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Benjamin Graham

Intelligent Investieren

BENJAMIN GRAHAM

INTELLIGENT INVESTIEREN

Der Bestseller über die richtige Anlagestrategie

Mit aktuellen Kommentaren von Jason Zweig und einem Vorwort von Warren Buffett

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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15. Auflage 2021

© 2005 der deutschen Ausgabe:

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ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

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Fax: 089 652096

Copyright © 1973 by Benjamin Graham. All rights reserved.

Aktuelle Kommentare: Copyright © 2003 by Jason Zweig. All rights reserved.

Published by arrangement with HarperBusiness,
an imprint of HarperCollins Publishers, Inc.

Covergestaltung: Sabine Krohberger

Gesamtbearbeitung: Druckerei Joh. Walch, Augsburg

Übersetzung: Carsten Roth

Lektorat: Dr. Renate Oettinger

Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

eBook: ePubMATIC.com

Alle Rechte, einschließlich derjenigen des auszugsweisen Abdrucks sowie der photomechanischen und elektronischen Wiedergabe, vorbehalten.

Dieses Buch will keine spezifischen Anlage-Empfehlungen geben und enthält lediglich allgemeine Hinweise. Autor, Herausgeber und die zitierten Quellen haften nicht für etwaige Verluste, die aufgrund der Umsetzung ihrer Gedanken und Ideen entstehen.

Die im Buch veröffentlichten Ratschläge wurden von Verfasser und Verlag sorgfältig erarbeitet und geprüft. Eine Garantie kann dennoch nicht übernommen werden. Ebensoist die Haftung des Verfassers beziehungsweise des Verlages und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ausgeschlossen.

ISBN Print 978-3-89879-827-3

ISBN E-Book (PDF) 978-3-86248-415-7

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86248-416-4

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort zur vierten Auflage von Warren E. Buffett

Eine Anmerkung zu Benjamin Graham von Jason Zweig

Einleitung: Was dieses Buch erreichen will

Kommentar zur Einleitung

Kapitel 1:

Investieren oder Spekulieren: Ergebnisse, die ein intelligenter Investor erwarten darf

Kommentar zu Kapitel 1

Kapitel 2:

Der Investor und die Inflation

Kommentar zu Kapitel 2

Kapitel 3:

100 Jahre Aktienmarkt: Das Niveau der Aktienkurse Anfang 1972

Kommentar zu Kapitel 3

Kapitel 4:

Die allgemeine Portfoliostrategie: Der defensive Investor

Kommentar zu Kapitel 4

Kapitel 5:

Der defensive Investor und Stammaktien

Kommentar zu Kapitel 5

Kapitel 6:

Die Portfoliostrategie für den professionellen Investor: Der negative Ansatz

Kommentar zu Kapitel 6

Kapitel 7:

Die Portfoliostrategie für den professionellen Investor: Die positive Seite

Kommentar zu Kapitel 7

Kapitel 8:

Der Investor und die Schwankungen an der Börse

Kommentar zu Kapitel 8

Kapitel 9:

Kapitalanlage in Investmentfonds

Kommentar zu Kapitel 9

Kapitel 10:

Der Investor und seine Berater

Kommentar zu Kapitel 10

Kapitel 11:

Wertpapieranalyse für Anfänger: Eine allgemeine Strategie

Kommentar zu Kapitel 11

Kapitel 12:

Darüber sollte man bei den Gewinnen je Aktie nachdenken

Kommentar zu Kapitel 12

Kapitel 13:

Ein Vergleich von vier börsennotierten Aktiengesellschaften

Kommentar zu Kapitel 13

Kapitel 14:

Aktienauswahl für den defensiven Investor

Kommentar zu Kapitel 14

Kapitel 15:

Aktienauswahl für den professionellen Investor

Kommentar zu Kapitel 15

Kapitel 16:

Wandelbare Titel und Bezugsrechte

Kommentar zu Kapitel 16

Kapitel 17:

Vier extrem lehrreiche Fallstudien

Kommentar zu Kapitel 17

Kapitel 18:

Acht Unternehmens-Paare im Vergleich

Kommentar zu Kapitel 18

Kapitel 19:

Aktionäre und das Management: Dividendenpolitik

Kommentar zu Kapitel 19

Kapitel 20:

Die „Sicherheitsspanne“ als zentrales Konzept der Kapitalanlage

Kommentar zu Kapitel 20

Nachwort

Kommentar zum Nachwort

Anhang

1 Die Superinvestoren von Graham-and-Doddsville – von Warren E. Buffett

2 Wichtige Regeln zur Besteuerung von Einkommen aus Investitionen und Wertpapiertransaktionen

3 Die „Neue Spekulation“ mit Stammaktien

4 Eine wahre Geschichte: Aetna Maintenance Co

5 Technologieunternehmen als Investitionen

Endnoten

Worte des Dankes von Jason Zweig

Der Autor

Vorwort zur vierten Auflage von Warren E. Buffett

Die erste Auflage dieses Buches las ich Anfang 1950, als ich 19 Jahre alt war. Damals hielt ich dieses Buch mit Abstand für das Beste, das jemals über Kapitalanlage geschrieben wurde. An dieser Meinung hat sich bis heute nichts geändert.

Um ein Leben lang erfolgreich zu investieren, braucht man keinen himmelhohen Intelligenzquotienten, keine außergewöhnlichen Erkenntnisse und auch keine Insider-Informationen. Man braucht einen vernünftigen intellektuellen Rahmen, um Entscheidungen zu treffen, und die Fähigkeit, diesen Rahmen durch seine Emotionen nicht zu zerstören. Dieses Buch beschreibt diesen Rahmen präzise und eindeutig. Sie brauchen nur noch die emotionale Disziplin aufzubringen.

Wenn Sie die Verhaltensgrundsätze und die ökonomischen Grundregeln beherzigen, für die Graham eintritt, und wenn Sie die wertvollen Ratschläge in den Kapiteln 8 und 20 beachten, dann werden Sie mit Ihren Kapitalanlagen keine schlechten Ergebnisse erzielen. Damit haben Sie vielleicht schon mehr erreicht, als Sie sich vorstellen. Ob Sie herausragende Ergebnisse erzielen, wird zum einen davon abhängen, wie viel Aufwand und Intellekt Sie für Ihre Investitionen aufwenden, und zum anderen vom Ausmaß der verrückten Schwankungen an den Börsen, die Sie während Ihrer Karriere als Investor erleben werden. Je verrückter das Verhalten an den Börsen, desto großer die Chancen für den professionellen Investor. Folgen Sie Graham, und Sie werden von diesen Verrücktheiten eher profitieren.

Für mich war Ben Graham weit mehr als nur ein Autor oder ein Lehrer. Er hat mehr als jeder andere – außer meinem Vater – mein Leben beeinflusst. Kurz nach Bens Tod im Jahr 1976 schrieb ich im Financial Analysts Journal den folgenden kurzen Nachruf. Wenn Sie dieses Buch lesen, werden Sie einige Eigenschaften entdecken, die ich in dieser Würdigung erwähnte.

BENJAMIN GRAHAM
1894 – 1976

Vor einigen Jahren, im Alter von fast 80 Jahren, sagte er zu einem Freund, er hoffe, „jeden Tag noch etwas Dummes, etwas Kreatives und etwas Großzügiges tun zu können“.

Das Erste dieser skurrilen Ziele zeugt von seiner Begabung, Gedanken in eine Form zu bringen, der jegliches Moralisieren und jegliche Selbstherrlichkeit fremd ist. Obwohl seine Ideen grandios waren, gelang es ihm, sie höchst bescheiden auszudrücken.

Die Leser dieser Zeitschrift brauchten keine ausführliche Darstellung dessen, was er mit seiner Kreativität erreicht hatte. Es ist sehr selten, dass die Arbeit des Begründers eines Lehrfachs nicht schon bald von den Arbeiten der Nachfolger überschattet wird. Doch mehr als 40 Jahre nach Erscheinen dieses Buches, das Struktur und Logik in ein bis dahin ungeordnetes und konfuses Thema brachte, ist es immer noch schwer vorstellbar, dass es jemanden gibt, der ihm im Bereich der Aktienanalyse das Wasser reichen könnte. In einem Bereich, in dem schon Wochen oder Monate nach Erscheinen eines Buches vieles als überholt gilt, blieben Bens Grundregeln gültig – sie sind wertvoller denn je, und sie wurden gerade nach den finanziellen Stürmen, die Anleger mit einem weniger herausragenden Intellekt ruinierten, besser verstanden als zuvor. Seine zuverlässigen Ratschläge brachten seinen Anhängern reiche Ernte – selbst denen, die nicht so begabt waren wie die Experten, die ins Stolpern gerieten, als sie anderen, „moderneren“ Ratschlägen folgten.

Ein bemerkenswerter Aspekt von Bens fachlicher herausragender Bedeutung ist, dass er sie ohne jene gedankliche Enge erlangte, die alles Denken nur auf eine Richtung konzentriert. Sie war eher ein zufälliges Nebenprodukt seines enormen Intellekts. Ich habe noch nie jemanden kennen gelernt, dessen Verstand eine ähnliche Reichweite aufweist. Ein nahezu vollkommenes Gedächtnis, eine enorme Begeisterung für alle neuen Erkenntnisse und die Fähigkeit, es auf die unterschiedlichsten Fragestellungen anzuwenden, machte die Auseinandersetzung mit seinen Ideen und Gedanken zu einem wahren Vergnügen.

Doch mit seinem dritten Wunsch – der Großzügigkeit – übertraf er alle. Ich kannte Ben als meinen Lehrer, meinen Arbeitgeber und als meinen Freund. In jeder Beziehung – genau wie bei all seinen Schülern, Mitarbeitern und Freunden – ließ er mich mit seiner wirklich unendlichen, grenzenlosen Großzügigkeit an seinen Ideen, seiner Zeit und an seinem Geist teilhaben. Wenn klares Denken benötigt wurde, gab es niemanden, an den man sich hätte wenden sollen – außer ihn. Und wenn man Aufmunterung oder einen guten Rat brauchte, war Ben zur Stelle.

Walter Lippmann sprach von Männern, die Bäume pflanzen, unter denen später andere Männer sitzen können. Solch ein Mann war Ben Graham.

(Nachdruck aus Financial Analysts Journal, November/Dezember 1976)

Eine Anmerkung zu Benjamin Graham von Jason Zweig

Wer war Benjamin Graham, und weshalb sollten Sie auf ihn hören?

Graham war nicht nur einer der besten Investoren, die jemals lebten; in Sachen Kapitalanlage war er auch der größte praktische Denker aller Zeiten. Vor Graham verhielten sich Vermögensverwalter eher wie eine mittelalterliche Zunft, weitgehend geleitet von Aberglaube, Vermutungen und geheimnisvollen Ritualen. Grahams Aktienanalyse (Security Analysis) war das Lehrbuch, das aus dieser muffigen Zunft einen modernen Beruf machte.1

Intelligent Investieren (The Intelligent Investor) ist das erste Buch, das den emotionalen Rahmen und die analytischen Hilfsmittel beschreibt, die für den finanziellen Erfolg von Privatanlegern wesentlich sind. Es ist und bleibt das beste Buch über Kapitalanlage, das jemals für die Allgemeinheit geschrieben wurde. Intelligent Investieren war das erste Buch, das ich gelesen habe, als ich 1987 als junger Reporter zur Zeitschrift Forbes ging. Ich war überrascht von Grahams Sicherheit, dass früher oder später alle Bullenmärkte ein schlimmes Ende nehmen müssen. In diesem Oktober erlebten die amerikanischen Aktien ihren schlimmsten Crash an einem einzigen Tag in der Geschichte – und ich hatte angebissen. Heute, nach dem wilden Bullenmarkt Ende der 90er-Jahre und dem schrecklichen Bärenmarkt, der Anfang 2000 begann, ist Intelligent Investieren noch stärker als eine Prophezeiung zu sehen als je zuvor.

Graham kam sozusagen auf die harte Weise zu seinen Erkenntnissen: Er lernte die Schrecken eines finanziellen Verlustes aus erster Hand kennen, profitierte aber auch von dem Umstand, dass er sich jahrzehntelang mit der Geschichte und der Psychologie der Börsen befasst hatte. Am 9. Mai 1894 wurde er als Benjamin Grossbaum in London geboren; sein Vater handelte mit Porzellangeschirr und Porzellanfiguren.2 Als Ben ein Jahr alt war, wanderte die Familie nach New York aus. Zuerst führten sie ein sehr angenehmes Leben – sie hatten ein Dienstmädchen, einen Koch und eine französische Gouvernante – und wohnten an der oberen Fifth Avenue. Doch 1903 starb Bens Vater, das Geschäft mit Porzellan ging zurück, und die Familie verarmte langsam, aber sicher. Bens Mutter machte aus dem Wohnhaus eine Pension; und als sie sich Geld geliehen hatte, um auf Marge mit Aktien zu handeln, wurde sie vom Crash des Jahres 1907 vom Markt gefegt. Für den Rest seines Lebens erinnerte sich Ben an die Demütigung, die er erlitt, als er für seine Mutter einen Scheck einlösen sollte und hörte, wie der Bankangestellte fragte: „Ist Dorothy Grossbaum für fünf Dollar kreditwürdig?“

Glücklicherweise erhielt Graham ein Stipendium an der Columbia University, wo seine Intelligenz richtiggehend aufblühte. 1914 graduierte er als Zweitbester seiner Klasse. Noch vor dem Ende seines letzten Semesters wurde er von drei Fakultäten – Englisch, Philosophie und Mathematik – umworben, in den Lehrkörper einzutreten. Er war damals gerade einmal 20 Jahre alt.

Anstatt an der Universität zu bleiben, beschloss Graham, sich an der Wall Street zu versuchen. Er begann als Angestellter in einer Firma, die mit Anleihen handelte, wurde bald danach Analyst, später als Partner aufgenommen, und es dauerte nicht lange, bis er seine eigene Investment-Partnership betrieb.

Der Internet-Boom und dessen Zusammenbruch hätte Graham nicht überrascht. Im April 1919 erzielte er am ersten Handelstag von Savold Tire, einer Neuemission im boomenden Automobilmarkt, einen Gewinn von 250 %; im Oktober wurde das Unternehmen als Schwindelfirma entlarvt, und die Aktie war wertlos.

Graham brachte es bei der Analyse von Aktien zur Meisterschaft, weil er sie bis ins kleinste Detail durchleuchtete. 1925 wühlte er sich durch undurchsichtige Geschäftsberichte von Unternehmen, die Öl-Pipelines betrieben und bei der US Interstate Commerce Commission eingereicht worden waren. Dabei fand er heraus, dass Northern Pipe Line Co. – die Aktie wurde damals zu 65 $ gehandelt – mindestens 80 $ je Aktie an qualitativ hochwertigen Anleihen hielt. Er kaufte die Aktie, rückte den Managern auf die Pelle, drängte sie, die Dividende zu erhöhen, und verkaufte die Aktie drei Jahre später zu einem Kurs von 110 $.

Trotz eines verheerenden Verlustes von fast 70 % während des großen Crashs von 1929 bis 1932 überlebte Graham, blühte in der Folgezeit geradezu auf und fuhr die Schnäppchen aus den Trümmern des Bullenmarktes ein. Es gibt keine genauen Aufzeichnungen über Grahams erste Gewinne, doch von 1936 bis zum Jahr 1956, als er sich von seinen Geschäften zurückzog, verdiente seine Graham-Newman Corp. jährlich mindestens 14,7 % – im Vergleich zu den 12,2 %, die der Gesamtmarkt erzielte, eine der besten langfristigen Erfolgsbilanzen in der Geschichte der Wall Street.3

Wie machte Graham das? Er kombinierte seine intellektuelle Stärke mit gesundem Menschenverstand und viel Erfahrung und entwickelte daraus seine grundlegenden Prinzipien, die heute mindestens so gültig sind, wie sie es zu seinen Lebzeiten waren. Sie lauten:

Ziel dieser überarbeiteten Ausgabe von Intelligent Investieren ist es, Grahams Gedanken auf die heutigen Märkte zu übertragen und dennoch seinen ursprünglichen Text unverändert zu lassen (mit Ausnahme der Fußnoten, die der Klarstellung dienen).4 Nach jedem Kapitel aus der Feder Grahams finden Sie einen neuen Kommentar. In diese Hilfen für den Leser habe ich aktuelle Beispiele eingefügt, die Ihnen zeigen, wie zutreffend – und wie aktuell – Grahams Prinzipien auch heute noch sind.

Ich beneide Sie um die Spannung und die Erkenntnisse, wenn Sie Grahams Meisterstück zum ersten Mal lesen – oder auch zum dritten oder vierten Mal. Wie alle Klassiker verändert es unsere Sicht der Welt und erneuert sich selbst, indem es uns belehrt. Und je häufiger Sie dieses Buch lesen, umso besser wird es. Mit Graham als Ihrem Lehrer in Sachen Anlagen haben Sie die Garantie, ein intelligenter Investor zu werden.

Einleitung

Was dieses Buch erreichen will

Die Absicht dieses Buches ist es, den Lesern in einer für Laien verständlichen Form bei ihrer Kapitalanlage Hilfestellung zu leisten. Zur Technik der Aktienanalyse wird vergleichsweise wenig gesagt; mehr Aufmerksamkeit widmen wir den Grundregeln der Kapitalanlage und dem Verhalten der Anleger. Wir werden ausgewählte Aktien miteinander vergleichen – Aktien, die hauptsächlich paarweise nebeneinander in der Liste der New York Stock Exchange aufgeführt sind –, um die wichtigen Elemente, die bei der Aktienauswahl eine Rolle spielen, am konkreten Beispiel darzustellen.

Den Schwerpunkt der Betrachtung richten wir auf die historischen Muster der Finanzmärkte; in einigen Fällen gehen wir viele Jahrzehnte zurück. Um intelligent in Aktien zu investieren, sollte man mit dem Wissen darüber gewappnet sein, wie sich bestimmte Anleihen und Aktien unter sich verändernden Bedingungen verhalten haben – mit einigen wird man irgendwann selbst Erfahrungen machen. Keine Aussage ist zutreffender und passt besser zur Wall Street als die berühmte Warnung von Santayana: „Diejenigen, die sich nicht an die Vergangenheit erinnern, sind dazu verdammt, sie noch einmal zu erleben.“

Unser Buch richtet sich an Anleger und nicht an Spekulanten, und unsere erste Aufgabe wird es sein, diesen fast vergessenen Unterschied herauszuarbeiten. Das vorliegende Buch ist kein Werk der Spezies „Wie man eine Million verdient“. Es gibt keine sicheren und einfachen Wege zum Reichtum, nicht an der Wall Street und auch nicht anderswo. Dies wollen wir anhand der Finanzgeschichte belegen – insbesondere, weil es mehr als eine Lehre gibt, die man daraus ziehen kann. Im aufregenden Jahr 1929 lobte John J. Raskob – eine sehr wichtige Persönlichkeit an der Wall Street, aber auch darüber hinaus – die Segnungen des Kapitalismus in einem Beitrag in Ladies’ Home Journal mit dem Titel „Jeder sollte reich sein“.5 Seine These lautete, dass Ersparnisse von nur 15 $ pro Monat, die in gute Aktien investiert würden – eine Reinvestition der Dividenden unterstellt –, in 20 Jahren ein Vermögen von 80.000 $ schaffen würden, obwohl nur 3.600 $ eingezahlt worden sind. Wenn der General-Motors-Tycoon Recht gehabt hätte, wäre das tatsächlich ein einfacher Weg zum Reichtum gewesen. Doch wie nahe war er der Wahrheit wirklich? Unsere grobe Kalkulation – unterstellt, dass in die 30 Aktien, die den Dow Jones Industrial Average bilden, investiert wurde – ergab Folgendes: Wenn ein Anleger Raskobs Rezept von 1929 bis 1948 befolgt hätte, dann hätte er zu Beginn des Jahres 1949 gerade einmal 8.500 $ erzielt. Dies ist sehr weit entfernt von den versprochenen 80.000 $, und es zeigt auch, wie wenig verlässlich solch optimistische Vorhersagen und Versprechungen sind. Doch man sollte nicht unerwähnt lassen, dass der tatsächlich realisierte Gewinn in diesen 20 Jahren jährlich mehr als 8 % ausmachte – und dies trotz der Tatsache, dass der Anleger mit seinen Käufen begonnen hätte, als der Dow Jones Industrial Average bei 300 Punkten lag und sich am Ende des Jahres 1948 auf einem Niveau von 177 Punkten befand. Dieses Protokoll kann auch als überzeugendes Argument für regelmäßige monatliche Käufe von starken Aktien gewertet werden – ein Programm, das als Cost-Averaging bekannt ist.

Weil unser Buch sich nicht an Spekulanten wendet, gilt das auch für jene Anleger, die an der Börse traden. Die meisten Trader lassen sich von Charts oder von anderen weitgehend mechanischen Hilfsmitteln leiten, um den richtigen Augenblick für Kauf und Verkauf zu bestimmen. Das einzige Prinzip, das auf all diese so genannten „technischen Ansätze“ zutrifft, ist, dass man kaufen sollte, weil eine Aktie oder der ganze Markt gestiegen ist, und man verkaufen sollte, weil er gefallen ist. Das ist genau das Gegenteil des üblichen vernünftigen Wirtschaftens, und es ist höchst unwahrscheinlich, dass dies zu dauerhaftem Erfolg an der Wall Street führt. Nach unseren eigenen Börsenerfahrungen und nach unseren Beobachtungen – und das über 50 Jahre lang – haben wir keinen einzigen Menschen kennen gelernt, der ständig und dauerhaft Geld verdient hat, wenn er „einfach dem Markt gefolgt“ ist. Wir brauchen uns nicht zu sagen, dass dieser Ansatz ebenso trügerisch wie populär ist. Wir werden belegen, was wir gerade gesagt haben, – obgleich dies natürlich nicht als Beweis angesehen werden kann –, und zwar in einer späteren kurzen Abhandlung über die berühmte Dow-Theorie, nach der an der Börse getradet werden sollte.6

Seit der ersten Veröffentlichung im Jahr 1949 sind etwa alle fünf Jahre überarbeitete Auflagen von Intelligent Investieren erschienen. Bei der Aktualisierung der vorliegenden Version werden wir es mit einer ganzen Reihe neuer Entwicklungen zu tun bekommen, da die letzte Version 1965 verfasst wurde. Dazu gehören:

Diese Entwicklungen werden von uns sorgfältig betrachtet, und einige werden zu anderen Schlussfolgerungen und anderen Schwerpunkten gegenüber der vorherigen Ausgabe des Buches führen. Die grundlegenden Prinzipien vernünftigen Investierens verändern sich zwar nicht alle zehn Jahre; dennoch muss die Anwendung dieser Prinzipien den deutlichen Veränderungen bei den finanziellen Mechanismen und dem finanziellen Klima angepasst werden.

Die letzte Aussage wurde beim Bearbeiten der vorliegenden Ausgabe überprüft, und der erste Entwurf war im Januar 1971 fertig. Zu dieser Zeit erholte sich der DJIA (Dow Jones Industrial Average) von seinem Tiefstand von 632 Punkten im Jahr 1970 und näherte sich, bei abwartendem Optimismus, der Marke von 951 Punkten, dem Höchststand für 1971. Als der letzte Entwurf im November 1971 fertig war, befand sich der Markt in der Agonie eines neuen Abschwungs, rutschte bis auf 797 Punkte und erzeugte damit erneut Unsicherheit über seine Zukunft. Von diesen Schwankungen ließen wir uns aber in unserer grundsätzlichen Einstellung zu einer vernünftigen Investmentpolitik nicht beeinflussen, die seit der ersten Auflage des Buches im Jahr 1949 im Wesentlichen unverändert geblieben war.

Das Ausmaß des Marktrückgangs in den Jahren 1969 und 1970 dürfte wohl die Illusionen der vergangenen beiden Jahrzehnte in Luft aufgelöst haben. Diese Illusion vermittelte den Eindruck, dass die wichtigsten Aktien jederzeit zu jedem Kurs gekauft werden konnten in der Sicherheit, Gewinne zu erzielen, und dass ein zwischenzeitlicher Verlust schon bald durch einen neuerlichen Kursanstieg ausgeglichen würde. Doch das war natürlich zu schön, um wahr zu sein. Auf Dauer gesehen wird der Aktienmarkt immer wieder „normal“, was bedeutet, dass sowohl Spekulanten als auch Investoren mit deutlichen und vielleicht sogar längeren Wertzuwächsen beziehungsweise Wertverlusten rechnen müssen.

In einer Zeit, in der es sehr viele zweit- und drittklassige Aktien gab und zahlreiche Unternehmen Pleite machten, mündete das Chaos, das durch den letzten Markteinbruch ausgelöst wurde, in eine Katastrophe. Das war an sich nichts Neues – in ähnlichem Ausmaß war das 1961/1962 auch schon der Fall. Neu war hingegen, dass sich einige Fondsgesellschaften stark in hoch spekulativen und offensichtlich überbewerteten Aktien dieser Art engagiert hatten. Offensichtlich sind es nicht nur Anfänger, die gewarnt werden müssen: Mag in anderen Bereichen Begeisterung erforderlich sein, um Großes zu erreichen – an der Wall Street führt sie unweigerlich in die Katastrophe.

Die wichtigste Frage, mit der wir uns beschäftigen müssen, erwächst aus dem großen Interesse an erstklassigen Anleihen. Seit Ende 1967 konnten Anleger mehr als doppelt so viel Einkommen aus Anleihen beziehen als aus durchschnittlichen Aktien. Anfang 1972 lag der Gewinn bei erstklassigen Anleihen bei 7,19 %, während Industrie-Aktien gerade einmal 2,76 % einbrachten. (Im Vergleich dazu waren es am Ende des Jahres 1964 4,40 % und 2,92 %.) Es ist hart, feststellen zu müssen, dass zu der Zeit, als wir das Buch 1949 schrieben, die Zahlen genau umgekehrt waren: Anleihen brachten nur 2,66 %, und Aktien erzielten einen Gewinn von 6,82 % [2]. In früheren Auflagen haben wir stets betont, dass mindestens 25 % des Portfolios eines konservativen Investors aus Aktien bestehen sollten, und im Allgemeinen hielten wir eine Aufteilung von 50 : 50 zwischen den beiden Finanzinstrumenten für richtig. Heute müssen wir überlegen, ob der aktuelle große Vorsprung der Rendite von Anleihen gegenüber der Rendite aus Aktien es rechtfertigen würde, ausschließlich in Anleihen anzulegen, bis wir wieder zu einem vernünftigeren Verhältnis kommen – was wir eigentlich erwarten. Natürlich wird auch die Frage der stetigen Inflation von großer Bedeutung sein, wenn wir jetzt unsere Entscheidung treffen wollen. Diesem Thema werden wir ein eigenes Kapitel widmen.8

In der Vergangenheit unterschieden wir grundsätzlich zwischen zwei Arten von Investoren, die dieses Buch ansprechen sollte – den „defensiven“ und den „professionellen“ Anlegern. Der defensive oder passive Investor legt sein Hauptaugenmerk darauf, schwer wiegende Fehler oder Verluste zu vermeiden. Sein zweites Ziel wird sein, sich nicht anstrengen zu müssen, Ärger zu vermeiden und selten Entscheidungen treffen zu müssen. Die bestimmende Eigenschaft des professionellen (oder aktiven, aggressiven) Investors ist seine Bereitschaft, für die Auswahl seiner Aktien, die gesünder und attraktiver sind als andere, mehr Zeit und Sorgfalt aufzuwenden. Über mehrere Jahrzehnte hinweg könnte ein aktiver Investor den Lohn für das zusätzliche Geschick und den zusätzlichen Arbeits- und Zeitaufwand in Form einer besseren durchschnittlichen Rendite erwarten als der passive Investor. Wir bezweifeln aber, dass dieser aktive Investor unter den heutigen Bedingungen einen nennenswerten Ausgleich für seine Mühen erwarten darf. Doch nächstes Jahr oder in den darauf folgenden Jahren kann die Sache schon wieder ganz anders aussehen. Deshalb werden wir weiterhin unsere Aufmerksamkeit den Möglichkeiten des aktiven Investierens widmen, so wie sie früher bestanden haben und auch wiederkehren können.

Lange Zeit war es die vorherrschende Meinung, dass die Kunst des erfolgreichen Investierens zunächst einmal darin liegt, die Branchen zu erkennen, die in der Zukunft wahrscheinlich das größte Wachstum erzielen werden, und dann erst die Unternehmen innerhalb dieser Branchen zu identifizieren, von denen man sich am meisten verspricht. Beispielsweise hätten schlaue Investoren – oder schlaue Anlageberater – schon längst die enormen Wachstumsmöglichkeiten der Computerbranche als Ganzes erkannt, allen voran die von International Business Machines (IBM). Ähnliches gilt für eine Reihe anderer Wachstumsbranchen und Wachstumsunternehmen. Aber es ist nicht immer so einfach, wie es im Nachhinein aussieht. Um diesen Punkt gleich am Anfang zu behandeln, möchten wir an dieser Stelle einen Absatz zitieren, der aus der ersten Auflage dieses Buches von 1949 stammt.

Ein solcher Investor könnte beispielsweise Aktien von Fluggesellschaften kaufen, weil er glaubt, deren Zukunft sei rosiger als der Trend, den der Markt ohnehin schon reflektierte. Für diese Investoren besteht der Wert dieses Buches eher aus den Warnungen vor den Fallen, die in diesem favorisierten Investmentansatz stecken, und weniger in positiven Techniken, die ihm auf seinem Weg helfen könnten.9

Diese Fallen haben sich in der genannten Branche als ganz besonders gefährlich erwiesen. Es war natürlich leicht vorherzusehen, dass der Umfang des Flugverkehrs über die Jahre hinweg drastisch zunehmen würde. Und deswegen wurden diese Aktien die Favoriten bei der Aktienauswahl der Investmentfonds. Doch trotz des Erlöswachstums – und zwar mit einer Geschwindigkeit, die noch höher war als in der Computerbranche – sorgte eine Kombination aus technologischen Problemen und einer zu starken Expansion der Kapazitäten dafür, dass die Kurse schwankten oder sogar zu katastrophalen Verlusten führten. Im Jahr 1970, trotz einer Rekordzahl an Buchungen, wiesen die Fluggesellschaften für ihre Aktionäre einen Verlust von 220 Millionen $ aus. (Auch in den Jahren 1945 und 1961 mussten sie Verluste verzeichnen.) Die Aktien dieser Gesellschaften erlitten in den Jahren 1969/1970 wiederum einen stärkeren Abschwung als der Marktdurchschnitt. Die Aufzeichnungen zeigen, dass sogar die hoch bezahlten Vollzeit-Experten der Investmentgesellschaften die – ziemlich kurzfristige – Zukunft einer großen und nicht nur Eingeweihten zugänglichen Branche völlig falsch einschätzten.

Andererseits, als die Investmentfonds stark in IBM investierten und damit auch hohe Gewinne erzielten, verhinderte die Kombination aus dem scheinbar hohen Kurs und der Unmöglichkeit, ganz sicher zu sein, dass das Wachstum anhalten werde, dass sie nicht mehr als 3 % ihrer Mittel in diese Aktie investierten. Deshalb war die Auswirkung dieser Wahl keinesfalls ausschlaggebend für deren Gesamtergebnis. Weiterhin erwiesen sich viele – wenn nicht gar die meisten – Investitionen in andere Unternehmen der Computerbranche, außer IBM, als unrentabel. Aus diesen beiden Beispielen ziehen wir für unsere Leser zwei Schlüsse:

Der Autor folgte während seiner Tätigkeit als Fondsmanager diesem Ansatz nicht, und er kann den Anlegern, die es einmal ausprobieren wollen, auch keinen speziellen Rat geben.

Was also wollen wir mit diesem Buch wirklich erreichen? Unser Hauptziel wird sein, den Leser davor zu schützen, in Bereiche zu geraten, in denen er sich erheblich irren kann, und ihm helfen, Strategien zu entwickeln, mit denen er sich wohl fühlen wird. Wir werden etwas über die Psychologie der Investoren sagen. Denn tatsächlich ist das größte Problem eines Investors – und auch sein schlimmster Feind – wahrscheinlich er selbst. („Der Fehler, lieber Investor, liegt nicht in unseren Sternen – und auch nicht bei unseren Aktien –, sondern bei uns selbst …“) Dies hat sich in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr als zutreffend erwiesen, da es für konservative Investoren immer wichtiger wurde, Stammaktien zu kaufen und sich damit – wohl oder übel – den Aufregungen und Versuchungen der Börse auszusetzen. Mit Argumenten, Beispielen und Ermahnungen wollen wir unseren Lesern helfen, die richtige mentale und emotionale Einstellung zu ihren Anlageentscheidungen zu finden. Wir haben wesentlich öfter gesehen, dass Geld von ganz normalen Anlegern gewonnen und behalten wurde, die vom Temperament her gut für die Kapitalanlage gerüstet waren, als bei Leuten, denen dieses Talent fehlt, auch wenn sie von Finanzen, Rechnungslegung und dem Geschehen an den Aktienbörsen viel verstanden.

Außerdem hoffen wir, dass wir dem Leser die Neigung zu messen oder zu quantifizieren angewöhnen können. Bei 99 von 100 Aktien könnten wir sagen, dass sie zu einem bestimmten Kurs billig genug sind, sie zu kaufen, und zu einem anderen Kurs so teuer, dass man sie besser verkaufen sollte. Die Gewohnheit, das, was gezahlt wurde, zu dem in Beziehung zu setzen, was geboten wird, ist bei der Kapitalanlage sehr wichtig. In einem Beitrag in einer Frauenzeitschrift rieten wir den Leserinnen vor vielen Jahren, Aktien so zu kaufen, als kaufte man Lebensmittel, aber nicht so wie Parfüm. Die wirklich schrecklichen Verluste in den vergangenen Jahren (und in vielen ähnlichen Fällen zuvor) wurden bei jenen Aktien realisiert, bei denen der Käufer vergessen hatte, sich zu fragen: „Wie viel kostet sie?“

Im Juni 1970 konnte die Frage „Wie viel?“ durch die magische Zahl 9,40 % beantwortet werden – das war die Rendite, die neue Emissionen erstklassiger Anleihen öffentlicher Versorger erbrachten. Die Rendite fiel inzwischen auf etwa 7,3 %, doch selbst dieser Gewinn lässt uns immer noch fragen: „Weshalb sollten wir nun anders antworten?“ Es gibt jedoch eine Reihe anderer möglicher Fragen, und diese müssen sorgfältig formuliert sein. Außerdem wiederholen wir es nochmals: Alle, also auch unsere Leser, müssen darauf vorbereitet sein, dass beispielsweise von 1973 bis 1977 möglicherweise völlig andere Bedingungen herrschen.

Wir sollten deshalb, in allen Einzelheiten, eine Strategie zur Anlage in Aktien bereithalten, wobei der eine Teil für beide Arten von Investoren geeignet ist und der andere eher für die Gruppe der professionellen Anleger. Doch legen wir unseren Lesern als eine der wichtigsten Regeln nahe, dass sie ihre Aktien verkaufen sollten, wenn ihr Kurs nicht weit über dem Anlagevermögen liegt.10 Die Gründe für diesen scheinbar altmodischen Rat liegen sowohl in der Praxis als auch in der Psychologie. Die Erfahrung hat uns Folgendes gelehrt: Wenn es viele gute Wachstumsunternehmen gibt, die mit dem mehrfachen Wert des Anlagevermögens bewertet werden, hängt der Käufer solcher Aktien von den Launen und Schwankungen an der Börse zu stark ab. Im Gegensatz dazu kann sich der Investor in Aktien beispielsweise von öffentlichen Versorgern etwa zum Kurs des Nettoanlagevermögens, als Eigentümer eines Anteils an einem gesunden und expandierenden Unternehmen betrachten. Die Aktien wurden zu einem vernünftigen Kurs erworben – ganz gleich, was auch immer der Aktienmarkt dagegen sagen mag. Eine solche konservative Anlagestrategie wird wahrscheinlich mehr Ertrag bringen als aufregende Abenteuer in den glamourösen und gefährlichen Bereichen antizipierten Wachstums.

Die Kunst der Kapitalanlage hat allerdings auch eine Eigenschaft, die nicht die allgemeine Zustimmung findet: Ein achtbares, wenn auch nicht besonders spektakuläres Ergebnis kann auch von einem Laien mit einem Minimum an Aufwand und Fachwissen erzielt werden. Doch um diesen leicht erreichbaren Standard zu verbessern, sind viel Einsatz und mehr als nur Grundwissen erforderlich. Wenn Sie versuchten, nur ein wenig zusätzliches Wissen und ein bisschen Überlegung bei Ihren Investments einzusetzen, dann müssten Sie vielleicht feststellen, dass sie nicht besser, sondern im Gegenteil schlechter abgeschnitten haben.

Weil im Prinzip jeder, der eine repräsentative Auswahl an Aktien kauft und hält, die Marktdurchschnitte erreichen kann, scheint es vergleichsweise einfach zu sein, besser als der Markt als Ganzes abzuschneiden. Tatsächlich jedoch ist der Anteil der klugen Menschen, die dies versuchen und scheitern, überraschend hoch. Selbst die meisten Investmentfonds, mit all ihren erfahrenen Mitarbeitern, haben, über mehrere Jahre gesehen, nicht die Performance des Gesamtmarktes erwirtschaftet. Ähnlich ist es mit der Statistik der veröffentlichten Vorhersagen zum Aktienmarkt, die Brokerfirmen machen: Es gibt stichhaltige Beweise dafür, dass deren berechnete Prognosen nicht zuverlässiger sind, als wenn man sich auf einen einfachen Münzwurf verlassen würde.

Beim Verfassen dieses Buches haben wir versucht, immer an diese einfache Falle bei der Kapitalanlage zu denken. Die schon genannten Vorteile einer simplen Portfoliostrategie – der Kauf von hochwertigen Anleihen und eine diversifizierte Liste führender Aktien – kann jeder Investor mit ein wenig Expertenhilfe nutzen. Abenteuer jenseits dieses sicheren und vernünftigen Bereichs sind sehr gefährlich, insbesondere, wenn es um das Temperament geht. Bevor ein Investor sich auf ein derartiges Risiko einlässt, sollten er und auch seine Berater sicher sein, dass sie eine klare Vorstellung vom Unterschied zwischen Investition und Spekulation haben und dass sie den Unterschied zwischen dem Marktwert einer Aktie und dem ihr zugrunde liegenden Wert kennen.

Eine Anlagestrategie auf der festen Grundlage des Prinzips der Sicherheitsspanne kann ansehnliche Gewinne bringen. Doch die Entscheidung, mit dieser Art von zufälligen Gewinnen sein Glück zu versuchen anstatt mit den sicheren Früchten des defensiven Investierens, sollte erst dann getroffen werden, wenn man sich zuvor einer gründlichen „Gewissenserforschung“ unterzogen hat.

Ein letzter Blick in die Vergangenheit. Als der junge Autor 1914 an die Wall Street ging, hatte niemand die geringste Ahnung von dem, was das kommende halbe Jahrhundert bringen würde. An der Börse vermutete niemand, dass zwei Monate später der Erste Weltkrieg ausbrechen und die New York Stock Exchange geschlossen würde. Heute, im Jahr 1972, befinden wir uns im reichsten und mächtigsten Land der Welt, doch sind wir mit allen möglichen größeren Problemen konfrontiert und schauen eher mit Sorge als mit Zuversicht in die Zukunft. Und dennoch: Wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf die Erfahrungen bei der Kapitalanlage in Amerika beschränken, können wir aus den zurückliegenden 57 Jahren auch Zuversicht schöpfen. Trotz all der Unbeständigkeit und Unglücksfälle, die ebenso die Welt erschütterten, wie sie unvorhersehbar waren, blieb es plausibel, dass solide Regeln zur Kapitalanlage im Allgemeinen auch solide Ergebnisse bringen. Wir müssen bei all unserem Handeln die Annahme unterstellen, dass dies auch weiterhin so bleiben wird.

Anmerkung für den Leser: Dieses Buch spricht nicht die gesamten Anlagemethoden der Sparer und Anleger an; es behandelt nur den Teil ihres Vermögens, den Sie bereit sind, in marktfähige (oder rückzahlbare) Wertpapiere zu investieren, also in Anleihen und Aktien. Folglich sprechen wir auch nicht über Anlagevarianten wie Sparkonten und Termingelder, Bausparkonten, Lebensversicherungen, Auszahlungspläne und Immobilienhypotheken oder Kapitalbesitz. Der Leser sollte stets bedenken, dass immer dann, wenn er das Wort „jetzt“ oder Ähnliches im Text findet, von der Zeit Ende 1971 oder Anfang 1972 die Rede ist.