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How to use this book

Art der Publikation

Das vorliegende Buch ist kein Sammelband. Die Artikel zu den Themenfeldern wurden weitgehend aufeinander abgestimmt und formen ein zusammengehöriges Gesamtbild der Potsdamer Gründungslehre.

Gendervermerk

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in den Beiträgen auf eine geschlechtliche Differenzierung in den Formulierungen verzichtet. Sämtliche Rollen-Bezeichnungen (z.B. Teilnehmer, Dozenten, Gründer, Lehrender, Lernender, o.a.) gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für beide Geschlechter.

Abbildungen und Tabellen

Die meisten Beiträge enthalten Abbildungen und Tabellen. Diese wurden für diese Publikation neu zum Zwecke eines einheitlichen Erscheinungsbildes abgesetzt und sind zudem nur in schwarz-weiß wiedergegeben. Dadurch weichen sie von den bei den jeweiligen Quellen genannten Ursprungs-Abbildungen und -Vorlagen ab. Wir bitten um Nachsicht und Verständnis.

Bei Abbildungen und Tabellen, bei denen eine Quellenangabe fehlt, liegen die Urheberrechte bei den Autoren oder der Universität Potsdam.

Verwendung von Anglizismen

In den einzelnen Beiträgen finden sich u.a. auch Anglizismen. Diese hier verwendeten aus dem Englischen stammenden Fremdwörter haben ihre Ursache durch die im Bereich Entrepreneurship vorherrschende US-amerikanische Literatur und entsprechen in ihrer deutschen Übersetzung häufig nicht der ursprünglich gemeinten Semantik (z.B. opportunities). Der Leser möge Nachsicht haben!

Angaben zu den Autoren

Alle Autoren finden sich mit Foto und Kurzvita im Anhang dieses Buches auf Seite 347. Lob und Kritik zur Gesamtpublikation oder zu einzelnen Beiträgen können an folgende E-Mail-Adresse gesendet werden: e.academy@uni-potsdam.de

Autoren (in alphabetischer Reihenfolge)

Frederike Beha, Wulf Bickenbach, Lisa Birkenbach, Patrick Bröker, Manuel Effenberg, Fabian Gerhardt, Sascha Gohlke, Matthias Großholz, Maria Halw, Uta Herbst, Katharina Hölzle, Yoshi Ikuta, Birte Kemmerling, Frederik Kraft, Annika Lauer, Nadine Lux, Dana Mietzner, Katja Puteanus-Birkenbach, Katja Reisswig, Katrin Ritzerfeld, Xenia Schmidt, Christian Schultz, Dieter Wagner

Herausgeber: Katharina Hölzle, Katja Puteanus-Birkenbach und Dieter Wagner

Universität Potsdam

Potsdam Transfer

Entrepreneurship Academy

August-Bebel-Straße 89, Haus 7

D 14482 Potsdam

Telefon: +49 0331 977-4037

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Alle Rechte vorbehalten

Nachdruck, auch auszugsweise, verboten

Kein Teil dieses Werkes darf ohne schriftliche Einwilligung der Universität Potsdam in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren), auch nicht für Zwecke der Unterrichtsgestaltung, reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© Universität Potsdam

Leitende Redaktion: Dr.Katja Puteanus-Birkenbach

Lektorat: Ute Hövel, Rösrath

Umschlag: Sabine Hellwig, Grafik, Kommunikation &Strategie (www.sabinehellwig.de)

Layout und Druckvorstufe: Jan Erik Meyer, Bonn

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN 978-3-7386-6347-1

Inhalt

Geleitwort

Jeder noch so weite Weg beginnt mit dem ersten Schritt

von Iris Gleicke, MdB, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie und Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer, für Mittelstand und Tourismus

Das Buch, das Sie in Händen halten, erscheint in Potsdam und in dem Jahr, in dem wir das 25-jährige Jubiläum der Friedlichen Revolution in der DDR und des Falls der Mauer im Herbst 1989 feiern und in dem wir die historischen Leistung der Bürgerinnen und Bürger würdigen, die ihre Angst vor der Diktatur überwanden und mutig für Freiheit, Demokratie und Achtung der Menschenrechte auf die Straße gingen. Sie haben die Mauer niedergerissen und damit die Einheit erst möglich gemacht.

Was folgte, war die Transformation der ehemaligen Planwirtschaft in marktwirtschaftliche Verhältnisse.Dies geschah mit einer bespiellosen Intensität und Geschwindigkeit, wovon nahezu alle Bereiche des beruflichen und privaten Lebens betroffen waren. Die heute erreichte Lebensqualität in Ostdeutschland wäre undenkbar ohne die vielen Menschen in den neuen Ländern, die den Umgestaltungsprozess mit einem außerordentlich hohen Maß an Innovationsbereitschaft, Mobilität und Flexibilität vorangetrieben haben. Hervorzuheben ist insbesondere die Gründung von über einer halben Million selbstständiger Existenzen, insbesondere im Handwerk und in vielen Dienstleistungsbereichen, womit innerhalb weniger Jahre eine mit westlichen Staaten vergleichbare Selbständigenquote erreicht wurde.Sie haben in entscheidender Weise den wirtschaftlichen Aufbauprozess in den neuen Ländern getragen. Darüber darf nicht vergessen werden, was für enorme Umstellungs- und Anpassungsleistungen den Ostdeutschen abverlangt wurden. Der Aufbau Ost ist keine reine Erfolgsgeschichte. Viele wurden arbeitslos und haben nie wieder etwas Vernünftiges gefunden, und nicht wenige von denen, die mit großen Hoffnungen in die Selbstständigkeit gestartet waren, sind bitter gescheitert. Darüber darf man nicht einfach hinweggehen, denn auch sie haben ihren Beitrag geleistet und gehören zu unserer gemeinsamen Geschichte.

Auch heute stehen wir vor globalen Herausforderungen in Wirtschaft, Technik und Gesellschaft. Ohne eine gesunde wirtschaftliche Basis, ohne die Hidden Champions in unserem Mittelstand, ohne die kleinen und mittleren Unternehmen, die einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung der Beschäftigung leisten, ohne die Mutigen, die an ihre Idee glauben und das wirtschaftliche Risiko einer Unternehmensgründung eingehen, wird unsere Gesellschaft die Zukunft nicht meistern können.

Gründungen aus der Wissenschaft machen in Deutschland nur einen vergleichsweise geringen Teil des Gründungsgeschehens aus, aber sie sind in den Jahren nach der Gründung besonders stabil und wachstumsstark, schaffen um ein Vielfaches mehr an Arbeitsplätzen als andere Gründungen und erfüllen dabei eine wesentliche Funktion beim Wissens- und Technologietransfer.Zahlreiche der Ideen, die Jahr für Jahr an deutschen Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen entstehen, werden durch die Unternehmensgründungen weiterentwickelt und wirtschaftlich verwertet.

Aufgrund dieser großen Bedeutung wissenschaftsorientierter Gründungen fördert die Bundesregierung seit 1998 mit dem Programm „EXIST – Existenzgründungen aus der Wissenschaft“ Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, um dort eine Kultur der unternehmerischen Selbständigkeit zu verankern, den Unternehmergeist zu stärken und die Anzahl und Qualität technologieorientierter und wissensbasierter Unternehmensgründungen aus der Wissenschaft zu steigern.

Aktuell unterstützt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im Rahmen des Programms „EXIST-Gründungskultur – Die Gründerhochschule“ bundesweit 22 Hochschulen dabei, eine ganzheitliche hochschulweite Strategie zu Gründungskultur und Unternehmergeist herauszubilden. Die Universität Potsdam zeigt mit dem vorliegenden Buch exemplarisch eine universitäre Strategie und Kultur zur Etablierung einer Gründungskultur auf und bietet dabei eine einzigartige Übersicht einer gelebten Gründerlehre als Vorbild und Anreiz für andere Universitäten.

Entrepreneurship Education: Hier wird nicht einfach nur das Potsdamer Modell der Gründungslehre und -beratung mit seinen 117 Lehrangeboten beschrieben. Es entsteht darüber hinaus ein Bild der lebendigen Gründerkultur und des Unternehmergeistes, es wird deutlich, wie man Leidenschaft wecken, Initiative fördern und Erfolg ermöglichen kann. All denen, die daran mitwirken, dass neue und gute Ideen entwickelt, aufgegriffen und umgesetzt werden, gelten meine guten Wünsche und meine Anerkennung ebenso wie denen, die den ersten Schritt in die Gründung eines eigenen Unternehmens tun. Jeder noch so weite Weg beginnt mit dem ersten Schritt.

Im Oktober 2014

Iris Gleicke

Geleitwort

von Frau Minister Prof. Dr.-Ing. Dr. Sabine Kunst

Innovation ist im zunehmenden Wettbewerb um Wissen und neue Technologien zu einem immer bedeutenderen Faktor geworden – und das nicht nur auf internationaler wie nationaler, sondern insbesondere auf regionaler Ebene.Dies gilt auch für das Land Brandenburg und die Wissenschaftseinrichtungen haben hierbei eine wichtige Funktion als regionale Innovationsmotoren.

Nach wie vor ist Hauptauftrag der acht brandenburgischen Landeshochschulen die Bildung und Ausbildung der Studierenden sowie die grundlagenorientierte und anwendungsnahe Wissensgenerierung, Wissensvermittlung und Wissensverarbeitung. Jedoch haben in den vergangenen Jahren für die Hochschulen insbesondere auch der Wissensund Technologietransfer erheblich an Bedeutung gewonnen. Der Transfer von Forschungsergebnissen in Innovationen in der Wirtschaft und im Dienstleistungssektor ist zentral für die Wettbewerbsfähigkeit des Landes Brandenburgs und die Sicherung und die Schaffung zukunftsfähiger Arbeitsplätze.

Die kooperative Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft zur Entwicklung von Innovationen ist für beide Seiten von Vorteil: die Unternehmen profitieren von den Ideen und dem Know-how aus der Wissenschaft, die Hochschulen können durch den Kontakt zur Wirtschaft ihre Forschung und Lehre weiterentwickeln und zukunftsweisende Technologien rasch auf den Markt bringen.

Innovation ist aber nicht nur die Entwicklung neuer Technologien, Produkte und Dienstleistungen, sondern manifestiert sich vor allem in einer unternehmerischen Denkweise.Als der Hochschulforscher Burton Clark 1998 den Begriff der „Entrepreneurial University“ prägte, verstand er darunter eine Einrichtung, die angesichts tiefgreifender Veränderungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft selbst „etwas unternimmt“. Das Übernehmen von internen und externen unternehmerischen Aufgaben wird mittlerweile als „dritte Mission“ der Hochschulen betrachtet, welche deren klassische Doppelfunktion von Lehre und Forschung ergänzt und sich immer stärker zu einem eigenständigen Aufgabenbereich entwickelt. Eine Hochschule, die –wie die Universität Potsdam – in der Lage ist, in diesem Bereich ihre eigene Identität und ihre eigenen Vorstellungen zu entwickeln, trägt zu einer lebendigen Gründerkultur und einem allgegenwärtigen Unternehmergeist im gesamten Land bei.

Für die Landesregierung ist die Förderung des Wissens- und Technologietransfers, insbesondere auch von Gründungen und hier vor allem von innovativen Ausgründungen aus den Hochschulen und Forschungseinrichtungen schon seit langem ein Politikschwerpunkt. Die für Wissenschaft und Forschung, für Wirtschaft und für Arbeit zuständigen Ministerien haben ihre Förderaktivitäten mit Blick auf das Erreichen optimaler Wirkungen eng miteinander abgestimmt und diese mit den Förderaktivitäten des Bundes verknüpft. Die Landesförderung ermöglichte die Entwicklung hochschulübergreifender wie auch hochschulspezifischer Aktivitäten z.B. in den Bereichen Gründungsservice, Entrepreneurship-Lehre und -Forschung, Weiterbildung für Gründer und Gründungsberater und dem Standortmanagement. Das Engagement der Brandenburger Hochschulen, auch das der Universität Potsdam, wird seit Jahren mit Landes- und EU-Strukturfondsmitteln unterstützt.

Bei der Entwicklung des Potsdamer Modells der Entrepreneurship Education unternimmt die Universität Potsdam mit dem vorliegenden Buch einen „Shift from teaching to learning“ in der universitären Gründungslehre.Dieser beinhaltet das Zusammenführen bereits bestehender und neuer Maßnahmen, Aufgaben und Praktiken bei der Ausübung ihrer unternehmerischen Mission. Das im Buch dargestellte ganzheitliche Konzept einer Entrepreneurship Education unter Einbindung von zahlreichen internen und externen Partnern hat es in Deutschland in dieser Form noch nicht gegeben. Mit diesem Konzept entwickelt die Universität Potsdam einen Ansatz mit Vorbildcharakter. Unternehmerisch denkende Menschen werden so für das Morgen ausgebildet. Es werden Wissens- und Technologietransfer organisiert und geeignete Tools und Werkzeuge für kooperative Zusammenarbeit geschaffen.

Ich wünsche der Universität Potsdam, dieser Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden, die Erforschtes und Erprobtes direkt in die Lehre einfließen lassen, für die weitere Entwicklung zur IdeenUni und unternehmerischen Hochschule alles Gute!

Im Oktober 2014

Sabine Kunst

Wir sind eine IdeenUni

von Oliver Günther, Präsident der Universität Potsdam

Die deutschen Universitäten werden vor stetig zunehmende Herausforderungen gestellt. Neben berufsqualifizierender Lehre, hochklassiger Forschung und kontinuierlichem Wissens- und Technologietransfer übernehmen sie verstärkt Aufgaben in der Weiterbildung.In Zeiten stetigen Wandels und globaler Herausforderungen wird von unseren Absolventen erwartet, dass sie sich flexibel und kreativ mit gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Anforderungen auseinandersetzen. Dafür benötigen sie unternehmerischen Geist, der es ihnen ermöglicht, Chancen zu erkennen und Verantwortung für sich und andere zu übernehmen.

Ideen sind die Basis für Innovationen. Unternehmerisches Denken und Handeln führen Innovationen zur Anwendung.Unternehmensgründungen aus der Wissenschaft so wie Wissens- und Technologietransfer aus der universitären Forschung leisten einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Wohlstand.

Die Universität Potsdam versteht sich als Katalysator für die Entwicklung und Förderung neuer Ideen und der Vermittlung eines solchen unternehmerischen Geistes. Indem wir die universitären Kernbereiche Forschung und Lehre um diesen wichtigen Aspekt ergänzen, stellen wir uns aktiv unserer gesellschaftlichen Verantwortung und positionieren die Universität Potsdam als IdeenUni, als Impulsgeber, Innovationsmotor und wirtschaftlichen Wachstumskern der Region. Ziel ist die Etablierung einer nachhaltigen unternehmerischen Kultur an der Universität. Damit verbunden ist die Initiierung und Begleitung eines Wandlungsprozesses zum Selbstverständnis als unternehmerische Universität. Wobei der Begriff „unternehmerisch“ nicht als wirtschaftsnah oder gar wirtschaftshörig missinterpretiert werden darf, sondern vielmehr auf die Kreativität, Initiative und Umsetzungsfähigkeit der mit der Universität assoziierten Menschen abhebt.

Der Start aller unternehmerischen Aktivitäten sind die vielfältigen Ideen, die fortwährend an der Universität Potsdam entstehen. In der IdeenUni finden sie einen Rahmen und werden sichtbar. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie unterstützt uns und andere Hochschulen bundesweit durch das EXIST-Programm mit dem Ziel, Existenzgründungen aus den Hochschulen signifikant zu steigern. Bei der breiten Palette der gründerfördernden Maßnahmen ist Entrepreneurship Education von ganz besonderer Bedeutung für die langfristige Erreichung dieses Zieles.

Das vorliegende Buch ist ein Schritt auf diesem Weg und bietet seinen Lesern erstmalig eine Übersicht der universitätsweiten Gründerlehre an der Universität Potsdam. In enger Kooperation mit all unseren Fakultäten, Instituten und den mit ihr verbundenen außeruniversitären Einrichtungen ist es uns gelungen, 117 Lehrangebote im Bereich Entrepreneurship Education zusammenzuführen so wie gemeinsam einen pädagogischen Rahmen für Entrepreneurship Education zu entwickeln.

Dieses als Fallbeispiel zu betrachtende Modell der Entrepreneurship Education an der Universität Potsdam mag anderen Hochschulen Anregungen geben, um ihre eigenen Gründungsaktivitäten und -angebote in einem pädagogischen Rahmen zu bündeln und durch die damit erworbene Angebotstransparenz ihren Erfolg nachhaltig zu sichern. In diesem Sinne ist dieses Buch als Inspirationen gebender Leitfaden gemeint – für alle, die sich im deutschsprachigen Raum mit dem Thema Gründung befassen. Ich wünschen Ihnen als Lesern ein anregende Lektüre und viele Ideen, um den unternehmerischen Geist in ihrer Umgebung zu entwickeln und zu stärken!

Ihr

Oliver Günther

Vorwort

Das Potsdamer Modell der Entrepreneurship Education

von Katharina Hölzle, Katja Puteanus-Birkenbach und Dieter Wagner

Das vorliegende Buch ist eine Momentaufnahme, ein Blitzlicht auf eine Situation, die heute so aussieht, morgen aber schon ganz anders aussehen kann. Das Blitzlicht hält für einen kurzen Moment alle Bewegungen statisch fest, erfasst damit aber nur einen Bruchteil des Gesamtprozesses.Bei Maturana/Varela (1987, 29f.) heißt es dazu: „Wenn wir, um das Instrument einer Analyse analysieren zu können, eben dasselbe als Instrument benutzen müssen, so bereitet uns die dabei entstehende Zirkularität ein schwindelerregendes Gefühl. Es ist, als verlangten wir, daß das Auge sich selbst sieht.“ Das in diesem Buch vorgestellte Potsdamer Modell der Entrepreneurship Education soll und kann daher weder eine neue Theorie der Entrepreneurship Education, noch ein theoretischer Ansatz sein. Vielmehr ist es die Darstellung der Genese eines Prozesses, initiiert und getragen von engagierten Personen, deren „Vermächtnis“ nun in den Händen der jetzigen und nachfolgenden Akteure liegt.

Die Universität Potsdam gehört zu den besten Gründungs-Universitäten in Deutschland, was unsere zahlreichen Auszeichnungen belegen. So verwundert es nicht, dass die Anzahl der betreuten Ausgründungen aus der Universität Potsdam stetig steigt. Wir hatten das Glück und die Ehre, unsere Gründungsförderung mit Hilfe diverser Förderprogramme auf europäischer, Landes- und Bundesebene erheblich auszubauen und in unserer Universität zu verankern. In dem von uns 2011 in unserer Bewerbung für das EXIST IV Programm des BMWi vorgelegten Strategiekonzept „Entrepreneurial Value Chains im Netzwerk pearls“ heißt es dazu:

„Die Universität Potsdam wird mit einem integrativen Konzept den Prototyp der unternehmerischen Hochschule entwickeln, der auf andere Hochschulen im In- und Ausland übertragbar ist. [...] Seit Anfang 2009 existiert das Forschungsnetzwerk pearls, in dem die Universität Potsdam mit 17 außeruniversitären Einrichtungen der drei großen Forschungsgemeinschaften einen Verbund eingegangen ist. Damit einhergehende Clusterbildungen [...] sind als Spitzencluster zwischen Wissenschaft und Wirtschaft geplant und betreffen sowohl die Forschung und den Technologietransfer (TT), die regionale und die landesweite Ansiedlungspolitik mit der entsprechenden Innovationsstrategie der Länder Berlin und Brandenburg. Der Wissens- und Technologietransfer der Universität Potsdam soll hier für Brandenburg eine führende und zugleich integrative Rolle spielen. Um diesen Beitrag mittel- und langfristig wirksam leisten zu können, muss die Universität Potsdam immanente Gründungspotenziale im Netzwerk pearls wertschöpfend entwickeln und eine nachhaltige Entrepreneurship-Kultur als fakultätsübergreifendes Dach entwickeln. Tragende Säulen werden das branchen- und phasendifferenzierte Technologiescouting und die Entrepreneurship Academy sein.“

Das in den letzten drei Jahren aufgebaute und hier dokumentierte Potsdamer Modell der Entrepreneurship Education sieht sich der persönlichen Entwicklung des Einzelnen verpflichtet. Dabei sind wir geprägt durch den Effectuation-Ansatzes von Sara Sarasvathy et al (2010) hinsichtlich der

Ein weiterer richtungsgebender Teil des Potsdamer Modells ist die von Richard Florida (2004)beschriebene „creative class“. Diese ist für uns eine aktiv handelnde und ihre Umwelt gestaltende Gruppe, derer wir mit unserer Entrepreneurship Education die Qualifikation vermitteln, unternehmerisch zu denken, im Sinne von „etwas unternehmen“ und „aktiv gestalten“. Und das auch, wenn Studierende, Mitarbeiter oder Universitätsangehörige später in Angestelltenverhältnisse gehen und/oder bleiben. Dementsprechend zählt bei uns also nicht nur die Ausgründungsquote.

In der Entrepreneurship Education lebt die Universität Potsdam einen Methodenmix und eine vielfältige Zusammenstellung von didaktischen Ansätzen, so wie den Grundsatz der Freiheit von Forschung und Lehre.Vertreten wird eher ein bottom-up- als ein top down-Ansatz und im Vordergrund steht die Anerkennung des jeweiligen Individuums. Entrepreneurship Education wird in curricularen und in außercurricularen Lehrangeboten vermittelt, wobei, und dies ist sicherlich eine Besonderheit der Universität Potsdam, auch curriculare Angebote für unterschiedliche Zielgruppen offen sind, mit natürlicher Teilnehmerbegrenzung aufgrund personeller und räumlicher Ressourcenknappheit. Trotz ihrer noch recht jungen Geschichte verfügt die Universität Potsdam über ein großes Netzwerk und arbeitet intern und extern kollaborativ und kooperativ. Um alle Mitglieder, Partner, Freunde und Förderer unserer Universität aufzurufen an der Weiterentwicklung des Potsdamer Modells der Entrepreneurship Education mitzuwirken, hat die Universität Potsdam eine Magna Carta (siehe MAGNA CARTA, Seite XI) formuliert, die provokativ und richtungsweisend unseren Weg zur unternehmerischen IdeenUni prägt.

Mit unserem nachfolgend in seinen Einzelbestandteilen skizzierten Modell der Entrepreneurship Education haben wir eine institutionelle Verankerung der Gründungsförderung gewählt, die zu unserer Kultur in Forschung, Lehre und Verwaltung passt und etablierte Wege des Austausches nutzt. Wir verfolgen Gründungsförderung als ein ganzheitliches Konzept, welches Lehre, Forschung und Beratung einschließt. Das gründungsrelevante Umfeld wird aktiv in die Sensibilisierung und Förderung eingebunden und wir schaffen mit diesem Buch eine Sichtbarkeit für alle intern und extern Interessierten. Ihre Verankerung findet die Entrepreneurship Education in der Entrepreneurship Academy bei Potsdam Transfer, der zentralen wissenschaftliche Einrichtung der Universität Potsdam. Potsdam Transfer steht dabei für ein innovatives Format des Wissenstransfers – sei es durch Gründung, Kooperation mit der Wirtschaft, Patente, Weiterbildung oder Personaltransfer.

Unsere Vorgehensweise spiegelt (unbewusst bewusst) die Empfehlungen des Gründerradars 2012 wieder, wobei wir bei drei der dort angeführten Empfehlungen noch nicht so weit sind wie wir gerne wären. Wir werden uns neben dem weiteren Auf- und Ausbau unserer Entrepreneurship Academy Aktivitäten der systematischen Dokumentation und Nachverfolgung unserer Gründungen und einem universitätsübergreifenden Alumni-Gründer-Konzepts, um Gründer aktiv in die Angebote der Entrepreneurship Academy als Mentoren, Coaches oder Feedbackgeber einzubinden, widmen. Darüber hinaus gilt es, in den nächsten Jahren nachhaltige und selbstragende Finanzierungsmöglichkeiten für unsere Gründungsförderung zu schaffen. Wir müssen zudem noch mehr Anreize für Transferaktivitäten schaffen, beispielsweise durch ein Modell der leistungsbezogenen Besoldung.

Ausblick

Dieses Buch richtet sich an Menschen, die sich dem Thema Entrepreneurship Education verschrieben haben und Interesse haben, mit uns gemeinsam weiter zu denken: Was heißt es, eine unternehmerische Hochschule zu sein? Wie können und wollen wir mit allen Beteiligten und den damit einhergehenden Konflikten umgehen? Was können und müssen wir sinnvollerweise anbieten? Wie können gemeinsame, transparente Netzwerke aufgebaut werden? Ist die Entwicklung individueller gründerspezifischer Curricula sinnvoll? Welche Selbst-, Sozial-, und Methodenkompetenzen benötigen unsere Studierenden, um in der Zukunft unternehmerische Handlungskompetenz an den Tag zu legen?

Diese Fragen möchten wir mit Ihnen erörtern und diskutieren.

Gestern. Heute.Morgen.

Ihre

Katharina HölzleKatja Puteanus-BirkenbachDieter Wagner

Quellen

Florida, Richard, (2004): „The Rise of the Creative Class: And How It's Transforming Work, Leisure, Community, and Everyday Life“. Basic Books.

Maturana, Humberto R. & Varela, Francisco J. (1987): Der Baum der Erkenntnis (OT: El árbol del concocimiento); Scherz Verlag.

Read, S.; Sarasvathy, S.; Wiltbank, R.; Dew, N. & Ohlsson, A. (2010): „Entrepreneurship“ Abingdon, New York, Routledge.

Strategiekonzept „Entrepreneurial Value Chains im Netzwerk pearls“ (2011) – nur intern verfügbar.

Angaben zu den Autoren finden sich im Anhang unter Autoren Kurzbiografien, S. 347.

Magna Carta der ENTREPRENEURSHIP EDUCATION

Die Universität Potsdam versteht Entrepreneurship Education als Ausbildung in unternehmerischer Handlungskompetenz, die als Schlüsselqualifikation theoriegeleitet, aber stets praxisorientiert zu vermitteln ist.

Mit diesem Angebot ermöglicht die Universität den mit ihr assoziierten Individuen, Organisationen, Institutionen und Unternehmen die Aneignung einer unternehmerischen Grundhaltung. Wobei der Begriff „unternehmerisch“ nicht als wirtschaftsnah oder gar wirtschaftshörig missinterpretiert werden darf, sondern vielmehr auf die Kreativität, Initiative und Umsetzungsfähigkeit der mit der Universität assoziierten Menschen abhebt. ENTREPRENEURSHIP EDUCATION ermöglicht es, im Sinne eines lebenslangen Lernens, nicht nur das eigene Fachwissen stets auf dem aktuellen Stand zu halten, sondern auch die eigene Persönlichkeitsentwicklung und die damit verbundenen fachlichen, methodischen und sozialen Kompetenzen voranzutreiben.

Lebendige Gründungskultur an der Universität Potsdam bedeutet die Verankerung von gründungsrelevanten Lehrangeboten in zahlreichen Fachbereichen. Jeder Studierende sollte sich im Laufe seines Studiums mit dieser Thematik auseinandergesetzt und im Idealfall auch unternehmerische Handlungskompetenz erworben haben. Dies heißt nicht, dass alle Studierenden, Absolventen und Mitarbeiter der Universität Gründer werden sollen. Einschlägige Lehrangebot können sie aber befähigen, in ihren zukünftigen Aufgabenbereichen im o.g. Sinne „unternehmerisch“ zu denken und zu handeln.

Die Universität Potsdam versteht sich im Kontext der Entrepreneurship Education als ambidexterale Organisation:

(a) Unsere sich in der Kombination stets an den aktuellen Trends und Forschungserkenntnissen anlehnenden Lehrangebote dienen denjenigen, die unternehmerisches Denken als Persönlichkeitsentwicklung verstehen und auf diese Weise ihre Umgebung aktiv gestalten wollen (EXPLORATION).

(b) Wir wollen die Zahl der Ausgründungen aus unserer Universität kontinuierlich steigern und bieten dafür im Rahmen der klassischen Entrepreneurship Education Gründungssensibilisierung, -beratung, -coaching bis hin zur aktiven Starthilfe an (EXPLOITATION).

Handlungsleitend sind für uns die Begriffe Kollaboration und Kooperation: Die Qualität unserer Lehre wird vor allem durch ein integratives miteinander Arbeiten und miteinander Wollen mit unseren internen und externen Partnern ermöglicht.

Perspektivisch möchte die Universität Potsdam deutschland- und europaweit als unternehmerische IDEENUNI bekannt und besucht werden: als Universität, die unternehmerisch denkt und auch Unternehmer von morgen ausbildet, begleitet und deren Erfolg mit ermöglicht.

Teil 1

Die unternehmerische Mission von Universitäten als ein Synonym für ihr gewandeltes Selbstverständnis

von Katja Reisswig

Zusammenfassung (Einleitung)

Das Umfeld und die Rahmenbedingungen von Universitäten haben sich stark gewandelt. Universitäten werden mit einer wachsenden Anzahl an Aufgabenstellungen konfrontiert. Sie sind Ausdruck für den veränderten Stellenwert von Universitäten, den sie heute für Wirtschaft und Gesellschaft haben. Darin spiegelt sich ein gesellschaftlicher Wandel wider, der in den letzten Jahrzehnten begonnen hat. Wissen als Ressource hat an Bedeutung gewonnen. Wir leben heute in einer auf Wissen als Ressource und Produktivfaktor aufbauenden Wissensgesellschaft (vgl. Moldaschl &Stehr 2010, S. →ff.). Wissensinstitutionen, wie Universitäten, kommt hierbei ein veränderter Stellenwert zu. Er manifestiert sich an veränderten Aufgabenstellungen, Anforderungen und Erwartungen. Besonders deutlich wird dies an der Übernahme unternehmerischer Aufgaben und dem Wandel hin zur „unternehmerischen Universität“.

Paradigmenwechsel an Hochschulen

Obwohl Universitäten schon immer mit unterschiedlichen Ansprüchen und Erwartungshaltungen konfrontiert wurden, war ihr Aufgabenfeld lange Zeit überschaubar und klar eingegrenzt. Die Hauptaufgabe von Universitäten bestand darin, Lehre und Forschung zu betreiben. In jüngster Zeit findet ein Paradigmenwechsel an Hochschulen statt. Dieser treibt sie immer mehr in die Nähe von Unternehmen und wird unter dem Begriff „unternehmerische Universität“ diskutiert (vgl.Baumeler 2009, S. →; Pehse & Kaiser 2009, S. →; Clark 1998). Damit einher gehen Erwartungen an Universitäten, sich als „selbst steuernde organisationale, unternehmerisch funktionsfähige Einrichtungen auf einem universitären Markt“ zu betrachten (Maasen & Weingart 2006, S. →). Dieser Paradigmenwechsel verändert das deutsche Hochschulsystem nachhaltig. Er bedingt weitreichende Änderungen, die mit einer Neu- bzw. Umgestaltung von Universitäten einhergeht und sich langfristig auf die organisatorische Ausgestaltung von Universitäten, ihre Strukturen, Funktionen, Kulturen und ihr gewachsenes Selbstverständnis auswirkt.

Unternehmerische Universität:

Ein Grund dafür ist, dass Hochschulen in jüngster Vergangenheit eine gesellschaftspolitische und sozioökonomische Aufwertung erfahren haben. Sie gelten als Orte der Wissensproduktion und werden zu Schlüsselakteuren in wirtschaftlichen Systemen (vgl. Fritsch et al. 2008, S. →). Durch eine wirtschaftliche Verwertung soll das in ihr erzeugte Wissen der Gesellschaft zugänglich gemacht werden (vgl. ebd., S. →). Wissen gilt in der heutigen Zeit als eine bedeutende Ressource (vgl. Moldaschl & Stehr 2010, S. →; Haan & Poltermann 2002). Es ist inzwischen zu einem kommerzialisierbaren Gut geworden (vgl. Gulbrandsen & Audretsch 2008, S. →), welches die Basis für Innovationen und den Nährboden für wirtschaftliche Entwicklungen bildet.

Es wird für wirtschaftliche Zwecke genutzt, mit dessen Hilfe sich Innovationsprozesse realisieren lassen (vgl. Hormuth &Schulze 2008, S. →; Iking & Schönwald 2005, S. →). Hochschulen gelten hierbei als „major economic actor“ (Chiesa & Piccaluga 2000, S. →), als Hauptakteure im Wirtschaftssystem. Sie werden als „Katalysatoren für wirtschaftliche Zielsetzungen“ betrachtet (vgl. Harman & Harman 2004, S. →). Universitäten gelten ferner als fester Bestandteil nationaler Innovationssysteme (vgl. Weingart 2001, S. →).

Diese veränderten Erwartungshaltungen bringen tief greifende Veränderungen für das Hochschulsystem als Ganzes sowie für jede einzelne Hochschule mit sich. Universitäten sind gefragt, auf diese veränderten Ansprüche und Erwartungen zu reagieren. Sie stehen im Fokus eines öffentlichen Interesses (vgl. Etzkowitz & Leyesdorff 1997). Es treten neue Stakeholder (Anspruchsgruppen) auf den Plan, die ihre Ansprüche an sie artikulieren.

Übernahme von „unternehmerischen Aufgaben“ durch Universitäten

Zu diesen Anspruchsgruppen zählen insbesondere Akteure aus Politik und Wirtschaft. Sie adressieren die Erwartung an Universitäten, wie auch an andere Forschungseinrichtungen, ihre Ergebnisse in marktfähige Produkte und Dienstleistungen zu übersetzen. Universitäten sollen selbst zum Motor für Innovationen werden. Der Druck auf sie wächst, Forschungsergebnisse zu kommerzialisieren und sie externen Akteuren zugänglich zu machen (vgl. Reisswig 2014, S. →). Daran wird eine zunehmende Verflechtung von Wissenschaft, Staat und Wirtschaft deutlich. Öffentliche Forschungsausgaben dienen immer mehr wirtschaftlichen Zwecken. Ebenso gewinnt die Anwendungsorientierung bei Forschungsvorhaben an Bedeutung.Hochschulen sind immer mehr gefragt, einen Beitrag für die Entwicklung neuer Technologien zu leisten und zugleich für die Ausbildung von hochqualifizierten Arbeitskräften Sorge zu tragen. Damit soll auf veränderte Wettbewerbsbedingungen reagiert werden (vgl. BMBF 2009, S. →).

Für die Umsetzung dieser Aufgaben und Anforderungen ist ein verändertes Selbstverständnis von Universitäten nötig, welches sich ebenso in ihren Strukturen, Strategien und Zielsetzungen widerspiegelt (vgl. EFI Gutachten 2010, S. →). Der Wandel der organisationalen Strukturen und die Transformation des Hochschulsystems sollen Universitäten auf zukünftige Aufgaben vorbereiten. Das Ziel und die Aufgabe ist es, Hoch-schulen in moderne, steuerbare Organisationen zu transformieren.

Transformation von Universitäten

Die damit einhergehenden Anforderungen an Universitäten sind hoch. Sie erfordern eine weitreichende Um- und Neugestaltung von Universitäten, damit sie den gewachsenen Ansprüchen gerecht werden. So hat sich einerseits das Aufgabenspektrum von Universitäten in den letzten Jahren erweitert und sind viele über die Lehre und Forschung hinausgehende Aufgaben hinzu gekommen. Andererseits sind die Qualitätsansprüche an bestehende Aufgabenbereiche gestiegen. Parallel dazu wurden die Handlungsspielräume von Hochschulen in den letzten Jahren erweitert und ihre Autonomie vergrößert. Zugleich wurden Wettbewerbsbedingungen unter ihnen geschaffen. Beides diente dem Ziel, die Leistungsfähigkeit von Hochschulen zu erhöhen (vgl. Sonntag et al. 2008, S. 421f.; Müller-Böling 2007, S. →). Dies wirkte sich wiederum auf die Gestaltung ihrer Governance-Strukturen aus (vgl. Gläser et al. 2008, S. →; Benz et al. 2007, S. →). Diese Veränderungen betreffen sowohl die gesamte Hochschule und durchdringen klassische Aufgabenbereiche, wie Lehre und Forschung gleichermaßen, als auch neue Aufgabenbereiche, wie die nachfolgenden Abschnitte verdeutlichen.

Administrative Aufgaben von Hochschulen

Hochschulen haben Ende der 1990er Jahre aus den Länderministerien Steuerungskompetenzen für mehr Autonomie übertragen bekommen (vgl. Storm 2008, S. →). Das eröffnete ihnen neue Gestaltungsspielräume (vgl. HRK 2005, S. →f.). Zudem wurde die Detailsteuerung durch die Einführung von Zielvereinbarungssystemen ersetzt. Gemeinsam mit der Politik wurden hochschulspezifische Ziele vereinbart, die in entsprechenden Landeshochschulgesetzen festgeschrieben und später durch die Politik evaluiert wurden (vgl. Wissenschaftsrat 2000, S. →). Das führte zu einer gesteigerten Rechenschaftspflicht seitens der Hochschulen. Daneben wurden Hochschulräte eingeführt, die sich aus Mitgliedern der Öffentlichkeit, Wissenschaft und anderen teils staatlichen Instanzen zusammensetzen (vgl. Teichler 2009, S. 428). Eine weitere Neuerung betraf die Einführung von Evaluationsmechanismen (vgl. Kromrey 2003, S. →).

All diese Maßnahmen dienten dazu, Hochschulen an veränderte Wettbewerbsbedingungen anzupassen, eine stärkere Profilbildung zu forcieren und ihre Leistungsfähigkeit zu steigern(vgl. Laske et al. 2006, S. →). Gleichzeitig dienten sie der Stärkung der Führung. Sie ermöglichten eine diversifizierte finanzielle Basis und den verstärkten Einsatz von betriebswirtschaftlichen Konzepten. Zugleich erhielten Universitäten mit der Übergabe an Freiräumen und der Eröffnung an Handlungsspielräumen mehr Verantwortung übertragen. Diese brachte einen erhöhten Bedarf an interner Steuerung mit sich. Hochschulen sollten in die Lage versetzt werden, eigene Stärken und Schwächen zu identifizieren sowie geeignete Hochschulstrategien zu entwickeln.

Weiterhin wurden Messinstrumente eingeführt, die die Erfolge der Maßnahmen ermitteln sollen, beispielsweise die Höhe der eingeworbenen staatlichen und privatwirtschaftlichen Mittel oder inwieweit hochqualifizierter wissenschaftlicher Nachwuchs angeworben wurde.Maasen und Weingart sehen darin die Übernahme von Praktiken aus dem Reich der Wirtschaftswissenschaften, des Managements und der Unternehmensberatung. Für sie bedeutet es eine „managerial revolution“ des Hochschulsystems (vgl. 2005, S. →).

Wissensvermittelnde Aufgaben von Hochschulen

Mit Einführung der Bologna-Reform Ende der 1990er Jahre erfolgte ein tiefgreifender Wandel im deutschen Hochschulsystem, die eine Neuordnung des Studiensystems zur Folge hatte.Ziel der Bologna-Reform war es, die Studienabschlüsse im europäischen Hochschulsystem zu vereinheitlichen und die Studienzeiten zu verkürzen sowie die Abbrecherquoten zu verringern. Zugleich wurde damit eine Internationalisierung der Studienabschlüsse beabsichtigt (vgl. BMBF 2009, S. →). Die Umsetzung der Bologna-Reform und die Einführung von gestuften Studiengängen zogen einen gewaltigen Mehraufwand für Hochschulen nach sich. Zeitgleich stieg, aufgrund der Verkürzung der regulären Schulzeit auf 12 Jahre, die Nachfrage nach Studienplätzen (vgl. Wissenschaftsrat 2006, S. →f.).

Neben den strukturellen Änderungen des Studiensystems und der Abschlüsse erfolgte im Bereich der Lehre eine Einführung neuer Lern- und Lehrmethoden. Zudem stiegen die Qualitätsansprüche an die Lehre insgesamt (vgl. Raidl 2006, S. →). Sie betreffen sowohl die Lerninhalte und eine stärkere Einbindung der Studierenden wie auch die Art der Lehrmittel und -methoden. Zudem wird im Bereich der Lehre mehr Anwendungsorientierung des vermittelten Wissens gefordert. Das Lehrpersonal steht damit vor der Herausforderung, einerseits wissenschaftlich anspruchsvolle Erkenntnisse zu vermitteln und andererseits die Studierenden auf zukünftige Arbeitsmärkte vorzubereiten (vgl. Müller-Böling 2007, S. →). Die Erwartung an Hochschulen ist, dass sie den steigenden Bedarf an Fach- und Führungskräften decken und damit auch den gestiegenen Anforderungen am Arbeitsmarkt nachkommen.

Hinzu kommt, dass sich nicht länger nur auf die Vermittlung von reinem Fachwissen konzentriert wird, sondern ebenso auf die Vermittlung von sozialen Kompetenzen und Fähigkeiten, d.h. die sogenannten Soft Skills im Fokus stehen. Diese Schlüsselkompetenzen spielen beispielsweise in der Entrepreneurship Education eine zentrale Rolle. Dieser Bereich hat in den vergangenen Jahren an Hochschulen ebenfalls eine Aufwertung erfahren. Es wurde erkannt, dass gerade Hochschulabsolventen über ein vielversprechendes Gründungspotenzial verfügen. Viele innovative Gründungsprojekte werden insbesondere von Studierenden und Absolventen realisiert, die nun an Hochschulen das entsprechende Rüstzeug für Gründungsvorhaben vermittelt bekommen.

Ein weiteres Aufgabenfeld für Hochschulen im Bereich Wissensvermittlung stellt die Weiterbildung dar.Hier sind Hochschulen gefordert, sich neuen Zielgruppen zu öffnen und externen Mitarbeitern Weiterbildungsangebote in Form von Seminaren und Workshops zu unterbreiten, die diese zum Teil berufsbegleitend wahrnehmen können. Dieser Anspruch verkörpert das „Prinzip des lebenslangen Lernens“, welcher die Beschäftigungsfähigkeit der Erwerbstätigen auf lange Sicht und in sich rasch wandelnden Arbeitsmärkten sicherstellen soll (vgl. Maurer 2010, S. 852ff.).

Der Bereich Weiterbildung stellt eine Erweiterung des Aufgabenfeldes Lehre dar. Zu ihm zählen auch neue Lehrangebote und -formen, ebenso wie die weiterführenden Masterstudiengänge. Für Universitäten erschließen sich damit weitere Einnahmequellen (vgl. Wissenschaftsrat 2006, S. →), da die Angebote in der Regel kostenpflichtig sind oder durch externe privatwirtschaftliche oder öffentliche Förderungen finanziert werden.

Wissensproduzierende Aufgaben von Hochschulen

Doch nicht nur in der Lehre gab es umfangreiche Änderungen und Anpassungen in den vergangenen Jahren, auch im Bereich der Forschung hat sich viel getan und sind die Ansprüche generell gestiegen. So wurde unter dem damaligen amtierenden Bundeskanzler Gerhard Schröder im Jahr 2006 eine „Exzellenzinitiative“ ins Leben gerufen (vgl. Hartman 2010, S. →), die mit der Zielstellung verbunden war, Universitäten als „Einrichtungen der Spitzenforschung“ zu etablieren, um ihre internationale Konkurrenzfähigkeit zu stärken.

Lange Zeit wurde das Primat der Spitzenforschung den außeruniversitären Forschungseinrichtungen überlassen. Das sollte sich nun ändern. Es wurden Ressourcen verstärkt in besonders forschungsaktive Bereiche an Universitäten konzentriert und Zentren der Spitzenforschung eingerichtet (vgl. BMBF 2009, S. →f.). Zugleich wurde die interdisziplinäre Ausrichtung von Forschung forciert. Forschung sollte stärker als bisher in einem fachübergreifenden Kontext erfolgen. Zeitgleich wurde auch die Anwendungsorientierung der Forschungsarbeit verstärkt. Letzteres sollte insbesondere die Verfügbarkeit von Forschungsergebnissen für kommerzielle Zwecke sicherstellen, damit diese für die Umsetzung von Innovationen zur Verfügung stehen (vgl. Cardozo et al. 2010, S. →).

Wissenstransferierende und unternehmerische Aufgaben von Hochschulen

Damit kommen wir zu einem weiteren Aufgabenfeld von Universitäten, dem Transfer von Wissen und neuen Forschungsergebnissen. Über den Aufgabenbereich Wissensund Technologietransfer (WTT), der ebenfalls fest an Hochschulen verankert wurde, soll die Übersetzung von wissenschaftlichen Erkenntnissen, Entwicklungen und Neuentdeckungen in innovative Produkte, Dienstleistungen und Technologien am Markt erfolgen. Damit einher geht eine Öffnung des Wissenschafts- und Hochschulsystems hin zu externen Akteuren aus Wirtschaft und Gesellschaft.

Der WTT dient der Verbreitung des in Hochschulen erzeugten Wissens, aber auch dem wechselseitigen Austausch zwischen unterschiedlichen Akteuren aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft. Nach Etzkowitz stellt der Transfer eine Erweiterung der traditionellen Aufgaben von Hochschulen in Lehre und Forschung dar. Er wurde als Aufgabenbereich institutionalisiert. Mit seiner gesetzlichen Verankerung wird der gesellschafts- und wirtschaftspolitische Wille zum Ausdruck gebracht, dass in Hochschulen gewonnene Wissen zu nutzen und für weitergehende Zwecke verfügbar zu machen (vgl. Röpke 1998, S. →ff.).

Gerade im Bereich des WTTs spiegeln sich die veränderten gesellschaftlichen Erwartungen an Hochschulen wider.Wissen als Ressource spielt bei Innovationsprozessen eine zentrale Rolle, wobei der WTT als Interaktions- und Austauschprozess vom Begriff Entrepreneurship abzugrenzen ist, bei dem laut Audretsch et al. die kommerzielle Verwertung von Wissen und Technologien im Vordergrund steht (vgl. 2002, S. →). So schließt der WTT eine Verwertung nicht aus, ist jedoch als Begriff weiter zu fassen.

Hinzu kommt, dass zwischen formalen und informalen Transferaktivitäten zu unterscheiden ist (vgl. Fritsch et al. 2008, S. →; Grimpe & Hussinger 2008, S. →). Wissen und Technologien können auf vielfältige Art und Weise transferiert werden (vgl. Fontes 2005, S. →). Beim informalen Transfer erfolgt der Austausch auf einer nicht-vertraglichen Basis und beinhaltet eine eher ungezielte Interaktion von Akteuren. Beim formalen Transfer besteht hinsichtlich des Austauschs und Transfers meist eine konkrete Absicht, die in der Regel auch vertraglich festgeschrieben wird (vgl. Grimpe & Hussinger 2008, S. →). Hierzu zählen beispielsweise Forschungskooperationen (vgl. Frank et al. 2007, S. →), Wissenschaft- und Industriekooperationen durch Joint Ventures mit Universitätsbeteiligung (vgl. Siegel 2006, S. →), gemeinsam von Wissenschaft und Industrie betriebene Forschungseinrichtungen (vgl. Cohen et al. 2002), Patente und Lizenzen (vgl. Thursby & Kemp 2002), akademische Spin-Offs (vgl. Shane 2004, S. →) sowie Consulting (vgl. Frank et al. 2007, S. →).

Beim informalen Transfer hingegen geht es vorzugsweise um nicht-vertragliche Interaktionen, wie beispielsweise Gespräche und Meetings, Konferenzen und Publikationen zwischen Akteuren aus unterschiedlichen Bereichen (vgl. Grimpe & Hussinger 2008, S. →). Wobei sich informale und formale Transferaktivitäten nicht immer klar voneinander abgrenzen lassen.

Wachsende Bedeutung von Kooperationen

Der Anbahnung von Kooperationen zwischen Akteuren aus Wissenschaft und Wirtschaft kommt eine besondere Bedeutung zu. Das Ziel ist es, Netzwerke zwischen Universitäten, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Unternehmen zu etablieren, die einen regelmäßigen Austausch ermöglichen. Der Staat unterstützt diese Art von Kooperationen mit Förderprogrammen und Maßnahmen, wodurch sich Forschung und Praxis stärker als bisher miteinander verzahnen sollen. Damit einher geht die Vorstellung, dass Universitäten und Unternehmen beidseitig vom Austausch profitieren.

Unternehmen erhalten Zugriff auf externe Forschungsquellen, die sie wiederum für ihre Innovationsprozesse nutzen können. Für Universitäten gehen damit neue Einnahmequellen einher, beispielsweise in Form von Lizenzeinnahmen. Zudem eröffnen sich über den Transfer und die Anbahnung enger Kooperationen neue Karriereperspektiven für Hochschulabsolventen und den wissenschaftlichen Nachwuchs (vgl. Hormuth & Schulze 2008, S. →). Für beide Seiten resultiert daraus eine Win-Win Situation (vgl. Reisswig 2014, S. →). Universitäten erhalten eine stärkere Nähe zur Praxis und können damit dem Wunsch nach mehr Anwendungsorientierung nachkommen. Das lässt sie attraktiver für Studierende und Wissenschaftler werden. Sie können sich zudem weitere Ressourcen erschließen.

(vgl. Franke et al. 2007, S. →)