SCM | Stiftung Christliche Medien

Bestell-Nr. 395.278

ISBN 978-3-7751-7060-4 (PDF)

ISBN 978-3-7751-7059-8 (E-Book)

ISBN 978-3-7751-5278-5 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book:
CPI – Ebner & Spiegel, Ulm

© der deutschen Ausgabe 2011

SCM Hänssler im SCM-Verlag GmbH & Co. KG 71088 Holzgerlingen

Internet: www.scm-haenssler.de

E-Mail: info@scm-haenssler.de

Originally published in English under the title: Heaven is for real

© Copyright der Originalausgabe 2010 by Todd Burpo

Published Thomas Nelson, Inc. in Nashville, Tennessee.

All Rights Reserved. This Licensed Work published under license.

Original package design © 2010 Thomas Nelson, Inc. Used by permission.

Soweit nicht anders angegeben, sind die Bibelverse folgender Ausgabe entnommen:

Neues Leben. Die Bibel, © Copyright der deutschen Ausgabe 2002 und 2006 by SCM R.Brockhaus im SCM-Verlag GmbH & Co. KG, Witten.

Weiter wurden verwendet: ELÜ = Elberfelder Bibel 2006, © 2006 by SCM R.Brockhaus im SCM-Verlag GmbH & Co. KG · Witten.

Hfa = Hoffnung für alle®, Copyright © 1983, 1996, 2002 by Biblica US, Inc., Verwendet mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Übersetzung: Doris C. Leisering

Umschlaggestaltung: OHA Werbeagentur GmbH, Grabs, Schweiz; www.oha-werbeagentur.ch

Titelbild: © Familie Burpo

Bilder im Bildteil, sofern nicht anders angegeben: © Todd and Sonja Burpo;

Bild auf Seite 2 des Bildteils (Colton und Todd): The Imperial Republican, © Ian Schultz

Satz: typoscript GmbH, Walddorfhäslach

Druck und Bindung: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm

Printed in Germany

Inhalt

Stimmen zu »Den Himmel gibt’s echt«

Prolog | Engel vorm Schnellrestaurant

Krabbeltiere

Pastor Hiob

Colton schafft das schon

Warnzeichen

Todesschatten

North Platte

Ich glaube, das war's

Gott, wo bist du?

Leben in Zeitlupe

Etwas andere Gebete

Verwendungszweck: Colton Burpo

Augenzeuge des Himmels

Engelhafte Wesen

Himmlische Zeitrechnung

Beichte

Opa

Zwei Schwestern

Gottes Thronsaal

Jesus liebt die Kinder

Sterben und leben

Der Erste, den du sehen wirst

Im Himmel ist niemand alt

Kraft vom Himmel

Was Ali erlebte

Engelsschwerter

Der kommende Krieg

Eines Tages

Epilog

Zeitliche Abfolge der Ereignisse

Über Familie Burpo

Über Lynn Vincent

Anmerkungen

»Ich versichere euch:

Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder,

werdet ihr nie ins Himmelreich kommen.«

Jesus von Nazareth

Stimmen zu Den Himmel gibt’s echt

Dieser ehrliche, einfache und kindliche Bericht eines kleinen Jungen, der im Himmel war, wird Sie bewegen. Er ist fesselnd und überzeugend. Dieses Buch sollten Sie unbedingt lesen. Wenn Sie bereit sind, zum Himmel zu gehen, wird dieses Buch Sie inspirieren. Wenn Sie nicht bereit sind, gestatten Sie einem kleinen Kind, Sie bei der Hand zu nehmen. Wie Colton sagt: »Den Himmel gibt’s echt.«

Don Piper, Autor von 90 Minuten im Himmel

Dann und wann landet ein Buch auf meinem Schreibtisch, dessen Titel mich fasziniert. Genau das geschah bei dem Buch Den Himmel gibt’s echt. Ich dachte, dass ich es nur mal eben so durchblättere, doch dann konnte ich es nicht mehr aus der Hand legen. Ich las es von der ersten bis zur letzten Seite. Die Geschichte ging mir wirklich zu Herzen. Dieses Buch wird nicht nur Ihre Liebe zu Gott wachsen lassen und Ihrer Angst vor dem Tod entgegenwirken, sondern Ihnen auch verstehen helfen, dass der Himmel kein Ort ist, wo wir Tausende von Jahren nur herumsitzen und Kumbaya singen; er ist vielmehr ein Ort, an dem wir so zu leben beginnen, wie es unserer Bestimmung vor dem Sündenfall entspricht. Wenn der Himmel Sie fasziniert oder Ihnen Schwierigkeiten bereitet; wenn Sie sich fragen, wie wir dort leben werden: dann kann ich Ihnen dieses Buch sehr empfehlen.

Sheila Walsh, Sängerin und Autorin von

Hinter dem Lächeln die Tränen, Jetzt bist du meine Tochter u.a.

Es wurden schon viele Geschichten von Nahtoderfahrungen aufgeschrieben, die ich einfach nicht gelesen habe, weil ich, offen gesagt, nicht wusste, ob der Autor vertrauenswürdig ist. Dieses Buch habe ich tatsächlich von der ersten bis zur letzten Seite gelesen und – vor allem – konnte ich es kaum aus der Hand legen! Warum? Weil ich den Autor kenne und ihm glaube. Todd Burpo macht uns ein wunderbares Geschenk, indem er und sein Sohn den Schleier zur Ewigkeit ein wenig lüften, sodass wir einen kurzen Blick auf die andere Seite werfen können.

Dr. Everett Piper, Präsident der Oklahoma Wesleyan University

In diesem schönen und hervorragend geschriebenen Buch macht der vierjährige Colton eine Erfahrung, während er in Narkose liegt, die man als Nahtoderfahrung (NTE) bezeichnen kann. Ich habe mehr als 1600 NTE’s wissenschaftlich untersucht und herausgefunden, dass NTE’s bei sehr jungen Kindern in Narkose vorkommen können. Selbst nach der Untersuchung einer solchen Menge von NTE’s halte ich Coltons Erfahrung für spektakulär, außergewöhnlich und eine Inspiration für alle Christen.

Dr. med. Jeffrey Long, Gründer der

Near Death Experience Research Foundation

(Stiftung für Forschung zu Nahtoderfahrungen) und Autor von

Evidence of the Afterlife: The Science of Near-Death Experiences

Es ist stets ein Segen zu hören, dass Akianes Gemälde einen Menschen berührt haben. Ihre Christus-Darstellung »Prince of Peace« (Friedefürst) ist immer noch eines ihrer beliebtesten Bilder. Und als Mutter eines Kindes, das etwas Außergewöhnliches und nach irdischen Maßstäben Unerklärliches erlebt hat, freue ich mich mit der Familie und an ihrer ganz besonderen Geschichte.

Forelli Kramarik, Co-Autorin von Akiane:

Her Life, Her Heart, Her Poetry

Prolog

Engel vorm Schnellrestaurant

Für den Durchschnittsamerikaner ist der Nationalfeiertag mit Erinnerungen an patriotische Paraden, leckeren Duft von Grillfleisch, Maiskolben und einen in Licht- und Farbregen getauchten Nachthimmel verbunden. Doch für meine Familie war das Wochenende vom 4. Juli 2003 aus ganz anderen Gründen ein großes Ereignis.

Meine Frau Sonja und ich hatten vor, gemeinsam mit unseren Kindern Sonjas Bruder Steve und seine Familie in Sioux Falls, South Dakota, zu besuchen. Das war unsere erste Gelegenheit, unseren Neffen Bennett kennenzulernen, der vor zwei Monaten geboren worden war. Außerdem hatten unsere Kinder Cassie und Colton noch nie den Wasserfall* gesehen. (Ja, es gibt tatsächlich die Sioux Falls in Sioux Falls!) Doch das größte Abenteuer bestand in etwas ganz anderem: Diese Reise war unsere erste, seit unser Familienausflug nach Greeley, Colorado, im März zum schlimmsten Albtraum unseres Lebens geworden war. Danach hatten wir unsere Heimatstadt Imperial in Nebraska monatelang nicht mehr verlassen.

Kurz gesagt, bei unserem letzten Familienausflug war eines unserer Kinder beinahe gestorben. Vielleicht kommt Ihnen das verrückt vor, aber aufgrund dessen waren wir dieses Mal etwas ängstlich – so ängstlich, dass wir fast nicht fahren wollten. Nun müssen Sie wissen, dass ich Pastor bin und keineswegs abergläubisch. Trotzdem hatte ein Teil von mir – ein seltsamer, verunsicherter Teil – das Gefühl, wir wären in Sicherheit, wenn wir uns daheim versteckten. Am Ende hatte allerdings der Verstand gesiegt – und die unwiderstehliche Verlockung, den kleinen Bennett kennenzulernen, der Steve zufolge das niedlichste Baby der Welt war. Also packten wir alles in unseren blauen Kombi, was wir für einen Wochenendausflug brauchten, und machten uns auf in Richtung Norden.

Sonja und ich hielten es für das Beste, den größten Teil der Strecke bei Nacht zurückzulegen. So würde Colton, auch wenn er gegen seinen Willen (Sie wissen schon: dieser »Ich-bin-schon-ein-großer-Junge«-Wille, den nur ein Vierjähriger haben kann!) in seinem Kindersitz festgeschnallt war, wenigstens die meiste Zeit über schlafen. Also setzte ich unseren Kombi kurz nach 20 Uhr aus der Ausfahrt zurück, steuerte an der Crossroads Wesleyan Church, meiner Kirche, vorbei und fuhr auf den Highway 61.

Der Abend senkte sich klar und hell über die Ebene, und am samtenen Himmel stand ein weißer Halbmond. Imperial ist eine ländliche Kleinstadt kurz hinter der westlichen Grenze von Nebraska. Mit nur zweitausend Einwohnern und ohne eine einzige Ampel ist es die Art von Stadt, die mehr Kirchen als Banken hat und in der die Farmer mit Arbeitsstiefeln, John-Deere-Schirmmützen und einer Drahtzange zum Zaunziehen am Gürtel mittags direkt vom Feld in das von irgendeinem Familienmitglied betriebene Café strömen. Daher waren die sechsjährige Cassie und Colton sehr gespannt auf die Reise in die »große Stadt« Sioux Falls, wo sie ihren neugeborenen Cousin kennenlernen sollten.

Die ersten hundertfünfzig Kilometer bis North Platte schnatterten die Kinder noch vor sich hin. Colton spielte mit seinen Superheld-Figuren, schlug aufregende Schlachten und rettete mehrmals die Welt. Es war noch nicht ganz 22 Uhr, als wir in die Fünfzigtausend-Seelen-Stadt hineinfuhren, die in erster Linie dafür berühmt ist, dass sie die Heimatstadt des berühmten Schaustellers Buffalo Bill Cody ist. North Platte würde die letzte zivilisierte Raststätte – oder zumindest die letzte offene Raststätte – sein, die wir in jener Nacht passieren würden, bevor wir weiter nach Nordosten fahren und dann über weite Strecken nichts sehen würden als Maisfelder mit Rehen, Fasanen und hier und dort vielleicht einem Farmhaus. Wir hatten schon im Voraus geplant, hier Rast zu machen, um sowohl den Tank als auch unsere Mägen zu füllen.

Nach dem Tanken an einer Sinclair-Tankstelle bogen wir auf die Jeffers Street ab. Dort fiel mir auf, dass wir an der Ampel vorbeikamen, von der wir, wenn wir links abbogen, zum Great Plains Regional Medical Center, dem Kreiskrankenhaus, gelangen würden. Dort hatten wir im März einen fünfzehn Tage langen Albtraum erlebt, und die meisten jener fünfzehn Tage hatten wir auf den Knien verbracht und Gott gebeten, er möge Coltons Leben verschonen. Gott erhörte uns, doch Sonja und ich sagen noch heute manchmal im Scherz, dass diese zwei Wochen uns Jahre unseres eigenen Lebens gekostet haben.

Manchmal kann man schwere Zeiten nur mit einer guten Portion Humor verarbeiten. Als wir die Abzweigung passierten, beschloss ich daher, Colton ein bisschen zu necken.

»Hey, Colton, wenn wir hier abbiegen, können wir wieder ins Krankenhaus fahren«, sagte ich. »Möchtest du wieder ins Krankenhaus?«

Unser Kindergartenkind kicherte in der Dunkelheit. »Nein, Papa, schick mich nicht dahin! Schick Cassie … Cassie kann ins Krankenhaus!«

Seine Schwester neben ihm lachte. »Nö-höö! Ich will auch nicht dahin!«

Auf dem Beifahrersitz drehte sich Sonja so um, dass sie unseren Sohn sehen konnte, dessen Kindersitz auf der Rückbank hinter mir platziert war. Ich stellte mir vor, wie seine kurzen blonden Haare und seine himmelblauen Augen in der Dunkelheit leuchteten. »Erinnerst du dich noch ans Krankenhaus, Colton?«, fragte Sonja.

»Ja, Mami, ich weiß das noch«, sagte er. »Das war, wo die Engel mir was vorgesungen haben.«

Im Auto blieb die Zeit stehen. Sonja und ich schauten einander an und stellten beide die gleiche wortlose Frage: Hat er gerade das gesagt, was ich denke, dass er gesagt hat?

Sonja beugte sich zu mir herüber und flüsterte: »Hat er bisher schon mal mit dir über Engel geredet?«

Ich schüttelte den Kopf. »Mit dir?«

Sie schüttelte ebenfalls den Kopf.

Ich sah ein Schnellrestaurant, bog auf den Parkplatz ab und schaltete den Motor aus. Weißes Licht von einer Straßenlaterne fiel in unser Auto. Ich drehte mich auf meinem Sitz um und spähte zu Colton. In jenem Augenblick traf mich der Gedanke, wie klein er war – ein kleiner Junge. Er war wirklich nur ein kleiner Kerl, der das, was er sagte, mit einer liebenswerten (und manchmal peinlichen), freimütig-direkten Unschuld sagte. Wenn Sie selbst Kinder haben, wissen Sie, was ich meine: das Alter, in dem ein Kind auf eine schwangere Frau zeigt und (sehr laut) fragt: »Papa, warum ist die Frau so dick?« Colton befand sich in jener kurzen Phase des Lebens, in der er noch keine Ahnung von Taktgefühl oder Häme hatte.

All diese Gedanken schossen mir durch den Kopf, während ich überlegte, wie ich auf die schlichte Aussage meines vierjährigen Sohnes, Engel hätten ihm etwas vorgesungen, reagieren sollte. Zum Schluss sprang ich einfach ins kalte Wasser. »Colton, du hast gesagt, die Engel haben dir etwas vorgesungen, als du im Krankenhaus warst?«

Er nickte lebhaft mit dem Kopf.

»Was haben sie dir vorgesungen?«

Coltons Blick wanderte nach rechts oben – ein sicheres Zeichen, dass er versuchte, sich zu erinnern. »Sie haben ›Jesus loves me‹ gesungen und ›Joshua fought the battle of Jericho‹«, sagte er ernsthaft. »Ich habe sie gefragt, ob sie mir ›We will, we will rock you‹ vorsingen können, aber das wollten sie nicht.«

Während Cassie leise kicherte, fiel mir auf, dass Coltons Antwort rasch und sachlich gekommen war, ohne das geringste Zögern.

Sonja und wechselten wieder einen bedeutungsvollen Blick.

Was ist hier los? Hatte er im Krankenhaus einen Traum?

Und es gab noch eine unausgesprochene Frage. Was sagen wir als Nächstes? Eine logische Frage fiel mir sofort ein. »Colton, wie sahen die Engel aus?«

Er gluckste über etwas, woran er sich augenscheinlich gerade erinnerte. »Also, der eine sah aus wie Opa Dennis, aber er war’s nicht, weil Opa Dennis eine Brille hat.«

Dann wurde er ernst. »Papa, Jesus hat den Engeln gesagt, sie sollen mir etwas vorsingen, weil ich solche Angst hatte. Da hab ich mich besser gefühlt.«

Jesus?

Ich schaute zu Sonja und sah, dass ihr der Mund offen stand. Dann drehte ich mich wieder zu Colton um. »Du meinst, Jesus war da?«

Mein kleiner Junge nickte, als wäre das, was er gesagt hatte, nicht aufregender als ein Marienkäfer im Vorgarten. »Ja, Jesus war da.«

»Wo war Jesus denn?«

Colton schaute mir in die Augen. »Ich hab bei Jesus auf dem Schoß gesessen.«

Wenn es für Gespräche Stopp-Tasten gibt, dann war das eine. Sprachlos schauten Sonja und ich einander an und sendeten ein weiteres stummes Telegramm: Okay, darüber müssen wir dringend reden!

Wir stiegen aus dem Auto und trabten in das Schnellrestaurant. Ein paar Minuten später kamen wir mit einer Tüte voller Essen zurück. Unterwegs flüsterten Sonja und ich miteinander.

»Meinst du, er hat wirklich Engel gesehen?«

»… und Jesus?!«

»Ich weiß nicht.«

»War es ein Traum?«

»Ich weiß nicht – er wirkt so sicher.«

Wieder im Auto, verteilte Sonja Roastbeef-Sandwiches und Kartoffelpuffer und ich wagte eine weitere Frage.

»Colton, wo warst du, als du Jesus gesehen hast?«

Er schaute mich an, als wollte er sagen: Haben wir da nicht gerade drüber geredet?

»Im Krankenhaus. Du weißt schon, als Dr. O’Holleran mich operiert hat.«

»Na, Dr. O’Holleran hat dich doch mehrmals operiert, weißt du noch?«, erwiderte ich. Colton war im Krankenhaus zuerst in einer Notoperation der Blinddarm entfernt worden und dann musste er wegen weiterer Entzündungsherde im Bauchraum noch einmal operiert werden. Später hatte Dr. O’Holleran noch überschüssiges Narbengewebe entfernt, aber diesen Eingriff hatte er in seiner Praxis vorgenommen. »Bist du dir sicher, dass es im Krankenhaus war?«

Colton nickte. »Ja, im Krankenhaus. Als ich bei Jesus war, hast du gebetet und Mami hat telefoniert.«

Was?

Das bedeutete, dass er definitiv vom Krankenhaus sprach. Aber woher in aller Welt wusste er, wo wir gewesen waren?

»Aber du warst im Operationssaal, Colton«, sagte ich. »Woher willst du wissen, was wir gemacht haben?«

»Weil ich euch sehen konnte«, erklärte Colton sachlich. »Ich bin aus meinem Körper rausgekommen und habe runtergeschaut und konnte sehen, wie der Arzt was an meinem Körper gemacht hat. Und ich habe dich und Mami gesehen. Du warst allein in einem kleinen Zimmer und hast gebetet, und Mami war in einem anderen Zimmer und hat gebetet und telefoniert.«

Coltons Worte erschütterten mich bis ins Mark. Sonjas Augen wurden noch größer, aber sie sagte nichts. Sie starrte mich bloß an und biss abwesend in ihr Sandwich.

Mehr Informationen konnte ich in dem Moment nicht verkraften. Ich ließ den Motor an, lenkte das Auto zurück auf die Straße und brachte uns auf Kurs nach South Dakota. Wir erreichten die Interstate 80 und zu beiden Seiten der Straße erstreckte sich Weideland, hier und dort mit Ententeichen getüpfelt, die im Mondlicht glitzerten. Inzwischen war es sehr spät und bald schliefen alle wie geplant.

Während die Straße unter den Reifen surrte, staunte ich über das, was ich soeben gehört hatte. Unser kleiner Sohn hatte gerade ein paar ziemlich unglaubliche Dinge gesagt – und er hatte sie mit glaubwürdigen Informationen untermauert, Dinge, die er auf keinen Fall wissen konnte. Wir hatten ihm nicht erzählt, was wir getan hatten, während er operiert wurde, unter Narkose stand und augenscheinlich bewusstlos war.

Immer wieder fragte ich mich: Woher kann er das wissen? Doch als wir über die Grenze nach South Dakota rollten, kam mir noch eine ganz andere Frage: Könnte das wahr sein?

Krabbeltiere

Mit dem Familienausflug, bei dem unser Albtraum begann, wollten wir eigentlich etwas feiern. Anfang März 2003 stand bei mir eine Dienstreise nach Greeley, Colorado, auf dem Plan, zu einem Bezirksvorstandstreffen der Wesleyan Church. Seit dem vorigen August war das Leben für unsere Familie recht schwierig verlaufen: Sieben Monate Krankheit am Stück (darunter ein Beinbruch, zwei Operationen und eine zweifelhafte Tumordiagnose) hatten unser Bankkonto so stark geplündert, dass ich die »gähnende Leere«, die sich mir beim Blick auf unsere Kontoauszüge offenbarte, beinah hören konnte. Mein kleines Pastorengehalt war davon nicht betroffen, doch unsere Haupteinnahmequelle bestand in der Garagentürfirma, die wir betrieben. Unsere gesundheitlichen Probleme hatten einen hohen Tribut gefordert.

Im Februar schienen wir all das jedoch überwunden zu haben. Da ich sowieso verreisen musste, beschlossen wir, die Dienstreise zu einem Höhepunkt für unser Familienleben zu machen. Wir wollten ein paar Tage Spaß haben, Kopf und Geist auftanken und anschließend mit neuer Kraft weitermarschieren.

Sonja hatte von einem tollen Ausflugsziel für Kinder gehört, das ganz in der Nähe von Denver lag: dem Schmetterlingspavillon. Unter dem Namen »Zoo der wirbellosen Tiere« war der Schmetterlingspavillon 1995 als Bildungsprojekt eröffnet worden, das die Menschen mit den Wundern der Insektenwelt und der Meereskriechtiere, wie sie in Gezeitenbecken leben, vertraut machen sollte. Heute werden die Kinder vor dem Zoo von der großen bunten Metallskulptur einer Gottesanbeterin begrüßt. Im Jahr 2003 allerdings gab es dieses Rieseninsekt dort noch nicht, sodass das niedrige, etwa fünfzehn Autominuten vom Stadtzentrum Denvers entfernt gelegene Backsteingebäude nicht förmlich »Kinderattraktion« schrie. Dennoch wartete darin eine Welt voller Wunder, besonders für Kinder in Coltons und Cassies Alter.

Unsere erste Station war der Raum mit den »Krabbeltieren«, ein Raum voller Terrarien, in denen lauter schaurig-schöne vielbeinige Insekten hausten, von Käfern über Kakerlaken bis hin zu Spinnen. Ein Exponat darin, der Turm mit den Vogelspinnen, zog Cassie und Colton wie ein Magnet an. Dieser Terrarienturm war, genau wie es im Prospekt stand, ein Turm aus verglasten Biotopen für jene Art haariger, dickbeiniger Spinnen, von denen man entweder fasziniert ist oder Zustände bekommt.

Cassie und Colton kletterten abwechselnd auf eine dreistufige Trittleiter, um sich die Bewohner der oberen Geschosse des Spinnenturms anzuschauen. In einem Terrarium hockte in einer Ecke eine beigefarbene Vogelspinne, deren Hautpanzer bedeckt war mit, wie das Schild am Terrarium verriet, Haaren in einer »hübschen« hellen Farbe. In einem anderen verglasten Biotop wohnte eine rot-schwarze Vogelspinne, die eigentlich in Indien beheimatet ist. Einer der gruseliger aussehenden Terrarienbewohner war eine »Skelettvogelspinne«, die ihren Namen von den weißen Streifen hat, die sich über ihre schwarzen Beine ziehen, sodass die Spinne ein bisschen wie ein Röntgenbild aussieht. Später hörten wir, dass diese spezielle Skelettvogelspinne eine kleine Rebellin war: Einmal hatte sie es irgendwie geschafft auszubrechen, war in das benachbarte Terrarium eingedrungen und hatte ihren Nachbarn zum Mittagessen verspeist.

Als Colton auf die Trittleiter sprang, um zu schauen, wie diese rebellische Vogelspinne aussah, warf er mir über die Schulter ein Lächeln zu, von dem mir ganz warm ums Herz wurde. Ich spürte, wie sich meine Nackenmuskeln entspannten, und irgendwo in mir ging ein Druckventil auf – so ähnlich wie ein langer Seufzer der Seele. Zum ersten Mal seit Monaten hatte ich das Gefühl, ich könnte einfach meine Familie genießen.

»Wow, schau dir die hier an!«, sagte Cassie und zeigte mit dem Finger in eines der Terrarien. Meine Tochter, eine etwas schlaksige Sechsjährige, ist blitzgescheit. Das hat sie von ihrer Mutter. Cassie deutete auf ein Schild, auf dem stand: »Goliath-Vogelspinne … ein Weibchen kann knapp dreißig Zentimeter lang werden.«

Die Spinne in dem Terrarium war nur etwa fünfzehn Zentimeter lang, aber ihr Körper war so dick wie Coltons Handgelenk. Er starrte mit großen Augen durch die Glasscheibe. Ich schaute mich um und sah, wie Sonja die Nase rümpfte.

Ich schätze, einer der ehrenamtlichen Tierpfleger sah ihren Gesichtsausdruck ebenfalls, denn er beeilte sich, die Riesenvogelspinne in Schutz zu nehmen. »Die Goliath-Vogelspinne ist aus Südamerika«, erklärte er in einem freundlichen, informativen Ton, der sagte: Sie ist nicht so eklig, wie Sie denken. »Vogelspinnen aus Nord- und Südamerika sind sehr gutmütig. Da drüben können Sie sogar eine auf die Hand nehmen.« Er deutete in eine Ecke des Raumes, wo ein anderer Tierpfleger eine kleinere Vogelspinne auf der Handfläche hielt, sodass eine Gruppe von Kindern sie sich näher anschauen konnte.

Cassie schoss durch den Raum, um zu sehen, was da los war. Sonja, Colton und ich bildeten die Nachhut. In einer Ecke des Raumes, die wie eine Bambushütte zurechtgemacht war, zeigte der Pfleger den konkurrenzlosen Star der Krabbeltierausstellung – die Spinne Rosie. Rosie war eine Rote Chile-Vogelspinne. Diese Spinne aus Südamerika hatte dicke Haare, einen pflaumengroßen Körper und fünfzehn Zentimeter lange Beine, die so dick wie Bleistifte waren. Doch das Beste an Rosie – zumindest aus der Sicht eines Kindes – war: Wenn man mutig genug war, sie auf die Hand zu nehmen, wenn auch nur für einen Moment, bekam man als Belohnung einen Sticker vom Tierpfleger.

Wenn Sie kleine Kinder haben, dann wissen Sie, dass manchmal ein cooler Sticker besser ist als eine Handvoll Geld. Und dieser Sticker war etwas ganz Besonderes: Auf weißem Untergrund war eine gelbe Vogelspinne zu sehen, und darüber stand: »Ich habe Rosie gehalten!« Das war nicht einfach irgendein Sticker, das war ein Tapferkeitsabzeichen!

Cassie beugte sich dicht über die Hand des Tierpflegers. Colton schaute zu mir auf, die blauen Augen ganz groß. »Darf ich einen Sticker haben, Papa?«

»Du musst Rosie auf die Hand nehmen, um einen Sticker zu kriegen, Kumpel.«

In diesem Alter hatte Colton diese einmalige Art zu sprechen an sich, halb ernsthaft, halb atemlos vor Staunen. Er war ein schlauer, lustiger kleiner Kerl, der das Leben in Schwarz-Weiß sah. Entweder machte etwas Spaß (Lego) oder nicht (Barbies). Entweder mochte er ein Essen (Steaks) oder er hasste es (grüne Bohnen). Die Welt war eingeteilt in Gute und Böse, und sein Lieblingsspielzeug waren Superheld-Figuren. Superhelden waren superwichtig für Colton. Er nahm seinen Spiderman, Batman und Buzz Lightyear überall mit hin. So konnte er, ob er nun in seinem Kindersitz im Auto, in einem Wartezimmer oder in der Gemeinde auf dem Fußboden saß, immer Szenen gestalten, in denen die Guten die Welt retteten. Dazu gehörte meistens auch ein Schwert – Coltons Lieblingswaffe zum Vertreiben des Bösen. Zu Hause konnte er der Superheld sein. Mehr als einmal kam ich nach Hause und fand Colton bis an die Zähne bewaffnet vor, je ein Spielzeugschwert rechts und links in den Gürtel geschoben und eins in jeder Hand: »Ich spiele Zorro, Papa! Willst du mitspielen?«

Jetzt richtete Colton den Blick auf die Spinne, die auf der Hand des Tierpflegers saß, und ich hatte den Eindruck, er hätte gern ein Schwert bei sich, wenigstens zur moralischen Unterstützung. Ich versuchte mir vorzustellen, wie riesig die Spinne für so einen kleinen Kerl aussehen musste, der kaum einszwanzig groß war. Unser Sohn war ein richtiger Junge – ein robustes Kind, das schon zur Genüge Bekanntschaft mit Ameisen und Käfern und anderen Krabbeltieren gemacht hatte. Aber keines dieser schaurig-schönen Krabbeltiere war so groß gewesen wie sein Gesicht und hatte Haare gehabt, die beinahe so lang waren wie seine eigenen.

Cassie richtete sich auf und lächelte Sonja an. »Ich werd sie auf die Hand nehmen, Mami. Darf ich Rosie auf die Hand nehmen?«

»Okay, aber du musst warten, bis du dran bist«, sagte Sonja.

Cassie stellte sich hinter einigen anderen Kindern in die Reihe. Colton wandte den Blick keine Sekunde von Rosie ab, als zuerst ein Junge und dann ein Mädchen die riesige Spinne auf die Hand nahm und der Tierpfleger die begehrten Sticker austeilte. Im Handumdrehen war für Cassie der Augenblick der Wahrheit gekommen. Colton hielt sich an meinen Beinen fest. Nah genug, um seine Schwester zu sehen, und gleichzeitig in Fluchtposition, drückte er sich gegen meine Knie. Cassie streckte die Handfläche aus und wir alle schauten zu, wie Rosie, ein alter Hase im Umgang mit kleinen, neugierigen Menschen, ein haariges Bein nach dem anderen hob und über die Hand des Tierpflegers auf Cassies Hand huschte und wieder zurück.

»Du hast’s geschafft!«, sagte der Pfleger, während Sonja und ich klatschten und Cassie zujubelten. »Gut gemacht!« Dann erhob sich der Tierpfleger, zog einen weiß-gelben Sticker von einer großen Rolle und gab ihn Cassie.