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Über dieses Buch:

Berlin im Jahr 2033: Gabriel Richter ist Bibliothekar – und arbeitet gelegentlich als Drogenkurier im „Netz“, einem intelligenten, digitalen Raum, in dem die Grenze zwischen Realität und Cyberspace verschwimmt. Als ihm eines Tages die Netzpolizei auf die Schliche kommt, muss Gabriel fliehen. Eine gefährliche Reise durch das Netz beginnt, auf der ihm unvorstellbare Gefahren begegnen und an deren Ende er auf eine schreckliche Wahrheit stößt …

Wird die Welt längst nicht mehr von den Menschen beherrscht? Ein visionärer Roman, realistisch und fantastisch zugleich!


Über den Autor

Wolfgang Hohlbein, 1953 in Weimar geboren, ist Deutschlands erfolgreichster Fantasy-Autor. Der Durchbruch gelang ihm 1983 mit dem preisgekrönten Jugendbuch Märchenmond. Inzwischen hat er 150 Bestseller mit einer Gesamtauflage von über 40 Millionen Büchern verfasst. 2012 erhielt er den internationalen Literaturpreis NUX. Zeitgleich startete der in Neuss lebende Autor ein innovatives Hohlbein-TV-Projekt.


Der Autor im Internet: www.hohlbein.de

Bei dotbooks veröffentlichte Wolfgang Hohlbein die ELEMENTIS-Trilogie mit den Einzelbänden FLUT, FEUER und STURM, sowie IM NETZ DER SPINNEN.

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Aktualisierte Neuausgabe März 2014

Copyright © der Originalausgabe 1996 Wilhelm Heyne Verlag GmbH, München

Copyright © der aktualisierten Neuausgabe 2014 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Tanja Winkler, Weichs, unter Verwendung einer Fotografie von Uschi Winkler


ISBN 978-3-95520-548-5

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Wolfgang Hohlbein

Das Netz

Roman

dotbooks.

Erster Teil: Hacker in Berlin

1. Kapitel

Laura starrte wütend auf ihre antike Swatchuhr aus dem Jahre 1987. Der Kerl ließ sie jetzt bereits eine Viertelstunde warten vor seiner Tür, ohne jegliche Rücksicht auf die Gepflogenheiten. Persönlicher Kontakt war im Berlin dieser 30er Jahre nur noch selten erwünscht, und schon gar nicht, wenn es sich um einen normalen beruflichen Vorgang handelte. In einer Zeit, in der über das Netz jeder überall erreichbar war, galt es als schwerer Verstoß gegen die guten Sitten, einen anderen Menschen vor Ort festzuhalten, nur weil man mit ihm sprechen wollte.

Vor allem ärgerte es sie, dass diesmal nicht sie am Drücker war. Der Kerl hatte Macht, wahrscheinlich mehr Macht als sie und die gesamte StaPo zusammen. Und besonders übel war, dass er sie demonstrierte, ihr mit einer einfachen Geste klarmachte, dass sie ein Nichts war, ein winziges Rädchen in einem Getriebe, das Männer wie er in Gang hielten.

Am liebsten wäre sie aufgesprungen und rausgerannt oder hätte zumindest über das Netz Erkundigungen eingeholt über Oberst Michael Müller vom Netz Abschirm Dienst, dieser dubiosen Organisation, die unter dem Kürzel NAD außerhalb des Sichtfelds normaler Bürger zu einem der wichtigsten Machtfaktoren Berlins geworden war. Aber das war natürlich Schwachsinn, denn das Netz würde ihr, einer kleinen Polizistin, keine Auskunft über den NAD geben.

Sie versuchte sich ins Gedächtnis zu rufen, was sie über den NAD wusste. Er war gleich in der Zeit des Netzaufbaus vor dreißig Jahren ins Leben gerufen worden, um, wie es hieß, ein für alle Mal terroristische Anschläge gegen die Hauptschlagader des Landes auszuschließen. Und er hatte von Anfang an im Verborgenen gewirkt, und immerhin so effizient, dass in der Tat schwere Angriffe gegen das Netz nie publik wurden. Wenn es sie denn überhaupt je gegeben hatte.

Parallel dazu hatte die Stadtpolizei schleichend an Einfluss verloren. Die Bürger merkten kaum etwas davon, sie hatten in der Regel direkt nur mit der StaPo oder ERT-Beamten zu tun, die alle regulären Verstöße gegen das Netz verfolgten. Nominell unterstand die StaPo denn auch nicht dem NAD, doch in der Praxis sah das ganz anders aus. NAD und das Netz waren eng miteinander verwoben. Und das aus gutem Grund: Wer das Netz kontrollierte, konnte über seine virtuelle Welt so tief in die Gedanken und Seelen der Menschen eindringen, dass sie sich wie folgsame Lämmer alles gefallen ließen, statt aufzubegehren.

Vor Lauras Augen flackerte ein Neon auf mit der Aufforderung: „Bitte treten Sie jetzt ein.“ Sie biss sich auf die Lippe. Seit sie den Aufstieg aus der Unterwelt in die glitzernde Welt des Zwischendecks geschafft hatte, hatte sie sich nicht mehr so gedemütigt gefühlt. Mit einem Ruck richtete sie sich auf und trat auf die Tür von Oberst Müllers Dienstzimmer zu; im letzten Moment glitt die Tür mit einem fast erschrocken wirkenden Satz zur Seite.

Oberst Müller stand mit dem Rücken zur Tür, drehte sich jetzt aber um und blickte missbilligend in ihre Richtung. Sein weißer Anzug auf dunkelbrauner Haut verlieh ihm etwas Unwirkliches, so, als wäre er gar nicht hier, sondern ein aus Trugbildern zusammengesetzter Schemen. Graues Haar fiel ihm mit weißen Strähnen auf die breiten Schultern, und seine Augen – wahre Feuersteine in einem braunen Gesicht mit hundert Linien und Fältchen – strahlten hart und kalt.

Er musterte Laura ohne die Spur eines Lächelns und sagte dann ganz einfach: „Sie verstoßen gegen die Netz-Etikette.“

Laura fühlte sich wie vor den Kopf gestoßen. „Ich tue was?“, brachte sie schließlich hervor.

„Sie verstoßen gegen die Netz-Etikette“, wiederholte Müller. Er verschränkte die Arme, und Laura bemerkte, dass er die Ärmel fast bis zu den Ellbogen aufgerollt hatte. Seine braunen Unterarme waren nackt, ohne Uhr oder sonstiges Schmuckstück; so braun und stark, als wollten sie jeden Moment zuschlagen.

„Ich habe Sie nicht rufen lassen, um mit Ihnen von Angesicht zu Angesicht zu sprechen.“

Die plötzliche Erkenntnis traf sie wie ein kalter Wasserguss eine Schnecke, die sich dann zu einer kleinen Kugel zusammenrollt und nicht mehr der in die Lebendigkeit tastende Organismus ist wie noch kurz zuvor. Er hatte sie reingelegt, spielte ein Spiel, dessen Regeln sie nicht verstand. Er wollte sie demütigen, sie fertigmachen – sie und die Behörde, für die sie arbeitete.

„Ich verstehe nicht ganz“, sagte sie langsam.

„Sie verstehen sehr gut. Die Regeln unserer Gesellschaft sind eng gefasst, was den persönlichen Kontakt angeht. Doch Sie verstoßen regelmäßig dagegen. Statt das Netz zu nutzen, suchen Sie persönliche Konfrontationen.“ Seine Stimme wurde noch eine Spur kälter: „Das ist sehr gefährlich.“

„Ich weiß wirklich nicht, was Sie meinen“, behauptete die StaPo. Sie ließ nervös die Zunge über die Lippen gleiten.

Für eine Weile trat Stille ein. Oberst Müller musterte sie stumm. Aber irgendetwas geschah mit ihm, eine zuerst fast unmerkliche Veränderung, die sie anfangs kaum registrierte und die sich ihr dann geradezu widerlich aufdrängte. Seine Miene schien eine Spur zu eingefroren zu sein, das Braun seiner Haut eine Spur zu dunkel, aber das war es nicht.

Irgendetwas schien mit seinem Gesicht nicht zu stimmen. Es waren seine Wangenknochen. Sie schienen ihren Halt zu verlieren, sich nach außen zu wölben, als drücke sie eine unsichtbare Geschwulst plötzlich dorthin. Dann zogen sie sich wieder zurück, nur um sich anschließend wieder nach außen zu wölben.

Die Veränderung stand im krassen Kontrast zu den scharfen Zügen von Müllers durchaus gutgeschnittenem Gesicht. Als die Wangenknochen langsam zu pulsieren begannen, konnte Laura ein Gefühl des Ekels nicht unterdrücken. Sie versuchte den Blick von den immer schneller pulsierenden Wangenknochen zu wenden; es erschien ihr grotesk, hier im Hauptgebäude des NAD mit einer abstoßenden Spielerei, einem Cyberscherz, konfrontiert zu werden.

„Dem Netz entgeht nichts, Laura Berendt“, sagte der Oberst schließlich, als sei nichts geschehen. „Sie sollten in Zukunft sehr vorsichtig sein.“

„Ich weiß, verdammt noch mal, nicht, was Sie überhaupt von mir wollen.“ Im gleichen Moment, in dem sie den Satz ausgesprochen hatte, verfluchte sie sich dafür. Es hatte kalt und herablassend klingen sollen, doch stattdessen schwang die klägliche Bitte mit, einfach in Ruhe gelassen zu werden.

„Dem Netz entgeht nicht, dass Sie ... sagen wir einmal, einen sehr eigenwilligen Kommunikationsstil pflegen. So wie Sie meine Aufforderung zu einem Gespräch missverstanden haben. Dieses Verhalten ist Ihrer Position als StaPo absolut unangemessen.“

Der Kontrast zwischen seinen sorgfältig gewählten Worten und der monströsen Veränderung in seinem Gesicht hätte nicht größer sein können. Aber das war kein TriVi und kein Scherz irgendwelcher Kinder, die mit Hilfe des Netzes versuchten, harmlosen Touristen einen Schreck einzujagen. Einen Herzschlag lang war sie versucht, ihm deutlich zu sagen, was sie von billigen Cyber-Scherzen inmitten eines ernsthaften Gesprächs hielt, aber dann entschied sie sich dagegen. Sie würde ihm nicht die Freude bereiten, ihm ihre Verwirrung auch noch unter die Nase zu reiben.

„Hören Sie. Wenn daraus eine Dienstaufsichtsbeschwerde werden soll, dann wenden Sie sich bitte an meinen Chef ...“

„Aber Laura. Ich darf Sie doch Laura nennen?“ Wider Willen nickte die StaPo. „Also Laura, es geht nicht um einen Vorgang polizeilicher Disziplin. In solche Fälle mischt sich der NAD nun wirklich nicht ein.“

„Um was, bitte sehr, geht es denn dann?“

Die Wangenknochen des Obersts hörten schlagartig auf zu vibrieren. Laura wollte schon aufatmen, das Ganze aus ihrem Bewusstsein beiseiteschieben wie eine Werbebotschaft, die zu aufdringlich geraten war und durch ihre penetrante Art nur noch abschreckende Wirkung hatte. Schließlich war sie wie alle ihre Mitmenschen gewohnt, auf die ständige Reizüberflutung auf den öffentlichen Straßen mit automatischem Verdrängen zu reagieren; kein Mensch hätte sonst die ganzen Neons, flüsternden Versprechen und die laute Effekthascherei von Werbetreibenden und Exhibitionisten aushalten können.

Doch dann hörte sie plötzlich dieses Geräusch in dem ansonsten absolut stillen Raum. Zuerst überlagerte es nur ganz leicht ihren eigenen Atem, um dann schlagartig lauter zu werden. Es klang wie das Quietschen eines Tiers, einer Ratte, um genau zu sein. Einer Ratte, die irgendwo eingeklemmt wurde, gegen etwas ankämpfte, vergeblich und in Todesangst ihre letzten Kraftreserven mobilisierte. In Laura verkrampfte sich alles; sie blockte sofort die Geräusche der virtuellen Welt ab, aber das Quietschen blieb. Das konnte nur bedeuten, dass es in der wirklichen Welt existierte!

„Ich wollte Sie um einen kleinen Gefallen bitten“, fuhr der Oberst dazwischen. Sie hatte Mühe, den Sinn seiner Worte zu verstehen.

„Ich höre“, brachte sie mühsam hervor.  Im gleichen Moment ging das Quietschen der imaginären Ratte in ein Wimmern über und verstummte schließlich ganz. Die Stille danach war fast schlimmer als das Geräusch selber. In welches Irrenhaus war sie hier geraten? Sie spürte, wie ihre Schläfen zu pochen begannen.

„Es ist schön, dass Sie hören.“ Der Oberst lächelte, aber seine Augen funkelten kalt wie Rubine. „Zuvor fehlen mir allerdings noch ein paar Puzzleteile Ihrer Persönlichkeit. Ich weiß schließlich gerne, mit wem ich es zu tun habe.“

Das geht mir ganz genauso, du Arschloch, dachte Laura. Aber laut sagte sie: „Schießen Sie los.“

Müller betrachtete sie wieder eine ganze Weile wortlos, und die StaPo hatte fast das Gefühl, als streckten sich unsichtbare Fühler in ihrem Gehirn aus und saugten ihre Persönlichkeit aus. Es ist nur ein dreckiges Psychospiel, hämmerte sie sich ein. Nichts Reales.

„Was ich wissen möchte; ist, wie Sie es geschafft haben, aus der Halbwelt der Nobods in die bürgerliche Zwischenzone aufzusteigen“, verlangte der Oberst zu wissen.

Laura biss sich auf die Unterlippe. Na wunderbar, dachte sie, Volltreffer. Sie fühlte sich wie ein Schwimmer, der sich zu weit vom Ufer entfernt hatte und nun zu begreifen begann, dass er den Rückweg aus eigener Kraft nicht mehr schaffen würde. „Ich verstehe nicht, was das mit meiner Arbeit zu tun hat“, sagte sie scharf. „Wenn das ein Verhör sein soll, dann ...“

„Aber, aber, meine Liebe. Wer wird denn gleich so empfindlich sein.“ Die Wangenknochen des Obersts begannen wieder zu pulsieren, und im gleichen Rhythmus quiekte die Ratte. Das Geräusch mischte sich mit dem entfernter Schreie, als würde irgendjemand in einer imaginären Zelle zu Tode gefoltert.

Laura hatte das Gefühl, langsam durchzudrehen. Die gleichen Effekte hätte sie im Trubel der Lichtreflexe, virtuellen Werbeeinblendungen und des halb natürlich, halb künstlichen akustischen Chaos einer großen Einkaufsstraße wie Unter den Linden überhaupt nicht bemerkt. Aber hier, in der fast unnatürlich wirkenden Ruhe des Büros, waren sie der reinste Terror. Zumal in Verbindung mit der Frage, die sie hasste und fürchtete: wie sie es aus den Slums der Nobods geschafft hatte in die Zentrale der StaPo. Was mit ihr früher nicht gestimmt hatte, oder was jetzt vielleicht immer noch nicht stimmte, ob sie noch Kontakte zu Nobods pflegte, ob sie vielleicht ein Spitzel sei, der letztlich das Netz und damit den NAD herausforderte.

„Es gibt nicht viele, die den Aufstieg aus der Welt der Nobods in die unsere schaffen“, sagte der Oberst, als habe er ihre Gedanken erraten. „Aber da sage ich Ihnen wahrscheinlich nichts Neues. Was Sie vielleicht noch nicht wissen, ist, dass Sie der einzige ehemalige Nobod sind, der je bei der Berliner StaPo arbeitete.“ Er beugte sich ein winziges Stück nach vorne. Laura schien es, als feuerten seine funkelnden Augen Pfeile auf sie ab. Mittlerweile konnte sie nicht einmal mehr sagen, ob sie sich das einbildete oder ob das wieder einer dieser netzgestützten Psychotricks war. „Das eröffnet ein ganzes Feld von Spekulationen.“

„Ich habe gelernt, Spekulationen von Tatsachen zu unterscheiden“, antwortete Laura mühsam beherrscht. Sie wunderte sich über die Ruhe in ihrer Stimme. „Tatsache ist, dass Sie mich haben rufen lassen. Tatsache ist, dass Sie während unseres Gesprächs irgendwelche optischen und akustischen Spielereien einsetzen. Tatsache ist, dass Sie mich um einen Gefallen baten.“ Sie beugte sich nun ihrerseits vor. „Alles andere wäre Spekulation meinerseits. Also, was wollen Sie von mir.“

Es war, als hätte sie mit ihren Worten den Bann gebrochen, als hätte jemand einen Schalter umgelegt und das Psychospielchen damit beendet. Die Gesichtszüge des Obersts entspannten sich fast unmerklich und doch wirkten seine vielen hundert Fältchen eingemeißelt in sein Gesicht, wie die aufwendige Arbeit eines Künstlers, der Verfall und Stärke gleichzeitig hatte darstellen wollen. Gleichzeitig mit dieser Veränderung, der Rücktransformation von Müllers Gesicht, verstummten auch sämtliche Geräusche.

„Ich denke, wir können das Ganze abkürzen“, fuhr der Oberst leichthin fort. „Ich habe Ihnen sowieso schon mehr Zeit geopfert, als mir für ein solches Gespräch zur Verfügung steht.“ Er verschränkte wieder die Arme vor der Brust. „Ihnen entgleitet selbst in größter Erregung nicht die Kontrolle. Das macht Sie umso wertvoller für uns. Ich könnte mir vorstellen, dass wir trotz oder vielleicht gerade aufgrund ihrer komplizierten Persönlichkeit miteinander ins Geschäft kommen könnten.“

„Was soll das heißen?“

„Dass Sie mir und dem NAD einen kleinen Gefallen tun und wir dann weitersehen.“

„Sie wollen mich anwerben?“, fragte Laura. „Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!“

„Anwerben?“ Der Oberst runzelte die Stirn. „Wenn Sie etwas mit einem Namen benennen, sollten Sie sehr, sehr präzise sein. Die Wahrheit wie auch die Lüge liegt in der Namengebung. Nichts ist so prägend wie ein Name. Nichts ist so gefährlich wie ein unpassender Name.“ Er schüttelte den Kopf. „Anwerben. Tzz, tzz.“

Er grinste plötzlich. „Ich will nichts weiter als einen kleinen Gefallen von Ihnen. Nicht hier und nicht heute. Sondern irgendwann, wenn es an der Zeit ist.“ Sein Lächeln wirkte plötzlich wie eingefroren. „Und verlassen Sie sich darauf: Wenn ich Sie um einen Gefallen bitte, werden Sie ihn mir mit Freuden erfüllen!“

2. Kapitel

Es war ein Sonntag wie jeder andere. Jedenfalls für die meisten Menschen. Nicht aber für Gabriel Richter. Die Nachricht von Kristina hatte ihn unerwartet getroffen und einen Moment lang seinen sorgsam konservierten Zynismus ins Schwanken gebracht. Aber das war nicht alles.

Es war der Sonntag, an dem er auf den Cyber-Zombie traf. Er wäre ihm zwischen all den gewohnten Schemen und tanzenden Trugbildern, den fliegenden Icons und schwebenden Neons und der Menge dahinhastender Pendler überhaupt nicht aufgefallen, wäre nicht gerade die in hektischer Bewegung begriffene Masse der Hintergrund gewesen, von dem sich die ungewöhnliche Beharrlichkeit seines Beobachters abhob.

Inmitten der körperlosen Gestalten Berlins war plötzlich etwas aufgetaucht, was es nicht geben durfte. In einer Welt der holographischen Plakate, der Avatare aus Licht und Schall, in der jeder Fußgänger seine ganz persönlichen Ampeln und Wegzeichen buchstäblich im Auge hatte, gab es nichts, was nicht von Net Authority kontrolliert wurde. Oder besser gesagt – es durfte nichts geben, und wenn doch, dann war das etwas, was brave Bürger aus ihren Gedanken zu verbannen trachteten.

Nicht so Richter. Die meisten Menschen nahmen in ihrem ganzen Leben niemals bewusst einen Cyber-Zombie wahr, allen illegalen Aktivitäten im weltweiten Datennetz und aller zumindest jugendlichen Erfindungsgabe zum Trotz. Aber Richter wusste, dass es sie gab, und er gehörte nicht zu den Menschen, die etwas verdrängten, nur weil es von der Autorität so gewünscht wurde.

Er spürte plötzlich ein kaltes Frösteln, und der sanfte warme Wind kam ihm lächerlich unwirklich vor, unpassend zu dem, was er da vor sich sah. Der Cyber-Zombie – zu dem Zeitpunkt vermutete Richter noch einen simplen autorisierten Schemen – begleitete ihn schon eine ganze Weile, bevor ihm bewusst wurde, dass ihn jemand beobachtete. Nicht der Cyber-Zombie selbst, natürlich, denn Bilder aus Licht beobachteten niemanden. Ihr Zweck war es, gesehen zu werden. Doch ein Bild, das in jemandes Nähe blieb, immer auf ihn ausgerichtet und eine bestimmte Distanz wahrend, setzte irgendeine Art von Beobachtung voraus. Wie sonst hätte das Netz, manipulierten und nicht autorisierten Befehlen gehorchend, diesen bewussten Cyber-Zombie in seiner Nähe halten können?

Es war, so erkannte er nach einem Moment, eine Frau, groß und dünn, und, so lachhaft es war, in blasses Weiß gekleidet, ohne jeden Kontrast zu ihrer hellen Haut. Sie war zweifellos ein Cyber-Zombie, denn wie sonst hätten andere Passanten einfach durch ihren Körper hindurchgehen können. Gewöhnliche Avatare waren zwar ebenfalls keine echten Hindernisse, aber doch für jeden Menschen sichtbar. Und niemand, der Manieren hatte, überlegte lange, ob eine Person, die im Wege stand, real oder nur projiziert war. Diese Frau mit ihren schlohweißen Haaren war für niemanden sichtbar außer für ihn selbst. Und sie erwiderte seinen irritierten Blick mit ausdruckslosem Gesicht.

Er starrte, und ging entschlossen einige Schritte auf sie zu. Dabei rempelte er versehentlich einen anderen Passanten an. Bevor Richter sich entschuldigen konnte, murmelte der Mann eine Unhöflichkeit und hastete weiter. Als er wieder nach vorne blickte, sah er den Cyber-Zombie in der Menge verschwinden. Im wahrsten Sinne des Wortes. Das war ebenfalls höchst ungewöhnlich. Vermutlich wäre ihm die Frau niemals aufgefallen, wenn sie ihm einfach mit gleicher Geschwindigkeit in der Menge gefolgt wäre. Stattdessen, so erkannte er jetzt, hatte sie ganz ruhig dagestanden, hatte inmitten der Menschen, die sich ihrer Anwesenheit gar nicht bewusst gewesen waren, auf ihn gewartet, ihn unverwandt angestarrt, um dann, sobald er sie passiert hatte oder ihr zu nahe kam, unvermittelt mit den Passanten zu verschmelzen, um an einem anderen Ort entlang seines Weges wieder aufzutauchen.

Nichts und niemand in der wirklichen Welt bewegte sich in dieser Weise von einem Ort zum nächsten. Dies war das Privileg der virtuellen Welt, der frei erfundenen Illusion, die zu teilen die Menschen vor Jahrzehnten übereingekommen waren und die sich immer perfekter mit der wirklichen Welt vermischte.

Sie hatte würdevoll und alt ausgesehen, dachte Richter, wobei er den Blick suchend über die Menge schweifen ließ. Offensichtlich hatte seine Aufmerksamkeit den Cyber-Zombie vertrieben. Die Tatsache, dass sie groß gewesen war und sich aufrecht gehalten hatte, hatte ihn über ihr Alter hinweggetäuscht. Aber als er nun versuchte, sich ihr Gesicht vor Augen zu rufen, erinnerte er sich an wache Augen, eingerahmt von einer durchsichtigen Krone hellweißen Haares, und einen Körper, der nicht nur deshalb fragil und zerbrechlich wirkte, weil man durch die Knochen hindurch die Kleidung der Passanten hatte erkennen können. Nein, kein Zweifel, sie war sehr alt gewesen.

Zudem war ihre Kleidung, und das ganze, weiß in weiß gehaltene Erscheinungsbild ein Zitat viktorianischer Schauergeschichten. Eine gothic novel, dachte er und lachte wider Willen. Jeder konnte jeden Körper tragen in der virtuell angereicherten Welt. Die Zwerge waren groß, die Riesen klein, die Alten jung und die Jungen alt. Diese Welt war das Reich der spielerischen, erlaubten Lüge, und wer den Trugbildern glaubte, war selber schuld. Wer immer sich hinter diesem Avatar verborgen hatte, Kind, Mann oder Frau, es war kein Zufall gewesen, dass die Aufmerksamkeit dieses Trugbildes allein ihm gegolten hatte.

Richter fragte sich, wie er zu dieser Ehre gekommen war. Das Bild hatte Konventionen und Spielregeln verletzt, hätte für jeden Bürger sichtbar sein müssen nach allen Höflichkeitsformen in der virtuellen wie in der realen Welt; eine Regelüberschreitung, die nicht ganz ohne Risiko war, und niemand ging ein Risiko ein, um jemanden wie ihn zu verärgern oder zu necken. Niemand, den Richter kannte, so viel zumindest stand fest. Plötzlich war er neugierig geworden, und während er die dreiste Verletzung seiner Privatsphäre vielleicht noch hingenommen hätte, hatte er in seinem ganzen Leben der Neugier noch nie widerstehen können.

Das Netz führte getreulich Buch darüber, welche Anweisungen über welche Leitung gingen und wo sie hergekommen waren, und das Gesetz garantierte jedem Bürger Auskunft, jederzeit – so zumindest sagten es die Buchstaben, die schon lange nicht mehr auf Papier standen. Und viele Menschen glaubten nicht an Zombies, zumindest nicht an die elektronische Variante.

„Mephistopheles“, sagte er halblaut ins Leere.

„Zu Diensten“, antwortete eine körperlose Stimme, die einen halben Meter entfernt von ihm aus der Luft zu kommen schien. Der Tonfall änderte sich, sobald sein eigenes Agenten-Programm durchschaltete.

„Net Authority Berlin-Mitte. Dies ist eine gebührenfreie Dienstleistung nach Artikel 43 der Bürgerrechtsbestimmungen. Was kann ich für Sie tun, Bürger?“

„Ich würde gerne wissen, welche Projektion oder welcher Avatar in den letzten zwei Minuten meinen Aufenthaltsort abgefragt hat.“

Net Authority schwieg. Richter fragte sich verwirrt, was das sollte. Trotz der relativ großen Zahl von Menschen auf der Straße hatte das Netz keine Schwierigkeiten, jedem der Passanten seine ganz persönliche Wirklichkeit zuzustellen, ohne dass es auch nur zu einem Flackern der in die wirkliche Welt hineinprojizierten Bilder gekommen wäre. Gewöhnlich beantwortete Net Authority vergleichbare Anfragen innerhalb von Sekundenbruchteilen. Die ganze Werbebranche lebte davon, dass ein Bürger sich nicht lange aufhalten musste, um eine Verbindung zum Eigentümer eines Neons oder einer fliegenden Werbetafel herzustellen.

„Bitte überprüfen Sie Ihre Angaben, Bürger“, bat die Stimme nach einer Minute des Schweigens.

Richter, der vollauf damit beschäftigt war, dem Passantenstrom auszuweichen und dabei der Überlegung nachzugehen, ob er sich mit seiner leichtfertigen Frage nicht selber in Schwierigkeiten gebracht hatte, schreckte aus seinen Gedanken auf.

„Wiederholung“, verlangte er knapp. Gewöhnlich verkürzte er seine Worte beim Wortwechsel mit Maschinen, allein schon deshalb, um in einer unübersichtlichen Welt keinen Fauxpas zu begehen. Und dazu begriff er, dass es jetzt tatsächlich auf jedes Wort ankam. Wenn die zentrale Netzintelligenz auf eine Frage keine sofortige Antwort wusste, dann war höchste Vorsicht geboten.

„Wir können keinerlei Abfrage Ihres Aufenthaltsortes innerhalb der letzten zwei Minuten feststellen. Eine Erweiterung der Suche auf zehn Minuten erbrachte dasselbe Ergebnis. Möchten Sie eine Korrektur angeben?“

„Das ist unmöglich“, entfuhr es Richter. Danach hätte er sich am liebsten auf die Zunge gebissen.

Net Authority schwieg.

„Hören Sie, ich habe mich wahrscheinlich doch getäuscht.“ Richters Gedanken überschlugen sich. Die Projektion hatte ihn über mindestens fünf Minuten hinweg beobachtet. Sie war vermutlich nur für ihn sichtbar gewesen, denn schließlich hatte sie sich eindeutig an seinen Bewegungen orientiert.

„Es liegt kein Fehler vor“, stellte die Stimme kategorisch fest. Falls Richter sich die Veränderung des Tonfalls nicht einbildete, klang Net Authority jetzt eine Spur ungehalten. „Es ist keinerlei Kontaktaufnahme in den letzten zehn Minuten festzustellen. Wünschen Sie eine Ausweitung der Suche bis zum letzten verzeichneten Kontakt?“

„Nein danke“, versetzte er knapp. Er spürte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte. Net Authority wegen eines vermuteten Cyber-Zombies anzusprechen war ein grober Fehler gewesen. Er konnte nur versuchen, die ganze Sache zu bagatellisieren. Schließlich war er nicht daran interessiert, die Behörden auf sich aufmerksam zu machen.

Die Stimme änderte erneut ihre Tonlage. „Falls Ihre Beobachtungen zutreffen, handelt es sich um einen Fall von Netzmissbrauch. In diesem Fall fordern wir Sie auf, eine entsprechende Anzeige zu Protokoll zu geben.“

Richter verzog das Gesicht, was die allgegenwärtigen Kameras sehen mochten oder nicht. Bürokratie und Behörden und womöglich ein Haufen Ärger, und das alles wegen eines Schabernacks.

„Wollen Sie Anzeige erstatten, Bürger?“, drängte Net Authority.

„Nein“, sagte Richter kurz entschlossen. „Ich bin jetzt ganz sicher, dass ich mich geirrt habe. Ich habe schließlich nicht genau hingesehen.“

Seine Antwort schien Net Authority genauso wenig zu beeindrucken wie ihn selbst. Die Stimme ließ sich mit der Erwiderung Zeit.

„Haben Sie noch einen weiteren Wunsch?“, erkundigte sie sich schließlich säuerlich.

„Nein“, sagte Richter. „Danke.“

„Auf Wiedersehen, Bürger“, erklärte Net Authority in Missachtung der Tatsache, dass Richter niemanden gesehen hatte oder jemals sehen würde, soweit es Net Authority betraf.

Er atmete auf. Immerhin hatte das Programm darauf verzichtet, ihm einen Vortrag über Inanspruchnahme von öffentlichen Dienstleistungen und Einspeisung von Fehlinformationen zu halten, und was für schreckliche Torheiten ein moderner Mensch sonst noch so begehen konnte, ohne es zu merken.

Ein Cyber-Zombie also, dachte er dann und schüttelte erstaunt den Kopf. Jemand hatte sich sehr viel Mühe gegeben und war ein noch größeres Risiko eingegangen, als Richter zuerst geglaubt hatte. Gezielte Projektionen, die nicht für jeden sichtbar waren, gehörten in die Kategorie der Schuljungenstreiche und kamen immer wieder einmal vor. Werbeagenturen ohne Manieren und Versicherungsvertreter verwendeten sie, und Verliebte, ein jeder mit seinem charakteristischen Stil. Je nachdem galt ein solches Vorgehen als Wagnis, Aufdringlichkeit, offene Unhöflichkeit oder gar als gesellschaftlich unmöglich. Ein Vergehen war dergleichen nur in besonderen Einzelfällen, bei besonderer Beharrlichkeit oder wenn der Inhalt der Projektion selbst anstößig war. Die meisten Menschen lebten in einer Welt, in der sie sich immer ausgeklügelterer Filter bedienen mussten, um der allgegenwärtigen Werbung zu entkommen, und waren durchaus tolerant gegenüber mehr oder minder einfallsreichen Verletzungen der Spielregeln.

Ein Cyber-Zombie allerdings gehörte in eine andere Kategorie. Irgendjemand hatte herausbekommen, wo er, Richter, sich gerade aufhielt, auf eine Weise, in der die Abfrage selbst keinerlei Spuren im Netz hinterlassen hatte, und hatte sich desselben Netzes bedient, um eine ebenso unauffindbare Projektion durchzuführen. Das Netz hatte das Bild bis hin zu ihm übertragen, und er hatte es gesehen, aber das Netz erinnerte sich nicht mehr daran, und die menschlichen wie künstlichen Instanzen, die das Netz in Betrieb hielten, steuerten und kontrollierten, reagierten allergisch auf den Gedanken, dass ein Teilnehmer am großen, ununterbrochenen Kaffeeklatsch der Metropole insgeheim einen Weg gefunden hatte, Briefe unter der Tischdecke verborgen zuzustellen. Bildlich gesprochen.

Einen Cyber-Zombie zu erschaffen war Todsünde, Straftat, fast schon Gewaltverbrechen. Privatsphäre auf der einen, Computersicherheit auf der anderen Seite lauerten wie die legendären Ungeheuer Skylla und Charybdis auf den waghalsigen Toren, der sich seine eigenen Wege im Netz suchen wollte. Richter konnte sich an keinen Fall in den letzten Jahren erinnern, aber das bedeutete nicht viel. Er achtete nicht besonders auf Nachrichten von Gerichtsverhandlungen und Festnahmen, und er teilte die Paranoia der anderen Bürger nicht, soweit es die Netzsicherheit betraf.

Also fügte er sich achselzuckend wieder ein in den Strom der Menschen, der mit sichtlicher Erleichterung auf seine Entscheidung reagierte, kein nachdenkliches Hindernis im Weg der Routine mehr sein zu wollen, und lenkte seine Schritte zu seiner Arbeitsstätte.

In die Bibliothek.

3. Kapitel

Die Welt war voll von Fragen, und für viele davon war die Antwort auf Papier gedruckt, irgendwo in den Archiven. Für die, die nach der Jahrtausendwende geboren worden waren, endete die Geschichte der Menschheit irgendwann vor 1993, und es sah nicht so aus, als ob sich daran bald etwas ändern würde. Das Netz war eine einzige, große virtuelle Bibliothek, in die jeder Mensch Daten eingab, freiwillig oder unfreiwillig, allein durch seine Existenz. Vermutlich konnte man dort mehr Informationen über den Mann auf der anderen Straßenseite erhalten als über Napoleon oder Einstein. Woraus sich leicht erkennen ließ, dass Information nicht gleich Erkenntnis war und Wissen etwas anderes als Daten.

Daten waren wertlos ohne Bezüge, Querverweise, Verknüpfungen. Ohne Struktur wurde das Wissen der Menschheit zu einer brodelnden Masse von Belanglosigkeiten. Richter stellte Verbindungen her, wob inmitten des weltweiten Netzes ein eigenes, dichteres Geflecht. Hätte er seine nicht unbeträchtliche Begabung auf etwas anderes verwendet als auf Bücher, gedrucktes Papier, erfundene Geschichten und Absurditäten, er hätte ein selbständiges Leben als wohlhabender Mann führen können. Tausende wie er arbeiteten allein in dieser Bibliothek, die meisten davon zu Hause, einige wie er im Gebäude selbst. Auf der Marmorsäule neben der Rolltreppe in den zweiten Stock prangte in schwarzen Buchstaben „Information Wiederbeschaffung“. Er selbst hatte es vor drei Jahren dort hingeschrieben. Die Farbe war, von der regelmäßigen Reinigung ausgelaugt, noch immer erkennbar, und jeden Morgen, wenn er daran vorbeikam, fragte er sich, ob irgendjemand außer ihm und den Kameras die Aufschrift überhaupt wahrgenommen hatte.

Das Gebäude selbst war eine Fassade, eine Lüge in vielfacher Hinsicht. Sowenig diese Bibliothek, wie jede andere, ihrer traditionellen Aufgabe noch gerecht werden konnte, so wenig existierte die Bibliothek selbst innerhalb des wuchtigen modernen Bauwerks. Der Teil der Bestände, der genutzt wurde, war im Netz präsent und verteilt über Datenspeicher auf der ganzen Welt. Manchmal wurden je nach Bedarf die elektronischen Abbilder ganzer Buchregale von langsameren auf schnellere Speicher und zurück verlagert und bewegten sich dabei über einen ganzen Kontinent. Bestimmte Daten, wie die ausufernden Unterlagen der Börsen, wanderten mit den Geschäftszeiten um den Globus, eine unsichtbare Flutwelle auf einem Planeten, der nicht mehr schlief.

Und das, was tatsächlich innerhalb des Bauwerks lagerte, in den klimatisierten Kellergewölben und den gekühlten Trockenräumen, existierte außerhalb der Mauern einfach nicht. In der Welt des Netzes existierte nur das, was elektronisch erfasst war, und ein Blatt Papier galt als mittlerweile nicht weniger sperrig als eine Keilschrifttafel in der Welt der tanzenden Lichter und Elektronen.

Die Landesbibliothek von Berlin, so wurde sie noch immer genannt, archivierte die Bestände von einem Dutzend Universitäten, und vermutlich waren es einige tausend Tonnen Bücher von zahllosen Bibliotheken, die hier konserviert, gesichtet und aufbereitet wurden. Richter stieg von Zeit zu Zeit in die unbeleuchteten Kellergeschosse hinab und folgte den selbstlenkenden Gabelstaplern, die Bücher palettenweise transportierten und ordneten. Von historischen Dokumenten bis hin zu bedeutungsloser technischer Dokumentation, mit deren Konservierung er sich zu befassen hatte, fand sich nahezu alles, was sich ein Mensch, der vor der Jahrtausendwende geboren war, nur vorstellen konnte. Berlin arbeitete mit dem Museum in München zusammen, und ein Teil der Lagerhallen enthielt Magnetbänder und Plattenspeicher für Computer, die seit Jahrzehnten nur noch im Museum zu finden waren. Wenn man wissen wollte, wie das Netz entstanden war, und die Knochen sehen wollte, auf denen es wuchs, wenn man einen Blick weit hinein in die Maschinerie werfen wollte, die unter der glatten, reibungslos funktionierenden Oberfläche arbeitete, dann war man in Berlin an der richtigen Stelle, in der Abteilung ein Stockwerk über Richters Büro. Er selbst arbeitete nicht direkt mit den alten Bändern und Datenbanken, sondern mit den verrotteten Handbüchern und unvollständigen technischen Unterlagen, die den Schlüssel zu all den Daten darstellten, für die sich zumeist nicht einmal Historiker interessierten.

Richter hatte sich kaum in seinem bequemen Sessel niedergelassen, als das Büro einen Bildschirm in die leere Luft hineinzeichnete. Er ließ sich nach hinten sinken und fixierte die Bildfläche, die zuvorkommenderweise zur Decke hinaufgestiegen war, um in seinem Blickfeld zu bleiben.

„Was ist?“, fragte er.

„Eine Beamtin der Stadtpolizei wünscht Sie zu sprechen“, teilte die Stimme von Mephistopheles mit, dem Programm, das ihn überallhin begleitete. Richter verharrte einen Moment.

„Hat sie einen Grund genannt?“, fragte er schließlich, obwohl er sich der Tatsache bewusst war, dass das Büro seine Reaktion aufzeichnen konnte. Natürlich durften die Behörden diese Daten weder abrufen noch verwenden, und natürlich vertraute niemand darauf, der etwas zu verbergen hatte.

„Es geht um einen Vorfall von vor zehn Minuten“, antwortete das Büro mit geliehener Stimme.

Richter nickte. „Ich bin bereit“, sagte er.

Das Gesicht einer jungen Frau erschien auf der Bildfläche und trat dann aus ihr heraus. Er musterte den ein wenig durchsichtigen, räumlich dargestellten Kopf. Sie trug kurze Haare in einem praktischen Schnitt und eine schmucklose leichte Jacke, soweit er aufgrund des Kragens urteilen konnte. Die Augen waren klar, wach, und genau auf ihn gerichtet. Die meisten Menschen benötigten einen Moment länger als er, Blickkontakt herzustellen, wenn die Verbindung so unvermittelt hergestellt wurde.

„Laura Berendt“, stellte sie sich vor.

„Was kann ich für Sie tun?“, erkundigte sich Richter höflich. Die Bildfläche hinter ihrem Kopf zeigte verschieden hohe Türme einer modernen Wohnanlage hinter den aktiv getönten Glasscheiben eines Fahrzeugs.

„Dienstwagen“, sagte sie, und er erkannte, dass sie seinen Blick bemerkt hatte. „Ich bin im Bezirk Will.“

Er nickte nur, sagte aber nichts.

Ein kurzes Lächeln blitzte auf. Diese Frau erkannte ein Spiel, noch ehe es richtig begonnen hatte, und konnte es im nächsten Moment bereits beenden, wie er bei ihren nächsten Worten feststellte. „Net Authority meint, Sie hätten einen Cyber-Zombie beobachtet“, sagte sie ohne weitere Umschweife.

„Das ist unmöglich“, gab Richter zu.

„Unmöglich?“, wiederholte sie.

Er hob die Hände. „Ich war mir nicht sicher, ob es so etwas wie Cyber-Zombies im Netz überhaupt noch geben kann“, antwortete er glatt. „All diese Hochsprachen-Protokolle und die Überwachungsmechanismen. Die Stadtpolizei beklagt sich doch regelmäßig darüber, dass verdeckte Beobachtungen unmöglich geworden seien.“

Sie ignorierte die Stichelei. „Ich bin mit der Statistik nicht vertraut, Herr Richter, aber solche Zwischenfälle passieren tatsächlich. Net Authority neigt dazu, so einen Vorfall sehr ernst zu nehmen.“ Sie musterte ihn ruhig. „Im Gegensatz zu Ihnen, möchte ich bemerken.“

Er lächelte. „Wie sehen Sie denn die Sache?“, fragte er.

„Die Stadtpolizei wird eine Ermittlung durchführen“, parierte sie. „Wie es der Zufall will, bin ich damit beauftragt worden. Deshalb rufe ich an.“

„Sie haben meine Frage nicht beantwortet“, sagte Richter.

„Genau wie Sie“, antwortete Berendt. Diesmal mussten sie beide lächeln.

„Hören Sie“, sagte Richter nach einem Moment. „Alles, was ich gesehen habe, habe ich Net Authority bereits auf der Straße mitgeteilt. Ich habe keine Idee, wer dahinterstecken könnte, und es interessiert mich im Grunde auch nicht.“ Ihr Gesichtsausdruck blieb höflich glatt, aber sie glaubte ihm vermutlich kein Wort.

„Ich bin im Einsatz“, erklärte sie schließlich. „Es ist üblich, in solchen Fällen so schnell wie möglich nachzufragen, aber nach Ihrer Aussage und den Angaben von Net Authority gibt es offensichtlich keinen Grund, alles stehen und liegen zu lassen und nach Spuren zu suchen, die nicht mehr existieren. Der Vorfall ist vierzehn Minuten her, und alle Daten, die nicht schon zu diesem Zeitpunkt kopiert worden sind, sind überschrieben und verloren.“

Sie sprach für eine Aufzeichnung, erkannte er. Jetzt hefteten sich ihre klaren Augen wieder direkt auf ihn.

„Ich werde Sie später noch einmal anrufen, um eine vollständige Aussage aufzunehmen“, versprach sie mit einem Unterton von Ungeduld. „Sind Sie damit einverstanden?“

„Selbstverständlich“, antwortete Richter geistesabwesend, denn gerade in diesem Moment war ihm eingefallen, dass er die Frau – den Cyber-Zombie – schon einmal gesehen hatte.

4. Kapitel

Laura Berendt unterbrach die Verbindung und überlegte einen Moment. Ihr Blick glitt über die beiden Türme vor ihr und ihren Partner Becker, ohne irgendetwas davon wirklich wahrzunehmen. Die Wohnanlagen in diesem Bezirk gehörten zu den ältesten und wohlhabendsten. Die Türme waren dreißig Stockwerke hoch und standen weit genug auseinander, um Sonnenlicht auf alle verspiegelten und getönten Glasflächen fallen zu lassen. Der Straßenbelag war schwarz, nicht grau, sauber, modern und selbstreinigend, und unauffällige Sprinkleranlagen hatten glitzernde Tautropfen auf die in einem künstlich wirkenden Grün gehaltenen Rasenflächen gelegt. Man musste nicht die Akten lesen, um zu erkennen, dass diese festungsartigen Gebäude in der Tat bewaffnet und gefährlich waren. Eine noble und teure Gegend, in der sich keine poppigen Reklametafeln ungefragt ins Blickfeld der Passanten einblendeten und aufdringliche Neons durch die Welt tanzten.

Das Gespräch war auf eine frustrierende Weise nichtssagend gewesen. Sie wusste nicht, was genau sie eigentlich erwartet hatte, aber dieser Richter machte einen seltsamen Eindruck auf sie. Sie mochte wetten, dass er schon mit der Stadtpolizei zu schaffen gehabt hatte. Einen Atemzug lang war sie versucht, sich direkt Einblick in seine Unterlagen zu verschaffen, aber dies war weder der Ort noch die Zeit, noch der Anlass für eine Verletzung von Vernunftsregeln, geschweige denn Dienstvorschriften. Sie schüttelte den Kopf und beschloss, Richter und seinen Cyber-Zombie für den Moment zu ignorieren.

„Irgendwas Besonderes?“, fragte Becker, als sie ihn auf dem Weg einholte.

„Net Authority hat eine Meldung erhalten, die auf einen Cyber-Zombie hindeutet“, sagte sie achselzuckend. Sie tastete aus alter Gewohnheit in ihrer Jacke nach einem Päckchen Zigaretten, aber da war natürlich nichts; sie hatte das Rauchen vor drei Wochen aufgegeben. Nur das Feuerzeug hatte sie behalten, ein Relikt aus einer anderen Epoche, eine Erinnerung an einen alten Jugendfreund aus Königswusterhausen, aus der Zeit, als sie noch in den Vorstädten der Nobods hatte hausen müssen.

Becker pfiff leise. „Das klingt interessanter als eine fragwürdige Stromrechnung“, meinte er überzeugt.

Sie verzog das Gesicht. „Nichts, was mit Computern zu tun hat, ist interessant“, versicherte sie ihm. „Ich habe drei Jahre mit dem Drill verbracht, und glaube mir, es ist immer dasselbe: endlose Protokolle, Listen, Dumps, und nach Wochen harter Arbeit fischt man dann das belanglose Promille illegaler Kontakte aus dem ganzen tagtäglichen Getümmel heraus.“

Becker war nicht überzeugt. Er warf ihr einen Blick zu. „Warum dann überhaupt die Ausbildung? Übertriebener Ehrgeiz, Kollegin?“

Sie unterdrückte eine bissige Antwort. Nach zehn Jahren reagierte sie noch immer empfindlich auf alles, was eine Anspielung auf ihre Vergangenheit hätte darstellen können. Becker wusste vermutlich nicht einmal, dass ihre Eltern keine Bods ... äh, keine Bürger waren.

„Manche Dinge muss man sich aneignen, ganz egal, wie langweilig sie sein mögen“, antwortete sie stattdessen.

Becker runzelte die Stirn. Sie hatten die Eingangstür zum größeren der beiden Wohntürme erreicht.

„Stromdiebstahl?“, fragte sie und kam Becker zuvor, ehe dieser noch einmal nachfragen konnte.

„Klingt so“, antwortete dieser. Sie blieben nebeneinander im Eingangsbereich stehen, im Blickfeld von drei sichtbaren und vermutlich doppelt so vielen verborgenen Kameras und Mikrophonen, die jedes Wort auffingen. Wohnanlagen wie diese wurden von älteren Bürgern bevorzugt, die Wert auf Sicherheit legten, und der Verfolgungswahn der Bewohner schlug sich in der Ausstattung der Sicherheitssysteme nieder. Das Gesetz garantierte, dass belauschte Gespräche und Kamerabilder nach wenigen Tagen gelöscht werden mussten und während dieser Zeitspanne unter Verschluss lagen, aber StaPos wussten so gut wie jeder Bürger, was gesetzliche Bestimmungen in einem Zeitalter wert waren, in dem Gesetzesübertretungen in Millisekunden durchgeführt werden konnten.

Weder Becker noch sie trugen Uniform oder sichtbare Abzeichen. Die Computer hinter den Glastüren verständigten sich mit den elektronischen Dienstmarken, die sie in den Taschen oder am Gürtel trugen, und verhandelten über Zugang und Kompetenzen. Irgendwo hinter dem Panzerglas und den Stahlgittern befand sich ein privater Sicherheitsdienst, der seinerseits Verträge mit der StaPo und der Stadtverwaltung geschlossen hatte über Bewaffnung und autarke Stromversorgung und Befugnisse und Hausrecht. Jetzt warteten Becker und sie darauf, dass dieselbe Firma, die nach ihnen gerufen hatte, ihre Computer dazu bringen konnte, die Tür zu öffnen.

„Was genau wurde denn gemeldet?“, erkundigte sie sich, als Becker nicht weitersprach.

„Ein Bewohner bezieht zu wenig Strom. Der Hauscomputer hat die Abweichung festgestellt und eine Überprüfung veranlasst. Die E-Werke haben der Frau eine Nachricht zugestellt, aber keine Bestätigung erhalten. Sie wollen Zugang zur Wohnung, bekommen den aber nicht ohne uns. Also hat das E-Werk um Unterstützung gebeten.“

„Noch ein Computer“, vermutete Laura. „Ich wette, dass im E-Werk kein Mensch weiß, dass wir hier sind.“

„Ich dachte, die schicken jemanden für die Messung her“, wunderte sich Becker.

„Natürlich nicht“, sagte sie. „Solche Leute kosten Geld. Wenn die Computer im E-Werk glauben, jemand habe am Zähler herumgelötet, dann schicken sie erst einmal uns, damit wir dem Betreffenden einen Schreck einjagen. Eine Anzeige oder eine Überprüfung wären viel zu teuer. Erst wenn sich nichts ändert, kommt beim zweiten Besuch einer vom Werk selbst.“ Sie schüttelte missmutig den Kopf. „Du hast recht, das ist auch nicht besser, als Cyber-Zombies zu jagen. Warum zum Kuckuck lassen die das nicht den Hausmeister erledigen oder einen vom Wachdienst. Die Kerle sind sogar besser bewaffnet als wir und tragen immer noch diese blödsinnigen Uniformen.“

Becker lachte. „Das hier ist Ruhe-in-Frieden“, spottete er. „Die Bewohner sind meistens über sechzig, mehr als wohlhabend, und sie trauen niemandem über den Weg. Ganz besonders nicht dem Personal. Vermutlich haben die Hausmeister Angst, sie könnten in eine Bärenfalle treten.“

„Das ist nicht dein Ernst“, sagte sie alarmiert.

Er grinste. Becker war zwölf Jahre älter als sie, und die Tatsache, dass er mit einem Neuling wie ihr auf Streife ging, sprach nicht für seinen Diensteifer. Für sie war diese Straße nur eine Zwischenstation auf dem Weg nach oben, von der sehr viel schmutzigeren und ärmeren Straße, in der sie aufgewachsen war, aber Becker hatte weder die Ausbildung noch den Drang nach oben, den man für eine Karriere im Dezernat brauchte.

Und jetzt erlaubte er sich vermutlich einen Scherz auf ihre Kosten.

Die zentnerschweren gläsernen Türflügel schwangen geräuschlos nach innen und gaben den Weg frei.

„Die Festung ist uns übergeben“, stellte sie fest. „Wohlan denn, MacDuff.“

„Gehen wir“, antwortete Becker prosaisch. „Bevor sie sich die Sache wieder anders überlegen.“

5. Kapitel

Innen war nichts von der Hitze zu spüren, die wie jeden Sommer auf der Stadt lastete. Es war kein Mensch zu sehen. Sie gingen ein paar Schritte weit in die Lobby und blieben stehen. Selbst der teure Teppich, der ihre Schritte verschluckte, konnte sie nicht davon überzeugen, dass man ihre Bewegungen nicht minutiös überwachte, nicht, weil diese Überwachung einen praktischen Nutzen gehabt hätte, sondern um den Auflagen der Versicherung zu genügen. Die Türen der großen Fahrstühle vor ihnen waren geschlossen, und es war nicht eine einzige Pflanze zu sehen. Wasser lief über einen Berg aus polierten Steinen, der in einem großen Bottich zu kunstvoller Leblosigkeit arrangiert war.

Bevor sie einen Kommentar abgeben konnte, erschien ein blinkendes rotes Dreieck vor ihnen, eine Handbreit über dem Boden schwebend.

„Im 23. Stockwerk“, sagte eine Stimme, der nicht anzuhören war, ob ein unterbezahlter Mensch oder eine besonders teure Maschine sprach. Die Umgangsformen ließen beide Möglichkeiten zu.

Berendt und Becker folgten dem Icon, das sich immer drei Schritte vor ihnen hielt und den Weg zu einer zweiten Reihe von Fahrstühlen wies, die durchweg kleiner waren als die in der Lobby. Eine einzelne Tür öffnete sich, als sie näher kamen. Der schwebende Wegweiser ging voran in die Kabine und wartete dort. Berendt streckte die Hand aus und griff durch das Icon hindurch, und es löste sich in nichts auf.

„Spartanisch“, sagte sie. Die Kabinentüren schlossen sich lautlos. Es gab keine Bedienungsknöpfe. Eine 23 leuchtete an der Wand, ein Menetekel aus weißem Licht auf der blanken Metallfläche, und verschwand wieder, sobald sie hingesehen hatten. Die Türen öffneten sich. Sie hatte Beschleunigung und Bremsvorgang kaum wahrgenommen.

„Hier sind sogar die Dienstbotenaufzüge magnetisch“, versetzte Becker, als sie in eine Halle hinaustraten, die sich in nichts von der Eingangshalle unterschied. Sogar die Steinskulptur war exakt dupliziert, einer modischen Idiotie folgend, die vor zwanzig Jahren viele Nachahmer gefunden hatte. Viele Orte in einem, hatte man diesen Unfug genannt. Eine Generation von Menschen hatte sich in ihren eigenen Behausungen heillos verirrt, und hier und dort konnte man noch immer darüber stolpern.

Das Icon erschien wieder und führte sie zu einem Gang mit hoher Decke. Türen öffneten sich wie von Geisterhand, Lichter schalteten sich ein und verlöschten wieder, erzeugten den Eindruck eines mit ihnen wandernden, hell erleuchteten Bereichs. Dann verschwand der hilfreiche Wegweiser aus der virtuellen Welt erneut. Zwei Männer standen vor einer Tür, die weit mehr als mannshoch war und etwa zweimal so breit wie ihre eigene Wohnungstür. Zwei schwere Türflügel waren verziert mit Metallornamenten, die an flach gedrückte Panzerplatten erinnerten.

„Da sind Sie ja endlich“, meinte einer der beiden Männer. Er trug die schwarze Uniform von B-Secure und einen unhöflichen Gesichtsausdruck zur Schau. Der andere Mann hatte eine tragbare Konsole vor sich auf dem Boden stehen, und an seinem Einsatzgürtel baumelte eine Reihe von Werkzeugen. Er blickte nicht einmal auf, als die beiden Beamten herangekommen waren.

„Wir können anfangen“, sagte der Sicherheitsbeamte zu dem Techniker.

„In der Tat“, sagte Berendt scharf. Der Mann warf ihr einen Blick zu, hielt aber wohlweislich den Mund. Wenn es nach B-Secure gegangen wäre, hätte man die Stadtpolizei schon längst abgeschafft. Die privaten Sicherheitsdienste hatten wenig Freude an der Kontrolle durch die Behörden, so wie diese wenig Freude an der Kontrolle durch den NAD hatten.

„Wie wäre es mit ein paar Informationen“