. Rüdiger Hossiep

Wirtschafts- und Personalpsychologe, Ruhr-Universität Bochum

(Kapitel 4 → Psychologie auf der Überholspur)

Sabine Klein

Expertin für Ernährungsfragen bei der Verbraucherzentrale NRW

(Kapitel 4 → Nachhaltig lecker)

Nunu Kaller

Journalistin, Autorin und Konsumentensprecherin bei Greenpeace Austria

(Kapitel 6 → Schluss mit frustig: Ich kauf nix mehr!)

Vorwort

Ines Maria Eckermann ist mit diesem Buch etwas ganz Besonderes gelungen: Sie schafft es, einen wirklich breiten und interessanten Überblick über die Auswirkungen unseres heutigen Konsums aufzufächern, eine Fülle an Alternativen anzubieten und das Ganze auch noch mit einem immens wichtigen Aspekt zu versehen: Unsere Kultur des Shoppens macht nicht glücklich. Sie macht also nicht nur unsere Umwelt kaputt, sondern auch uns selbst.

Auf diesen Zusammenhang wurde bereits mehrfach hingewiesen, doch noch nie so ausführlich und gut erklärt wie in diesem Buch. Trotz all der Hiobsbotschaften rund um Ressourcenverbrauch und Umweltzerstörung hinterlässt einen dieses Buch motiviert: Eckermann schafft es, eine derartige Auswahl an Alternativen zu unserem heutigen Konsum aufzuzeigen, dass man ganz motiviert gleich starten will. Und darin liegt der große Knackpunkt: Verhaltensweisen umzustellen funktioniert nur, wenn diese Umstellung auch Spaß macht. Etwas, was mir keinen Spaß macht, integriere ich nicht oder nur unter viel höherer Anstrengung und Selbstüberwindung in meinen Alltag.

Ein wichtiges Buch, ein Buch, das von allen, denen sowohl ihr eigenes Glück als auch das ihrer Umwelt am Herzen liegt, gelesen werden sollte.

Nunu Kaller – Bloggerin, Autorin und
Konsumentensprecherin bei Greenpeace AT

Kapitel 1

Glück

Wie alles begann

Alles begann in einer Zeit, in der die Menschen sich jeden Morgen schwungvoll einen unförmigen Stofflappen um den Körper wickelten und Sandalen statt Sneakers trugen. In der ein abenteuerlicher Mix aus Gerstengraupen, geriebenem Ziegenkäse und Wein ein beliebtes Erfrischungsgetränk war und Männer mit Äpfeln nach ihrer Angebeteten warfen, um ihr Interesse zu bekunden. In der das Wort Idiot jemanden beschrieb, der kein Politiker oder Beamter war. Eine Zeit, in der es mit agorazein 1 ein eigenes Wort für das zerstreute Rumhängen auf dem Marktplatz gab, Sport am liebsten nackt betrieben wurde und Menschen andere Menschen einkaufen konnten wie einen Bund Möhren. Sagen wir es so: Es waren andere Zeiten.

Zwischen der pflichtschuldigen Ehrerbietung gegenüber den Göttern und dem nächsten Teller Bohneneintopf blieb in der Antike genügend Zeit für die dringenden Fragen des Lebens: Wer bin ich? Was soll das alles? Wo führt es hin? Und warum hat der Typ dahinten gerade einen Apfel nach mir geworfen? Als Antwort auf diese Fragen entwickelte sich bald ein Beruf, der heute eher als Bezeichnung für einen Langzeitstudenten mit bedenklichem Trinkverhalten dient: Es war die Ära der großen Philosophen. Sie erklärten den Menschen die Welt und versuchten, mit ihnen Antworten auf ihre Fragen zu finden, nach dem Sinn, den fliegenden Äpfeln – und dem Glück.

Das Glück ohne Toga und ohne Feta

In der Antike war das Leben kurz und viele verbrachten es in Sklaverei. Zu Zeiten von Platon und Aristoteles gab es in Athen mehr Sklaven als wahlberechtigte Bürger.2 Auch einige der bis heute gefeierten Philosophen buckelten erst als Sklaven, bevor sie mit ihren Theorien Karriere machten. Sie kannten Unterdrückung und das Gefühl, wie eine Sache behandelt zu werden. Und dennoch gelang es ihnen, das Glück zu finden. Ohne solide Schulbildung, ohne eine herrschaftliche Villa oder prächtige Kleider. Einfach durch die Macht ihrer Gedanken. Wenn Sklaven und Menschen, die ein ausgedientes Weinfass ihr Zuhause nannten, glücklich sein konnten, warum fällt es uns dann heute so schwer?

Nun müssen wir nicht gleich unser Glück mit blindem Aktionismus anlocken, uns Feta in den Merlot bröckeln und mit wehender Toga über den Marktplatz radeln. Wir können uns auch einfach ein paar Ideen von den antiken Philosophen abschauen.

Von wegen Zufall: Die Schicksalsgöttin

Im antiken Götterhimmel gab es für fast alle Aufgaben einen Spezialisten: Demeter sorgte für fruchtbare Felder und reiche Ernte. Dionysos war für den Wein zuständig – mit oder ohne Ziegenkäse. Und Tyche teilte den Menschen ihr Schicksal zu. In der griechischen Mythologie geschah der Zufall ganz und gar nicht zufällig – alles war von Tyche genau so geplant. Als die Römer den griechischen Götterhimmel importierten, tauften sie Tyche in Fortuna um. In ikonografischen Darstellungen tragen die griechische Schicksalsgöttin und ihre römische Zwillingsschwester meist recht elegant ein überquellendes Füllhorn im Arm.3 Denn für die meisten Götter galt das Motto: Nicht kleckern – klotzen. Aber Tyche verschwendete sich nicht blind an die Menschen: Mal beschenkte sie sie reich, manchmal wütete sie sich mit blinder Gewalt durch ein vorher schön sortiertes Leben – ganz nach Gutdünken. Deshalb ist sie auf vielen Bildern mit zwei hübschen Flügeln oder einem Steuerrad ausgestattet, Symbole dafür, dass die Göttin eine echte Diva war, die sich ihre gelegentlichen Launen leisten konnte. Tyche stand für die glückliche Fügung genauso wie für Pech und unvorhergesehenes Elend. Und sie war unberechenbar.

Entweder haben wir Glück oder wir haben Pech – ganz so, wie Tyche es will. Was sie sich für uns ausgedacht hat, können wir nicht ändern. Wir sollen uns das Bein brechen? Schon machen wir einen unbedachten Schritt die Treppe hinunter, und nach einigem Poltern und Schreien erfüllt sich schmerzhaft unser Schicksal. Und wenn Tyche es gut mit uns meint? Dann haben wir die dicksten Kartoffeln und die zufriedenste Ehefrau in der ganzen Stadt. Mal freuen wir uns, mal hinken wir für Wochen. Gegen Tyche kommen wir nicht an. Weil in der Antike mit logischen und wissenschaftlichen Erklärungen für die meisten Veränderungen, Schicksalsschläge und plötzlichen Ereignisse noch nicht allzu viel los war, wurde eben die divenhafte Schicksalsgöttin verantwortlich gemacht.4

Über die Jahrhunderte entwickelte sich aus ihrem Namen der Begriff des Glück-Habens. Ihrem Namen wurde die Vorsilbe eu - vorangestellt. Diese Vorsilbe nutzen wir noch heute: Sie macht aus Stress den guten, motivierenden Eustress, aus dem Euphemismus das Schönfärben eines sonst eher unschönen Sachverhalts, und in dem Wort Euphorie schwingt die gute Laune mit. Aus der Tyche macht das eu- das gute Schicksal, das Glück-Haben.5 Auch heute noch glauben manche an eine höhere Schicksalsmacht. Mit Glücksbringern und Talismanen versuchen sie, den Zufall zu bezirzen – gerade so, als würde sich eine Diva tatsächlich für ausgediente Hufeisen interessieren.

Geld oder Leben: Der Kynismus

Er schlief mal hier, mal da, meist unter freiem Himmel. Bei Regen suchte er unter dem Dach der öffentlichen Säulenhalle Unterschlupf. Oder in einem ausgedienten Weinfass.6 Er soll nicht mehr als einen einfachen Wollmantel, einen Rucksack mit etwas Brot und Wein und ein paar kümmerlichen Habseligkeiten sein Eigen genannt haben.7 Gegen Diogenes wirken heutige digitale Nomaden, die nur mit einem Rucksack und einem Laptop um die Welt reisen, wie im materiellen Luxus schwelgende Krösusse. Freiwillig lebte er in Armut – und rühmte sich damit in der Öffentlichkeit. Wenn man so will, war er der erste Minimalismus-Blogger: Er sprach gern darüber, was er nicht hatte, erklärte, warum er es nicht hatte, und wollte dadurch andere zu einem sparsamen Leben ermuntern.

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„Als er einen Knaben aus den Händen trinken sah, warf er die Schale aus seinem Quersack heraus und sagte: Das Kind hat mich durch Genügsamkeit besiegt“, schrieb der Philosophiehistoriker Diogenes Laertius im dritten Jahrhundert über seinen Namensvetter.8 Für den nachnamenlosen Diogenes war zu viel zu besitzen ein Zeichen für einen miesen Charakter. Auch was Anstand und die gesellschaftlichen Gepflogenheiten anging, zeigte er sich sparsam. So soll er seinem Sexualtrieb freiesten Lauf gelassen und sich selbst Erleichterung verschafft haben, wann und wo ihm danach war, auch mitten auf dem Marktplatz.9 Normen und Zwänge mochte er gar nicht. So wurde der gesellschaftliche Tabubruch das Hobby des antiken Minimalisten.10 Seine widerspenstige Art, seine gelegentlich polemischen, oft taktlosen und immer schnörkellosen Reden brachten ihm bald den Spitznamen kynikos, der Hundeartige, ein.11 Daher rührt auch der Name seiner Philosophie: Kynismus.

Was ihn für viele zu einer nervtötend kläffenden Töle machte, war seine Hetze gegen das Filetstück der hellenistischen Seele: gegen das Hochhalten des Geldes, des Reichtums, der Ehre.12 Mit glühender Leidenschaft widersprach Diogenes dem sonst üppigen, auf Überfluss ausgelegten Lebensstil seiner Zeitgenossen. Das Lebensglück vom Geld zu entkoppeln ist im Land der Sklaven ein unschlagbares Verkaufsargument für seine Philosophie. Diogenes und seine Mitstreiter lieferten eine kostenfreie Alternative zum Streben nach schnödem Mammon, nach Macht und Ruhm. Da er und seine philosophischen Mitstreiter sehr reiselustig waren, breitete sich ihr Ideal der Genügsamkeit schnell aus. So sorgten sie für einen niedrigschwelligen Zugang zur Philosophie und regten die Massen an, sich mit dem guten Leben und dem Glück zu beschäftigen.13

Die Kyniker erinnerten an heutige Kabarettisten, denn sie spickten ihre Lehren oft mit derben Witzen, einer gehörigen Portion Polemik und plastischen Beispielen aus dem Alltag.14 Während die zur selben Zeit durch das Land ziehenden Sophisten aus heutiger Sicht ein kleines Kunststück vollbrachten und sich für das Philosophieren bezahlen ließen, nahmen die kynischen Wanderprediger kein Geld für ihre Lehren. Auch Dank ernteten eher selten, da sie ihre Unterweisungen oft auch ungefragt unter die Leute brachten. Aber wer Genügsamkeit predigt, braucht auch kein Gehalt.

Bei Diogenes ging dies weit über die materiellen Dinge hinaus. Auch das Ansehen und der Respekt vor den Mächtigen waren ihm zuwider. Als Alexander der Große die Stadt besuchte, wollte er sich etwas Bewunderung bei dem berühmten Philosophen abholen. Als er Diogenes entdeckte, der müßig auf dem Marktplatz den Tag verbrachte, versprach er ihm großzügig: „Bitte mich, um was du nur willst.“ Doch Diogenes interessierte sich weder für Geschenke noch für die Gunst der makedonischen Berühmtheit. Und so erwiderte er schlicht: „Ja dann, geh mir doch aus der Sonne!“15

Diogenes lehnte alles ab, was sein Glück ins Wanken bringen konnte: die launische Tyche; Geld, das mal da ist, mal fehlt – und fast immer ungerecht verteilt ist; auch Lust und Genuss, die sogar für die Armen erreichbar waren, hatten für ihn nicht viel mit Glück zu tun. Stattdessen mahnte er zu Gelassenheit, manchmal sogar zur Wut gegenüber den Dingen, der Lust und gegenüber allen äußeren Einflüssen. Diogenes und die Kyniker machten sich ihr Glück einfach selbst, ohne auf das Schicksal, die Götter oder das große Geld zu warten. Da er die Menschen kannte, zeigte Diogenes sich allerdings geduldig mit seinen zeitgenössischen Gewohnheitstieren: Er glaubte nicht daran, dass Genügsamkeit ein angeborener Charakterzug sei. Wir müssten sie erst verstehen und üben, so, wie wir ein Instrument spielen lernen. „Überhaupt geschehe im ganzen Leben nichts ohne ordentliche Übung; diese sei imstande, alles zu besiegen“, soll er gesagt haben.16 Als Belohnung für das regelmäßige Üben versprach Diogenes nichts weniger als das Glück: „Die Menschen müssten also notwendig glücklich leben, wenn sie statt unnützer Beschäftigungen der Natur gemäße wählten. Nur ihre Unverständigkeit macht sie unglücklich.“17 Für ihn war Glück Kopfsache.

Mehr Spaß: Der Hedonismus

Grimmige Menschen und betont lustresistente Populisten beschreiben uns heute gern als Spaßgesellschaft. Dabei haben wir den Spaß gar nicht erfunden. Die Menschen in der Antike wussten, wie man es richtig krachen lässt. Bis heute sind sie für ihre wilden Partys bekannt. Bis heute wird ein ausgewachsenes Fressgelage als Gruß an den römischen Feldherrn und großzügigen Gastgeber Lucius Licinius Lucullus, als lukullisch bezeichnet. Und wer zu fein ist, das Wort „Spaßgesellschaft“ zu bemühen, wirft der Jugend vor, dem Hedonismus anheimgefallen zu sein – einer Philosophie, die bereits in der Antike verbreitet war. Das Vergnügen, die hedone, gibt dem Hedonismus seinen Namen. Für die Hedonisten liegt der Sinn des Lebens darin, Spaß zu haben und Leid zu vermeiden. Was wir riechen, schmecken, sehen, fühlen ist entscheidend für unser Glück. Was unser Verstand unterdessen macht, ist vergleichsweise bedeutungslos, wichtig ist nur, dass er nicht dazwischenfunkt, wenn wir einen draufmachen. Vereinfacht ausgedrückt orientiert sich der Hedonismus an folgenden fünf Grundüberzeugungen:

1) Nur unsere Gefühle sind wahr

Aristipp, einer der bekanntesten Hedonisten der Antike, war skeptisch. Grundsätzlich, gegenüber allem. Das einzig Sichere für ihn waren Wahrnehmungen und Empfindungen.18 Alles andere galt ihm als Einbildung. Oder war zumindest unwichtig.

2) Es gibt zwei Arten von Gefühlen

Nämlich gute und schlechte. Beide Gefühlskategorien sind Bewegungen der Seele: Während Schmerz und emotionales Leid unsere Seele heftig, ruppig, fast brutal bewegen, sorgen Freude und Genuss für sanfte, ruhige Bewegung. Sacht wiegen wir unsere Seele im Schwelgen. Zwischen Extremen gibt es einen Bereich der Ruhe, in dem die Seele stillsteht. Er liegt irgendwo zwischen Leid und Lust.19

3) Lust ist besser als Frust

Alle Wesen, ob Mensch oder Tier, streben nach guten und meiden schlechte Empfindungen. Da Lust und Spaß am weitesten vom Schmerz entfernt sind, ermutigt der Hedonismus seine Anhänger dazu, das Vergnügen zum höchsten Gut in ihrem Leben zu erklären.20 Alles andere, was wir sonst noch so vom Leben wollen, ist bloß Mittel zum Zweck: Freunde, Reichtum oder Klugheit sind alle nur Werkzeuge, um mit ihnen Spaß zu haben.21 Wie wir am besten nach Lust suchen, dazu haben die Hedonisten allerdings wenig gesagt. Sie nahmen an, dass jeder selbst am besten weiß, was ihm Spaß macht.22 Klar war: Wer immer nur Maß hält, der verpasst was.

4) Die Intensität ist egal

Schmerz und Vergnügen sind absolut. Entweder tut etwas weh oder es tut nicht weh. Wir können nicht gleichzeitig Spaß haben und keinen Spaß haben. Es gilt: entweder – oder, ja oder nein. Die Hedonisten unterscheiden also nicht zwischen verschiedenen Qualitäten von Gefühlen. Nur wie häufig beides, gute Gefühle und schlechte, auftauchen, lässt sich sicher bestimmen.23

5) Gefühle sind vergänglich

Für Aristipp lag das Glück darin, dass unsere Seele nur sanfte Bewegungen erlebt.24 Dass sie irgendwann völlige Ruhe erreichen könne, hielt er für unrealistisch. Dafür wuseln zu oft wild gewordene Gefühle, Leidenschaften, Triebe und trübe Gedanken durch unseren Geist. Gleichzeitig glaubte er auch, dass „die Bewegung der Seele mit der Zeit“ nachlässt.25 Dass er damit richtig lag, sehen wir heute auch an Hirnscans: Selbst wenn jemand Heroin nimmt, ist er nicht für immer auf dem Trip. Früher oder später lässt auch das stärkste Gefühl nach. Wir müssen also nicht alle Gefühle ersticken, um glücklich zu sein. Wir müssen nicht wahllos Glücksmomente sammeln und immer Neues, immer mehr erleben und genießen.

In Sachen Lust waren die Hedonisten nicht wählerisch. Hauptsache, es ging schnell und war leicht verdaulich. Wie emotionales Fast Food. Maximales Vergnügen bei minimalem Einsatz. Aristipp bezeichnet diejenigen als glücklich, die nicht viel brauchen und sich über kleine Dinge freuen, die leicht zu erreichen sind.26 Und sicher zog Aristipp auch Freude aus seiner heißblütigen Kabbelei mit Diogenes, mit dem er eine offen ausgetragene Hassliebe pflegte.27 Die sonst so eloquenten Philosophen hauten sich gepfefferte Worte um die Ohren, als hätten sie den Grundstein für die Talkshowkultur der 1990er-Jahre legen wollen. Ganz wie die beiden Philosophen passten auch deren Lehren nicht so recht zusammen. Die Kyrenaiker, wie die Chef-Hedonisten der Antike auch genannt wurden, trugen zwar einen ähnlichen Namen wie Diogenes’ Kyniker. Dennoch hatten ihre Glückstheorien auf den ersten Blick kaum etwas gemeinsam: Bei Aristipp ging das Glück durch den Magen, während es bei Diogenes erst durch den Kopf musste.

Doch wenn es um Macht, Geld und edles Essen ging, konnten sich die Streithähne durchaus einigen. Wie Diogenes hatte auch Aristipp Vorbehalte gegen den maßlosen Konsum, dem ihre Mitmenschen nur zu gern frönten. Als jemand Aristipp vorwarf, die Philosophen gingen fast nur bei den Reichen ein und aus, gab er zurück, die Ärzte würden ja auch zu den Kranken gehen – und doch wolle niemand eher Kranker als Arzt sein. Aristipp wollte lieber Unwissenheit heilen als reich sein.28 Er wollte sich nicht von seinen wohlhabenden Geldgebern abhängig machen, denn Abhängigkeit, da war er sich sicher, bedeutet Leid, und Leid ist schlecht. Wer sich geistig freistrampelt, muss sich nicht für Geld abrackern.29 Lust gibt es auch für geringen Einsatz. Deshalb war für ihn die Selbstgenügsamkeit einer der höchsten Werte in seiner Ethik: Sie befreit den Menschen und führt ihn zur Herrschaft über sich selbst.30 Ein Hedonist ist niemandes Sklave. Auch nicht des Geldes.31

Sich allzu viele Gedanken über die Zukunft zu machen, fand Aristipp überflüssig. Wichtiger schien es ihm, die Sinne zu schulen, um noch mehr Spaß zu haben.32 Für die Kyrenaiker war Glück ein Gefühl – und zwar ein ziemlich gutes. Heute würden sie damit sicher gut ankommen, in der Antike standen sie mit ihrer Theorie dagegen recht allein da.33 Sie brauchten weder Tugenden noch viel Geld oder Ehre, um glücklich zu werden – sie waren es einfach. Ein paar aus der Luft gefischte Äpfel und zwei, drei Becher Ziegenkäsewein reichten schon.

Strategisch genießen: Der Epikureismus

Wenn wir heute das Wort Hedonismus hören, denken wir an dicke Männer, die in wallenden Roben auf riesigen Sofas lümmeln und sich von einer schönen Dienerin Trauben direkt in den Mund baumeln lassen. Wir denken an Völlerei, bis die guten Speisen wieder denselben Weg hinaus nehmen, auf dem sie zuvor hinuntergestopft wurden. Heimlich denken wir vielleicht auch an wilde Orgien und zügellose Gelage. Und sicher haben manche Menschen es – heute wie damals – genau so gemacht. Doch die Grundidee des Hedonismus hat mit sinnloser Gier nach Lust und Genuss wenig zu tun. Zumindest nicht bei Epikur. Oft wird er auch zu den Hedonisten gezählt. Doch so richtig mag er nicht zu ihnen passen. Denn bei ihm muss der Bauch nicht erst kurz vorm Bersten stehen, bevor er den Teller wegschiebt.

Epikur folgte den Kyrenaikern in ihrer Idee, dass Spaß gut und Leid schlecht sei. Auch heute noch scheinen die meisten von uns damit einverstanden zu sein. Doch während es für wahre Hedonisten nichts Größeres als die fühlbare Lust gibt, war Epikur etwas filigraner unterwegs. Für ihn war Lust weniger der Schwips aus dem Weinkrug als vielmehr die Lebenslust. Lust war für ihn größer, tiefer und länger als die spontan aufploppende und mindestens genauso schnell wieder verebbende Lust der Hedonisten. Für ihn gehörte auch etwas zur Lust, das er Ataraxia nannte: die ruhige Gelassenheit der Seele. Sie stellt sich ein, wenn wir die wichtigen Fragen des Lebens für uns geklärt haben, die nach dem Sinn, den fliegenden Äpfeln – und dem Glück.

Für Epikur gab es einen entscheidenden Unterschied zwischen der schnell verfliegenden Lust der Hedonisten und der Lust als doch eher dauerhafter Zustand. Diesen Zustand beschrieb Epikur als waches Dasein, also etwas, das wir heute vielleicht als Achtsamkeit bezeichnen würden. Er verstand darunter das völlige Aufgehen im Moment. Im Gegensatz zu Aristipps emotionalem Fast Food gönnte sich Epikur ein mentales Fünf-Gänge-Menü: gewissenhaft geplant, kunstvoll gefertigt und so köstlich, dass man auch Wochen später noch davon sprechen wird. Das ist zwar nicht so leicht zu erreichen wie das schnell verschlingbare Glückshäppchen – aber es hält länger an.34

„Denn nicht Trinkgelage und ununterbrochenes Schwärmen und nicht Genuß von Knaben und Frauen und von Fischen und allem anderen, was ein reich besetzter Tisch bietet, erzeugt das lustvolle Leben“, erklärt Epikur. Viel lustvoller sei es, unseren Geist zu erforschen und zu schauen, warum wir wollen, was wir wollen. Dadurch könnten wir schlechte Gedanken und Illusionen vertreiben, die Leid in unserer Seele verursachen.35 Deshalb riet er zu einem strategischen Genuss: Das erste Glas Wein sorgt für gute Stimmung. Das würde sich Epikur noch mit Schwung einschenken. Beim vierten und fünften Becher würde er sich allerdings durch seinen Schwips zu seinem Verstand durchwühlen wollen. Denn Epikur bezieht gute und schlechte Gefühle aufeinander, als sei es eine Rechenaufgabe:36 Für den leichten Rausch und den guten Geschmack von Glas eins gibt es fünf Pluspunkte, für die Freude an Becher zwei gibt es noch zwei Punkte. Becher drei bis fünf aber sorgen für genauso viel Spaß wie peinliches Rumgelalle, mit dem uns die Freunde noch einige Tage aufziehen werden. Also null Punkte dafür. Der Abend war lustig und hat uns sieben Pluspunkte eingebracht. Doch wenn wir am nächsten Morgen die Augen aufschlagen hämmert uns der Kater gegen die Augenhöhlen. Zehn Minuspunkte dafür. Und unversehens ist das Saufgelage gar nichts Gutes mehr, sondern der direkte Weg zum Leid – auch wenn es sich erst später durch unser Hirn zu bohren versucht.

Epikur war ein alter Stratege. Sein Glück war deutlich komplexer als der lustorientierte Hedonismus. So glaubte er auch, dass es nicht möglich sei, „lustvoll zu leben, ohne dass man vernunftmäßig, schön und gerecht lebt, noch vernunftgemäß, schön und gerecht ohne lustvoll zu leben.“37 Immer nur brav zu sein, mache keinen Spaß.38 Aber nur stumpfsinnig nach Spaß zu gieren, mache auch nicht glücklich. Spaß gilt ihm als der Lohn fürs Denken. Hierin unterscheidet sich Epikur von den selbst ernannten Hedonisten, die sich auf dem Oktoberfest oder am Ballermann nur so tummeln – im passenden Outfit und mit den entsprechenden Promillewerten im Blut. Statt nach besinnungsloser Lust suchte Epikur nach heiterer Gelassenheit, der Ataraxia. 39 Sie war für ihn das größte Glück im Leben.

Das Ziel der Ziele: Der Eudämonismus

Während wir uns unter Hedonismus noch ganz gut etwas vorstellen können, stehen die meisten von uns bei der Eudaimonia ganz schön auf dem Schlauch. Bis heute ist es den Sprachwissenschaftlern nicht gelungen, sich eine passende Übersetzung auszudenken. Manche versuchen es mit Glückseligkeit, andere mit Glück, und der Rest nimmt einfach das altgriechische Wort und fühlt sich damit sehr gebildet. Was bedeutet es also? Wörtlich übersetzt meint es, von einem guten (eu-) Geist (daimon) beseelt zu sein.40 Dieser Geist ist jedoch kein flüchtiger Bekannter, der dann und wann zu einer Stippvisite vorbeischaut – er ist Dauergast. Anders als die hedonistische Lust bleibt die Eudaimonia im Idealfall ein ganzes Leben lang bei uns. Sie ist nichts anderes als ein gelungenes Leben.41

Einer der Hauptverfechter dieser Idee war ein Philosoph namens Aristoteles. Er wirkte einige Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung. Seinem Denken lag die Idee zugrunde, dass fast alles, was wir tun, einem übergeordneten Ziel folgt. Wir gehen arbeiten, um Geld zu verdienen. Wir bauen ein Haus, um darin zu wohnen. Oder wir werfen mit Äpfeln nach Frauen, damit sie wissen, dass wir sie mögen. Das allerletzte, oberste Ziel, das hinter allem steht, ist die Eudaimonia. Damit macht Aristoteles das Glück zum Sinn des Lebens. Alles, was wir tun, machen wir, um glücklich zu werden.

Mit dem Glück der Hedonisten hat das kaum noch etwas zu tun. Während es Lust fast zu Nulltarif gibt, setzt Aristoteles seiner Eudaimonia einiges voraus: Wir müssen aus gutem Hause kommen, viele Kinder und Enkel haben, gute Freundschaften pflegen, schön, reich und gesund sein – und ein Mann sein.42 Und das ist nur ein Teil der Liste. Manchmal mag es uns noch heute so vorkommen, als wollten uns die Medien ein ähnliches Glück verkaufen, eines, das nur den Schönen und Gesunden, nur den reichen weißen Männern zugänglich ist. Doch so elitär Aristoteles auch klingen mag, er hat sich dabei etwas gedacht: Wer sich den ganzen Tag abrackern muss, um Geld zu verdienen, wem ständig etwas weh tut oder wer sich immer wieder um seine verzogenen Gören kümmern muss, findet keine Ruhe. Um die Eudaimonia zu entwickeln, müssen wir Zeit zum Nachdenken finden: über unsere Ziele, unser Verhalten und unseren Gefühlshaushalt. Dafür ist eine ganze Reihe von Tugenden nötig. Wir sollen tapfer, fromm, besonnen und vernünftig sein. Tugenden helfen uns dabei, uns gut zu verhalten und mit unseren Gefühlen klarzukommen, die sich immer wieder in unser Bewusstsein drängen.

Ein Mensch, der alle Tugenden gesammelt hat, der hat nur angenehme Erinnerungen, weil er sich nicht über seine vergangenen Handlungen ärgern muss. Weil er immer besonnen bleibt, muss er nie Strafe dafür zahlen, einen Polizisten beleidigt zu haben. Seine Tapferkeit hält ihn genauso von unnötigen Risiken ab wie vom ängstlichen Rumsitzen. Weil er weiß, was er kann und dass er mit fast allen Widrigkeiten des Lebens zurechtkommt, kann er sich auch auf eine angenehme Zukunft freuen.43 Die Tugenden helfen uns dabei, uns nicht von schlechten Gefühlen überrollen zu lassen. Und als kleines Extra bekommen wir zu jedem tugendhaften Verhalten etwas Freude gratis dazu. So können wir ein gutes Leben leben.

Immer mit der Ruhe: Die Stoa

Ihren Namen verdanken die Stoiker der Säulenhalle auf der Agora in Athen, der Stoa, durch die sie beim Philosophieren liefen. Zu ihnen gehörten Menschen aus allen Schichten, vom mittellosen Sklaven bis zum reichen Bürger. Sogar Frauen, die in der Philosophiegeschichte von ihren männlichen Kollegen sonst eher weit in den Hintergrund gedrängt wurden, waren in der Stoa willkommen. Gemeinsam entwickelten sie eine Philosophie, die sich bald von Griechenland über ganz Europa ausbreitete. Sie standen für Ruhe und Gelassenheit und für ein gutes Leben, das allen offenstand. So war der Stoiker Epiktet der Sohn einer Sklavin und diente lange selbst als Leibeigener. Er hatte eine Behinderung, blieb kinderlos und war bis zu seinem Tod bettelarm, obwohl er es als Philosoph zu einigem Ruhm gebracht hatte.44 Dennoch galt er bei seinen Zeitgenossen als auffallend ausgeglichener und glücklicher Mensch.45

Für ihr Glück brauchten die Stoiker weder die Lust der Kyrenaiker noch die edle Abstammung, die Gesundheit oder den Reichtum, den Aristoteles für seine Eudaimonia voraussetzte. Für sie war Glück eine Frage der Einstellung und der harten Arbeit am eigenen Geist. Die Stoiker hatten erkannt, dass unsere Gefühle uns durchgehend stressen: Wir machen uns Sorgen um die Schulnoten der Kinder, ärgern uns über die überzogene Rechnung des Klempners oder haben Angst vor dem Zahnarzttermin nächste Woche – alles Gedanken, die uns nicht guttun. Und sie helfen uns auch nicht weiter. Es ist wie in einem Lied, das mir seit meiner Kindheit im Kopf herumschwirrt: „In jedem Leben gibt es Probleme. Wenn du dir darüber Sorgen machst, verdoppelst du sie. Also mach dir keine Sorgen. Sei glücklich“, rät Bobby McFerrin in seinem Reggae-Klassiker „Don’t worry, be happy“.46 Leichter gesagt als getan, denn wir sind es gewohnt, uns ständig um alles Mögliche Sorgen zu machen. Aber McFerrin hat recht: Es ändert nichts am Problem, wenn wir uns damit stressen. Im Gegenteil: Wenn wir uns nicht von schlechten Gefühlen überrollen lassen, können wir besser denken und womöglich eine gute Lösung finden.

Deshalb liegt das Glück für die Stoiker im ruhigen Gleichmut der Seele: in der Apatheia. Im Unterschied zu dem, was wir heute unter Apathie verstehen, ging es den Stoikern nicht darum, dass wir nur noch teilnahmslos vor uns hinvegetieren sollen. Glück war für sie das, was wir heute noch als stoische Ruhe bezeichnen. Wenn jemand eine solche Ruhe ausstrahlt, dann können seine Kinder kreischend auf ihm herumkrabbeln, ihn in den runden Bauch piken und ihm mit Lippenstift Herzchen auf die Tapete malen. Es stört ihn alles nicht. Er bleibt gelassen – und freut sich weiter seines Lebens. Denn Apatheia ist kein Abstumpfen, es ist ein intensives Leben. Jeden Tag. Ein Stoiker nimmt jeden Moment wahr, als sei es der letzte, in all seiner Fülle. Denn er ist das Wichtigste, was wir haben. So schrieb der Stoiker Seneca: „Niemand darf mir da einen Tag rauben; es kann mir ja doch niemand etwas geben, was solchen Verlust ausgliche.“47 Einen kompletten Lebenstag mit Autofahren, Arbeiten und Fernsehen zu verbringen wäre für ihn keine Option gewesen. Ein Tag, an dem wir uns nicht frei gefühlt haben, an dem wir nur wie eine Marionette von A nach B gewabert sind, ist ein verlorener Tag – und den gibt uns niemand mehr zurück. Kein Gehalt der Welt kann einen verlorenen Lebenstag ausgleichen. Statt auf unsere Aufgaben, unsere To-do-Listen und unsere Ängste sollten wir uns lieber auf uns selbst konzentrieren, auf das, was wirklich in uns vorgeht: „In sich selbst soll mein Geist sich versenken, sich selbst soll er bilden, nichts Fremdes treibe er, nichts, was vor den Richter gehört; willkommen sei mir die Ruhe, die von Staats- und Privatangelegenheiten nichts wissen will.“48 Innere Ruhe ist für ihn das höchste Ziel im Leben.

Um die Seelenruhe zu erlangen, sortieren Stoiker die Welt systematisch. Dafür haben sie zwei verschiedene Ordnungssysteme. Mit dem ersten schauen sie, womit sie es überhaupt zu tun haben:

1) Können wir ändern.

2) Liegt nicht in unserer Macht.

Im zweiten Schritt geht es darum zu erkennen, welchen Wert die Dinge haben:

1) gut

2) schlecht

3) egal

Diese Label funktionieren für alles, was uns begegnet: Menschen, äußere Umstände, Gedanken, Gefühle. Wenn wir erkennen, woran wir wirklich etwas ändern können und was wir einfach akzeptieren müssen, lebt es sich leichter. „Und wenn es den nicht in unserer Gewalt stehenden angehört, so halte dir sogleich vor Augen: ‚Es geht mich nichts an‘“, riet Epiktet.49 Wir müssen uns nicht mehr mental daran abarbeiten, dass wir keine Lust haben, eine Steuererklärung zu machen. Wir sehen es einfach als gegeben an, als eine einfache Tatsache wie die, dass wir durch Kuchenessen nicht abnehmen. Wenn wir nicht vorhaben, deswegen eine Revolution anzuzetteln, müssen wir es einfach hinnehmen und dürfen uns nicht weiter darüber aufregen. Verinnerlichen wir dies, „so wird dich niemand jemals zwingen, niemand hindern, du wirst mit niemand unzufrieden sein, wirst nichts gegen deinen Willen tun, es wird niemand dir schaden, du wirst keinen Feind haben: es wird dich gar nichts Schädliches treffen“,50 fasste Epiktet zusammen. Zu einer solchen Überzeugung kann der Mensch sich einfach entschließen. Wer ab und zu versucht, sein Leben mit etwas Abstand zu betrachten, kann sich einen Überblick darüber verschaffen, was er ändern kann und was nicht.

Haben wir diesen ersten Schritt in der Beurteilung getan, schauen wir, ob es gut, schlecht oder neutral ist. Gut ist alles, was vernünftig ist, wie Gerechtigkeit, Tapferkeit oder Besonnenheit.51 Schlecht ist alles, was uns oder andere stört, wie Uneinsichtigkeit, Gier oder Ungerechtigkeit. Und dann gibt es da noch die neutralen Dinge, die Adiaphora. Zu ihnen gehört das, was uns weder nützt noch schadet, wie Schönheit und Hässlichkeit, Stärke und Schwäche, Armut und Reichtum sowie Lust und Unlust.52 Sie alle können zwar manchmal ganz praktisch sein, aber selten machen sie wirklich einen Unterschied. Der Muskelprotz kann vielleicht ein Gurkenglas besonders gut aufschrauben. Ob er es allerdings ebenso leicht schafft, mit seinen groben Kraftsportlerhänden einen Faden in das Nadelöhr zu fädeln, ist fraglich. Deshalb sind manche Eigenschaften weder gut noch schlecht – sondern einfach nur egal. Dasselbe gilt für den Reichtum. Zwar kann Wohlstand einerseits ein angenehmes Leben ermöglichen, andererseits jedoch auch Neid, Missgunst und die Angst vor dessen Verlust schüren. Chrysipp definiert die Adiaphora deshalb als Dinge, die irgendwo zwischen gut und schlecht liegen oder beides sind, Dinge, die weder zu unserem Glück noch zu unserem Unglück beitragen und weder gute noch schlechte Gefühle auslösen.53 Das Glück der Stoiker besteht darin, nur Ziele zu haben, die uns glücklich machen. Alles, was schlecht oder egal ist, können wir einfach sein lassen. Das ist nicht nur sehr bequem – sondern auch vernünftig.

Beim Bohneneintopf allzu oft nachzuschöpfen, war für die Stoiker daher keine Option. Bauchschmerzen machen aus einer guten Mahlzeit einen quälenden Klumpen im Magen. Also halten wir lieber Maß. Auch anderen schlechten Gefühlen und Gedanken kann die stoische Sichtweise vorbeugen. Wenn wir versuchen, mehr Verständnis und Nachsicht mit unseren Mitmenschen zu üben, müssen wir uns nicht mehr über sie ärgern oder wütend auf sie sein. Wir müssen ihre Beleidigungen nicht auf uns beziehen. Wie andere denken, was sie sagen oder tun, liegt nicht in unserer Macht. So bestand für die Stoiker das glückliche Leben in einem beruhigten Geist, der sich über nichts und niemanden ärgern muss.

Egal welche dieser Theorien uns am nächsten liegt, wenn wir glücklich sein möchten, müssen wir uns mindestens einmal in unserem Leben mit den großen Fragen beschäftigen: Wo komme ich her? Wo führt das hin? Und brauche ich für mein Glück wirklich Wein mit Ziegenkäsebröckchen?

Glück für Leute von heute

Je älter wir werden, desto schneller scheint die Zeit zu vergehen.54 Kaum haben wir uns umgesehen, sind wir achtzehn, dürfen Auto fahren und allein eine Wohnung mieten. Nur ein paar Mal schlafen, schon haben wir einen neuen Job. Ein paar durchtanzte Nächte, ein paar Vormittage an Gräbern und einige Nächte in inniger Zweisamkeit – und schon sind wir dreißig, vierzig, fünfzig … Unser Leben scheint nicht erst an seinem Ende an uns vorbeizurasen. Nur allzu leicht lassen wir uns mitreißen von dem fieberhaften Strom der Ereignisse. Wir schöpfen aus dem Vollen, nehmen alles mit: die Höhen, die Tiefen, die Durststrecken. Und in all dem Gewusel begegnen sie uns allen irgendwann: der Stress, das Ausgebranntsein, das Weitermachen ohne weitermachen zu wollen. Es gibt Abende, da wollen wir einfach nur auf die Couch mit einem Glas Rotwein. Oder sinken irgendwo zwischen entspannt und ausgelaugt auf die Yogamatte in Shavasana zusammen, als stellten wir uns tot. Der wahre Luxus unserer Zeit scheint, etwas Ruhe und Frieden zu finden. Einfach mal mit uns und unserer Welt im Reinen zu sein. Und vielleicht sogar glücklich. Denn wenn wir für einen Moment den Kopf aus dem Alltagsrauschen ziehen, drängen sich die Fragen auf: Wie wollen wir unsere Zeit am liebsten verbringen? Wie sieht ein gutes Leben aus? Und wo ist es zu finden? Auf der Yogamatte? Auf dem Boden der Weinflasche? Oder auf dem Fahrersitz eines Porsches?

In der Antike halfen die Philosophen ihren Zeitgenossen bei diesen Fragen auf die Sprünge. Sie waren Welterklärer, Psychologen und Seelsorger in einem und zeigten den Menschen, wie sie ein gutes Leben führen können. Sie wussten zwar nicht, wie sich ein Porsche bei 180 Sachen auf der Autobahn anfühlt. Trotzdem konnten sie ihren Mitmenschen Hinweise geben, wie ein glückliches Leben aussehen könnte. Auch wenn sich die Welt seither sehr verändert hat, wir Jeans statt Toga tragen und sich unsere Welt mit aberwitziger Geschwindigkeit immer neu zu erfinden scheint, ist unsere Sehnsucht nach dem Glück noch genauso stark. Manch einer hatte Glück, andere hoffen noch auf ein Happy End und manche von uns bleiben für immer Suchende.

Die Anarchie der Begriffe

Irgendwann haben wir uns alle auf die Suche gemacht. Doch so richtig weiß kaum jemand, wohin die Reise geht. Da kann es passieren, dass zwei Menschen miteinander über Glück reden – und beide etwas völlig anderes meinen. Längst haben die Medienmacher und Marketingstrategen bemerkt, dass sie mit dem Label „Glück“ einen Nerv treffen. Ob Selbsthilferatgeber, Duftkerze oder Reisedokumentation: Wenn Glück draufsteht, verkauft es sich, dass die Kassen nur so piepen. Der in Deutschland marktführende Online-Händler führt allein über 30.000 Bücher zum Thema Glück. Insgesamt hat er über 200.000 Artikel im Sortiment, die etwas mit Glück zu tun haben. Ein Ratgeber und ein Schweinchen-Schlüsselanhänger versprechen beide mehr Glück. Meist haben das Schweinchenglück und das Ratgeberglück allerdings nur sehr wenig gemein. Es ist so, als würden eine Pommesbude und ein Sternerestaurant beide mit dem Slogan „Hier gibt es etwas zu essen“ werben. Nahrung servieren beide, doch der eine macht solide satt, der andere steht für luxuriöse Leckereien. Essen ist nicht gleich Essen und Glück nicht gleich Glück. So verschieden wie Kroketten und Erdapfel-Espuma sind auch manche Glücksbegriffe. Wir alle haben unsere eigene Definition von Glück – und doch ähneln sich viele Ideen in ihren Grundzügen.

Glück ist der überlebte Fallschirmsprung

Wenn ein Fallschirmsprungfrischling nach dem ersten Sprung sagt: „Ich war so glücklich, als ich wieder auf dem Boden gelandet bin“, meint er den Kick. Das Glück des frischgebackenen Fallschirmspringers besteht aus einem Cocktail aus Hormonen, die sein Gehirn mit Euphorie überschwemmen. Es ist die Freude seines Körpers darüber, dass er trotz des Sturzes aus mehreren Kilometern Höhe auf magische Weise überlebt hat und der Stress endlich vorbei ist.55 Einen ähnlichen Kick erleben wir meist, wenn wir an unsere Grenzen gehen: mit Sport, Sex, Drogen, Geschwindigkeit. Immer wieder tauchen im Internet Fotos und Videos von jungen Menschen auf, die ohne jede Sicherung auf die Spitzen der höchsten Gebäude klettern und dort ein Foto von sich und der atemberaubenden Kulisse machen. Sie suchen das Glück an der Grenze zum Absturz. Der Kick und der Fall liegen bei diesem Sport leider oft nah beieinander. Denn wer nur jenseits der Sicherheit glücklich sein kann, bleibt es oft nicht lange.

Glück ist Zufall

„Zuerst hatten wir kein Glück und dann kam auch noch Pech dazu“, sagte der Fußballspieler Jürgen Wegmann nach einem verpatzten Spiel. Darüber schmunzeln die Fußballfans bis heute. Denn was Wegmann da gesagt hat, ist, wie fachkundige Grundschüler sagen würden, doppelt gemoppelt: Pech ist das Gegenteil von Glück. Aber nicht von irgendeinem Glück, sondern vom Zufallsglück. Der glückliche Zufall lässt sich von nichts und niemandem beeinflussen. Wenn wir einen 50-Euro-Schein auf der Straße finden oder als millionster Kunde in unserem Stammsupermarkt mit Konfetti und Geschenken überschüttet werden, dann passiert all das zufällig. Es ist genau wie beim Pech: Wir können nichts dafür. Es passiert uns einfach – und es ist gut.

Glück ist das Happy End

Einige Fußballfans tragen bei jedem Spiel ihrer Mannschaft dieselben Socken – weil es Glück bringt. Der Gott des Fußballs soll durch die immer würziger riechende Wolle bestochen werden, dass er den Ball in die richtige Richtung rollen lässt. Und die Eins in der Mathearbeit? Die gab es dafür, dass Finn sich ein kleines Glücksschweinchen auf den Tisch neben seine Klausurbögen gestellt hat. Das Glück belohnt uns dafür, dass wir es mit einem Talisman, mit Hufeisen und Kleeblättern anlocken, so glauben manche. Mit den richtigen Glücksbringern werden die Prüfungsfragen schon die richtigen und wird die andere Mannschaft nicht auf der Höhe sein.

Glücksbringer sollen uns Kraft geben, damit wir die Herausforderung durchstehen und an uns glauben. Und sie sollen ein gutes Gelingen anziehen, das Happy End herbeiführen. Wie die bestandene Matheprüfung. Darauf kann Finn stolz sein, schließlich ist es seine Leistung. Oder nicht? War es vielleicht doch das Schweinchen, das ihm die richtigen Antworten zugeflüstert hat? Denn selten ist klar, wen der Glücksbringer beeindrucken soll. Die eigene Intelligenz? Den Matheolymp? Den Zufall? Oder die Mathelehrerin? Und welche Gottheit begeistert sich für muffelnde Socken? Klar ist: Durch Talismane versuchen wir, dem Zufall und dem, was wir nicht beeinflussen können, ein Schnippchen zu schlagen – und geben dabei die Verantwortung und den Ruhm für den Ausgang der Geschichte ab.

Doch auch ohne Hasenpfote und Schornsteinfeger haben wir manchmal Glück: wenn der herannahende Kontrolleur doch ausgestiegen ist, bevor er merken konnte, dass wir kein Ticket haben, oder wenn der Laptop, den wir seit Monaten kaufen wollen, genau dann reduziert ist, wenn wir ihn endlich mit nach Hause nehmen wollen. Dann ist die Sache für uns gut ausgegangen.

Glück ist eine Belohnung

Etwas anspruchsvoller ist das Bestechen anderer Götter. Denn um ins Jenseits zu kommen und dort am besten der ewigen Verdammnis zu entgehen, müssen wir schon etwas mehr tun, als Kraftsteine oder Schornsteinfegerpüppchen mit uns herumzutragen. Ewiges Glück bekommt der Gläubige erst geschenkt, wenn er sich sein ganzes Leben über an die Regeln gehalten hat. Ob das Leben also von Glück gekrönt war, können nur die Toten beurteilen.

Glück ist eine Ware

Wenn wir den neuen Job bekommen, die neue Wohnung eingerichtet, das neue Outfit gekauft haben, dann können wir endlich glücklich sein. Das hoffen wir zumindest. Je teurer der Gegenstand, desto mehr Glück scheint er zu versprechen. Aber irgendwie ist es dann doch nie genug. Das neue Sofa lässt die Vorhänge alt aussehen und die neuen Schuhe verlangen nach einer passenden Hose. Das Glück, das uns Dinge bringen, ist kurz. Wir kaufen keine Überlegenheit oder Zufriedenheit – und auch kein Glück. Wir kaufen neue Wünsche. Glück ist eine verschwommene Fata Morgana irgendwo am Horizont. Es ist das Erreichen unserer selbst gesetzten Ziele, auf die wir zurennen wie auf eine Oase in der Wüste. Und wenn wir dort sind, wollen wir in nichts als Luxus baden, uns reich beschenken für unsere Entbehrungen und die harte Arbeit. Wir wollen unsere Gläser heben und all denen gönnerhaft zuprosten, die noch immer durch die Wüste stapfen.

Glück ist ein gutes Gefühl

Freude ist ein Zustand, in dem wir vor lauter guten Gefühlen völlig verzückt sind. Freude kommt selten einfach so vorbei. Meist ist sie die Reaktion auf etwas, was uns passiert. Entweder hat sich etwas Schönes ereignet: Unsere beste Freundin hat uns in mühevoller Handarbeit ein Fotoalbum mit all unseren schönsten Erinnerungen zusammengeklebt, oder wir können die Sonne blutrot im Meer versinken sehen, während wir abends nach Hause fahren. In solchen Momenten freuen wir uns. Auch wenn wir einen Flow erleben, ganz im Moment aufgehen,56 empfinden wir eine befriedigende Freude über das, was wir gerade tun. Meist bekommen das andere direkt mit, weil wir lächeln, lachen oder jemanden innig herzen. Freude kann tief gehen und weit reichen. Denn wir können Freude aufwärmen wie das Essen vom Vortag: Wenn wir uns an etwas erinnern, über das wir uns gefreut haben, kommt die Freude direkt noch einmal so schön und warm zu uns zurück.

Glück ist eine Symphonie

Vor allem Psychologen und Soziologen sprechen lieber von subjektivem Wohlbefinden oder Lebenszufriedenheit als von Glück. Für ihre Fragebögen ist das Wort Glück zu ungenau, da sich jeder Mensch etwas anderes unter Glück vorstellt. Deshalb lassen sie ihre Probanden häufig einschätzen, wie zufrieden sie mit bestimmten Bereichen ihres Lebens sind – und nicht etwa, wie glücklich. Die Forscher glauben, dass unser Wohlbefinden und unsere Lebenszufriedenheit von vielen äußeren Faktoren beeinflusst werden: wie gesund wir sind, welchen Beruf wir haben, wie viel Geld auf unserem Konto herumliegt oder fehlt, ob wir gute Freunde haben oder unsere Ehe ein Scherbenhaufen ist.57 Glück ist für die Forscher all das: eine Symphonie aus allem, was uns umgibt und ausmacht.

Glück ist ein Maßstab

In den letzten Jahrzehnten hat es sich zu einem echten Trendthema entwickelt: Neben den Philosophen, die seit Jahrtausenden danach suchen, forschen nun auch Psychologen, Soziologen, Ärzte und Wirtschaftswissenschaftler nach dem Glück. Sie bringen neue Ideen mit ins Spiel und trauen sich häufig auch aus ihren Laboren und Schreibstuben heraus, um die Menschen auf der Straße danach auszufragen, wie sie ihr Leben gestalten, was ihnen wichtig ist und wie glücklich sie sich fühlen. Ab und zu locken Neurologen auch Probanden in eines ihrer Geräte, um einen Blick in ihre Gehirne zu werfen. Anhand der neurochemischen Vorgänge verstehen wir mehr und mehr, wie Glück aussieht. Zumindest erkennen wir bunt aufleuchtende Hirnregionen, wenn die Probanden sich an etwas Schönes erinnern oder etwas essen dürfen, das sie lieben.

Mit diesen auf Fragebögen, Apparaten und bildgebenden Verfahren gestützten Ansätzen scheint Glück objektiv und messbar geworden zu sein. Auch mancher Beitrag in einem populärwissenschaftlichen Magazin oder in einer Fachzeitschrift stellt es so dar. Doch eigentlich zeigen die Forschungsergebnisse nur, welche Faktoren für viele Menschen dazu führen, dass sie sich ganz subjektiv glücklich fühlen. Daraus lässt sich weder ableiten, dass Fallschirmspringen bei jedem Menschen einen Kick auslöst, noch dass Haustiere alle Menschen glücklich machen. Wer Höhenangst oder eine Tierhaarallergie hat, dem treiben der bloße Anblick von pelzigen Lebewesen oder die in luftiger Höhe geöffnete Tür einer Propellermaschine eher Angstschweiß auf die Stirn als Glück ins Gemüt. Dennoch können uns die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung eine Idee davon geben, wie wir ein glücklicheres Leben gestalten könnten. Wir müssen nur ausprobieren, ob die Erfahrungen der Versuchspersonen auch für uns funktionieren. Aber nicht alles, was wir im Fernsehen oder im Internet sehen oder lesen, muss gleich zu unserem Maßstab werden. Und auch wenn die Statistik sagt, dass die Menschen in Dänemark die glücklichsten auf diesem Planeten sind, müssen wir nicht gleich die Umzugskisten packen. Wir könnten auch einfach von den Dänen lernen.