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Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft - Steuern - Recht GmbH

[4]Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Print: ISBN 978-3-7910-4471-2 Bestell-Nr. 10324-0001
ePub: ISBN 978-3-7910-4472-9 Bestell-Nr. 10324-0100
ePDF: ISBN 978-3-7910-4473-6 Bestell-Nr. 10324-0150

Katharina Hölzle/Victor Tiberius/Heike Surrey (Hrsg.)

Perspektiven des Entrepreneurships

1. Auflage, April 2020

© 2020 Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH

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Produktmanagement: Dr. Frank Baumgärtner

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Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart

Ein Unternehmen der Haufe Group

[11]Vorwort

Entrepreneurship erfährt in der Wirtschaft, in der Aus- und Weiterbildung, in der Politik und in der Gesellschaft ein zunehmendes Interesse. Entrepreneurship als Disziplin des Unternehmertums widmet sich unternehmerischem Denken und Handeln. Entrepreneure erkennen Probleme, suchen Gelegenheiten und finden Lösungen. Sie sind Treiber des Wandels in unserer Gesellschaft und fördern Entwicklung und Wachstum auf globaler Ebene. Auch in der Forschung ist das Interesse an Entrepreneurship über die letzten zwei Jahrzehnte exponentiell gewachsen – zu erkennen in Form einer stark wachsenden Zahl von Lehrstühlen, Studienmodulen und Veröffentlichungen.

Vor diesem dynamischen Hintergrund möchten wir im vorliegenden Band einen Überblick geben über aktuelle Forschungsfragen und Erkenntnisse des Entrepreneurships aus dem deutschsprachigen Raum. Unsere Leitidee ist, einen Dialog zwischen Praxis und Theorie anzuregen und zu fördern, denn Probleme aus der Praxis inspirieren die Forschung und aus wissenschaftlichen Erkenntnissen werden im Idealfall konkrete Handlungsempfehlungen für die Gründungspraxis.

Unser herzlicher Dank geht an alle Autorinnen und Autoren, die unserem Aufruf gefolgt sind und aus ihrer Forschung und Praxis aktuelle, relevante und anspruchsvolle Perspektiven des Entrepreneurships beitragen. Wir danken den Autoren nicht nur in dieser Funktion, sondern auch als Reviewer der anderen Beiträge in diesem Band. Das von Beginn an als konstruktiv-kritisches »friendly review« angelegte, doppelt-verdeckte Begutachtungsverfahren hat das hohe Niveau vieler Beiträge nochmals angehoben.

Wir bedanken uns ebenso sehr herzlich bei Frau Claudia Dreiseitel und Herrn Dr. Frank Baumgärtner vom Schäffer-Poeschel Verlag für die angenehme Zusammenarbeit und das reibungslose Handling.

Den Leserinnen und Lesern wünschen wir eine interessante Lektüre und neue Perspektiven.

Potsdam, im November 2019

Katharina Hölzle, Victor Tiberius und Heike Surrey

[13]1 Aspekte, Standpunkte und Ausblicke: Perspektiven des Entrepreneurships

Katharina Hölzle, Victor Tiberius, Heike Surrey

1.1 Einführung

Entrepreneurship ist ein omnipräsentes Thema. Täglich hören und lesen wir von neuen Gründungen, die mit innovativen Produkt- oder Dienstleistungsideen Dinge einfacher, schneller oder günstiger machen, von Venture-Capital-Unternehmen, die große Summen in Ideen und Köpfe investieren, und von jungen Unternehmen, die es nach kurzer Zeit zum sogenannten »Unicorn« geschafft haben, also eine Unternehmensbewertung von einer Milliarde US-Dollar überschreiten. Politiker rufen zu mehr Gründergeist auf, und die deutsche Förderlandschaft sucht weltweit ihresgleichen. Die Zahl der Gründungslehrstühle an deutschen Hochschulen hat sich in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt, die Anzahl der Publikationen ebenso. Speziell für Gründer zugeschnittene MBA-Programme erfreuen sich großer Beliebtheit, genauso wie Gründungsservices an Hochschulen. Kurz: Das Thema Entrepreneurship floriert.

Dieser gesteigerten Aufmerksamkeit diametral entgegengesetzt ist die Zahl der tatsächlichen Gründungen. Lag die Anzahl der Existenzgründer im Jahr 2003 noch bei knapp 1,5 Millionen, ist sie, unter anderem auch durch den nun bereits mehrjährigen Beschäftigungsrekord auf dem Arbeitsmarkt, im Jahr 2018 auf fast ein Drittel – 547.000 Existenzgründungen – abgestürzt (Metzger, 2019). Gleichzeitig scheitert der überwiegende Teil aller Unternehmensgründungen und diese Zahl bleibt seit vielen Jahren gleich.

Doch so erschreckend die Zahlen auf den ersten Blick wirken mögen: Mit Vorsicht zu genießen sind die hohen Gründungszahlen vor rund 15 Jahren schon allein wegen der im Rahmen von »Hartz II« eingeführten »Ich-AGs«. Und viel wichtiger: Auf die bloße Zahl der Gründungsakte kommt es nicht an. Interessanter ist, wie gut die neuen Ideen sind, wie viele neue Arbeitsplätze geschaffen werden, welche neuen Unternehmenswerte generiert werden und welcher Kundennutzen durch Produkt- und Dienstleistungsinnovationen entsteht. Werte, die teilweise weitaus schwieriger zu ermitteln und häufig nicht Gegenstand aktueller Statistiken sind. Hinzu kommt, dass Entrepreneurship nicht nur von Individuen oder kleinen Gründerteams betrieben wird. Auch viele etablierte Großunternehmen stehen vor der Herausforderung, unternehmerisches Denken und Handeln in ihren Organisationen zu verankern, mit innovativen Start-ups zu konkurrieren, eigene Spin-Offs zu gründen und sich selbst immer wieder neu zu erfinden.

[14]1.2 Aufbau des Bandes

Bei der Konzeption des Buches haben wir als Herausgeber*innen uns an Relevanz und Inhalt orientiert. Welche Themen treibt die Gründungspraxis derzeit um, mit welchen Forschungsfragen setzt sich die Entrepreneurship-Forschung aktuell auseinander und welche neuen Erkenntnisse hat sie hervorgebracht? Der vorliegende Band gibt hierüber einen repräsentativen Überblick.

Der mehrdeutige Perspektivenbegriff im Titel des Bandes ist dabei bewusst gewählt. Ähnlich wie im Gleichnis »Die blinden Männer und der Elefant«, bei dem die Blinden den Elefanten als Säule (Bein), Seil (Schwanz), Ast (Rüssel), Segel (Ohr) oder Wand (Bauch) beschreiben, beschäftigen sich die Autorinnen und Autoren mit Teilausschnitten des komplexen Phänomens Entrepreneurship und gehen ihnen auf den Grund. Unterschiediche Standpunkte werden so zum Ausdruck gebracht. Selbst wenn Wissenschaft Neutralität anstrebt, sind Forschungsschwerpunkte subjektive Entscheidungen, die auf Annahmen beruhen – z. B. dass Verhalten relevanter für den Gründungserfolg ist als Persönlichkeit. Schließlich umspannen Perspektiven neben dem Eindruck auch Ausblicke.

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Abb. 1-1: Konzentrisches Modell des Entrepreneurships (Quelle: Eigene Darstellung)

[15]Steht die Bedeutung von Perspektiven als Aspekte im Vordergrund, ist es zunächst hilfreich, sich einen groben Überblick über die einzelnen Themenfelder des Entrepreneurships zu verschaffen. Aus Sicht der Herausgeberinnen und des Herausgebers bietet sich hierzu ein konzentrisches Modell des Entrepreneurships (vgl. Abb. 1-1) an. Diese Form soll verdeutlichen, dass die Felder einer fortwährenden Komplexität unterliegen, ineinander übergehen und sich gegenseitig befruchten. Die Übergänge in den spezifischen Kontexten sind fließend und dynamisch. Weiterhin impliziert das Modell, dass heute noch verborgen liegende Kreise angeregt und entstehen können.

Die vier Perspektivkreise Entrepreneur, unternehmerische Organisation, Erscheinungsformen und systemische Betrachtung des Entrepreneurships bringen facettenreiche 40 Beiträge hervor.

Der Entrepreneur: Im Inneren des Modells stehen der Entrepreneur, die Person und die Persönlichkeit. Der Trait-Ansatz nimmt in der psychologisch orientierten Entrepreneurship-Forschung nach wie vor einen großen Raum ein und wird in dem vorliegenden Buch auf seine Erfolgsdeterminanten kombiniert mit Kognition und Kompetenzen diskutiert. Daneben werden Persönlichkeits- und Führungsmerkmale untersucht, Resilienz von Gründern oder das Schlüsselereignis der Unternehmensnachfolge.

Die unternehmerische Organisation: Diese unterscheidet sich oft von klassischen Organisationsformen. Dies gilt sowohl für ihren Aufbau, ihren Ablauf als auch ihre strategische Ausrichtung. Nicht nur die Finanzierung und die Unternehmenskultur sind grundlegend anders ausgeprägt als in etablierten Organisationen, sondern insbesondere die Herangehensweise, das sogenannte unternehmerische Denken. Viele etablierte Unternehmen schauen neidisch auf die Flexibilität und die Kreativität von jungen Unternehmen. Die Autoren entwerfen ein Framework zum Management disruptiven Wandels, beleuchten Konzepte wie Design Science und Design Thinking als unternehmerische Prozessmodelle, untersuchen unternehmerisches Denken mit Hinblick auf unternehmerisches Lernen und unternehmerische Planung. Von der besonderen Bedeutung der kulturellen Vielfalt leiten wir dann über zum Entrepreneurial Finance und beleuchten die Bedeutung verschiedener Finanzierungformen (vom Initial Coin Offering hin zum Crowdinvesting) sowie die Schwierigkeiten bei der Finanzierung und dem Investitionsverhalten junger Unternehmen. Auch hier lassen sich Ansatzpunkte auch für etablierte Unternehmen finden, z. B. wie Finanzierung anders gedacht werden kann.

Erscheinungsformen des Entrepreneurships: Unternehmertum kann die unterschiedlichsten Ausprägungen annehmen. Sei es Unternehmertum in etablierten Unternehmen, in wissenschaftlichen Einrichtungen oder das unternehmerische Denken, um soziale oder ökologische Herausforderungen zu lösen. Im Kontext Corporate Entrepreneurship versuchen etablierte Unternehmen unternehmerischer zu werden. Unternehmerisches Verhalten kommt aber nicht einfach so, sondern benötigt der gezielten Unterstützung durch das Management, sei es durch [16]gezielte Allokation von Ressourcen, der Einrichtung von Corporate Accelerators oder gezielter Open Innovation Initiativen.

Die Digitalisierung bringt neue Geschäftsmodelle und ganz neue Formen von Unternehmen hervor. Hier ist es notwendig zu schauen inwieweit existierende Definitionen auf diesen neuen Kontext angewandt werden können oder es neue Begrifflichkeiten braucht, um das Phänomen der digitalen Transformation besser zu verstehen. Gleichzeitig ist eine kritische Betrachtung der Digitalisierung notwendig, um wirklich abschätzen zu können, was und in welcher Ausprägung benötigt wird. Erste empirische Erfahrungen aus dem Mittelstand beschließen dieses Teilkapitel.

Ausgründungen aus der Wissenschaft sind Grundlage für High-Tech Gründungen – verbunden mit der Aufgabe, wissenschaftliche Expertise und wirtschaftliches Denken zu verbinden. In diesem Feld muss Deutschland deutlich stärker werden und die beiden Beiträge zu unternehmerischen Verhalten von Wissenschaftlern sowie dem Female Entrepreneurship (der Anteil weiblicher Gründerinnen insbesondere aus der Wissenschaft heraus ist in Deutschland nach wie vor sehr gering) tragen zum Verständnis dieses Teilgebiets bei.

Die Beiträge zum Social, Sustainable und Accidental Entrepreneurship übertragen Unternehmertum auf nicht originär unternehmerische Gebiete und Akteure, um gesellschaftlichen und politischen Wandel voranzutreiben.

Systemische Betrachtung des Entrepreneurships: Durch Unternehmertum können existierende Strukturen und Gesellschaften ganzheitlich verändert werden. Unternehmer*innen und Start-ups disruptieren Industrien und schaffen kunden- und marktorientiert Lösungen, die gesellschaftliche und individuelle Probleme anders adressieren. Doch dazu bedarf es veränderte Rahmenbedingungen, Lehrkonzepte und einen neuen Umgang mit Unsicherheit. Dieses Kapitel ist in zwei Unterkapitel eingeteilt, die sich der Schaffung von unternehmerischer Ökosysteme widmen sowie dem Lernen und Lehren von Unternehmertum. Bei den unternehmerischen Ökosystemen geht es nicht nur um eine generelle Beschreibung der Schlüsselfaktoren, sondern auch um konkrete Anwendungsbeispiele aus der digitalen Stadt oder ländlicher Regionen. Bei dem Unterkapitel zur Entrepreneurship Education beschreiben die Autoren unterschiedliche Ansätze und Typologien wie unternehmerisches Denken und Handeln gelehrt und gelernt werden kann genauso wie konkrete Anwendungsbeispiele aus Deutschland und aus Afrika.

Als Herausgeber*innen freuen wir uns nicht nur über den großen Anklang, den unser Call for Papers in der wissenschaftlichen Community gefunden hat und ein breites und interessantes Themenspektrum an eingereichten Beiträgen ergeben hat, sondern hoffen natürlich auch, dass Sie als geneigte Leser neue Impulse und Denkanstößen aus dem vorliegenden Herausgeberband erhalten mögen.

[17]Literatur

Metzger, G. (2019): Gründungstätigkeit in Deutschland stabilisiert sich 2018 auf niedrigem Niveau. KfW Research Volkswirtschaft Kompakt Nr. 177, 16.04.2019, abrufbar unter: https://www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumente-Volkswirtschaft-Kompakt/One-Pager-2019/VK-Nr.-177-April-2019-Gruenderzahl.pdf (Abruf am 04.05.2019).

[19]I Person und Persönlichkeit des Entrepreneurs

[21]2 Traits, Kognition, Kompetenzen, Verhalten? Erfolgsdeterminanten im Entrepreneurship

Victor Tiberius

Abstract

Der vorliegende Beitrag untersucht die Determinanten der Gründungsintention, des Gründungserfolgs und des kontinuierlichen Unternehmenserfolgs. Nach wie vor finden sich oftmals zur Erklärung von Erfolg die Persönlichkeitsmerkmale (Traits) der Gründer. Hier wird auf den Big-3-Ansatz fokussiert. Im Vordergrund steht eine kritische Reflexion von Trait-Ansätzen, um Wissen und Fähigkeiten, kognitive Muster, Verhaltensmuster, Handeln und situative Faktoren als zusätzliche Erfolgsdeterminanten zu identifizieren, die in der künftigen Forschung stärker berücksichtigt werden sollten.

2.1 Einleitung

Was unterscheidet erfolgreiche von erfolglosen Entrepreneuren und Nicht-Entrepreneuren? Diese Frage ist nicht nur für jeden relevant, der mit dem Gedanken spielt, selbst ein Unternehmen zu gründen, sondern ebenso für Investoren, die Venture Capital zur Verfügung stellen.

Bei der Suche nach den Determinanten, die für die Gründungsintention, den Gründungserfolg und den kontinuierlichen Unternehmenserfolg verantwortlich sind, dominieren in der Entrepreneurship-Forschung nach wie vor die Persönlichkeitsmerkmale (Traits) der Gründer. In Sinne der differenziellen Psychologie wird davon ausgegangen, dass sich Gründer von Nicht-Gründern im Hinblick auf solche Charakterzüge unterscheiden. Die Liste dabei betrachteter Charaktereigenschaften ist lang. Im vorliegenden Beitrag werden aus der Menge denkbarer und untersuchter Traits die von Ahmed (1985) fokussierten Merkmale Leistungsmotiv, internale Kontrollüberzeugung und Risikobereitschaft herausgegriffen, die Chell (2008) später – in Anlehnung an die bekannten Big 5 – als Big 3 bezeichnet.

Nachdem diese charakterisiert werden und auf teilweise nicht eindeutige empirische Erkenntnisse eingegangen wird, erfolgt eine kritische Reflexion des Trait-Ansatzes innerhalb der Entrepreneurship-Forschung, um alternative Erfolgsdeterminanten zu identifizieren, die in der künftigen Forschung stärker berücksichtigt werden sollten.

2.2 Entrepreneur und Traits

Der Begriff Entrepreneur wird uneinheitlich verwendet. Zudem bestehen auch Abgrenzungsprobleme zu anderen verwandten Begrifflichkeiten wie Gründer, Existenzgründer, Selbststän[22]diger, Small Business Owner oder Unternehmer, die teilweise unscharf auch als Synonyme betrachtet werden. Um den hiesigen Rahmen nicht zu sprengen, wird auf eine dezidierte Ausdifferenzierung der Begrifflichkeiten hier verzichtet. Im Vordergrund steht hier die Person des Entrepreneurs i. S. einer Person, die neuartige, innovative, möglicherweise sogar visionäre (vgl. Fueglistaller et al. 2012, S. 23)1 Geschäftsideen mit hohem Risiko und großem Wachstumspotential am Markt eigenverantwortlich umsetzt (vgl. Klandt 2005, S. 101 f.; für eine Literaturauswertung zum Entrepreneur-Begriff vgl. Hébert & Link 1989). Anders als der etablierte Unternehmer, der möglicherweise das Unternehmen geerbt hat, befindet sich der Entrepreneur mit seinem Unternehmen in der Gründungs- und Expansionsphase (vgl. Pott & Pott 2012, S. 3).

Der Persönlichkeitsbegriff findet sich in mehreren Wissenschaftsdisziplinen, insbesondere in der Philosophie und in der hier interessierenden Psychologie, wo er nicht weniger schillernd ist als der Entrepreneurbegriff. Eine differenzierte Begriffsbestimmung würde ebenfalls bei Weitem diesen Rahmen sprengen, denn verschiedene Persönlichkeitstheorien definieren Persönlichkeit mitunter sehr unterschiedlich. Gemeinsam ist ihnen, dass sie Persönlichkeit als Summe von zahlreichen Persönlichkeitseigenschaften konzeptualisieren, die ein konstantes Verhaltensmuster auf externe Stimuli hervorrufen. Kontrovers wird dabei diskutiert, ob es sich dabei um starre, flexibel veränderliche oder – die Sichtweise, die heute dominiert – relativ zeitstabile, aber grundsätzlich veränderliche Charaktermerkmale handelt (vgl. Markgraf 2008, S. 23 f.)2. Die Beurteilung hängt auch davon ab, welche Ebene der Persönlichkeit adressiert wird (vgl. Markgraf 2008, S. 5, m. w. V.).

2.3 Traits in der Entrepreneurship-Forschung

In der frühen Entrepreneurship-Forschung war die Persönlichkeit des Entrepreneurs lange Zeit das dominierende Erkenntnisobjekt (vgl. Aldrich 1992, S. 202). Auch wenn inzwischen andere Fragestellungen hinzugekommen sind – etwa die Rolle der Unternehmensumwelt, Gründerverhalten, Gründungsprozessphasen etc. (vgl. Ripsas 1997, S. 84 f.; Dowling 2003, S. 9 ff.; Fueglistaller et al. 2012, S. 258 f.) – erfreut sich die Trait-Forschung im Entrepreneurship unverändert großer Beliebtheit.

Besonders populär in der differenziellen Psychologie ist das Big-5-Modell (vgl. Costa & McCrae 1992), das auch in der Entrepreneurship-Forschung zum Einsatz kommt (vgl. z. B. Schmitt-Rodermund & Schröder 2004, S. 27; Koetz 2006, S. 42, m. w. V.; Zhao & Seibert 2006, S. 259; Markgraf 2008, S. 11 ff., 93). Die fünf Faktoren, für die auch die Akronyme OCEAN oder CANOE verwendet werden, stellen die fünf grundlegenden Wesenszüge eines Individuums dar und lauten: Offenheit (openness to experience, +), Gewissenhaftigkeit (conscientiousness, +), Extraversion [23](+/-), Verträglichkeit (agreeableness, -) und Neurotizismus (neuroticism, -).3 Diese Charakterzüge gelten als überdauernd, wenngleich nicht als grundsätzlich unveränderbar. Das Heranziehen genereller im Vergleich zu spezifisch unternehmerischen Persönlichkeitseigenschaften wird teilweise als Schwäche betrachtet (vgl. Utsch 2004, S. 65; Rauch & Frese 2007, S. 47).

Vergleichbare etablierte Persönlichkeitsmodelle sind etwa der 16PF-Questionaire von Cattell & Schuerger (2003), der Myers-Briggs-Type-Indicator (Briggs Myers 1995) oder der Eysenck Personality Questionaire (Eysenck & Eysenck 1975). Weitere nennt Markgraf (2008, S. 20 ff.). Diesen ist es bislang nicht gelungen, die Dominanz des Big-5-Ansatzes zu brechen, und zwar weder in der allgemeinen Persönlichkeitsbestimmung noch in der von Entrepreneuren.

Neben diesen etablierten Persönlichkeitsmodellen existiert eine größere Zahl einzelner Persönlichkeitseigenschaften, denen unterstellt wird, dass sie bei Entrepreneuren stärker als in der Durchschnittsbevölkerung ausgeprägt sind. Hierzu zählen insbesondere, aber nicht abschließend: Ambiguitätstoleranz, Autorität, Autonomiestreben, Innovationsneigung, interne Kontrollüberzeugung, Kreativität, Leistungsmotivation, Persistenz, Risikoneigung, Selbstvertrauen, Selbstwirksamkeitserwartung, Zielorientierung (vgl. Fueglistaller et al. 2012, S. 103; Hartmann 2010, S. 14; Maurer & Schade 2006, S. 71). Ein weiterer Ansatz besteht in Entrepreneur-Typologien (vgl. etwa van Ness & Seifert 2016).

Aus dieser Liste werden nachfolgend selektiv drei häufig diskutierte Charakterzüge herausgegriffen, die mitunter – in Anlehnung an das Big-5-Konzept – als die Big 3 der Entrepreneurship-Forschung bezeichnet werden: Leistungsmotivation (need for achievement), interne Kontrollüberzeugung (locus of control) und Risikobereitschaft (risk taking propensity) (vgl. Chell 2008, S. 23). In der Studie von Ahmed (1985) wurden ebenfalls genau diese drei Persönlichkeitsmerkmale – allerdings ohne die Bezeichnung Big 3 – herausgegriffen. Borland (1974) fokussierte immerhin bereits auf die beiden erstgenannten Merkmale.

2.4 Die Big 3 der Entrepreneurship-Forschung

2.4.1 Leistungsmotiv (need for achievement)

Chell (2008, S. 23) sieht den Entrepreneur als »strongly motivated to overcome obstacles and to achive« und verweist in diesem Zusammenhang auf McClelland (1961), der wiederum auf die Forschung von Murray (1938) Bezug nimmt und Menschen grundsätzlich durch drei verschiedene Beweggründe motiviert sieht. Neben dem hier relevanten Leistungsmotiv sind dies die Bedürfnisse nach Macht (need for power) und nach sozialer Zugehörigkeit (need for affiliation). [24]Die soziale Anerkennung durch Dritte steht beim Leistungsmotiv entsprechend nicht im Vordergrund – eher der intrinsische Erfolgshunger, »an inner feeling of personal accomplishment« (McClelland 1968, S. 76). Ein leistungsmotiviertes Individuum setzt sich i. d. R. mittelschwere, realistische Ziele, arbeitet an deren Erreichung und übernimmt dafür die Verantwortung; die Zielerreichung soll messbar sein – idealerweise mittelbar oder unmittelbar in Form von finanziellem Erfolg (vgl. Markgraf 2008, S. 25).

Bei Entrepreneuren liegt – empirischen Studien zufolge – ein höheres Maß an Leistungsmotivation als in der Durchschnittsbevölkerung vor, sodass diese mit der Gründungsneigung und dem Gründungserfolg positiv korreliert ist (vgl. z. B. Klandt 1984, S. 352 ff.; Ahmed 1985, S. 782; Müller 1999, S. 187; Jacobsen 2003, S. 57, m. w. V.; Koetz 2006, S. 33, m. w. V.; Rauch & Frese 2007, S. 49, m. w. V.; Markgraf 2008, S. 25 f., m. w. V.). Dieser intuitiv stimmige, direkte Zusammenhang wurde andernorts angezweifelt. So wurde in anderen Studien ein lediglich indirekter oder – zumindest in Längsschnittstudien – sogar gar kein Zusammenhang nachgewiesen (vgl. Jacobsen 2003, S. 57, m. w. V.; Koetz 2006, S. 33, m. w. V.; Markgraf 2008, S. 26, m. w. V.).

2.4.2 Internale Kontrollüberzeugung (locus of control)

Chell (2008, S. 23) zufolge sollen Entrepreneure ein starkes Gefühl der persönlichen Kontrollmöglichkeit von Erfolg haben, »feel a great sense of personal control over outcomes«. Das Locus-of-control-(LOC-)Konzept stammt ursprünglich von Rotter (1966). Menschen attribuieren ihre Einflussmöglichkeiten auf künftige Erfolge oder Misserfolge entweder mit sich selbst oder externen Ursachen wie anderen Personen, dem Zufall oder dem Schicksal. Der LOC-Ansatz vermittelt zwischen Behaviorismus und Kognitivismus und basiert auf der Erwartungswerttheorie, bei der konzeptualisiert wird, dass eine Person eine Handlung desto wahrscheinlicher ausführt, je wichtiger sie ein spezifisches Ereignis bewertet und eine Vorstellung darüber entwickelt, dass ihre Handlung zu diesem Ereignis führt (vgl. Tiberius 2008, S. 46). Die Kontrollüberzeugung muss aber nicht zwangsläufig konsistent sein; so können etwa Erfolge internal und Misserfolge external attribuiert werden – mit anderen Worten: Wenn etwas Gutes passiert, dann, weil ich kompetent bin, während andere Schuld haben oder ich einfach Pech habe, wenn etwas Schlechtes passiert.

Der Entrepreneurship-Zusammenhang ist offensichtlich: Nur wenn ein Entrepreneur der Überzeugung ist, dass er zum einen Einfluss auf den Erfolg seiner Gründungsaktivitäten hat, und zum anderen davon ausgeht, dass er auf dem Markt »einen Unterschied machen« kann, wird er aktiv werden. Anders ausgedrückt: Eine Person, die positiven oder negativen Ereignissen ausschließlich externe Ursachen – wie dem Markt, dem Zufall, dem Schicksal oder anderen Personen oder Organisationen – zuschreibt, wird wahrscheinlich kein erfolgreicher Entrepreneur sein. In der Literatur wird insofern ebenfalls von einem positiven Zusammenhang zwischen hoher internaler Kontrollüberzeugung und der Gründungsintention und/oder dem Gründungserfolg ausgegangen (vgl. z. B. Ahmed 1985, S. 782; Durchesneau & Gartner 1990, S. 303, m. w. V. [25]auf S. 300; Bonnett & Furnham 1991, S. 472; Müller 1999, S. 187; Jacobsen 2003, S. 58, m. w. V.). Die internale Kontrollüberzeugung ist – einer irischen Studie zufolge – bei Entrepreneuren nicht nur höher als in der Durchschnittsbevölkerung, sondern auch höher als bei Managern (vgl. Cromie & Johns 1983, S. 321). Andere Studien können nur einen indirekten, schwachen oder keinen Zusammenhang nachweisen (vgl. Jacobsen 2003, S. 58, m. w. V.; Koetz 2006, S. 34, m. w. V.; Rauch & Frese 2007, S. 49, m. w. V.).

Die oben angesprochene Selbstwirksamkeitserwartung (self-efficacy) (vgl. Bandura 1977) kann als konzeptionelle Weiterentwicklung des LOC-Ansatzes verstanden werden: Während der LOC eine allgemeine Kontrollüberzeugung darstellt, verkörpert self-efficacy die Überzeugung von den eigenen spezifischen Fähigkeiten (vgl. Chen et al. 1998, S. 299; Utsch 2004, S. 68 f.). Der statistische Zusammenhang ist ebenfalls positiv: Es gibt »a significant and consistent positive effect of entrepreneurial self-efficacy on the likelihood of being an entrepreneur.« (Chen et al. 1998, S. 310; so auch Rauch & Frese 2007, S. 53). Andere Forscher verweisen auf keinen oder gar auf einen negativen Zusammenhang (vgl. Durchesneau & Gartner 1988).

2.4.3 Risikobereitschaft (risk taking propensity)

Schließlich sollen Entrepreneure zur Einschätzung und Übernahme von Risiken bereit und fähig sein: »given the uncertain nature of the context in which entrepreneurial activity is engaged, they appear to need to manage risks« (Chell 2008, S. 23). Chell (2008) bezieht sich dabei auf Knight (1921), der in seiner Dissertation die heute bedeutsame Unterscheidung zwischen Risiko und Unsicherheit einführte. Gemeinsam ist beiden Begriffen, dass eine Mehrzahl von (zukünftigen) Ereignissen möglich ist; beim Risiko können jedoch die Eintrittswahrscheinlichkeiten angegeben werden, bei Unsicherheit nicht (vgl. Tiberius 2011, S. 92). Für Knight (1921) ist die Existenz des Unternehmers untrennbar mit der Existenz von Unsicherheit verbunden: Gäbe es nur Risiken, könnten diese versichert werden. Ein Entrepreneur, der – genauso wie eine Versicherungsgesellschaft – aufgrund von Erfahrungen weiß, dass 15 % seiner Forderungen aus Lieferungen und Leistungen ausfallen, könnte sich gegen dieses Risiko absichern. Damit wäre er Bezieher eines regelmäßigen Einkommens, denn entweder erhält er sein Geld durch die zahlenden Kunden oder von der Versicherungsgesellschaft. Da aber der Forderungsausfall oder die verminderte Produkt- oder Dienstleistungsqualität unsicher sind, ist eine Absicherung entsprechend unmöglich (zur ähnlichen Fragestellung, der Versicherbarkeit von Katastrophen, vgl. Nguyen & Tiberius 2012). Daher ist der Entrepreneur im Knight’schen Sinne zwangsläufig Unternehmer, der kein regelmäßiges Einkommen, sondern einen Profit generiert. Der Profit stellt die Prämie für die Risikoübernahme dar. Beim Disrupteur wird dies noch deutlicher, denn sowohl sein Risiko zu scheitern als auch der mögliche Gewinn sind äußerst hoch. Als Beispiel sei Jeff Bezos genannt, der nicht nur vor etwas mehr als 20 Jahren begonnen hat, den stationären Einzelhandel in seinen Grundfesten anzugreifen, sondern es auch aktuell an die Spitze der Forbes-Liste geschafft hat (o. V. 2017).

[26]Insofern liegt die Hypothese auf der Hand, dass Entrepreneure eine hohe Risikobereitschaft aufweisen. Einige Studien zeigen diese im Vergleich zur grundsätzlich recht risikoaversen (und regelmäßiges Einkommen beziehenden) Durchschnittsbevölkerung auf (vgl. z. B. Ahmed 1985, S. 782; Markgraf 2008, S. 27, m. w. V.). Dies steht nicht zwingend im Widerspruch zu Studien, die dagegen betonen, dass Entrepreneure versuchen, ihr Risiko zu reduzieren (vgl. Duchesneau & Gartner 1990, S. 300, m. w. V., 303; Jacobsen 2003, S. 60, m. w. V.). Denn auch wenn Entrepreneure tendenziell eher dazu bereit sind, Risiken in Kauf zu nehmen, sind sie kaum Risikomaximierer, sondern eher Risikooptimierer (ähnlich Markgraf 2008, S. 27).4 Eine Risikominimierung dagegen wäre ebenfalls keine sinnstiftende Strategie, denn es gilt allgemein ein positiver Zusammenhang zwischen Ertrag und Risiko. Besonders offensichtlich ist dies bei Investitions und Spekulationsentscheidungen: Je höher der potenzielle Zins desto höher auch das Verlustrisiko und die Gewinnchance (vgl. Pape & Steinbach 2011, S. 144).

Andere Untersuchungen verweisen auf kompliziertere Zusammenhänge, etwa eine Abhängigkeit der Risikobereitschaft von der Kurz- bzw. Langfristigkeit des Entscheidungshorizonts, von der Informationsqualität, von der Gründungsmotivation (z. B. Notgründungen) etc. (vgl. Jacobsen 2003, S. 60, m. w. V.). Wieder andere Studien zeigen auf, dass die Risikobereitschaft von Entrepreneuren sich nicht grundlegend von der von Managern unterscheidet (vgl. Jacobsen 2003, S. 60 f., m. w. V.). Interessant ist auch die Unterscheidung, wonach eine mittlere Risikoneigung zwar mit der Gründungsneigung, nicht aber mit dem langfristigen Unternehmenserfolg korreliert ist (vgl. Koetz 2006, S. 35, m. w. V.). Es finden sich aber auch Studien, die keinerlei Zusammenhänge signifikant nachweisen (vgl. Markgraf 2008, S. 27, m. w. V.).

2.5 Kritik und Alternativen

Gartner meint, die Frage wer Entrepreneur sei, sei grundsätzlich falsch gestellt und es sei sinnvoller darauf zu fokussieren, was er tut, also auf das Gründerverhalten (vgl. Gartner 1989, S. 57). Da die Persönlichkeit jedoch stark verhaltensbeeinflussend ist (vgl. Utsch 2004, S. 65), hat die Persönlichkeitsforschung innerhalb der Entrepreneurship-Forschung klar ihre Berechtigung.

Dennoch macht die Kritik deutlich, dass es sich bei den Persönlichkeitsfaktoren allenfalls um indirekt erfolgsrelevante Determinanten handelt. Es wäre fahrlässig anzunehmen, eine bestimmte Konfiguration von spezifischen Gründercharakterzügen (vgl. Rauch & Frese 2007, S. 54) allein würden den Gründungserfolg direkt erklären können. Vielmehr sind Mediatoren und Moderatoren zu bedenken, die zwischen Traits und Gründungserfolg wirken oder auf das Verhältnis zwischen beiden einwirken (ähnlich Markgraf 2008, S. 26 ff.).

[27]Als erhebliches Problem ist zu betrachten, dass verschiedene empirische Studien bei den hier betrachteten drei Persönlichkeitseigenschaften zu keinen einheitlichen und eindeutigen Befunden gelangt sind, was u. a. unterschiedlichen Messmethoden zugeschrieben werden kann (Jacobsen 2003, S. 57 f.). Gibt es einen direkten oder zumindest indirekten Zusammenhang mit der Gründungsneigung oder dem Gründungserfolg? Wir wissen es nicht mit Bestimmtheit; zu den von der empirischen Big-3-Forschung gestellten Erkenntnisfragen können keine eindeutigen Antworten gegeben werden können, was als äußerst unbefriedigend betrachtet werden muss.

Abgesehen von der Widersprüchlichkeit unterschiedlicher empirischer Studien weisen einzelne Untersuchungen in der Regel zudem nur schwache bis allenfalls mittelstarke Korrelationskoeffizienten auf (vgl. Rauch & Frese 2007, S. 47). Damit haben Persönlichkeitseigenschaften insgesamt nur eine relative schwache Prognosekraft für den Unternehmenserfolg (vgl. Utsch 2004, S. 66).

Abgesehen von den Persönlichkeitseigenschaften gibt es zudem zahlreiche andere unabhängige oder indirekt wirkende Variablen, die den Gründungserfolg beeinflussen. Neben anderen persönlichkeitsrelevanten Faktoren wie Einstellungen und Intentionen sind auch andere Personenmerkmale signifikant, z. B. demographische Eigenschaften wie das Alter und das Geschlecht, aber auch der Bildungshintergrund (vgl. De 2005, S. 39 ff.) des Entrepreneurs. Auch der Einfluss der Familie ist nicht zu unterschätzen (vgl. Edelman et al. 2016).

Daneben spielen aber auch zahlreiche extrapersonale Einflussfaktoren eine Rolle, etwa die aktuelle Konjunkturlage (und damit das Absatzpotenzial) sowie der Entwicklungsstand des Landes (vgl. Bruton et al. 2008), das Verhalten der Mitarbeiter im Start-up, das Verhalten der Wettbewerber und last, but not least: natürlich das Verhalten der Kunden.

Zudem stellt sich die Frage, was genau die abhängige Variable ist. Es macht etwa einen erheblichen Unterschied, ob bestimmte Persönlichkeitseigenschaften einen positiven Einfluss auf die Gründungsneigung, den Gründungserfolg (der woran genau gemessen wird?) oder den konstanten Unternehmenserfolg (ebenfalls: welcher Maßstab?) haben (ähnlich auch Utsch 2004, S. 67; zum Problem der Erfolgsmessung im Entrepreneurship vgl. Murphy et al. 1996). So zeigt der »Global Entrepreneuership Monitor« (GEM) von 2017, dass sich aktuell 37,4 % der Deutschen eine Gründung »zutrauen«, aber unter 5 % tatsächlich in den letzten 3,5 Jahren gegründet haben oder gerade gründen (vgl. Losse 2017). Dieses eklatante Auseinanderdriften zwischen Wunsch und Wirklichkeit zeigt zudem, dass Persönlichkeitstests stets nur Dispositionen erheben (vgl. Müller 1999, S. 173; Utsch 2004, S. 66). Wenn ein Individuum bei mehreren oder gar »allen« Gründerwesenszügen hohe Werte aufweist, ist keine (erfolgreiche) Gründung garantiert.

Umgekehrt stellt sich die Frage, ob Personen, denen laut Persönlichkeitstests kein »Gründer-Gen« innewohnt, automatisch zum Scheitern verurteilt sind. Damit ist die auch in anderen Zusammenhängen immer wieder gestellte Frage angesprochen, ob es bei einer überdurchschnittlichen Fähigkeit darauf ankomme, dass einem Individuum ein Talent in die Wiege gelegt worden sein muss oder ob diese durch Lernen und Fleiß geübt werden kann. Aus Sicht der Ver[28]treter der »Genetik-These« wäre jeder Ansatz von Entrepreneurial Education völlig sinnlos (für einen Überblick zum inzwischen umfangreichen Forschungsfeld siehe Kuratko 2005; für einen historischen Rückblick siehe Katz 2003). Der Verfasser teilt diese Auffassung nicht.

2.6 Fazit

Können die Big 3 als Indikatoren für die Gründungsneigung oder den Gründungserfolg herangezogen werden? Selbst wenn man über die Messprobleme und die damit nicht eindeutigen Ergebnisse hinwegsieht, bleibt die Tatsache bestehen, dass Persönlichkeitseigenschaften nur sehr indirekt wirken. Daher erscheint es naheliegender, sich mit direkter wirkenden Größen zu befassen.

Wie bereits von Gartner angesprochen, bietet sich hierfür etwa das Gründerverhalten an (vgl. Gartner 1989, S. 57). Selbstverständlich ist nicht jedes beliebige Verhalten erfolgswirksam. Daher bietet es sich zudem an, auf bestimmte Fähigkeiten zu fokussieren, die das Handeln mit Kompetenz untermauern. Interessanterweise sind Entrepreneure dabei eher Generalisten als Fachexperten (vgl. Lazear 2004, S. 208; selbst wenn sie Innovationen auf den Markt bringen, sind die meisten Entrepreneure keine Technologie-Experten, sondern Business-Innovatoren). Sie benötigen jedoch neben reinem gründungsbezogenen Faktenwissen (etwa über Rechtsformen und Publizitätspflichten etc.) bestimmte Tools und Techniken, die im Rahmen der bereits angesprochener Entrepreneurship Education formalisiert erlernbar ist.

Dem (kompetenten) Handeln vorgelagert ist das Denken. So finden sich auch Ansätze, Unterschiede zwischen Unternehmern und Nicht-Unternehmern in ihren spezifischen Denkstrukturen zu suchen (vgl. z. B. Baron 2004). Auch dies erscheint vielversprechend.

Abbildung

Abb. 2-1: Einfache Konzeptualisierung von Einflussfaktoren auf Gründungsentscheidung und Gründungserfolg (Quelle: Eigene Darstellung)

[29]Vorstehende Abbildung zeigt eine mögliche Konzeptualisierung von Einflussfaktoren auf die Gründungsentscheidung und den Gründungserfolg auf. Es zeigt sich, dass die Persönlichkeitseigenschaften sehr indirekt wirken und sich direktere Größen zur Messung zusätzlich anbieten.

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1 Die Eröffnung eines Friseursalons würde entsprechend hierunter nicht fallen, es sei denn, das Geschäftsmodell unterscheidet sich deutlich von anderen Salons.

2 Aktuelle Zustände (States) wie Aufmerksamkeit sind dagegen stark veränderlich.

3 Verschiedene Studien kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen, ob die fünf Persönlichkeitsfaktoren bei Unternehmern eher hoch (+) oder niedrig (-) ausgeprägt sind oder kein Zusammenhang (+/-) besteht. Bei den hier gemachten Angaben handelt es sich um die Erkenntnisse der Metastudie von Zhao & Seibert (2006), S. 259.

4 Die von Jacobsen (2003, S. 59) verwendete Begrifflichkeit »Risikofreudigkeit« ist insofern nicht ideal gewählt. Später spricht sie passender davon, dass Risiken »kalkulierbar« sein müssen, vgl. ibd., S. 60.