Hallo, hallo, hier spricht Maluna Mondschein

 

Ich bin die kleine Gutenacht-Fee aus dem Zauberwald. Herzlich willkommen auf deiner Reise in meine Welt, kleiner Schatz.

Der geheimnisvolle Zauberwald ist ziemlich weit weg und sehr gut verborgen. Er liegt ungefähr dort, bis wohin du gucken kannst, und dann noch ein Stückchen mehr in der Ferne.

Willst du mich besuchen kommen? Ich kenne nämlich einen sehr kurzen Weg dorthin!

Wie das geht?

Du musst es dir nur gemütlich machen und meinen Geschichten lauschen. Und schon bist du mittendrin und dabei! Ich und meine Freunde warten bereits auf dich.

Bitte anschnallen, nein, zudecken!

Schön einkuscheln, und los geht’s!

Kapitel 1,

in dem der kleine Drache seine Lieblings-Gutenacht-Geschichte vom Regenbogenzebra vorgelesen bekommt.

Als Gutenacht-Fee liebe ich natürlich Einschlaf-Geschichten. Manchmal erzähle ich mir selber welche. Und jedes Mal schlafe ich dabei ein. Und das ist gar nicht gut. Überhaupt nicht gut, fratzprasselsturm noch mal. Wer soll denn dann den Kindern des Zauberwaldes ihr Feengeschenk für tolles Ins-Bett-Gehen bringen, wenn ich verschlafe? Na? Siehste! Und deshalb habe ich mir was ausgedacht: die Maluna-Mondschein-Morgengeschichten-Regel. Bei mir gibt es Gutenacht-Geschichten nur beim Frühstück. Weil ich ja danach ins Bett gehe …

Für dich gilt diese Regel natürlich nicht, und ich hoffe, dass du nach der folgenden Geschichte genauso müde bist wie der kleine Drache.

 

Also pass auf, die Geschichte geht so:

 

Immer wenn der kleine Drache abends in seinem Bettchen liegt, erzählt ihm Mama Drache eine Gutenacht-Geschichte.

Bevor es der kleine Drache aber geschafft hat, bettfertig zu sein, sind jeden Abend eine Menge Dinge zu erledigen. Eine große, riesige, langweilige Menge anstrengender, blöder, unnötiger Dinge. Du kennst das bestimmt auch.

Erstens, das Ausziehen. Der kleine Drache findet es ab und zu fürchterlich schwierig, sich aus seinen Sachen herauszupellen. Besonders, wenn er ungeduldig ist und alle Klamotten gleichzeitig ausziehen will, bleibt er manchmal einfach stecken.

Zweitens, nur, NUR die dreckigen Sachen in den Wäschekorb legen und nicht etwa alle Anziehsachen hineinstopfen.

Drittens, den Schlafanzug anziehen, und zwar richtig rum! Wie oft hat der kleine Drache sich schon mühsam in den Schlafanzug gewurstelt, um dann feststellen zu müssen, dass das Bild auf dem Oberteil plötzlich nicht mehr vorne war, sondern hinten.

Viertens, nicht vergessen, die Hausschuhe anzuziehen, denn auf dem kalten Höhlenboden bekommt man blitzschnell frostigste Eisfüße!

Fünftens, noch mal aufs Klo gehen.

Sechstens, Zähne putzen, Gesicht und Hände waschen.

Es kommt sogar vor, dass der kleine Drache abends ziemlich schlechte Laune bekommt, weil er es waaaahhhnsinnig ungerecht findet, dass er so viele Dinge erledigen muss, bis er endlich bettfertig ist. Ab und zu kriegt er deswegen sogar einen richtigen Wutanfall. Besonders, wenn er sehr müde ist.

Es ist aber auch wirklich nicht leicht, ein kleiner Drache zu sein. Doch wenn schließlich irgendwann irgendwie alles geschafft ist, darf der kleine Drache sich ein Buch aussuchen, aus dem Mama Drache ihm eine Geschichte vorliest.

Der kleine Drache schlüpft in sein Bett und kuschelt sich eng an Mama. Ihre Drachenhautschuppen sind zwar hart, aber glatt und gleichzeitig irgendwie weich und warm. Und Mama Drache riecht lecker! So lecker, wie nur Mamas riechen können.

»Das will ich lesen«, bestimmt der kleine Drache und gibt Mama ein Buch.

»Aber kleiner Drache, das haben wir ja schon gestern gelesen und vorgestern und am Tag davor und am Tag vor dem Tag davor und überhaupt schon tausend Mal!«, sagt Mama Drache und bettelt: »Das mag ich einfach nicht mehr vorlesen! Du kannst es doch fast auswendig. Bitte, bitte, bitte, such dir eine andere Geschichte aus, ja?«

Aber der kleine Drache lässt sich nicht erweichen und klimpert unschuldig mit den Augen.

»Das ist mein Lieblingsbuch, da kann man nichts machen«, sagt er.

»Tja, da kann man wohl wirklich nichts machen«, meint Mama Drache, seufzt und schlägt das Buch auf.

Dann schließt sie die Augen und beginnt vorzulesen.

»Aber Mama«, der kleine Drache ist erstaunt, »wie kannst du denn lesen mit Augen zu?«

»Ich weiß auswendig, was da steht«, erklärt Mama Drache. »Ich hab’s ja schließlich schon zwei, drei Mal vorgelesen!«

»Aber wenn du mit Augen zu was Falsches liest, dann stimmt die ganze Geschichte nicht mehr«, gibt der kleine Drache zu bedenken. »Und wir müssen noch mal ganz von vorne anfangen.«

»Oh, na, wenn das so ist, wollen wir das ja auf keinen Fall riskieren …«, sagt Mama Drache und reißt ihre Augen extraweit auf. Und gleich darauf auch den Mund, denn sie muss plötzlich fürchterlich gähnen. »Komisch«, meint sie, »immer wenn ich dir eine Gutenacht-Geschichte vorlese, muss ich gähnen.«

Mama Drache legt sich ein Kissen unter den Kopf und beginnt ein zweites Mal, dem kleinen Drachen seine Lieblings-Gutenacht-Geschichte vom Regenbogenzebra vorzulesen:

 

»Also pass auf«, sagt sie, »die Geschichte geht so:

An einem warmen Sommertag ging das kleine Zebra Schwarzweißschwarzweiß einmal spazieren. Es wollte sich die Welt genauer ansehen. Denn es gab die schönsten Sachen zu entdecken!

Das kleine Zebra Schwarzweißschwarzweiß schnupperte auf seinem Spaziergang an wunderschönen bunten Blumen, sah an den Stämmen riesiger Bäume entlang hinauf in den blauen Himmel und staunte über die weißen Wattewolken, die dort oben vorbeizogen. Es beobachtete die winzigen, blitzschnellen Vögel und lachte über das trudelnde Geflatter der prächtigen Schmetterlinge.

Es besah sich die rote Erde, auf der es lief, und zupfte genüsslich ein paar Halme vom saftigen, grünen Gras am Wegrand. Es genoss die kantigen Steinchen unter den Hufen, spürte das sanfte Kribbeln des Sommerwindes auf seinem Rücken und reckte dem köstlichen Duft der reifen Früchte schnuppernd seine Nase entgegen.

Das kleine Zebra Schwarzweißschwarzweiß liebte diese Spaziergänge sehr und machte wie stets vor Staunen große Augen. Doch heute wurde dem kleinen Zebra plötzlich etwas bewusst, das ihm bis dahin noch gar nicht aufgefallen war: Jedes Ding besaß seine ganz eigene Farbe. Keine zwei Farben waren gleich.

Beim Laufen murmelte es vor sich hin:

»Blumen: gelb und lila, Vögel: blau mit braun, Wolken: weiß, Himmel: hellblau, Erde: rot, Steine: grau, Gras: grün …«

So trabte das kleine Zebra Schwarzweißschwarzweiß voran, seinen Kopf neugierig von einer Seite zur anderen drehend. Aber je mehr farbenfrohe Dinge es rechts und links des Weges entdeckte, desto weniger fröhlich und weniger neugierig wurde es. Das kleine Zebra wurde sogar richtig traurig!

Und so kam es, dass es von seinem Spaziergang schluchzend nach Hause zurückkehrte.

»Warum weinst du denn?«, fragte Mama Zebra besorgt.

»Weil ich nicht bunt bin«, erwiderte das kleine Zebra. »Alles ist bunt. Jedes Ding auf der Welt hat eine Farbe, nur ich bin schwarz mit weißen Streifen. Und das finde ich stinklangweilig!«

Mama Zebra musste lächeln und sagte: »Stinklangweilig? Aber ganz im Gegenteil: Zebras sind überhaupt die einzigen Tiere auf der weiten Welt, die schwarz und weiß gestreift sind. Ich finde, das ist etwas ganz Besonderes! Und außerdem sind Weiß und Schwarz doch auch sehr schöne Farben.«

Aber das kleine Zebra wollte sich nicht trösten lassen. Den ganzen Tag überlegte es hin und her. Endlich hatte es eine Idee.

»Ich werde mit meinem Farbkasten alle meine Streifen bunt anmalen«, verkündete es froh.

Das kleine Zebra Schwarzweißschwarzweiß nahm also einen dicken Pinsel und begann zu malen. Seine prächtigen schwarzen und weißen Streifen färbte es blau, grün, rot, orange, gelb, pfefferminzfarben und lila.

Als die Farben im Malkasten sich geleert hatten, war aus dem kleinen Zebra Schwarzweißschwarzweiß ein kunterbuntes Regenbogenzebra geworden.

Stolz machte sich das kleine Regenbogenzebra auf den Weg, um seinen Freunden das kunterbunte Regenbogenfell zu zeigen.

Doch die Freunde des kleinen Zebras Schwarzweißschwarzweiß erkannten das Regenbogenzebra nicht und fragten es:

»Sag mal, hast du unseren Freund Schwarzweißschwarzweiß gesehen? Schon den ganzen Tag ist er nicht zum Spielen aufgetaucht. Wir haben was Tolles entdeckt und möchten es ihm unbedingt zeigen!«

»Aber ich bin doch hier!«, rief das kleine Regenbogenzebra, »erkennt ihr mich denn nicht? Vorher war ich schwarz-weiß gestreift, und nun bin ich so bunt wie ein Papagei!«

Aber die Freunde vom kleinen Zebra schüttelten den Kopf:

»Nein, Schwarzweißschwarzweiß sieht ganz anders aus als du«, sagten sie. »Er hat Streifen, wunderschöne schwarze und weiße, auf dem ganzen Körper! Sogar die Ohren sind gestreift. Sein Muster gibt es auf der ganzen Welt nur ein einziges Mal. Er ist unser Freund. Und ein Zebra. Hast du ein solches Tier gesehen?«

»Nein«, antwortete das kleine Regenbogenzebra heiter, »aber wenn mir euer Freund begegnet, dann sage ich ihm, dass ihr auf ihn wartet.«

Fröhlich hüpfte das Regenbogenzebra wieder nach Hause. Sein Herz fühlte sich leicht und glücklich an.

»Mama, stell dir vor«, sagte es, »meine Freunde finden meine Streifen toll!«

»Lass mich raten: Jetzt wollen sie sich auch alle anmalen?«, fragte Mama Zebra.

»Aber nein! Die schwarzen und weißen Streifen finden sie toll, nicht die bunten! Und sie vermissen mich. Weil ich ihr Freund bin«, erklärte das kleine Zebra Schwarzweißschwarzweiß ungeduldig seiner Mama. »Kannst du mir helfen, schnell die Farbe wieder runterzuwaschen?«

»Also dann, gehen wir ans Wasser, kleines Regenbogenzebra!«, sagte Mama Zebra und scheuchte ihr kunterbuntes Zebrafohlen zum Flussufer hinunter.