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Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 9783748194453
Die Themen der einzelnen Bände der Reihe „Die Götter der Germanen“
Die beiden wichtigsten Wolfs-Motive in der germanischen Kultur und Religion sind zum einen der Fenris-Wolf und zum anderen der Wolf als Symbol des Kriegers (siehe „Ulfhedin“ in Band 62). Daneben spielen noch die beiden Wölfe Geri und Freki, die den neuen Göttervater Odin begleiten, sowie der Hel-Wächter Garm eine größere Rolle.
Die Symbolik der Wölfe und der Hunde stimmt in weiten Teilen überein, weshalb sie in diesem Buch beide zusammen betrachtet werden – erst die Wölfe und dann die Hunde.
Der Wolf wurde vor ca. 40.000 Jahren domestiziert, d.h. von den Menschen gezähmt, woraufhin diese Wölfe als Begleiter der Menschensippen gelebt haben. Erste kleine Unterschiede zu Wölfen finden sich bei den Hunden, die vor 15.000 Jahren am Jangtsekiang in China zusammen mit den dortigen Menschen gelebt haben. Die Wölfe wurden vom Homo sapiens domestiziert, der vor 50.000 Jahren von Afrika aus in Eurasien eingewandert ist.
Die Hunderassen, die sich deutlich von dem Wolf unterscheiden wie z.B. Dackel oder Pudel, gibt es wahrscheinlich erst seit dem Mittelalter. Die ersten sicher nachweisbaren Zuchtversuche stammen von ca. 800 v.Chr., wobei es damals nur um geringe Unterschiede in der Körpergröße und Kopfform ging.
Zu der Zeit der schriftlichen Überlieferung der Germanen (700-1350 n.Chr.) und auch während der Kultur der ursprünglichen Indogermanen (7000-2800 v.Chr.) unterschieden sich Hunde von Wölfen im Wesentlichen nur durch ihre Zähmung, aber kaum durch ihr Aussehen, wodurch beide eine sehr ähnliche Symbolik erhalten haben.
Das ursprüngliche eurasiatische, altsteinzeitliche Wort für den Wolf lautete „kunja“ – möglicherweise bedeutet dieser Name „Staubfarbener“ im Sinne von „Grauer“, aber das ist unsicher.
Das Wort „kunja“ ist von den Indogermanen zwischen ihrer Entstehung um 7000 v.Chr. und ihrer Aufteilung in verschiedene Völker um 2.800 v.Chr. durch die Worte „ulkos“ (Wolf) und „ulkia“ (Wölfin) ersetzt worden, die sich von dem Verb „wel“ für „reißen“ ableiten. Der Wolf ist von ihnen also der „Reißer“ bezeichnet worden. Da die Indogermanen damals halbnomadische Viehzüchter gewesen sind, bezieht sich dieses „Reißen“ sicherlich auf das Töten und Fressen der Schafe, Pferde und Rinder der damaligen Indogermanen – der Wolf ist der Feind der Viehzüchter …
Das anlautende „u“ des indogermanischen „ulkos“ ist wie in fast allen Worten, die mit „u“ beginnen, bei den West-Indogermanen zu einem „w“ geworden, sodaß aus dem „ulkos“ ein „wulkos“ wurde.
Nach der Teilung der Westindogermanen in einen slawischen-baltischen Zweig und einen römisch-keltisch-germanischen Zweig hat sich bei dieser zweiten Gruppe, die der westlichste Ausläufer der Indogermanen ist, das „k“ in sehr vielen Worten in ein „f“ verwandelt, sodaß aus dem ursprünglichen indogermanischen „ulkos“ über das westindogermanische „wulk(os)“ das westliche „wulf(os)“ wurde. In diesem Wort hat sich dann mit der Zeit das „u“ in vielen Fällen in ein „o“ abgeflacht, sodaß schließlich das deutsche Wort „Wolf“ entstand.
In der folgenden Übersicht stehen die Endungen des Substantivs „Wolf“ in Klammern.
Entwicklung des Wortes „Wolf“ | |
Sprache | Bezeichnung für „Wolf“ |
eurasiatisch | kunja |
indogermanisch (Umbenennung als „Reißer“) | ulk(os) |
west-indogermanisch | wulk(os) |
lateinisch-keltisch-germanisch | wulf(oz) |
germanisch | wulf(az) |
altnordisch | ulf(r), ylf(r) |
deutsch | Wolf |
Der Name „Wolf“ | |||||||
ost-indogermanisch: ulkos | urka | Sanskrit: vrka (Wolf), vrki (Wölfin) | |||||
Avestisch: vehrka | |||||||
ulkos | Griechen: lukos | ||||||
Albaner: ujk | |||||||
süd-indogermanisch: wulw | Luvier: walwai (Umbenennung als „Löwe“) | ||||||
eurasiatisch: kunja | indogermanisch (neues Wort): |
west-indogermanisch: wulk | wulf | wulf | Römer: vulpes, lupus | ||
ulkos, ulkos, |
Kelten: vailos | ||||||
Tocharer: walkwe | |||||||
Goten: wulfs | |||||||
Germanen: wulfaz |
Südgermanen: wulf |
althochdeutsch: wolf mittelhochdeutsch: wulf neuhochdeutsch: Wolf |
|||||
altsächsisch: wulf, wolf | |||||||
Nordgermanen: wulf |
altnordisch: ulfr, ylfr | ||||||
angelsächsich: wulf altenglisch: wolf neuenglisch: wolf |
|||||||
altfriesisch: wolf neufriesisch: wolve |
|||||||
mittelniederländisch: wulf neuniederländisch: wolf |
|||||||
vulk | Russen: volk | ||||||
Lithauer: vilkas |
Es gab mehrere verschiedene altnordische Begriffe für „Wolf“, „Wölfin“ und „Wolfs-Welpe“. Es scheint jedoch keine Bezeichnung für „Rudel“ gegeben zu haben. Das deutsche Wort „Rudel“ leitet sich von dem Wort „Rüde“ ab, das ursprünglich „großer Hetzhund“ bedeutet hat. Die Nordgermanen benutzten für ein Wolfsrudel den Begriff „sveit“, der „Trupp, Abteilung, Schar“ u.ä. bedeutete und primär für Krieger benutzt worden ist.
ulfr | Wolf |
ylgr | Wolf |
ylgja | Wölfin |
vargynja | Würgerin = Wölfin |
ulf-hvelpr | Wolfs-Welpe (Junges) |
Unter den Kenningarn gibt es viele, die das Leben der Wölfe im Rudel zum Thema haben:
Wölfe | staubiges Rudel | Thordr | (Skaldskaparmal) | |
Wölfe | die scharfäugige Unheil-Bande des Waldes | anonym | Olafs drapa Tryggvasonar |
|
Wölfe | Gefährten des Wolfes | Minimal-Kenningar | Einarr Skulason | Runhenda |
Thordr Kolbeinsson | Eiriksdrapa | |||
Wolf | Gatte der Wölfin | Sigvatr Thordarson | Erfidrapa Olfas des Heiligen |
|
Wölfe | üble Sippe der Wölfin | Arnorr | (Skaldskaparmal) | |
Wölfe | Nachkommen des Wolfes | Bjarni Bischof Kolbeinsson |
Jomsvikingadrapa |
In dem folgenden Runen-Vers wird nichts Spezielles über den Wolf mitgeteilt …
Fehu-Rune (= Gold) bringt Streit in der Familie;
der Wolf frißt im Wald.
Wölfe lebten in der Wildnis, d.h. in der Heide (im Sinne von „unbewaldetes Ödland“) und im Wald. Da „Heide“ auch eine häufige Umschreibung für „Ort, an dem die Hügelgräber stehen“ benutzt worden ist, wurden die Wölfe als „Heide-Bewohner“ auch mit dem Jenseits assoziiert.
Wolf | Heide-Gänger | Heide = Wildnis und Jenseits |
Thjodolfr Arnorsson |
Sexstefja |
Thorbiorn Brnuison | Heidarviga-Saga | |||
Wolf | Heide-Tier | Hallr | (Skaldskaparmal) | |
Wolf | Heide-Bewohner | Snorri Sturluson | Thulur | |
Wolf | der aus der Heide | Männername: Heidingi | ||
Heide (Ort) | Pfad des Wolfsrudels | Thorbjörn Hornklaue | ||
Wolf | Hund des Waldes | anonym | Himlingoje-Fibel 2 | |
Wölfe | Wald-Kälber | Eilifir Godrunason | Thorsdrapa | |
Wolf | Wald-Bewohner | Snorri Sturluson | Thulur | |
Wolf | Gebüsch-Eber | Eyvindr Skalden-Verderber Finnsson | Haleygjatal | |
Wolf | Hrisgrisnir | 'der im Gestrüpp seine Zähne zeigt' |
Eyvindr Skalden-Verderber Finn-Sohn | Haleygjatal |
Zu dem Lebensbereich und zu dem Aussehen der Wölfe gibt es nur wenige spezielle Begriffe:
heidingi | Heide-Bewohner = Wolf |
ulf-hidi | Wolfs-Höhle, Wolfs-Bau, Wald |
ulf-idi | Wolfs-Höhle, Wolfs-Bau, Wald |
ulf-grar | Wolfs-grau |
Bei den Kenningarn ist fast nur die graue Farbe des Wolfsfells in ihren Umschreibungen verwendet worden:
Wolf | graues Wild-Tier | anonym | Schlacht von Brunanburh | |
Wolf | 'Grau-Tier' | Snorri Sturluson | Thulur | |
Wolfsfell | graues Hemd des Gebüsch-Ebers | Gebüsch-Eber = Wolf | Eyvindr Skalden-Verderber Finnsson | Haleygjatal |
Wolf | Schräg-Wange | Snorri Sturluson | Thulur |
Das Heulen der Wölfe ist ein so eindrückliches Motiv, das es in der Überlieferung der Germanen nicht fehlen kann:
Thor (zu Odin-Harbard):
„Deine Wortklugheit kommt Dir noch übel,
Wenn ich durchs Wasser wate.
Lauter als ein Wolf wirst Du aufschrein,
Wenn ich Dich mit dem Hammer haue.“
Das Heulen der Wölfe ist sogar zu einem mythologischen Motiv geworden:
Niörds Frau heißt Skadi und ist die Tochter des Riesen Thiassi. Skadi wollte wohnen, wo ihr Vater gewohnt hatte, nämlich auf den Felsen in Thrymheim: aber Niörd wollte sich bei der See aufhalten. Da verglichen sie sich dahin, daß sie neun Nächte in Thrymheim und dann andere drei in Noatun sein wollten.
Aber als Niörd von den Bergen nach Noatun zurück kam, sang er:
„Leid sind mir die Berge; nicht lange war ich dort,
Nur neun Nächte.
Der Wölfe Heulen dauchte mich widrig
Gegen der Schwäne singen.“
Aber Skadi sang:
„Nicht schlafen könnt ich am Ufer der See
Vor der Vögel Lärm;
Da weckte mich vom Wasser kommend
Jeden Morgen die Möwe.“
Da zog Skadi nach den Bergen und wohnte in Thrymheim. Da jagt sie oft auf Schneeschuhen mit ihrem Bogen nach Tieren. Sie heißt Schneeschuhgöttin oder Öndurdis. Von ihr heißt es:
Thrymheim heißt die sechste, wo Thiassi hauste,
Jener mächtige Jote;
Nun bewohnt Skadi, die scheue Götterbraut,
Des Vaters alte Veste.
In dieser „Geschichte der Dänen“ erscheinen die beiden Lieder des Njörd (Tyr in der Wasserunterwelt) und der Skadi (Jenseitsgöttin) als Klagen des Hadding und seiner Frau. Hadding ist einer der Saga-Nachfolger des Göttervaters Tyr.
Hadding sprach: „Warum verharre ich in diesem finsteren Versteck, in den Falten der zerklüfteten Hügeln und fahre nicht mehr zur See wie früher?
Das ständige Heulen der Wolfsrudel und die klagenden Schreie der Raubtiere, die zum Himmel aufsteigen, und die fürchterlichen unruhigen Löwen rauben mir alle meinen Schlaf. Übel sind die Berghänge und die Einöden für die Herzen, die wildere Arbeit zu tun gewöhnt waren. Die nackten Felsen und das zerklüftete Land versperren den Geistern, die das Meer lieben, den Weg.
Es wäre ein besseres Leben, die Meerengen zu durchrudern, in geraubten Gütern zu schwelgen, das Gold der anderen für meine Truhe zu holen, mich über die zur See erlangten Schätze zu ergötzen – als in rauhen Ländern und endlosen Wäldern und öden Ebenen zu wohnen.“
Da sagte ihm seine Frau, die das Leben auf dem Land liebte und die die Meer-Gesänge der Seevögel leid war, mit den folgenden Versen, welch große Freude ihr die Wanderungen durch das Waldland bereiteten:
„Die schrillen Vogelschreie stören mich, wenn ich an der Küste bin und ihr Geschwätz ärgert mich so sehr, daß ich nicht schlafen kann. Der laute Lärm ihres geschäftigen Treibens raubt meinen schlafenden Augen die sanfte Ruhe – die lautschreiende Seemöwe erträgt es nicht, mich in der Nacht schlafen zu lassen und zwingt meinen zarten Ohren ihre ermüdende Geschichte auf. Wenn ich mich niederlege, erträgt sie es nicht, daß ich mich erfrische und lärmt mit der klagenden Melodie ihrer Unheil-verkündenden Stimme.
Sicherer und süßer erscheinen mir die Freuden der Wälder.
Wo könnten die Früchte der Ruhe am Tag und in der Nacht noch weniger leicht zu ernten sein als wenn man bei der ruhelosen, endlos bewegten See verharrt?“
Das Heulen der Wölfe eignete sich natürlich auch sehr gut zur Bildung von Umschreibungen für sie:
Wolf | Heuler | Snorri Sturluson | Thulur | |
Wolf | grauer Heuler | Hallr | (Skaldskaparmal) | |
Wolf | Glamma | 'Heulender' | Bragi der Alte | Ragnarsdrapa |
Es gab eine ganze Reihe von Begriffen, die mit dem Heulen der Wölfe in Zusammenhang stehen. Eine besonders poetische Umschreibung ist das „Wolfs-Lied“, das das Heulen der Wölfe den Gesängen der Menschen vergleicht.
yla | heulen, jaulen, bellen (Wölfe, Hunde) |
yla | Geheule, Gejaule, Gebell (Wölfe, Hunde) |
yling | Geheule, Heulen (Wölfe, Hunde) |
ulf-rödd | Stimme des Wolfes = Wolfsgeheul |
vargs-rödd | Stimme des Würgers = Wolfsgeheul |
ulfa-thytr | Wolfs-Geheul |
varg-ljöd | Würger-Lied = Wolfs-Geheul |
glammi | Lärmender, Heulender (Wolf) |
Da Wölfe Raubtiere sind, konnten sie generell in allen Bildern, die eine Form der Zerstörung beschreiben, benutzt werden:
„Wie soll man den Wind umschreiben?“
„So: indem man ihn Sohn des Fornjotr, Bruder des Meeres und des Feuers, Beleidigung oder Verderben oder Hund oder Wolf des Waldes oder des Segels oder der Takelage nennt.“
Der „Wolf des Waldes“ ist das Feuer; der „Wolf des Segels“ ist der Sturm.
Das Feuer konnte auch als „Tempel-Wolf“ umschrieben werden, da das Feuer die hölzernen Tempel genauso zerstören konnte wie die Wölfe das Wild, das sie jagten.
Das folgende beliebte Sprichwort, das zur Vorsicht bei den ersten Anzeichen von Gefahr rät, ist u.a. aus der Völsungen-Saga bekannt:
„Dort wo die Ohren des Wolfes sind, sind auch seine Zähne nicht fern.“
Ein recht großer Teil der Kenningar bezieht sich darauf, daß die Wölfe Raubtiere sind, was ihnen jedoch durchaus auch Sympathien eingebracht haben wird, da auch die Wikinger zu einem guten Teil von ihren sommerlichen Raubzügen gelebt haben.
Wolf | Vargr | Würger | Snorri Sturluson | Thulur |
Illugi | (Skaldskaparmal) | |||
Wölfin | Vargynja | Würgerin | Snorri Sturluson | Thulur |
Wolf | Räuber | Thjodolfr | (Skaldskaparmal) | |
Thordr | (Skaldskaparmal) | |||
Wolf | Jäger | Snorri Sturluson | Thulur | |
Wolf | Wilder | Hallr | (Skaldskaparmal) | |
Wolf | Kämpfer | zwei Varianten desselben Wortes | Snorri Sturluson | Thulur |
Wolf | Kämpfer | Snorri Sturluson | Thulur | |
Wölfin | Kämpferin | Snorri Sturluson | Thulur | |
Wolf | graues Wild-Tier | anonym | Schlacht von Brunanburh |
|
Wolf | Spitz-Zahn | 'borkn': Bedeutung sehr unsicher | Snorri Sturluson | Thulur |
Wind | Wolf des Jungholzes | Sturm zerstört Wald | Sturla Thordarson | Hrynhenda |
Wolf | 'Schutz-Bart' | 'hle-bard' = Leopard, Lehnwort für 'Raubtier' |
Snorri Sturluson | Thulur |
Der altnordische Wortschatz zu der räuberischen Lebensweise der Wölfe ist recht differenziert:
svimul | Läufer = Wolf |
gildr | Fallensteller, Jäger = Wolf |
herjann | Heeres-Mann, Krieger, Vernichter = Wolf |
ulf-kjöptr | Wolfs-Kiefer (Maul des Wolfes) |
ulfr-munnr | Wolfs-Maul |
vargs-hold | Wolfs-Fleisch |
Die Ähnlichkeit der Lebensweise der Wölfe und der Wikinger bot Gelegenheit zu vielfältigen Vergleichen, von denen sich etliche zu Sprichworten verfestigt haben.
„Es scheint mir, daß hier Kälber (ängstliche unterworfene Feinde) und Wölfe (rachsüchtige Feinde) vermischt zusammen sind.“
anonym: Saga über König Sverri
„Kälber und Wölfe können nicht beisammen sein.“
anonym: Hakonar-Saga
„Eher würde die Mutter der Schafe die Tage des Wolfes verkürzen!“
anonym: Kormak-Saga
„Kein Mann hat je einen Sieg durch Schnarchen errungen und kein Wolf hat jemals Aas durch Schlafen und Liegen gefunden.“
Saxo der Schriftkundige: Geschichte der Dänen
„Der Wolf, der sich niederlegt, wird wohl kein Lamm zwischen seine Zähne bekommen.“
heutiges dänisches Sprichwort
„Ich erwarte den Wolf, wenn ich eines Wolfes Ohren sehe.“
anonym: Völsungen-Saga
anonym: Fafnir-Lied
anonym: Saga über Finnboga den Starken
„Da, wo die Ohren des Wolfes sind, sind auch seine Zähne nah.“
anonym: Völsungen-Saga
„Denn den Wolf erwarte ich, wenn ich sein Ohr seh'.“
Völsungen-Saga
„Ich erwarte den Wolf von dort, wo ich seine Ohren sehe.“
anonym: Finnboga-Saga
„Sobald wir die finsteren Ohren des Wolfes sehen, glauben wird, daß auch der Wolf selber nahe ist.“
Saxo der Schriftkundige: Geschichte der Dänen
Auf einem ca. aus dem Jahre 1060 n.Chr. stammenden rechteckigen Kupfer-Amulett findet sich die Vertreibung eines Krankheits-Dämons durch einen Zauberspruch. Die dreifach geschriebene Rune „Is“ („Eis“) ist hier mit „Kühlung“ übersetzt worden, da sie offenbar das Fieber des Kranken senken sollten. Die Krankheit wird als Riese und als Wolf angesehen – alles Bedrohliche konnte als „Wolf“ bezeichnet werden …
Riese des Wundfiebers! Herr der Riesen!
Fliehe jetzt! Du wurdest entdeckt!
Da – diese drei Schmerzen sind für Dich, Wolf!
Da – diese neun Nöte sind für Dich, Wolf!
Kühlung! Kühlung! Kühlung!
Mögen diese Eis-Runen Dich zufriedenstellen, Wolf!
Nutze diesen Heilungs-Zauber gut.
Wölfe sind Raubtiere:
Früh aufstehen soll, wer den andern sinnt
Um Haupt und Habe zu bringen:
Dem schlummernden Wolf glückt selten ein Fang,
Noch schlafendem Mann ein Sieg.
Wölfe wurden als gefräßig und aggressiv angesehen:
Nicht ziemt uns beiden, nach der Wölfe Beispiel
Uns selbst grimm zu sein wie der Nornen Grauhunde,
Die gefräßig sich fristen im öden Forst.
Ein Jäger hat einen völlig anderen Charakter als ein Bauer – und Jäger-Räuber neigen zur Gier …
Wolf | Gieriger | Egill | (Skaldskaparmal) | |
Thordr | (Skaldskaparmal) |
Auch in dem Wortschatz der Nordgermanen sind Wölfe und Gier fest miteinander verbunden gewesen:
vargs-liki | wie ein Wolf, wölfisch |
ylgjast | wölfisch wirken = drohend aussehen |
ulf-hugadr | ein Wolfs-Gemüt haben = bösartig, gewalttätig |
ulf-hugr | Wolfs-Gemüt, Gewalttätigkeit |
ulfs-hugr | Wolfs-Gemüt, Gewalttätigkeit |
ulf-ud | Wolfs-Gemüt, Gewalttätigkeit |
sla a sik ulfs-ud | wütend werden |
ala e-m ulfa | jemandem Wölfe aufziehen = für jemanden Unheil planen |
Bei einer solch festen Assoziation zwischen den Wölfen und der Gier ist es nicht verwunderlich, daß sich zu dieser Verbindung auch einige Redewendungen finden lassen.
Mir diesen Gier/Wolf-Sprichworten sind recht eng die Redewendungen verbunden, in denen das Verhalten von Menschen den Rangkämpfen unter Wölfen verglichen wird.
„Von einem gierigen Wolf sollte man einen Angriff erwarten.“
anonym: Regin-Lied
anonym: Saga über die Lachstal-Leute
anonym: Geschichte über Eymundar Ring-Sohn
anonym: Sturlungen-Saga
anonym: Saga über die Leute von Eyre
„ein hartes Zuschnappen von einem gierigen Wolf erwarten“
anonym: Lachstal-Saga
„Es ist wahr, wie sie sagen, daß dann, wenn ein Wolf den anderen jagt, er die Beute fressen wird.“
anonym: Lachstal-Saga
„Nur der Schwanz des Wolfes ist noch übrig: Ich bin nun genauso geendet wie die Wölfe – sie verschlingen einander und bemerken es nicht, bis sie beim Schwanz angelangt sind.“
anonym: Bandaman-Saga
„Es ist auch ganz recht, wenn ihr einmal erprobt, ihr Häuptlinge, wer von euch die Oberhand behält; denn ihr habt jetzt schon lange aufeinander eingebissen wie die Wölfe.“
anonym: Lachstal-Saga
„Es wird Zeit, daß ihr Anführer herausfindet, wer der Rudelsführer ist, denn ihr beißt schon seit langer Zeit nach einander.“
anonym: Saga über Hühner-Thorir
In dieser Saga wird das gierige Verhalten des Wolfes als Gleichnis für das Verhalten von Menschen benutzt.
Da blickte Ufeig umher und es kam ihm eine Strophe in den Sinn und er sprach:
„Es ist übel,
wenn das Alter über uns herfällt,
und das Augenlicht raubt
und die Weisheit.
Unter acht guten Männern
hätte ich wählen können,
doch nun hängt nur noch
der Wolfsschwanz am Haken.
Ja wirklich,“ sagte er, „mir ergeht es wie den Wölfen, die fressen, bis sie unversehens zu dem Schwanz kommen.“
Die erste Redewendung bedeutet, daß man erst den ganzen Wolf gefangen hatte, aber er sich losgerissen hat und man nun nur noch den Schwanz in der Hand hält. Die zweite Redewendung bedeutet, daß die Wölfe gierig alles fressen und dann feststellen, daß nichts mehr übrig ist.
In der Szene, in der Ufeig diese Worte spricht, geht es um die Wahl eines Anführers, bei der nach und nach sieben Kandidaten ausgeschieden sind, bis am Ende nur noch der am wenigsten Geeignete übriggeblieben ist.
Wölfe jagen nicht nur selber, sondern sind auch Aasfresser – wobei das markanteste Motiv natürlich das Fressen der Leichen auf dem Schlachtfeld ist.
Es gibt ein Tier, das 'Warg' genannt wird. Es ist richtig, Bezeichnungen für Blut oder Aas zu bilden, indem man sie Speise oder Trank des Wargs nennt. Es ist auch üblich, solche Kenningar mit anderen Tieren zu bilden. Der Warg wird auch Wolf genannt.
In den vielen Lobliedern der Skalden über die Siege der Fürsten in deren Schlachten waren Kampf, Blut, Leichen und Wölfe eng miteinander assoziiert, was zur Bildung von vielen Kenningarn geführt hat, die die Wölfe als Leichen-Fresser schildern.
Aas | Speise des Wolfes | Snorri Sturluson | Skaldskaparmal | ||
Aas | Speise des Würgers | Snorri Sturluson | Skaldskaparmal | ||
Leichen | Opfer der Wölfin | Einarr Klingel-Waage | (Skaldskaparmal) | ||
Wölfe | Kriegs-Luchse | Leichen-Fresser | Thorbjörn Hornklaue |
Hrafnsmal | |
Wolf | Zeuge | Zeuge der Schlacht (Aasfresser) | Snorri Sturluson | Thulur | |
Wolf | Ruhm-Zeuge | Snorri Sturluson | Thulur | ||
Wolf | Hund der strömenden Leichen-See |
Leichen-See =Blut | Tjodolfr von Hvini | Haustlöng | |
Blut | Trank des Wolfes | Snorri Sturluson | Skaldskaparmal | ||
Blut | Trank des Würgers | Snorri Sturluson | Skaldskaparmal | ||
Blut | Wolf-Wein | anonym | Placitusdrapa | ||
Schwert | Flamme des Wolf-Weins | Wolf-Wein = Blut | anonym | Placitusdrapa | |
Wolf | Pfoten des Sumpfes der Wunden-Falken |
Wunden-Falken= Raben; Raben-Sumpf = Blut; Pfoten = Wölfe |
anonym | Olafs drapa Tryggvasonar | |
Wolf | Unheil-begieriger, Fuß-geröteter Nachkomme des Fenrir |
gerötet vom Blut | anonym | Placitusdrapa | |
Wölfin | Wunden-Hündin | Halldorr der Schwätzer | Haraldsdrapa | ||
Utfarardrapa |
Einige Bezeichnungen für den Wolf lassen sich nur vor dem Hintergrund des Standard-Motivs der Leichen-fressenden Wölfe verstehen:
vitnir | Zeuge (der Schlacht) |
thjod-vitnir | Volks-Zeuge = Wolf (Zeuge der Schlacht) |
varg-öld | Wolfs-Zeit, Wolfs-Zeitalter = Kriegszeit |
Das Motiv der Wölfe als Aasfresser findet sich auch in der folgenden Strophe:
Gunnar hing das Haupt; doch Högni sagte
Mir meines Sigurd mordlichen Tod:
„Jenseits des Stroms erschlagen liegt der,
Den Guthorm fällte, zum Fraß den Wölfen.
Sieh den Sigurd gegen Süden dort,
Höre Krähen krächzen und Raben,
Adler jauchzen der Atzung froh,
Und Wölfe heulen um Deinen Helden.“
Das Motiv der Wölfe als Leichenfresser war sehr beliebt:
Vor ihrem Anblick einsam ging ich da,
Die Brocken zu lesen von der Wölfe Leichenschmaus.
Ich schluchzte nicht, noch schlug ich die Hände,
Brach nicht in Klagen aus wie Brauch ist der Frauen,
Da ich schmerzvoll saß über Sigurden.
In einigen Zusammenhängen erscheint der Wolf entweder als Jenseitsführer oder – vermutlich aufgrund dieser Funktion – als allgemeines Symbol für das Jenseits. Da die Wölfe die Leichen fressen, wurden sie auch mit dem Jenseits assoziiert.
Die im folgenden genannten „Wolfs-Orte“ sind Umschreibungen für das Jenseits, in denen sich der Schmied Tyr-Wieland während des Winters befindet. Dieses Schmied-Motiv ist dadurch entstanden, daß Tyr sein beim seinem herbstlichen Kampf zerbrochenes Schwert im Winter neugeschmiedet hat (siehe den Band 4 über „Wieland“).
Nidud hieß ein König in Schweden. Er hatte zwei Söhne und eine Tochter; die hieß Bödwild.
Drei Brüder waren Söhne des Finnenkönigs; der eine hieß Slagfid, der andere Egil, der dritte Wölund. Die schritten auf dem Eise und jagten das Wild. Sie kamen nach Ulfdalir (Wolfstal) und bauten sich da Häuser. Da ist ein Wasser, das heißt Ulfsiar (Wolfssee).
… … …
Das hörte Nidud, der Niaren Drost,
Daß Wölund einsam in Wolfstal säße.
Bei Nacht fuhren Männer in genagelten Brünnen;
Ihre Schilde schienen wider den geschnittnen Mond.
… … …
Da rief Nidud, der Niaren Drost:
„Wo erwarbst Du, Wölund, Weiser der Alfen,
Unsere Schätze in Ulfdalir?“
Dieses Kästchen wurde von den Angelsachsen um ca. 750 n.Chr. aus Walfischbein hergestellt. Der Germane, der dieses Runenkästchen hergestellt hat, lebte somit zu derselben Zeit wie der Skalde, der das Beowulf-Epos niedergeschrieben hat – ob sie sich kannten, weiß man nicht, aber sie werden in etwa dasselbe Weltbild gehabt haben.
Das Kästchen ist 22,8cm lang, 18,5cm breit und 10,5 cm hoch. Die vier Außenseiten und der Deckel dieses sind mit detailreichen Szenen sowie mit Runeninschriften versehen.
Auf der rechten Schmalseite des Kästchens befindet sich eine Szene, auf der drei Frauen zu sehen sind, die die drei Nornen sein könnten.
An den vier Ecken dieser Bildplatte (zwei sind noch erhalten) sind Wölfe zu sehen, die wahrscheinlich als Hinweise zu verstehen sind, daß die dargestellte Szene im Jenseits spielt bzw. nach dem Tod stattfindet.
Die drei Nornen auf dem Runenkästchen von Auzon
Auf diesem Bild sind von links nach rechts folgende Wesen und Dinge zu sehen:
Links unten ist ein Hügel zu sehen, auf dem Mensch mit dem Hals und dem Kopf eines Pferdes sitzt, der zwei Gegenstände in seinen Händen hält, die wie Szepter wirken. Der Hügel könnte ein Hügelgrab und der Mann ein Toter, der bei seiner Bestattung mit einem Hengst identifiziert worden ist, um seine Zeugungskraft bei seiner Wiederzeugung zu sichern.
Der „Szepter“ in seiner rechten Hand könnte ein Penis mit Hoden sein. Das wäre dann ein Hinweis auf die Wiederzeugung. Da die Form dieses „Szepters“ (ein langer Bogen mit einem „Ast“) sehr an die Schlangen mit erigiertem Penis auf dem großen Goldhorn von Gallehus sowie an die Schlangen der Frauen auf einigen Runensteinen erinnert, könnten dieses „Szepter“ auch solch eine „Jenseits-Schlange“ sein.
Über seinem Kopf fliegt eine Gans oder ein Schwan nach rechts. Dieser Vogel wird sein Seelenvogel sein.
Vor dem Pferde-Mann steht ein Krieger mit einem runden Germanen-Schild, einem Speer und einem speziellen Helm mit einer „Bommel“. Er ist offensichtlich zu dem Pferde-Mann gegangen, der als der Sitzende der Höhergestellte ist und derjenige, der den anderen empfängt. Dieser Mann bittet evtl. seinen toten Vater in seinem Hügelgrab um Rat und Hilfe.
Hinter dem Krieger steht am Boden eine Pflanze (?). Sie könnte eine Bedeutung haben, aber genausogut auch nur ein Raumfüller sein.
In der Mitte des Bildes befindet sich ein Tier, das aufgrund seiner Hufe, des Penis und der fehlenden Hörner ein Hengst sein muß. Es wird sich bei ihm um das Tier sein, das bei der Bestattung für den Mann links geopfert worden ist, der durch die Identifizierung mit dem Pferd zu einem Pferde-Mann geworden ist.
Unter den Hinterbeinen des Hengstes ist wieder der Seelenvogel zu sehen.
Unter dem Hals des Pferdes scheint eine zweite Pflanze zu stehen, die der bereits erwähnten hinter dem Krieger (die hier unter den Hinterbeinen des Hengstes zu sehen ist) gleicht.
Die beiden Ornamente unter dem Bauch und zwischen den Vorderbeinen des Hengstes könnten evtl. Hrungnir-Herzen (Symbol der Seele) sein – aufgrund ihrer Asymmetrie werden es aber wohl doch eher nur Raumfüller sein.
Vor den Vorderbeinen des Hengstes ist ein Hügel zu sehen, in dem auf „Stäben“ ein bärtiger Mann zu liegen scheint. Dies könnte der Tote in seinem Hügelgrab sein. Die Mauerwerk-artig angeordneten „Stäbe“ könnten die Steine sein, aus denen die Grabkammer aufgebaut ist – aber diese Deutung ist recht unsicher.
Rechts vor dem Hengst und dem Hügelgrab steht ein Mensch mit Stab, vor dem in der Luft ein Kelch „schwebt“.
Möglicherweise ist dies der Seher oder die Seherin, die für den Krieger den Kontakt zu dem Toten, d.h. dem Pferde-Mann herstellt. Diese Person könnte aber auch der Bestattungspriester sein.
Der Kelch wird den Met enthalten, der bei Bestattungen getrunken wurde und auch dem Toten mit ins Grab gegeben wurde: Der Met der ewigen Jugend in der Halle der Hel, d.h. in der Grabkammer des Hügelgrabes.
Die Tätigkeit dieser drei Frauen ist leider nicht genau zu erkennen. Sie scheinen ihre Arme so auszustrecken, daß sie sich ihre Hände in der Mitte treffen oder zumindestens nah beieinander sind.
Dies könnte die Geste einer gemeinsamen Weihung oder eines gemeinsamen Segnens sein.
Vermutlich sind dies die drei Nornen.
Der umlaufende Runentext beginnt oben links und läuft dann im Uhrzeigersinn rings um den Rand. Das untere Ende der Runen zeigt stets zu dem Bild, d.h. die Runen beziehen sich auf das Bild in ihrer Mitte. Der Text lautet:
Hier sitzt das Pferd / auf dem Trauerberg;
sie bewirken das Unglück so, / wie es ihnen Erta aufgetragen hat,
sie verursachen Trauer / und Herzeleid.
„Erta“ ist die Erdgöttin, die auch Hertha, Bertha, Perchta, Nerthus und bei den Wikingern Jörd genannt wurde. Der Trauerberg ist das Hügelgrab.
Rings um den Hengst befinden sich drei in Runen geschriebene Worte:
In jeder der vier Ecken der Platte befindet sich ein Tier, das vermutlich ein Wolf ist, der der Jenseitsführer gewesen sein wird. Sie werden sowohl Odins Wölfen Geri und Freki entsprechen, als auch dem Fenris-Wolf, den Hel bisweilen als Reittier benutzt.
Auf dieser Platte des Runenkästchens ist offenbar der Geist des Toten im Jenseits und der Kontakt zu ihm das Thema.
Der Tote wurde von einem Priester in einem Hügelgrab bestattet, wobei auch der „Göttermet“ in dem Kelch getrunken sowie dem Toten in seine Grabkammer mitgegeben wurde. Das Hügelgrab wurde „Trauerberg“ genannt.
Der Hengst ist das Tier, das für den Toten geopfert wurde, um dessen Zeugungskraft bei der Wiederzeugung zu sichern. Möglicherweise wurde dieser Hengst „Beißer“ genannt – vielleicht ist dies aber auch der Titel des Opferpriesters.
Die beiden Worte „Zweig“ und „Wald“ könnten auf einen Heiligen Hain hinweisen, in dem das Opferritual durchgeführt wurde, aber sie könnte auch der Düsterwald sein, durch den die Seele des Toten in das Jenseits reiste. Da hier jedoch eine rituelle Szenerie dargestellt ist, ist die Deutung als Heiliger Hain wahrscheinlicher.
Später wurde der Tote (d.h. sein Seelenvogel) von einem Krieger (vermutlich einem seiner Nachkommen) herausgerufen, woraufhin der Geist des Toten mit einem Pferdekopf erscheint. Das Anrufen eines Toten („Utiseta“) war damals eine übliche Methode, um Rat und Hilfe aus dem Jenseits zu erhalten.
Von den beiden „Szeptern“ in der Hand des Toten könnte das rechte möglicherweise eine „Jenseits-Schlange“ sein, wie sie sonst die Norne/Hel/Walküre auf den Runensteinen in ihrer Hand hält. Diese Schlange wäre dann ein allgemeines Symbol dafür, daß die Person, die sie in der Hand hält, aus dem Jenseits kommt.
Die drei Nornen haben den Tod verursacht, so wie es ihnen die Erdgöttin Erta/Jörd aufgetragen hat. Die drei Nornen in der Edda scheinen somit ein verselbständigter Aspekt der Erdgöttin in ihrer Funktion als Jenseitsgöttin zu sein.
Die vier Wölfe sind vermutlich nur ein allgemeiner Hinweis darauf, daß es sich hier um eine Jenseits-Szene handelt.
Auf dem Stein von Gök sind Szenen aus der Sigurd-Sage und aus der Wieland-Mythe dargestellt worden.
Von links nach rechts sind auf diesem Stein folgende Motive zu sehen:
Auf diesem Runenstein ist dieselbe Szene wie auf dem vorigen zu sehen: außen der Drache Fafnir; rechts darunter Sigurd, der Fafnir tötet; rechts der Baum mit den Vögeln und Sigurds Roß Grani; oben in der Mitte der stilisierte Kopf des Sonnengott-Göttervaters Tyr (= Wieland); links daneben Sigurd, der sich seinen verbrannten Finger ableckt; das Schmiedewerkzeug des Wieland; links von ihm der Wolf als Jenseitssymbol und ganz links der enthauptete Königssohn.
Auch in dieser germanisch-christlichen Dichtung aus dem angelsächsichen Exeter-Buch erscheint der Wolf als Symbol des Jenseits:
Einige sind in der Schlacht gefallen, werden auf ihrer letzten Reise getragen.
Einer wurde von Vögeln über das tiefe Meer getragen;
Einer wurde dem Tod durch den grauen Wolf übergeben;
Einer wurde in einem Loch in der Erde von einem Krieger mit traurigem Antlitz begraben.
Der Grund, warum die Asen in der folgenden Strophe der Göttin Nanna ein Wolfsfell reichen, ist aus diesem Lied nicht ersichtlich. Da sich Nanna jedoch im Jenseits befindet und über das Wolfsfell erfreut ist, könnte man zumindestens vermuten, daß der Besitz dieses Felles mit ihrer Rückkehr aus dem Jenseits zu tun hat. Falls dies zutreffen sollte, wäre aus dem Wolf als Jenseitsführer hier ein Wolfsfell als magisches Hilfsmittel auf der Jenseitsreise geworden. Es wäre denkbar, daß die Wolfsfelle der Ulfhedinn-Wolfskrieger diese Symbolik mitangeregt haben.
Gangrad (Odin):
„Die Sieggötter sehen die Sorge Nannas
Um die niedre Wohnung: sie geben ihr ein Wolfsfell.
Damit bekleidet ändert sie ihren Sinn,
Freut sich der Auskunft, erneut die Farbe.“
Der „Wolfs-Baum“ ist der „Todes-Baum“, d.h. der Galgen. Dies ist eine Umdeutung der Wolfs-Symbolik, die die Angst vor dem Tod in den Vordergrund stellt.
Sie schüttelten die Hüllen, die Schneide bargen sie,
Kleideten, die Kämpen, sich in kampflich Gewand.
Sie fuhren weiter unheimliche Wege,
Sah'n der Schwester Stiefsohn versehrt am Baum,
Am windkalten Wolfsbaum westlich der Burg,
Als riefe er den Raben: da war übel rasten.
Ein um ca. 1420 n.Chr. niedergeschriebener Liebeszauber aus der Schweiz könnte von seinem Stil her germanischen Ursprungs sein. Die andere Möglichkeit wäre eine keltische Überlieferung, die jedoch aufgrund des Stils unwahrscheinlicher ist.
Die Wiederholungen in dem Zauberspruch sind typisch für das germanische Zauberspruch-Versmaß „galdr-lag“.