Gotthold Ephraim Lessing


NATHAN DER WEISE



Ein dramatisches Gedicht in fünf Aufzügen

Impressum



Klassiker als ebook herausgegeben bei RUTHeBooks, 2016


ISBN: 978-3-944869-31-5


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Sechster Auftritt

Der Tempelherr und Daja, die den Tempelherrn schon eine Zeitlang von weiten beobachtet hatte und sich nun ihm nähert


Daja:

Der Klosterbruder, wie mich dünkt, ließ in
Der besten Laun' ihn nicht. – Doch muß ich mein
Paket nur wagen.

Tempelherr:

Nun, vortrefflich! – Lügt
Das Sprichwort wohl: daß Mönch und Weib, und Weib
Und Mönch des Teufels beide Krallen sind?
Er wirft mich heut aus einer in die andre.

Daja:

Was seh ich? – Edler Ritter, Euch? – Gott Dank!
Gott tausend Dank! – Wo habt Ihr denn
Die ganze Zeit gesteckt? – Ihr seid doch wohl
Nicht krank gewesen?

Tempelherr:

Nein.

Daja:

Gesund doch?

Tempelherr:

Ja.

Daja:

Wir waren Euertwegen wahrlich ganz
Bekümmert.

Tempelherr:

So?

Daja:

Ihr wart gewiß verreist?

Tempelherr:

Erraten!

Daja:

Und kamt heut erst wieder?

Tempelherr:

Gestern.

Daja:

Auch Rechas Vater ist heut angekommen.
Und nun darf Recha doch wohl hoffen?

Tempelherr:

Was?

Daja:

Warum sie Euch so öfters bitten lassen.
Ihr Vater ladet Euch nun selber bald
Aufs dringlichste. Er kömmt von Babylon.
Mit zwanzig hochbeladenen Kamelen,
Und allem, was an edeln Spezereien,
An Steinen und an Stoffen, Indien
Und Persien und Syrien, gar Sina,
Kostbares nur gewähren.

Tempelherr:

Kaufe nichts.

Daja:

Sein Volk verehret ihn als einen Fürsten.
Doch daß es ihn den Weisen Nathan nennt
Und nicht vielmehr den Reichen, hat mich oft
Gewundert.

Tempelherr:

Seinem Volk ist reich und weise
Vielleicht das Nämliche.

Daja:

Vor allen aber
Hätt's ihn den Guten nennen müssen. Denn
Ihr stellt Euch gar nicht vor, wie gut er ist.
Als er erfuhr, wieviel Euch Recha schuldig:
Was hätt', in diesem Augenblicke, nicht
Er alles Euch getan, gegeben!

Tempelherr:

Ei!

Daja:

Versucht's und kommt und seht!

Tempelherr:

Was denn? wie schnell
Ein Augenblick vorüber ist?

Daja:

Hätt' ich,
Wenn er so gut nicht wär', es mir so lange
Bei ihm gefallen lassen? Meint Ihr etwa,
Ich fühle meinen Wert als Christin nicht?
Auch mir ward's vor der Wiege nicht gesungen,
Daß ich nur darum meinem Ehgemahl
Nach Palästina folgen würd', um da
Ein Judenmädchen zu erziehn. Es war
Mein lieber Ehgemahl ein edler Knecht
In Kaiser Friedrichs Heere –

Tempelherr:

Von Geburt
Ein Schweizer, dem die Ehr' und Gnade ward,
Mit Seiner Kaiserlichen Majestät
In einem Flusse zu ersaufen. – Weib!
Wievielmal habt Ihr mir das schon erzählt?
Hört Ihr denn gar nicht auf mich zu verfolgen?

Daja:


Verfolgen! lieber Gott!

Tempelherr:

Ja, ja, verfolgen.
Ich will nun einmal Euch nicht weiter sehn!
Nicht hören! Will von Euch an eine Tat
Nicht fort und fort erinnert sein, bei der
Ich nichts gedacht; die, wenn ich drüber denke,
Zum Rätsel von mir selbst mir wird. Zwar möcht'
Ich sie nicht gern bereuen. Aber seht;
Ereignet so ein Fall sich wieder: Ihr
Seid schuld, wenn ich so rasch nicht handle; wenn
Ich mich vorher erkund – und brennen lasse,
Was brennt.

Daja:

Bewahre Gott!

Tempelherr:

Von heut an tut
Mir den Gefallen wenigstens, und kennt
Mich weiter nicht. Ich bitt Euch drum. Auch laßt
Den Vater mir vom Halse. Jud' ist Jude.
Ich bin ein plumper Schwab. Des Mädchens Bild
Ist längst aus meiner Seele; wenn es je
Da war.

Daja:

Doch Eures ist aus ihrer nicht.

Tempelherr:


Was soll's nun aber da? was soll's?

Daja:

Wer weiß!
Die Menschen sind nicht immer, was sie scheinen.

Tempelherr:

Doch selten etwas Bessers. Er geht

Daja:

Wartet doch!
Was eilt Ihr?

Tempelherr:

Weib, macht mir die Palmen nicht
Verhaßt, worunter ich so gern sonst wandle.

Daja:

So geh, du deutscher Bär! so geh! – Und doch
Muß ich die Spur des Tieres nicht verlieren.


Sie geht ihm von weiten nach

Zehnter Auftritt

Der Tempelherr und bald darauf Daja


Tempelherr:

Schon mehr als g'nug! Des Menschen Hirn faßt so
Unendlich viel; und ist doch manchmal auch
So plötzlich voll! von einer Kleinigkeit
So plötzlich voll! Taugt nichts, taugt nichts; es sei
Auch voll wovon es will. Doch nur Geduld!
Die Seele wirkt den auf gedunsnen Stoff
Bald ineinander, schafft sich Raum, und Licht
Und Ordnung kommen wieder. Lieb ich denn
Zum ersten Male? Oder war, was ich
Als Liebe kenne, Liebe nicht? Ist Liebe
Nur was ich itzt empfinde? ...

Daja die sich von der Seite herbeigeschlichen:

Ritter! Ritter!

Tempelherr:

Wer ruft? Ha, Daja, Ihr?

Daja:

Ich habe mich
Bei ihm vorbeigeschlichen. Aber noch
Könnt' er uns sehn, wo Ihr da steht. Drum kommt
Doch näher zu mir, hinter diesen Baum.

Tempelherr:

Was gibt's denn? So geheimnisvoll? Was ist's?

Daja:

Ja wohl betrifft es ein Geheimnis, was
Mich zu Euch bringt; und zwar ein doppeltes.
Das eine weiß nur ich; das andre wißt
Nur Ihr. Wie wär' es, wenn wir tauschten?
Vertraut mir Euers: so vertrau ich Euch
Das meine.

Tempelherr:

Mit Vergnügen. Wenn ich nur
Erst weiß, was Ihr für meines achtet. Doch
Das wird aus Euerm wohl erhellen. Fangt
Nur immer an.

Daja:

Ei denkt doch! Nein, Herr Ritter.
Erst Ihr; ich folge. Denn versichert, mein
Geheimnis kann Euch gar nichts nutzen, wenn
Ich nicht zuvor das Eure habe. Nur
Geschwind! Denn frag ich's Euch erst ab: so habt
Ihr nichts vertrauet. Mein Geheimnis dann
Bleibt mein Geheimnis; und das Eure seid
Ihr los. Doch armer Ritter! Daß Ihr Männer
Ein solch Geheimnis vor uns Weibern haben
Zu können, auch nur glaubt! .

Tempelherr:

Das wir zu haben
Oft selbst nicht wissen.

Daja:

Kann wohl sein. Drum muß
Ich freilich erst, Euch selbst damit bekannt
Zu machen, schon die Freundschaft haben. Sagt
Was hieß denn das, daß Ihr so Knall und Fall
Euch aus dem Staube machtet? daß Ihr uns
So sitzenließet? daß Ihr nun mit Nathan
Nicht wiederkommt? Hat Recha denn so wenig
Auf Euch gewirkt? wie? oder auch, so viel?
So viel! so viel! Lehrt Ihr des armen Vogels,
Der an der Rute klebt, Geflattre mich
Doch kennen! Kurz: gesteht es mir nur gleich,
Daß Ihr sie liebt, liebt bis zum Unsinn; und
Ich sag Euch was ...

Tempelherr:

Zum Unsinn? Wahrlich; Ihr
Versteht Euch trefflich drauf.

Daja:

Nun gebt mir nur
Die Liebe zu; den Unsinn will ich Euch
Erlassen.

Tempelherr:

Weil er sich von selbst versteht?
Ein Tempelherr ein Judenmädchen lieben! ...

Daja:

Scheint freilich wenig Sinn zu haben. Doch
Zuweilen ist des Sinns in einer Sache
Auch mehr, als wir vermuten; und es wäre
So unerhört doch nicht, daß uns der Heiland
Auf Wegen zu sich zöge, die der Kluge
Von selbst nicht leicht betreten würde.

Tempelherr:

Das
So feierlich? Und setz ich statt des Heilands
Die Vorsicht: hat sie denn nicht recht?
Ihr macht
Mich neubegieriger, als ich wohl sonst
Zu sein gewohnt bin.

Daja:

Oh! das ist das Land
Der Wunder!

Tempelherr:

Nun! des Wunderbaren. Kann
Es auch wohl anders sein? Die ganze Welt
Drängt sich ja hier zusammen.
Liebe Daja,
Nehmt für gestanden an, was Ihr verlangt:
Daß ich sie liebe; daß ich nicht begreife,
Wie ohne sie ich leben werde; daß ...

Daja:

Gewiß? gewiß? So schwört mir, Ritter, sie
Zur Eurigen zu machen; sie zu retten:
Sie zeitlich hier, sie ewig dort zu retten.

Tempelherr:

Und wie? Wie kann ich? Kann ich schwören, was
In meiner Macht nicht steht?

Daja:

In Eurer Macht
Steht es. Ich bring es durch ein einzig Wort
In Eure Macht.

Tempelherr:

Daß selbst der Vater nichts
Dawider hätte?

Daja:

Ei, was Vater! Vater!
Der Vater soll schon müssen.

Tempelherr:

Müssen, Daja?
Noch ist er unter Räuber nicht gefallen.
Er muß nicht müssen.

Daja:

Nun, so muß er wollen;
Muß gern am Ende wollen.

Tempelherr:

Muß und gern!
Doch, Daja, wenn ich Euch nun sage, daß
Ich selber diese Sait' ihm anzuschlagen
Bereits versucht?

Daja:

Was? und er fiel nicht ein?

Tempelherr:

Er fiel mit einem Mißlaut ein, der mich
Beleidigte.

Daja:

Was sagt Ihr? Wie? Ihr hättet
Den Schatten eines Wunsches nur nach Recha
Ihm blicken lassen: und er wär' vor Freuden
Nicht aufgesprungen? hätte frostig sich
Zurückgezogen? hätte Schwierigkeiten
Gemacht?

Tempelherr:

So ungefähr.

Daja:

So will ich denn
Mich länger keinen Augenblick bedenken

Pause

Tempelherr:

Und Ihr bedenkt Euch doch?

Daja:

Der Mann ist sonst
So gut! Ich selber bin so viel ihm schuldig!
Daß er doch gar nicht hören will! Gott weiß,
Das Herze blutet mir, ihn so zu zwingen.

Tempelherr:

Ich bitt Euch, Daja, setzt mich kurz und gut
Aus dieser Ungewißheit. Seid Ihr aber
Noch selber ungewiß; ob, was Ihr vorhabt,
Gut oder böse, schändlich oder löblich
Zu nennen: schweigt! Ich will vergessen, daß
Ihr etwas zu verschweigen habt.

Daja:

Das spornt,
Anstatt zu halten. Nun; so wißt denn: Recha
Ist keine Jüdin; ist ist eine Christin.

Tempelherr kalt:

So? Wünsch Euch Glück! Hat's schwer gehalten? Laßt
Euch nicht die Wehen schrecken! Fahret ja
Mit Eifer fort, den Himmel zu bevölkern:
Wenn Ihr die Erde nicht mehr könnt!

Daja:

Wie, Ritter?
Verdienet meine Nachricht diesen Spott?
Daß Recha eine Christin ist: das freuet
Euch, einen Christen, einen Tempelherrn,
Der Ihr sie liebt, nicht mehr?

Tempelherr:

Besonders, da
Sie eine Christin ist von Eurer Mache.

Daja:

Ah! so versteht Ihr's? So mag's gelten! Nein!
Den will ich sehn, der die bekehren soll!
Ihr Glück ist, längst zu sein, was sie zu werden
Verdorben ist.

Tempelherr:

Erklärt Euch, oder geht!

Daja:

Sie ist ein Christenkind, von Christeneltern
Geboren; ist getauft ...

Tempelherr hastig:

Und Nathan?

Daja:

Nicht
Ihr Vater!

Tempelherr:

Nathan nicht ihr Vater? Wißt
Ihr, was Ihr sagt?

Daja:

Die Wahrheit, die so oft
Mich blut'ge Tränen weinen machen. Nein,
Er ist ihr Vater nicht ...

Tempelherr:

Und hätte sie
Als seine Tochter nur erzogen? hätte
Das Christenkind als eine Jüdin sich
Erzogen?

Daja:

Ganz gewiß.

Tempelherr:

Sie wüßte nicht,
Was sie geboren sei? Sie hätt' es nie
Von ihm erfahren, daß sie eine Christin
Geboren sei, und keine Jüdin?

Daja:

Nie!

Tempelherr:

Er hätt' in diesem Wahne nicht das Kind
Bloß auferzogen? ließ das Mädchen noch
In diesem Wahne?

Daja:

Leider!

Tempelherr:

Nathan Wie?
Der weise gute Nathan hätte sich
Erlaubt, die Stimme der Natur so zu
Verfälschen? Die Ergießung eines Herzens
So zu verrenken, die, sich selbst gelassen,
Ganz andre Wege nehmen würde? Daja,
Ihr habt mir allerdings etwas vertraut
Von Wichtigkeit, was Folgen haben kann,
Was mich verwirrt, worauf ich gleich nicht weiß,
Was mir zu tun. Drum laßt mir Zeit. Drum geht!
Er kömmt hier wiederum vorbei. Er möcht'
Uns überfallen. Geht!

Daja:

Ich wär' des Todes!

Tempelherr:

Ich bin ihn itzt zu sprechen ganz und gar
Nicht fähig. Wenn Ihr ihm begegnet, sagt
Ihm nur, daß wir einander bei dem Sultan
Schon finden würden.

Daja:

Aber laßt Euch ja
Nichts merken gegen ihn. Das soll nur so
Den letzten Druck dem Dinge geben; soll
Euch, Rechas wegen, alle Skrupel nur
Benehmen! Wenn Ihr aber dann sie nach
Europa führt: so laßt Ihr doch mich nicht
Zurück?

Tempelherr:

Das wird sich finden. Geht nur, geht!

Neunter Auftritt

Nathan, Al-Hafi


Al-Hafi:

Ha! ha! zu Euch wollt' ich nun eben wieder.

Nathan:

Ist's denn so eilig? Was verlangt er denn
Von mir?

Al-Hafi:

Wer?

Nathan: Saladin:

Ich komm, ich komme.

Al-Hafi:

Zu wem? Zum Saladin?

Nathan:

Schickt Saladin
Dich nicht?

Al-Hafi:

Mich? nein. Hat er denn schon geschickt?

Nathan:

Ja freilich hat er.

Al-Hafi:

Nun, so ist es richtig.

Nathan:

Was? was ist richtig?

Al-Hafi:

Daß ... ich bin nicht schuld;
Gott weiß, ich bin nicht schuld. Was hab ich nicht
Von Euch gesagt, gelogen, um es abzuwenden!

Nathan:

Was abzuwenden? Was ist richtig?

Al-Hafi:

Daß
Nun Ihr sein Defterdar geworden. Ich
Bedaur' Euch. Doch mit ansehn will ich's nicht.
Ich geh von Stund an; geh. Ihr habt es schon
Gehört, wohin; und wißt den Weg. Habt Ihr
Des Wegs was zu bestellen, sagt: ich bin
Zu Diensten. Freilich muß es mehr nicht sein,
Als was ein Nackter mit sich schleppen kann.
Ich geh, sagt bald.

Nathan:

Besinn dich doch, Al-Hafi.
Besinn dich, daß ich noch von gar nichts weiß.
Was plauderst du denn da?

Al-Hafi:

Ihr bringt sie doch
Gleich mit, die Beutel?

Nathan:

Beutel?

Al-Hafi:

Nun, das Geld,
Das Ihr dem Saladin vorschießen sollt.

Nathan:

Und weiter ist es nichts?

Al-Hafi:

Ich sollt' es wohl
Mit ansehn, wie er Euch von Tag zu Tag
Aushöhlen wird bis auf die Zehen? Sollt'
Es wohl mit ansehn, daß Verschwendung aus
Der weisen Milde sonst nie leeren Scheuern
So lange borgt, und borgt, und borgt, bis auch
Die armen eingebornen Mäuschen drin
Verhungern? Bildet Ihr vielleicht Euch ein,
Wer Euers Gelds bedürftig sei, der werde
Doch Euerm Rate wohl auch folgen? Ja;
Er Rate folgen! Wenn hat Saladin
Sich raten lassen? Denkt nur, Nathan, was
Mir eben itzt mit ihm begegnet.

Nathan:

Nun?

Al-Hafi:

Da komm ich zu ihm, eben daß er Schach
Gespielt mit seiner Schwester. Sittah spielt
Nicht übel; und das Spiel, das Saladin
Verloren glaubte, schon gegeben hatte,
Das stand noch ganz so da. Ich seh Euch hin,
Und sehe, daß das Spiel noch lange nicht
Verloren.

Nathan:

Ei! das war für dich ein Fund!

Al-Hafi:

Er durfte mit dem König an den Bauer
Nur rücken, auf ihr Schach. Wenn ich's Euch gleich
Nur zeigen könnte!

Nathan:

O ich traue dir!

Al-Hafi:

Denn so bekam der Roche Feld: und sie
War hin. Das alles will ich ihm nun weisen
Und ruf ihn. Denkt! ...

Nathan:

Er ist nicht deiner Meinung?

Al-Hafi:

Er hört mich gar nicht an, und wirft verächtlich
Das ganze Spiel in Klumpen.

Nathan:

Ist das möglich?

Al-Hafi:

Und sagt: er wolle matt nun einmal sein;
Er wolle! Heißt das spielen?

Nathan:

Schwerlich wohl;
Heißt mit dem Spielen spielen.

Al-Hafi:

Gleichwohl galt
Es keine taube Nuß.

Nathan:

Geld hin, Geld her!
Das ist das wenigste. Allein dich gar
Nicht anzuhören! über einen Punkt
Von solcher Wichtigkeit dich nicht einmal
Zu hören! deinen Adlerblick nicht zu
Bewundern! das, das schreit um Rache; nicht?

Al-Hafi:

Ach was! Ich sage Euch das nur, damit
Ihr sehen könnt, was für ein Kopf er ist.
Kurz, ich, ich halt's mit ihm nicht länger aus.
Da lauf ich nun bei allen schmutz'gen Mohren
Herum, und frage, wer ihm borgen will.
Ich, der ich nie für mich gebettelt habe,
Soll nun für andre borgen. Borgen ist
Viel besser nicht als betteln: so wie leihen,
Auf Wucher leihen, nicht viel besser ist,
Als stehlen. Unter meinen Ghebern, an
Dem Ganges, brauch ich beides nicht, und brauche
Das Werkzeug beider nicht zu sein. Am Ganges,
Am Ganges nur gibt's Menschen. Hier seid Ihr
Der einzige, der noch so würdig wäre,
Daß er am Ganges lebte. Wollt Ihr mit?
Laßt ihm mit eins den Plunder ganz im Stiche,
Um den es ihm zu tun. Er bringt Euch nach
Und nach doch drum. So wär' die Plackerei
Auf einmal aus. Ich schaff Euch einen Delk.
Kommt! kommt!

Nathan:

Ich dächte zwar, das blieb' uns ja
Noch immer übrig. Doch, Al-Hafi, will
Ich's überlegen. Warte ...

Al-Hafi:

Überlegen?
Nein, so was überlegt sich nicht.

Nathan:

Nur bis
Ich von dem Sultan wiederkomme; bis
Ich Abschied erst ...

Al-Hafi:

Wer überlegt, der sucht
Bewegungsgründe, nicht zu dürfen. Wer
Sich Knall und Fall, ihm selbst zu leben, nicht,
Entschließen kann, der lebet andrer Sklav'
Auf immer. Wie Ihr wollt! Lebt wohl! wie's Euch
Wohl dünkt. Mein Weg liegt dort; und Eurer da.

Nathan:

Al-Hafi! Du wirst selbst doch erst das Deine
Berichtigen?

Al-Hafi:

Ach Possen! Der Bestand
Von meiner Kass' ist nicht des Zählens wert;
Und meine Rechnung bürgt Ihr oder Sittah.
Lebt wohl! Ab.

Nathan ihm nachsehend:
Die bürg ich! Wilder, guter, edler
Wie nenn ich ihn? Der wahre Bettler ist
Doch einzig und allein der wahre König!


Von einer andern Seite ab

Achter Auftritt

Daja und Nathan


Daja eilig und verlegen:

Denkt doch, Nathan!

Nathan:

Nun?

Daja:

Das arme Kind erschrak wohl recht darüber!
Da schickt ...

Nathan:

Der Patriarch?

Daja:

Des Sultans Schwester,
Prinzessin Sittah ...

Nathan:

Nicht der Patriarch?

Daja:

Nein, Sittah! Hört Ihr nicht! Prinzessin Sittah
Schickt her, und läßt sie zu sich holen?

Nathan:

Wen?
Läßt Recha holen? Sittah läßt sie holen?
Nun; wenn sie Sittah holen läßt, und nicht
Der Patriarch ...

Daja:

Wie kommt Ihr denn auf den?

Nathan:

So hast du kürzlich nichts von ihm gehört?
Gewiß nicht? Auch ihm nichts gesteckt?

Daja:

Ich? ihm?

Nathan:

Wo sind die Boten?

Daja:

Vorn.

Nathan:

Ich will sie doch
Aus Vorsicht selber sprechen. Komm! Wenn nur
Vom Patriarchen nichts dahintersteckt. Ab

Daja:

Und ich ich fürchte ganz was anders noch.
Was gilt's? die einzige vermeinte Tochter
So eines reichen Juden wär' auch wohl
Für einen Muselmann nicht übel? Hui,
Der Tempelherr ist drum. Ist drum: wenn ich
Den zweiten Schritt nicht auch noch wage; nicht
Auch ihr noch selbst entdecke, wer sie ist!
Getrost! Laß mich den ersten Augenblick,
Den ich allein sie habe, dazu brauchen!
Und der wird sein vielleicht nun eben, wenn
Ich sie begleite. So ein erster Wink
Kann unterwegens wenigstens nicht schaden.
Ja, ja! Nur zu! Itzt oder nie! Nur zu! Ihm nach

Letzter Auftritt

Nathan und der Tempelherr zu den Vorigen


Saladin:

Ah, meine guten lieben Freunde! Dich,
Dich, Nathan, muß ich nur vor allen Dingen
Bedeuten, daß du nun, sobald du willst,
Dein Geld kannst wieder holen lassen!

Nathan: 

Sultan!

Saladin:

Nun steh ich auch zu deinen Diensten

Nathan: 

Sultan!

Saladin:

Die Karawan' ist da. Ich bin so reich
Nun wieder, als ich lange nicht gewesen.
Komm, sag mir, was du brauchst, so recht was Großes
Zu unternehmen! Denn auch ihr, auch ihr,
Ihr Handelsleute, könnt des baren Geldes
Zuviel nie haben!

Nathan: 

Und warum zuerst
Von dieser Kleinigkeit? Ich sehe dort
Ein Aug' in Tränen, das zu trocknen, mir
Weit angelegner ist. Geht auf Recha zu
Du hast geweint?
Was fehlt dir? bist doch meine Tochter noch?

Recha:

Mein Vater! ...

Nathan: 

Wir verstehen uns. Genug!
Sei heiter! Sei gefaßt! Wenn sonst dein Herz
Nur dein noch ist! Wenn deinem Herzen sonst
Nur kein Verlust nicht droht! Dein Vater ist
Dir unverloren!

Recha: 

Keiner, keiner sonst!

Tempelherr:

Sonst keiner? Nun! so hab ich mich betrogen.
Was man nicht zu verlieren fürchtet, hat
Man zu besitzen nie geglaubt, und nie
Gewünscht. Recht wohl! recht wohl! Das ändert, Nathan,
Das ändert alles! Saladin, wir kamen
Auf dein Geheiß. Allein, ich hatte dich
Verleitet; itzt bemüh dich nur nicht weiter!

Saladin:

Wie gach nun wieder, junger Mann! Soll alles
Dir denn entgegenkommen? Alles dich
Erraten?

Tempelherr: 

Nun du hörst ja! siehst ja, Sultan!