Images
Images
Images
Images
Images

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen
info@rivaverlag.de

Originalausgabe
1. Auflage 2022
© 2022 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH
Türkenstraße 89
80799 München
Tel.: 089 651285-0
Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Mirka Uhrmacher
Umschlaggestaltung: Isabella Dorsch
Umschlagabbildung: Niklas Lemaire
Illustrationen: Papaplatte, Reeze
Satz: Peter Kup
eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-96775-080-5
ISBN E-Book (PDF) 978-3-96775-081-2
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96775-082-9

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.rivaverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Images

INHALT

VORSTELLUNG 8

INTRO 14

SCHULE 24

MÄDCHEN 48

DATING 64

INTERNET 90

VIDEOSPIELE 108

MUSIK 126

SELBSTBEWUSSTSEIN 144

ANGST 162

SUCHT 180

GELD 200

KONKURRENZ 220

EVENTS 242

URLAUB 262

PORNOS 276

FAQ 292

TRÄUME 312

Images
Images

Wir möchten dieses Buch all den Leuten widmen,
die uns während seiner Entstehung ertragen mussten.
An Mikkel und den Verlag ein großes Sorry!

Images

VOR-
STELLUNG

Images
VORSTELLUNG

Wer sind wir überhaupt?

Dass jemand, der dieses Buch liest, uns noch gar nicht kennt, halten wir für unwahrscheinlich. Aber wer weiß! Eine trockene Vorstellungsrunde wollten wir aber nicht machen, daher haben wir das den jeweils anderen übernehmen lassen.

(Alle Illustrationen in diesem Buch sind übrigens von uns beiden liebevoll per Hand für euch gezeichnet worden!)

9
Images

STECKBRIEF KEVIN

ausgefüllt von Dominik (Angaben ohne Gewähr)

Name:

Kevin

Geburtsort:

Königs Wusterhausen?
Oder Berlin

Hobbys:

Zocken, Tanzen (früher),
Kochen, Trash-TV, Feiern

Erstes Videospiel:

Super Mario 64

Wenn er ein Tier wäre:

Kuh

Größte Stärke:

Er kann sich für viele
verschiedene Dinge be-
geistern und sich schnell
in Neues reindenken

Größte Schwäche:

1) Formuliert Feedback
oft viel zu respektlos

2) Musste erst eindringlich
bearbeitet werden,
bevor er angefangen
hat, Deo zu benutzen

Größtes Geheimnis:

Alles schon längst im Pod-
cast für Content verwertet

Geheime Superkraft:

Wohnung innerhalb von
einer Woche komplett
verwüsten

Singt unter der Dusche zu:

Ariana Grande

Lieblingsstellung:

Doggy

Lieblingsessen:

Gulasch mit Klößen (diese
böhmischen Dinger, die
man nur im Osten kennt)

Lieblingsserie:

How I Met Your Mother

Macht er gern:

Bubatz rauchen, Musik
aufnehmen, mit Freunden
chillen, Gastgeber sein

Davon hat er mal gekotzt:

Alkohol

Bereut er:

1) Zu riskante Investments

2) Nicht genug Zeit mit
der Familie verbracht
zu haben

Images

Möchte er mal ausprobieren:

1) Fallschirmspringen

2) Sich einen Tag mal
wie ein Erwachsener
verhalten

Ist ganz schön gut in:

Zuhören und Ratschläge
geben

Sammelt er:

Bitches

Süchtig nach:

Aufmerksamkeit

Peinlichster Moment:

1) Als ihn seine damalige
Freundin mit einem
VR-Porno erwischt hat

2) Als er in seinen i8
gekackt hat

Ekelt sich vor:

Den meisten Sachen, die ich
lecker finde (Geschmacks-
sinn eines Grundschülers)

Wenn er nachts nicht schlafen
kann, denkt er an:

Mich

Was für eine Art König wäre er?

Ziemlich planlos und
unorganisiert, aber gütig

Was war er im früheren Leben?

Safe Hofnarr

Triggert ihn:

Wenn er etwas erklären
muss. Noch schlimmer:
Er muss etwas erklären,
und die andere Person
versteht es nicht sofort

Welchen Job hätte er,
wenn nicht den aktuellen?

Vermutlich etwas mit
IT/Elektronik

Wenn er ein Gegenstand wäre,
welcher wäre es?

Badewanne

Welcher fiktive Charakter
wäre er?

Drake von „Drake & Josh“

Was macht ihn aus?

Sein großes Herz, sein
Ehrgeiz und seine Beschei-
denheit

Wollte ich ihm schon
immer mal sagen:

Ich küss deine Augen und
sage Danke für alles, was
passiert ist, und für alles,
was noch vor uns liegt!

Images

STECKBRIEF DOMINIK

ausgefüllt von Kevin (Angaben ohne Gewähr)

Name:

Dominik Reezmann

Geburtsort:

Stuttgart (glaube ich)

Hobbys:

Laut lachen, Frauen daten

Erstes Videospiel:

Stronghold

Wenn er ein Tier wäre:

Schwein (obvious)

Größte Stärke:

Hat die beste Menschen-
kenntnis, die ich kenne

Größte Schwäche:

Es gibt keine

Größtes Geheimnis:

Alles für Content verblasen

Geheime Superkraft:

Er kann viel Alkohol
trinken und trotzdem am
nächsten Tag arbeiten

Singt unter der Dusche zu:

Songs aus
High School Musical

Lieblingsstellung:

Doggy
(Hoffe, ihr kriegt das Bild
beim Lesen genauso wenig
aus dem Kopf wie ich!)

Lieblingsessen:

Maultaschen

Lieblingsserie:

Psych

Macht er gern:

Essen

Davon hat er mal gekotzt:

Vom Saufen auf einer
Party, aber mit herunter-
gelassener Hose beim
Pissen

Bereut er:

Seine Ex-Freundin –
sollte man inzwischen
mitbekommen haben,
hahaha (oh man)

Möchte er unbedingt mal
ausprobieren:

Alle Sextoys von eis.de

Ist ganz schön gut in:

Allgemeinwissen

Images

Sammelt er:

Geld

Süchtig nach:

Cola Zero

Peinlichster Moment:

Der Mann ist abgehärtet,
dem ist nichts peinlich

Ekelt sich vor:

Leuten ohne
Bausparvertrag

Wenn er nachts nicht schlafen
kann, denkt er an:

Cola Zero. Ja, der Mann
hat wirklich ein Problem

Was für eine Art König
wäre er?

Streng, aber sehr fair,
und Maultaschen umsonst

Was war er im früheren Leben?

Gegengewicht
vom Galgen

Triggert ihn:

Wenn man
unorganisiert ist

Welchen Job hätte er,
wenn nicht den aktuellen?

Webentwickler
für Shops

Wenn er ein Gegenstand wäre,
welcher wäre es?

Ein Megafon

Welcher fiktive Charakter
wäre er?

Ruben aus dem
Minecraft Story Mode

Was macht ihn aus?

Seine gute Laune,
die er most of the time
hat

Wollte ich ihm schon
immer mal sagen:

Du musst aufhören,
jeden Tag fünf Liter
Cola Zero zu trinken,
Bro!

Images

INTRO

Images
INTRO

Wie alles begann

KEVIN Wir haben uns durch meinen Stream kennengelernt. Wer mich kennt, weiß, dass ich ein eher verpeilter Typ bin. Dominik, du bist das genaue Gegenteil. Ein richtiger Schwabe, wie er im Buche steht: pünktlich, strukturiert, zuverlässig. Alles Eigenschaften, auf die ich immer mehr angewiesen war, nachdem ich 2014 mit dem Streamen angefangen hatte. Ich brauchte Leute, die den Chat moderieren können, damit kein Chaos ausbricht. Mein bisheriges Team war super – aber ähnlich durcheinander wie ich. Jeder hat ein bisschen von dem gemacht, was er für richtig hielt.

Es brauchte also dringend jemanden, der Ordnung in diesen Quarkhaufen bringt! Da kam die E-Mail eines gewissen Mr_Reeze gerade richtig. Du hast mich nicht einfach nur gefragt, ob du mitmoderieren kannst, sondern gleich eine richtige Bewerbung geschrieben, als ginge es um einen Ausbildungsplatz. Es fehlte nur noch ein „Sehr geehrter Herr Teller“, und man hätte sie auch an ein Unternehmen schicken können. Es ist eine Schande, dass ich die Mail nicht mehr gefunden habe. Die hätte man perfekt hier ins Buch packen können.

DOMINIK Oh je, können wir das „Mr“ vor meinem Namen weglassen? Das ist noch ein Überbleibsel von ganz, ganz früher. Ich war ein riesiger Fan von der Serie „Malcolm mittendrin“, in der eine Figur Reese hieß. Den Namen fand ich cool, wusste aber nicht, wie man ihn richtig schreibt.

15
Images
INTRO

Mit z erschien mir irgendwie am logischsten. Aber ich hatte das Gefühl, ihn zusätzlich noch „männlicher“ klingen lassen zu müssen. Ich war vielleicht zwölf, noch nicht im Stimmbruch, und die ganzen Gamer um mich herum gaben sich irgendwelche krassen Namen. Da wollte ich mithalten. Ich war der Meinung, mit einem „Mr“ als gestandener Mann durchzugehen. Heute ist mir das eher unangenehm. Wie definiert man denn bitte überhaupt, was ein „gestandener Mann“ ist? Großer Quatsch. Aber ich glaube, viele von uns schleppen noch heute alte Gaming-Namen mit sich rum, aus denen sie eigentlich längst herausgewachsen sind. Aber man verbindet eben doch viel mit dieser frühen Zeit, hat zig Accounts so benannt und kommt deswegen nicht mehr ganz davon weg.

Die Bewerbung jedenfalls, von der gerade die Rede war, schrieb ich aus einer spontanen Laune heraus. Ich hatte damals gerade angefangen zu studieren, war also zeitlich noch nicht so eingespannt, und bin irgendwie über deinen Stream gestolpert. Ich fand dich sympathisch und habe dir gerne zugeschaut. Heute kann ich nur sagen, dass es ein Wink des Schicksals gewesen sein muss. Es hätte ja auch jeder andere Stream sein können. Stell dir mal vor, das wärst nicht du gewesen, sondern Monte!

Nach etwa einem halben Jahr als stiller Zuschauer fand ich jedenfalls, dass Moderator sein eigentlich ganz cool wäre. Als Schwabe will man ja immer schön was schaffen! Außerdem wurde damals schon offensichtlich, dass das Mod-Team etwas planlos unterwegs war. Diese Truppe auf Vordermann zu bringen war genau die richtige Aufgabe für

Dann wäre
es jetzt
nicht „Chillen
mit Memooo
mit drei o”,
sondern
„Chillen mit
Reeze mit
drei e”!
– K

16
Images
INTRO

mich. Natürlich wollte ich nicht alles auf Krampf umkrempeln, auf die Art macht man sich keine Freunde in einer neuen Umgebung. Niemand mag den Typen, der reinkommt, noch keinen kennt, aber schon jedem sagen kann, was falsch läuft. Ich habe lieber nach und nach Struktur reingebracht. So nahm dann auch der Kontakt zwischen uns beiden zu. Wirklich persönlich getroffen haben wir uns aber erst auf der gamescom 2016.

KEVIN Ich erinnere mich noch dran! Ich habe Autogramme gegeben, was sich komplett surreal anfühlte. Da standen wirklich Menschen, die von mir irgendwas unterschrieben und ein Foto haben wollten! Das war völlig neu für mich. Plötzlich brüllte jemand „Hallo, Papa! Papa, hallo, Papa!“ durch die gesamte Halle. Ich kannte dich bis dahin nur von Fotos, wusste aber natürlich gleich, wer da so einen Aufstand machte. Es fühlte sich sofort vertraut an, als würden wir uns schon sehr lange kennen. Du hast mich gleich umarmt, als wären wir seit Ewigkeiten befreundet. Und ich weiß noch, später am Abend waren wir dann noch zusammen bei einem anderen YouTuber in dessen Wohnung zu Besuch, aber darüber schweigen wir lieber. Sagen wir nur so viel: Die Verpflegung bestand aus 5-Minuten-Terrinen, was nach einem langen gamescom-Tag mehr als enttäuschend war.

DOMINIK Wenn ich darüber nachdenke, wie wir damals aussahen! Wir waren wirklich die größten Larrys auf Erden. Ich hatte gerade meine Afrophase hinter mir und trug

Und die Küche hat
   komplett geschimmelt!!
– D

sind

17
Images
INTRO

eine formschöne Pilzfrisur auf dem Kopf. Zwar durchaus eine Verbesserung, aber noch immer echt fragwürdig!

Das nächste Mal persönlich gesehen haben wir uns dann auf deinem ersten Poker-Event. Das war eine ganz klassische Kevin-Aktion. Du hattest mir und einem weiteren Moderator gesagt, dass wir deinen Poker-Stream live auf deinem Twitch-Kanal casten sollten. Ich fand die Idee super und hatte wirklich Lust darauf. Zwei Wochen vor dem Termin fragte ich dich, wie der Stand der Orga sei, aber davon hattest du überhaupt keine Ahnung. Ich sollte Stefan fragen, unseren Techniker. Der wusste allerdings von gar nichts! Also habe ich mich mit ihm hingesetzt, um in kürzester Zeit alles auf die Beine zu stellen. Zum Glück hat es wirklich gut funktioniert, sodass ich die nächsten Poker-Events gleich von Anfang an organisiert habe, damit alles glattläuft. Das beschreibt unser damaliges Verhältnis eigentlich ganz gut. Du kommst mit irgendeiner Idee um die Ecke, und ich darf das dann ausbaden.

KEVIN Bruder, was soll ich sagen? Du bist da halt der Beste drin! Weißt du noch, was vor dem ersten Poker-Event bei mir zu Hause passiert ist? Ich habe das als unsere erste Beziehungsprobe in Erinnerung, quasi der Eisbrecher für unsere Freundschaft. Alle haben bei mir gepennt, und ich lag natürlich am längsten im Bett. Ich muss dazu anmerken, dass ich überzeugter Nacktschläfer bin. Da ich in meinem Schlafzimmer bei geschlossener Tür gepennt habe, hätte das auch kein Problem sein sollen. Aber es ist Folgendes passiert: Du warst gerade mit Zähneputzen fer-

18
Images
INTRO

tig und wolltest aus dem Badezimmer gehen. Wenn aber die Badezimmertür und meine Schlafzimmertür offen stehen, kann man vom Bad aus direkt auf mein Bett gucken. Henke, ein Freund von uns, wusste noch nicht, dass ich nackt schlafe, hat angeklopft und meine Tür aufgerissen. Und da lag ich dann, breitbeinig und ohne Decke, die ich
nachts weggestrampelt haben muss. Du kommst
aus dem Bad und starrst straight auf mein Ding.
So früh wollten wir sicher noch nicht so viel
übereinander wissen!

DOMINIK Es war wirklich wie in einer Sitcom. Ich drehe mich um, mache die Tür auf, und genau in derselben Millisekunde geht deine Schlafzimmertür auf, und mein Blick fällt zwangsläufig direkt zwischen deine Schenkel. Ab dem Punkt war quasi alles egal. Schlimmer konnte es nicht mehr kommen. Auch wenn ich das Trauma durch dein entblößtes Geschlecht bis heute nicht überwunden habe, das peinlich berührte und zugleich befreiende Lachen aller Beteiligten im Anschluss schweißte uns irgendwie doch zusammen. Es war ein verstörender und trotzdem magischer Moment. Wir hatten ein Event gerettet, zumindest einer von uns hatte vor dem anderen blankgezogen, und da wir uns eh schon so intim kannten, kam es von ganz allein, dass wir im Laufe der Zeit auch privat immer mehr miteinander sprachen. Nicht nur über den Stream oder das Mod-Team, sondern auch über unser Leben, Probleme, Gott und die Welt. Letztlich kam die Idee eines gemeinsamen Podcasts auf.

Maßstab 1:20
– K

19
Images
INTRO

KEVIN Ich glaube, das war deine Idee, oder? Wir waren zusammen im TeamSpeak und haben wie immer über alles Mögliche geredet, als du auf das Thema zu sprechen kamst. Du warst schon immer ein großer Podcast-Fan und wolltest unbedingt mal einen eigenen machen – und ich hatte auch Bock, mal was Neues auszuprobieren. Also fingen wir kurz darauf an, die nötigen Programme zusammenzusuchen und runterzuladen. Wir hatten keinen Plan, wie und wo man einen Podcast überhaupt veröffentlicht, aber einige Google-Suchen später hatten wir zumindest die Grundlagen verstanden.

Fehlte nur noch ein Name! Als alle anderen Leute anfingen, ständig „Ehrenmann“ zu sagen, gab es damals in unserer Bubble eine Steigerung dazu: „Edelmann“. Nach einem viel zu langen Brainstorming stand am Ende der davon abgeleitete Name „Edeltalk“ fest.

Ich finde, der Podcast war eine der besten Entscheidungen, die wir jemals getroffen haben, denn der gemeinsame wöchentliche Aufnahmetermin hat unserer Freundschaft richtig gutgetan und sie gefestigt. Dafür bin ich sehr dankbar. Mit Freundschaften ist es ja nicht anders als mit Beziehungen: Man muss sich Zeit dafür nehmen. (Das sage ich jetzt natürlich nur fürs Buch. Wäre ja echt cringe sonst.)

Wir sprechen im Podcast genauso miteinander, wie wir das auch im normalen Gespräch tun würden. Wir können auch eine halbe Stunde darüber rätseln, wie Brieftauben funktionieren oder wie Bäume das Wasser von unten nach oben holen. Ohne den Druck, jedes Mal eine krasse Story abliefern zu müssen.

20
Images
INTRO

Ich glaube, das ist auch der Grund dafür, wieso es uns nach weit über hundert Folgen noch immer leichtfällt, den nächsten Podcast aufzunehmen. Und warum die Leute auch nach so vielen Folgen noch immer einschalten. Nur einen Telefonjoker könnten wir ab und zu brauchen, wenn wir komplett lost sind. Wahrscheinlich würde das dem Ganzen aber den Charme nehmen.

DOMINIK Auf jeden Fall! Dann könnten wir ja keine Nachrichten mehr bekommen wie: „Bezug nehmend auf Folge ‚Schiebs dir ins Maul‘ wollte ich nur sagen, dass Wale tatsächlich weit über fünfzig Jahre alt werden können.“ Außerdem mag ich unsere Art, gemeinsam im Gespräch Lösungen zu finden. Auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind, versuchen wir zumindest zu verstehen, was der andere sagen will. Und ein Podcast mit zwei Typen, die genau gleich viel wissen und sich nur gegenseitig zustimmen, wäre auch unglaublich langweilig. Das heißt aber eben nicht, dass man miteinander streiten muss. Mit etwas Glück färbt diese Haltung ein wenig auf unsere Zuhörer ab, sodass sie Dinge vielleicht anders betrachten und Diskussionen offener angehen. Es geht nicht immer darum, recht zu behalten oder zu gewinnen, sondern darum, den anderen zu verstehen, gerade wenn er über meinen Punkt anders denkt. Das macht ein gutes Miteinander und auch eine gute Freundschaft aus. Unsere wäre ohne den Podcast nie so intensiv geworden. Vielleicht wäre sowieso alles ganz anders verlaufen!

Durch den Edeltalk hat sich so vieles in meinem Leben verändert. Ich habe erst dadurch kapiert, dass mir dieses

21
Images
INTRO

Öffentlichkeitsding voll Spaß macht – egal ob Stream oder Podcast. Ich glaube, ich kann halt einfach gut unterhalten, so dumm es klingt. Wenn wir den Podcast nicht gemacht hätten, würde ich jetzt wahrscheinlich in irgendeiner Agentur sitzen und Kunden betreuen, die einen Onlineshop wollen. Was auch okay wäre, aber das hier macht mir halt viel mehr Spaß. Es fühlt sich einfach gut an, etwas zu haben, das einem so wichtig ist, dass man unbedingt dranbleiben will. Ich wünsche jedem Menschen, dass er so eine Motivation für sein eigenes Leben findet. Wie oft startet man Sachen, und dann verlaufen sie doch wieder im Sande, weil man sich nicht genug darum gekümmert hat.

KEVIN Und jetzt machen wir auch noch dieses Buch zusammen! Ich weiß, dass so etwas schon lange einer deiner Herzenswünsche war, neben einer Livetour. Ich selbst war zu Beginn etwas skeptisch, weil ich mir Dinge in der Theorie nicht so gut vorstellen kann. Ich funktioniere eher praxisbezogen und muss im Vorfeld erst überzeugt werden. Die Skepsis hat sich aber nach den ersten Gesprächen komplett gelegt. Jetzt bin ich auch Feuer und Flamme dafür – und der Edeltalk hat sein eigenes Buch!

DOMINIK Verrückt, dass genau in diesem Moment jemand das Buch in der Hand hat und lesen kann, was wir uns dabei gedacht haben, oder?

Bevor es so richtig losgeht, sollten wir aber noch ein paar Worte zum Aufbau des Buches verlieren. Es ist eigentlich ziemlich ähnlich aufgebaut wie der Podcast selbst:

22
Images
INTRO

Wir wollen locker über ein paar Themen quatschen – aber anders als im Podcast lassen wir uns hier gegenseitig ausreden! Ansonsten hätten sich die Texte nämlich wie ein ziemlich wirres Theaterstück gelesen, bei dem ständig die Perspektive wechselt. Das fanden wir super anstrengend. Beim Zuhören klappt das gut, wenn wir uns die Bälle zuwerfen, da kann man ja unsere Stimmen problemlos unterscheiden. Beim Lesen aber verliert man sofort den Überblick. Daher lassen wir uns hier mehr Zeit, um Gedanken auszuformulieren.

Die Themenauswahl folgt keinem starren Muster oder irgendeiner Timeline. So ticken wir einfach nicht. Wir reden hier über das, was uns interessiert. Da nichts direkt aufeinander aufbaut, ist es auch nicht wichtig, die exakte Reihenfolge einzuhalten. Wer fleißig alle Podcast-Folgen gehört hat, kann sich bestimmt an manche Storys zurückerinnern. Vieles aber haben wir immer nur angeschnitten, aber dann nicht so richtig konsequent weitererzählt, weil wir im Podcast dazu neigen, schnell abzuschweifen. Im Buch aber haben wir es geschafft, konsequenter bei einem Thema pro Kapitel zu bleiben.

Na ja, zumindest mehr oder weniger. Immerhin sind wir immer noch dieselben zwei Dudes, die hier keine Doktorarbeit verfassen, sondern ein hoffentlich unterhaltsames Buch fabrizieren wollen.

Also startet einfach rein und habt eine gute Zeit!

23
Images

SCHULE

Images
SCHULE

Herbstbuch & Olchis

DOMINIK Endlich Schule! Das gesamte letzte Kindergartenjahr über fieberte ich diesem neuen Abenteuer entgegen. Besonders freute ich mich darüber, dass einige meiner besten Kindergartenfreunde zeitgleich eingeschult wurden und mit mir in dieselbe Klasse kamen. Man betrat dieses unbekannte Terrain also nicht alleine. Trotzdem war ich aufgeregt wie sonst was. Schreiben lernen, Plus und Minus rechnen. Das sind Dinge, die die Großen machen – und zu den Großen gehören wollte man in dem Alter ja unbedingt.

Der erste Schultag verging wie im Flug. Wir haben die anderen Kinder und unsere Klassenlehrerin kennengelernt, die wirklich ein Schatz war. Sie hat uns ein bisschen die Angst und Aufregung genommen und ein paar Listen mit Dingen ausgeteilt, die wir für den Unterricht brauchten. Nach ein oder zwei Stunden war das Spektakel auch schon wieder vorbei.

Aber dass der kleine Dominik endlich zur Schule ging, musste natürlich zünftig gefeiert werden. Meine Eltern haben extra einen Saal in einem Gasthaus angemietet, in dem sich die ganze Verwandtschaft getroffen und mich gefeiert hat: Tanten, Onkel, Cousins, Großeltern, Haustiere. Ich fand es damals etwas übertrieben, dass sie meinen ersten Schultag zelebriert haben, als hätten sie alle nicht damit gerechnet, dass ich es so weit schaffe. Dabei bin ich mir ziemlich sicher, dass es zur Grundschule gar keine Alternative gegeben hätte. Außer vielleicht Notschlachtung oder spontane Adoptionsfreigabe.

25
Images
SCHULE

Aber ich machte den Spaß mit, denn ich war fürstlich bestochen worden: mit der größten Schultüte aller Zeiten, geschmückt mit Delfinen und randvoll mit
Süßigkeiten.

KEVIN Bei mir war es genauso. Mein bester Freund Christian ist zusammen mit mir eingeschult worden. Wir kannten uns schon aus dem Kindergarten, wo er zu meinem Freund wurde, weil er mir im Sandkasten einen Bagger reservierte, mit dem immer alle spielen wollten. An unserem ersten Schultag hatten wir beide eine Schultüte, die mindestens so groß war wie wir selbst und bis obenhin voll mit Süßigkeiten.

Richtig aufgeregt wegen der Schule war ich aber nicht, denn wir hatten im Kindergarten schon Vorschule. Da wurden wir auf die Zeit nach dem Kindergarten vorbereitet. Mir fiel es irgendwie ziemlich leicht, die Aufgaben zu lösen, und ich habe den anderen Kindern aus Langeweile alles vorgesagt – weswegen alle Erzieher echt froh waren, als ich endlich eingeschult wurde und die anderen Kinder wieder selbst denken mussten. Komischerweise hat mir Lernen damals noch echt Spaß gemacht. Deswegen habe

Falls du das liest,
Grüße gehen raus!
– K

26
Images
SCHULE

ich nachmittags nach dem Kindergarten sogar mit meiner Gegenüber-Nachbarin, einer Lehrerin im Ruhestand, gelernt. Liebe Grüße an Uschi!

Ich habe mich also bestens auf meine schulische Karriere vorbereitet, und der Einstieg fiel mir verdammt leicht. Ich freute mich enorm auf Fächer wie Mathe, vor allem auf das kleine Einmaleins. Auch in der zweiten Klasse machte ich mich gut, sodass ich zu einem der drei „Mentoren“ gewählt wurde, die mit den neuen Erstklässlern zusammen lernen und ihnen alles zeigen sollten. Ich weiß, das ist wahrscheinlich unvorstellbar, wenn man mich aus den heutigen Streams kennt. Aber ich war damals einfach unglaublich motiviert und hatte richtig Bock auf Schule.

DOMINIK Das kann man sich wirklich gar nicht vorstellen. Aber früher war alles noch anders. Du warst noch klug, und ich hatte noch ein richtig harmonisches Verhältnis zur Schule. Ich ging auf eine winzige Dorfgrundschule im Speckgürtel von Stuttgart. Da war nicht viel los, man kannte die meisten Kinder schon, niemand wollte irgendjemandem etwas Böses. Einfach heile Welt, genau wie man es sich wünscht. Ich war nie ein aggressives oder wütendes Kind, das sich mit anderen angelegt hätte. Wir haben getobt und gerangelt, aber uns nicht beleidigt und gekloppt. Mein Verhältnis zur Schule änderte sich exakt in dem Augenblick, als es Noten gab. Im ersten Schuljahr wurden wir noch nicht benotet, sondern konnten uns einfach ausprobieren. Ich bin mir sicher, dass ich auch in dieser Zeit schon was gelernt habe, es fühlte sich nur nicht so an, weil niemand beurteilte,

27
Images
SCHULE

wie gut oder schlecht ich war. Aber als es dann mit der Bewertung losging, bemerkte ich meine ausgeprägte Unlust am Lernen. Plötzlich war da dieser Druck, dieser Anspruch, etwas leisten zu müssen. Es gab gewisse Vorstellungen davon, wie „lernen“ auszusehen habe, dass man sich dabei ruhig an einen Tisch zu setzen hat, aber ich war einfach schlecht darin, meinen Arsch auf einem Stuhl zu halten und auf Blätter zu starren. Das führte schon in der Grundschule zu dem einen oder anderen Konflikt im Elternhaus, was die Fronten zwischen mir und der Schule nur noch verhärtete. Immerhin hatte ich nur Ärger deswegen.

So schlecht ich aber im Stillsitzen war, so gut war ich darin, Dinge in meinem Zimmer zu verstecken, die ich in der Schule hätte abgeben sollen. Eines Tages rief meine Lehrerin zu Hause an und erklärte meinen Eltern, dass der Dominik noch sein „Herbstbuch“ abgeben müsse. Ich glaube, darin sollten wir irgendwas über die Jahreszeit notieren und wahrscheinlich gelbe und rote Blätter einkleben oder ähnlich sinnvolle Maßnahmen.

Ich hätte mich dafür einfach eine halbe Stunde hinsetzen müssen und wäre fertig gewesen. Aber ich war eine faule Sau. Ich vergrub das Heft in einer Schublade und leugnete die Existenz des Herbstbuches. Damals erschien mir dieses Vorgehen als die klügste Lösung – bis der Anruf aus der Schule kam und meine Eltern mir Feuer unterm Hintern machten. Auch hier wäre es wieder nur eine halbe Stunde gewesen, die ich schmollend bunte Blätter hätte suchen und einkleben müssen, aber je mehr Druck ich bekam, desto stärker blockte ich ab. Ich behauptete steif

28
Images
SCHULE

und fest, niemals ein Herbstbuch gesehen, bekommen oder besessen zu haben.

Meine Eltern glaubten mir natürlich kein Wort und verlangten, dass wir alle gemeinsam danach suchen. Ich hielt mich erneut für besonders schlau und übernahm die Schublade, bei der ich ja genau wusste, dass das Heft darin war. Ich tat so, als würde ich alles durchwühlen, verkündete dann, dass hier nichts sei, schloss die Schublade wieder und suchte woanders weiter. Mein Vater aber war ein Fuchs und hat den Braten sofort gerochen. Auch er inspizierte die Schublade und förderte das Herbstbuch mit fragend erhobenen Augenbrauen zutage.

Es folgte eine Standpauke, wie ich sie noch häufig im Laufe meiner Schulzeit bekommen sollte. Nicht dass ich dieses Heft vergessen hatte, war das große Problem. Sondern dass ich vollkommen bewusst mehrfach gelogen hatte, um mich vor der Aufgabe zu drücken, die mich jetzt sowieso wieder einholte. Denn natürlich musste ich trotzdem rausgehen, irgendwelche Blätter zusammensuchen und mir oberflächliche Fakten zum Herbst aus den Fingern saugen. Ich hatte mit meiner Aktion rein gar nichts gewonnen.

Aus heutiger Sicht war mein Verhalten also total dumm. Ich hätte mir so viel Stress und Ärger ersparen können, hätte ich einfach mein Zeug gemacht. Leider hat es Jahre gedauert, bis ich das kapiert und meinen inneren Schweinehund besiegt habe.

KEVIN Wir haben unser Schulleben einfach komplett anders gelebt. Während du erst faul warst und deinen Kram

29
Images
SCHULE

irgendwann später gut in den Griff bekommen hast, war ich am Anfang richtig fleißig – und später in World of Warcraft verschwunden.

In der Grundschule habe ich mit Begeisterung Fleißbienchen gesammelt und kam letztlich in eine sogenannte „Leistungs- und Begabtenklasse“. Dazu muss man wissen, dass man in Brandenburg eigentlich erst nach der sechsten Klasse auf die weiterführende Schule kommt. Das ist, Stand 2021, noch immer so. Wer aber in einem IQ-Test genug Punkte sammelte und einen gewissen Notendurchschnitt mitbrachte, hatte die Möglichkeit, schon ab der Fünften aufs Gymnasium zu gehen und dort im Rahmen einer Begabtenklasse besonders gefördert zu werden.

In eine solche Klasse sollte auch ich gehen. Es fehlte nur noch ein Gutachten meiner Klassenlehrerin. Mit der gab es allerdings ein kleines Problem: Als wir die Aufgabe gestellt bekamen, unser Lieblingsbuch in ihrem Unterricht vorzustellen, beging ich den großen Fehler, „Die Olchis“ mitzubringen, ein Buch über kleine grüne Geschöpfe, die in Müllgruben lebten. Das fand sie anscheinend komplett unpassend für einen Viertklässler, vor allem, wenn der in die Begabtenklasse wollte – auch wenn ich später herausgefunden habe, dass diese Klasse weniger mit „Begabung“ zu tun hatte, da meine Mitschüler genauso blöd waren wie alle anderen auch. Aber na gut.

Ich habe nie verstanden, warum manche Lehrer so sind. Wahrscheinlich hätte es für sie Shakespeare in der Originalversion sein müssen, um zu beweisen, dass ich als Neunjähriger qualifiziert genug bin.

30
Images
SCHULE

Kleiner Tipp: Nehmt dieses Buch, das ihr gerade in euren Händen haltet, lieber niemals mit in die Schule. Hinterher wird euch noch der Schulabschluss verweigert – oder nachträglich wieder weggenommen, wer weiß!

Diese Lehrerin weigerte sich jedenfalls, mich zu empfehlen. So dumm einfach. Zum Glück schaltete sich meine Gegenüber-Nachbarin Uschi ein, bei der ich noch immer nachmittags Hausaufgaben machte. Sie kannte meine Klassenlehrerin und überzeugte sie davon, mir trotzdem ein positives Gutachten auszustellen. So kam ich doch noch in die Begabtenklasse und durfte ab der Fünften das Gymnasium besuchen.

Auch wenn „Begabtenklasse“ vielleicht nach extraviel Lernstoff klingt, fand ich die Aufgaben eigentlich relativ normal. Die Klasse diente einfach nur dazu, uns ans Gymnasium zu gewöhnen. An meinen guten Noten änderte sich also auch nichts. Weniger cool für mich war allerdings, dass mein bester Freund Christian weiterhin zur Grundschule ging und ich ihn dadurch zwei Jahre lang nur noch nach dem Unterricht treffen konnte. Doch ab der siebten Klasse kamen dann drei weitere Klassen aus Schülern hinzu, die den regulären Schulweg gegangen waren – unter anderem auch Christian.

DOMINIK Du wärst fast an den Olchis gescheitert, ich an Fächern wie Mathe. Das war bei mir in der Grundschule schon ein Problem und wurde auch im späteren Verlauf nicht besser. Ich hatte keine Lust, viel Energie ins Lernen zu stecken, was sich später natürlich gerächt hat. In Mathe

31
Images
SCHULE

baut alles aufeinander auf. Wenn man einmal den Anschluss verpasst hat, geht es wie in einer Spirale immer weiter abwärts, wenn man nicht aktiv gegensteuert. Aber dafür hätte ich wirklich was tun müssen, was für mich nicht infrage kam.

Stattdessen habe ich mich gedrückt, wo ich nur konnte. Wenn ich zum Beispiel wusste, dass ich gleich an die Tafel gerufen werden würde und etwas vorrechnen sollte, habe ich mich schnell mit der Ausrede gemeldet, aufs Klo zu müssen. Zufälligerweise genau dann, wenn die Hausaufgaben besprochen wurden, drückte der Stift eben. Kann man nichts machen.

Einmal habe ich den Bogen aber überspannt. Um ganz sicherzugehen, nicht mehr drankommen zu können, blieb ich so lange weg, dass die Lehrerin einen Klassenkameraden zum Nachschauen schickte. Der kam ins Klo, rief meinen Namen, und ich tat das einzig Logische: mich totstellen.

Der Moment ist mir wirklich im Kopf geblieben. Ich kauerte auf der Toilettenschüssel wie im Film, Füße auf der Brille, damit man die Schuhe nicht sehen konnte. Er rief zweimal meinen Namen, klopfte an die Türen und fragte besorgt, ob alles okay sei. Ich traute mich nicht zu atmen, bis er das Klo wieder verlassen hatte.

Als er endlich weg war, schlich ich hinterher und betrat kurz nach ihm das Klassenzimmer mit der Ausrede, dass er wohl auf dem falschen Klo gesucht haben musste. Was Unsinn war, das wussten alle. Aber irgendwie kam ich trotzdem mit einem genervten Kopfschütteln davon. Ich

32
Images
SCHULE

vermute, meine Lehrerin hatte mich zu dem Zeitpunkt schon aufgegeben. Natürlich fragte ich mich selbst, was zum Teufel ich da eigentlich machte. Aber Konsequenzen zog ich daraus leider noch immer nicht.

Dementsprechend war auch meine Gymnasialempfehlung nach der Vierten gefährdet. Im Gegensatz zu Brandenburg, die das Thema ja offensichtlich etwas anders angehen als der Rest des Landes, stellten die Grundschulen bei uns nach der vierten Klasse Empfehlungen für die jeweilige weiterführende Schulform aus. Auf meiner stand, dass ich auf die Realschule gehen sollte. Eine solche Empfehlung war bindend, keine andere Schulform hätte mich annehmen müssen. Meine Mutter musste daher einigen Leuten verdammt auf den Sack gehen, bis ich schlussendlich doch aufs Gymnasium durfte.

Der Druck dahinter war nicht zu verachten. Und wir haben ja schon gehört, wie ich auf Druck reagiere. Dazu die Unsicherheit, irgendwie auch Scham, vielleicht nicht gut genug zu sein für die Schule, auf die alle meine Freunde gehen sollten. Heute denke ich manchmal, dass die Realschule für mich vielleicht besser gewesen wäre, weil ich dort weniger Druck gehabt hätte. Die Chancen des Gymnasiums habe ich damals eh noch nicht kapiert. Dass ich ohne Abi in meiner Berufswahl eingeschränkt wäre, kein Arzt oder Ingenieur werden konnte, beschäftigte mich nicht. Meine einzige Sorge war, mit meinen Freunden auf dieselbe Schule gehen zu können, und so war ich einfach froh, dass es geklappt hatte. Motivation fürs Lernen aber gab mir das nicht. Ich hatte gar kein Ziel vor Augen, wofür

33
Images
SCHULE

es sich gelohnt hätte, sich so rundmachen zu lassen. Mein Abi habe ich trotzdem irgendwie geschafft, allerdings mehr schlecht als recht. Arzt bin ich damit natürlich nicht geworden. Wollte ich aber auch nie. Es traf sich ganz gut, dass ich eh ein Studium beginnen wollte, das keinen bestimmten Notendurchschnitt voraussetzte.

KEVIN Ich fasse es nicht, wie weit wir bei dem Thema auseinanderliegen. Weißt du, was in der Grundschule meine größte Sorge war? Ob der Lieferant mit den Joe-Clever-Trinkpäckchen rechtzeitig kommt. Den Namen kennen wahrscheinlich nur Brandenburger, deshalb: So hießen bei uns die kleinen Milchtüten mit unterschiedlichen Geschmacksrichtungen. Als Schüler konnte man dafür ein Abo abschließen und bekam täglich eine Milch in die Schule geliefert. Das Highlight war immer, wenn man eine Woche krank gewesen war und gleich fünf Packungen in der Schule auf einen warteten. Man hat sich gefühlt wie der König, während man sich genüsslich eine Milch nach der anderen reingepfiffen hat. Das ist übrigens der Ursprung meiner großen Liebe für Bananenmilch.

Auf diesen Service musste ich auf dem Gymnasium leider verzichten. Quasi schon der erste Schritt ins Erwachsenenleben, wenn nach und nach die wundervollen Kleinigkeiten wegbrechen, die einem die Kindheit versüßt haben. Milch wurde dir nicht mehr auf magische Weise geliefert, sondern musste mit eigenem Geld gekauft werden. Der Zauber war weg. In diesem neuen Lebensabschnitt wie auch im neuen Klassenverband musste ich meine Rolle

34
Images
SCHULE

erst noch finden. Es hatten sich schnell zwei Lager gebildet, sortiert in beliebt und unbeliebt. Ich gehörte irgendwie zum Mittelfeld, irgendwo zwischen cool und uncool. Zwar legte ich schon Wert darauf, mich gut zu kleiden, und war ziemlich extrovertiert, aber in die coolen Kreise habe ich es trotzdem nicht geschafft. Ich glaube, dass ich jeden Tag nach der Schule in Videospielen versunken bin, hat auch nicht unbedingt geholfen. Das war allerdings kein Problem für mich. Ob meine Freunde zu den Coolen gehörten oder nicht, spielte keine Rolle.

DOMINIK Die weiterführende Schule war für mich am Anfang völlig verrückt. Auf der Grundschule war man in der Vierten der Älteste, der Platzhirsch, und dann kommt man aufs Gymnasium und steht wieder ganz unten in der Nahrungskette. Das war eine bittere Pille, die ich schlucken musste.

Wenn ich mit dem Schulbus fuhr, hatte ich keine Chancen auf einen Sitzplatz. An der Haltestelle gab es ein Gitter, vor dem sich immer alle versammelt haben. Die Älteren haben die Jüngeren an den Ranzen gepackt, weggezogen und einfach ihre Plätze eingenommen. Sie haben uns gepflückt wie Obst, das am Baum hängt. Als ich selbst älter wurde, habe ich mit den jüngeren Schülern natürlich das Gleiche gemacht. Eine Erfahrung, die an jede neue Klassenstufe weitergegeben wird.

Da viele meiner Freunde ebenfalls aufs Gymnasium wechselten und in meine Klasse kamen, war das Einfinden in die neue Stufe aber gar nicht so schwierig. Ich hatte mit

35
Images
SCHULE

niemandem Probleme und war, im Gegensatz zu heute, noch viel ruhiger und konnte mich gut anpassen. Eben noch kein richtiger Entertainer.

Dieses Gefühl, meinen Platz gefunden zu haben, änderte sich aber schlagartig, als mich meine Faulheit nach Jahren endgültig einholte und ich die Konsequenzen nicht mehr vermeiden konnte: Ich blieb sitzen und musste die Neunte wiederholen. Eine neue Klasse, neue Leute, die sich alle schon seit Jahren kannten, und ich als Außenseiter, der auch noch älter war als der Rest. Das hat einiges mit meinem pubertierenden Ich angestellt. Es war, als hätte es zwei Phasen am Gymnasium gegeben: die Zeit vor dem Sitzenbleiben und die Zeit danach. Menschen neigen ja dazu, ihr Leben in ein Davor und ein Danach einzuteilen. Schicksalsschläge, Ortswechsel, große Veränderungen. Bei mir war es das Sitzenbleiben, und es hing an Mathe und Französisch in der neunten Klasse.

Ich will es eigentlich gar nicht auf eine bestimmte Lehrkraft schieben, muss es aber trotzdem tun. Meine Mathelehrerin hat Schüler einfach gehasst
– und ganz besonders mich. Grund-
legend und aus tiefstem Herzen. Sie
wollte uns nichts Gutes, war völlig
durch mit ihrem Job und hätte ir-
gendwas anderes machen sollen,
bloß nichts mit Kindern. Mathe war
ja eh schon mein absolutes Hass-
fach, sie aber machte es zu meiner
persönlichen Hölle.

Unlustige
Knecht
– K

36
Images
SCHULE

Von Jahr zu Jahr wurden meine Lücken größer. In der Neunten war klar, dass ich eine Fünf in Mathe bekommen würde. Das wäre an sich aber noch kein Problem gewesen. Eine Fünf im Zeugnis kann man bekanntlich ausgleichen, und meine Lehrerin in Französisch hatte mir eine Vier in Aussicht gestellt, womit ich die Versetzung geschafft hätte. Ich war völlig entspannt, das Leben hatte mir eine weitere Chance gegeben, und ich dachte nicht weiter darüber nach, dass es im nächsten Jahr wahrscheinlich nicht besser um meine Noten bestellt sein würde. Es zählte nur das Hier und Jetzt, und da hatte ich im Kopf die Versetzung schon in der Tasche.

Doch naiv, wie ich war, hatte ich meine Rechnung ohne den Einfluss meiner Mathelehrerin gemacht. Statt mich mit einer Vier in Französisch noch gerade so durchschlüpfen zu lassen, redete sie meiner Französischlehrerin rein, sodass die mir doch eine Fünf gab. Sie meinte, es wäre besser für mich, den Stoff zu wiederholen. Lieber ein Jahr, um die Lücken zu füllen, statt im nächsten vor demselben Problem zu stehen. Für mich bedeutete das: eine Ehrenrunde drehen.

KEVIN Was für ein mieser Move! Mich hat auch mal eine Lehrerin übel auflaufen lassen. Hat zwar nicht gleich dazu geführt, dass ich eine Klasse wiederholen musste, aber es hat sich mir trotzdem eingebrannt. Bei mir war es meine Englischlehrerin. Im Unterricht sollten wir als Gruppe ein Plakat vorbereiten und es vorstellen. Abgesprochen war, dass es dafür zwei getrennte Noten gab: eine für das Plakat und eine für den Vortrag.

37
Images
SCHULE

Leider stand ich schon vorher mit der Lehrerin auf Kriegsfuß. Mir kam es so vor, als würde sie den Frust aus ihrer eigenen Schulzeit an uns auslassen. Wer nicht zu ihren fünf Lieblingen gehörte, hatte verloren. Sie war eine von diesen Lehrkräften, die reinkommen und erst mal erklären, dass ein Großteil der Schüler sowieso nicht mitkommen wird.

Als wäre das ein Flex, dass jeder Zweite durchfällt. Dabei ist das viel eher ein Schuldeingeständnis, dass sie ihren Job nicht richtig macht. Lehrer sollen Wissen vermitteln und nicht Angst unter ihren Schülern verbreiten. Wenn so viele durchfallen, liegt es wohl eher daran, dass die Lehrkraft einen schlechten Unterricht macht.

Auf jeden Fall war mir und meiner Gruppe bewusst, dass wir nicht ihre Lieblinge sind und es mit dem Vortrag schwer haben würden. Nach einer Kosten-Nutzen-Rechnung und gemeinsamer Risikoabwägung entschieden wir uns dafür, den Fokus komplett auf das Plakat zu legen. Da konnte immerhin jeder sehen, wie viel Mühe wir uns gegeben hatten. Mit dem Plakat wollten wir eine gute Note einfahren, um den Vortrag auszugleichen, von dem wir schon wussten, dass er ihr nicht gefallen würde.

Gesagt, getan. Ich bin wahrscheinlich noch bescheiden, wenn ich behaupte, dass das Plakat ein verdammtes Meisterwerk war. Der Vortrag hingegen war eher … okay. Mit einer Eins für unsere Bastelarbeit und einer Drei für unseren Vortrag wären wir zufrieden gewesen.

Aber was gibt sie uns für das Plakat? Eine Vier! Dieselbe Note wie für unsere Präsentation, denn die war

38
Images
SCHULE

auf einmal doch Teil der Plakatnote. Das war so eine Frechheit. Und ihre Lieblingsschüler haben natürlich wieder mal eine Eins bekommen, obwohl sie einfach ein paar Bilder auseinandergeschnitten und in Mosaikform wieder zusammengeklebt haben. Kein Text, keine Erklärungen.

Natürlich sind wir zu ihr gegangen und haben uns beschwert, weil wir das nicht fair fanden. Sie bot daraufhin an, das Plakat zusätzlich von einer zweiten Lehrerin einschätzen zu lassen, vergaß es aber offensichtlich sofort wieder, denn wir mussten sie einige Tage später erneut daran erinnern. Selbstständig hätte sie sich nicht bei uns gemeldet, so egal schien es ihr zu sein. Ihre Antwort hat dann echt den Vogel abgeschossen: Die andere Lehrerin hätte uns angeblich eine Fünf gegeben.

Als ob!

Man hat so krass gemerkt, dass sie gelogen hat. Wenn man einfach nur Schlechtes für die eigenen Schüler will, sollte man nicht unterrichten. Genau so was ist das größte Problem in unserem Schulsystem.

DOMINIK

39