cover
Alfred Bekker

Alfred Bekker schrieb als Robert Gruber - Die Brüder vom Krainacher Hof

Cassiopeiapress Bergroman





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Die Brüder vom Krainacher Hof

von Alfred Bekker

 

 

 

Max Krainacher ist ein junger Jäger, dem in letzter Zeit ein ziemlich dreister Wilderer viel zu schaffen macht. Sein älterer Bruder Toni wird dereinst den Hof des Vaters erben.

Früher waren die Krainacher-Söhne ein Herz und eine Seele, aber seit sie beide ein Auge auf Marianne, die Tochter des Bernmayer-Bauern, geworfen haben, sind aus ihnen erbitterte Feinde geworden, was besonders ihren Vater, den Krainacher-Bauern, sehr schmerzt.

Die Bauern hoffen, dass Marianne und Toni ein Paar werden, damit beide Höfe einst zusammengelegt werden können - aber die junge Frau hat ihrerseits nur Augen für Max. Im Frühjahr soll geheiratet werden. Toni ist allerdings nicht gewillt, sich so einfach damit abzufinden.

Durch ein paar dumme Zufälle und die Intrige der Bernmayer-Bäuerin kommt Misstrauen und Eifersucht zwischen die Liebenden.Es kommt zu einigen Verwicklungen und Toni gerät in den Verdacht, der Wilderer zu sein.

Im Angesicht der Berge treffen die feindlichen Brüder aufeinander...

 

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© dieser Ausgabe 2015 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de



1

Ein Schuss donnerte durch den Hochwald und hallte an den steilen Berghängen mehrfach wider.

Max zuckte unwillkürlich zusammen, nahm die eigene Flinte vom Rücken und fragte sich, aus welcher Richtung der Schuss wohl gekommen sein mochte.

Bei dem lauten Widerhall war das nämlich gar nicht so einfach zu bestimmen.

Der Krainacher-Max war ein schneidiger Jägersmann von gerade einmal 25 Lenzen. Er war dunkelblond und hatte strahlend blaue Augen, deren Blick er in diesem Augenblick wachsam über die Hänge streifen ließ.

Er war schon eine ganze Weile hinter einem Wildschütz her, der hier oben im Hochwald und an den Hängen seit einiger Zeit sein Unwesen trieb. Aber bis jetzt fehlte dem jungen Jäger leider jede Spur.

Innerlich kochte er, wusste aber, dass er jetzt versuchen musste, kühlen Kopf zu bewahren.

Dann sah Max den Wilderer auf einer Lichtung an einem der Hänge. Der Wildschütz schien gerade dabei zu sein, sich und seine Beute in Sicherheit zu bringen.

Der Mann hatte sich ein Stück Wild über die Schultern gelegt. Max konnte auf die Entfernung nicht genau erkennen, was es war.

In der Rechten hielt der Wildschütz sein Gewehr und auf dem Kopf einen dunkelroten Hut, das war deutlich zu sehen. Aber vom Gesicht des Mannes konnte der Krainacher-Max nichts erkennen.

Zu dumm!

Und dann verschwand der Wildschütz im nächsten Moment mitsamt seiner Beute im Wald.

Mei, jetzt oder nie!, ging es dem Jäger durch den Kopf, der überhaupt nicht daran dachte, schon aufzugeben.

Mit etwas Glück konnte er den Kerl noch erwischen! Schließlich hatte der Wilderer eine schwere Last zu tragen und war dementsprechend langsam.

Max zögerte nicht lange und spurtete los, um zu jenem Hang zu erreichen, an dem er den Wildschütz gesehen hatte.

Max Krainacher war ein guter Läufer und vor allem kannte er sich hier oben im Hochwald aus. Sein Revier war ihm so vertraut, wie seine Westentasche; in diesem Punkt konnte niemand an ihn heranreichen.

Erst, als Max wenig später die Lichtung erreicht hatte, auf der der Wildschütz sich unvorsichtigerweise hatte sehen lassen, gönnte der Jäger sich eine kurze Verschnaufpause.

Er sah sich nach Spuren um, fand etwas Tierblut und eine Stelle, an der das Gras niedergedrückt war. Aber er fand auch noch etwas anderes. Ein Taschenmesser mit einem kunstvoll bemalten Perlmuttgriff, auf dem ein röhrender Hirsch zu sehen war.

Der Jäger bückte sich und hob das Messer auf, um es einzustecken. Vielleicht würde es ihm ja helfen, den Übeltäter zu überführen!

Dann lief Max in jene Richtung, in die er den Wildschütz hatte entschwinden sehen. Auf dem feuchten Waldboden fand er nun sogar Fußspuren, die gut und gerne von dem Kerl stammen konnten.

Sie führten weiter hinauf und je weiter Max ihnen folgte, desto härter wurde der Boden, so dass es schließlich keine Spuren mehr gab.

Weit kann er net sein mit seiner schweren Last!, dachte der Jäger zuversichtlich.

Ganz gewiss war er dem Wildschütz dicht auf den Fersen!

Max suchte das ganze Gebiet gründlich ab. Jeden Unterschlupf, den er kannte und auch der alten Berghütte, in der seit dem Tod des alten Greindl niemand mehr wohnte, stattete er einen Besuch ab.

Ohne Erfolg.

Er stieg auch hinauf zu den Felsen, obwohl es recht unwahrscheinlich war, dass der Wilddieb mitsamt seiner Beute hier hinauf gestiegen war.

Zwar gab es hier oben genügend gute Verstecke, aber es hätte schon ein ausnehmend guter Kletterer sein müssen, der es geschafft hätte, mit einem Stück Wild auf dem Rücken hier hinaufzukommen.

Langsam wurde die Sonne milchig und der Jäger wusste, dass er auch diesmal den Kampf gegen seinen Widersacher verloren geben musste, wollte er den Abstieg nicht in der Dunkelheit hinter sich bringen müssen.

Aber irgendwann, das schwor er sich grimmig, würde er denjenigen schon fassen, der hier unerlaubterweise im Hochwald auf Jagd ging!

Es war nur eine Frage der Zeit.



2

Auf seinem Heimweg schaute Max noch kurz beim Bernmayer-Hof vorbei.

Vor der Haustür saß der Sepp, der hier seit ein paar Jahren Großknecht war. Er hockte auf der Bank und streckte die Beine von sich. Nach einem anstrengenden Tag gönnte er sich jetzt offenbar die wohlverdiente Ruhe. In seinem Mundwinkel hatte er ein Pfeifchen, das er jetzt herausnahm, als er den Jäger herankommen sah.

"Servus, Sepp!", grüßte Max freundlich und blies dabei ein paar Rauchschwaden aus dem Mund

"Servus, Grünrock!", gab der Sepp mit einem schalkhaften Lächeln zurück. "Na, warst wieder auf der Jagd nach deinem Wildschütz, dem vermaledeiten?"

Max nahm die Flinte vom Rücken, stützte sie auf dem Boden ab und nickte dann. Er hatte dem Sepp von den Schwierigkeiten erzählt, die er im Moment mit einem Wilderer hatte.

"Ganz nah bin ich ihm heut' gewesen, dem Hund!", berichtete er aufgebracht.

"Aber er ist dir dennoch wieder entwischt, net wahr?", stellte der Großknecht fest.

Max hob mit einer hilflosen Geste die Schultern und seufzte dann hörbar.

"Mei, einmal werd' ich ihn schon erwischen, den Kerl!", kündigte er an. "Darauf kannst du Gift nehmen!" Dann beugte sich der Jäger etwas vor und erkundigte sich in gedämpfterem Tonfall: "Ist die Marianne zu Hause? Ich würd' gern ein Wörtl mit ihr reden!"

Der Sepp lachte heiser.

"Hab mir schon gedacht, dass du net nur herkommst, um mir was von deinem Wildschütz zu erzählen - so sehr er dich auch immer ärgern mag!"

Max wurde ungeduldig.

"Nun sag schon, Sepp!", forderte er. "Ist sie da, die Marianne?"

"Ja, sie ist im Haus." Der Sepp machte ein recht nachdenkliches Gesicht und Max Krainacher wusste nur zu gut, was dem Großknecht so im Kopf herumspuken mochte. Der Sepp erhob sich von seiner Bank und raunte dann: "Du hast Glück! Der Bauer und die Bäuerin sind ins Dorf gefahren!"

Max zuckte die Achseln.

"Du weißt, ich hab mit dem Bauer und Bäuerin keinen Hader, Sepp!"

"Das net...", meinte der Sepp gedehnt. "Aber dir ist doch auch schon aufgefallen, dass der Bauer es net so gern sieht, wenn du dich mit seiner Marianne triffst. Neulich hattet ihr zwei deswegen doch noch einen regelrechten Streit miteinander! Wirst dich sicher noch daran erinnern!"

Max seufzte.

"Ja, ich weiß... Aber das ist ja schon eine ganze Weile her."

"Net mehr als eine Woche, denk ich", gab der Sepp da schmunzelnd zurück.

Max zuckte die Schultern. "Brauchst dem Bauern ja net gerad' zu sagen, dass ich hier war!"

"Natürlich net", versicherte der Sepp. "Kannst dich auf mich verlassen, Max! Das ist doch eine Selbstverständlichkeit! Schließlich waren wir ja schon in Schule gute Freunde, net wahr?"

Max gab dem Sepp einen freundschaftlichen Schlag auf die Schulter.

"Ich dank' dir, Sepp!"

"Nix zu danken!"

"Bist ein echter Freund, Sepp!"

Der Großknecht nickte und wirkte jetzt etwas nachdenklich.

"Schon recht, Max. Aber versuch auch mal den Bauern zu verstehen! Der würd's halt lieber sehen, wenn dein Bruder, der Toni, die Marianne heiraten tät! Das ist doch auch net so schwer zu begreifen, oder? Die Marianne erbt dereinst den Bernmayer-Hof und euren Hof, den bekommt dein älterer Bruder, net du!"

Max seufzte.

"Ja, ich weiß wohl, Sepp!"

"Einen schön großen Hof wird das geben, wenn es wirklich dazu kommt", meinte der Großknecht fast schwärmerisch. "Da wäre ich gerne Bauer, das kannst du mir glauben! Der größte Hof im ganzen Hochtal wär das - und noch weit darüber hinaus!"

Max wusste, dass er schlechte Karten hatte, wenn es darum ging, den Bernmayer-Bauern davon überzeugen, dass er der richtige Mann für die Marianne war. Er war nun mal nur einfacher Jäger und kein Hoferbe. Damit musste er sich abfinden.

Aber sollte er deswegen vielleicht aufgeben, was die Marianne anging?

Nein, dazu war er nicht bereit! Dazu hatte er sie einfach zu gern.

Plötzlich ging dann die Tür auf und ein blitzsauberes Dirndl trat heraus; das war die Marianne. Das Haar fiel ihr lang über die Schultern und ihr Kleid passte ihr, als hätte es jemand für sie maßgeschneidert. Gertenschlank war sie, und in ihrem feingeschnittenen Gesicht hatte sie zwei warme, dunkle Augen.

"Max!", rief sie und ein strahlendes Lächeln ging über ihr Gesicht.

"Ja", meinte der Sepp augenzwinkernd. "Ich glaub', ich hab' auch noch das eine oder andere zu tun."

Und damit erhob sich der Großknecht und ging davon. Er spürte ganz genau, wann er er fehl am Platz war. Und so ein Augenblick war jetzt.

"Ich dachte, ich schau auf dem Rückweg vom Hochwald nochmal bei dir vorbei, Marianne!"

"Mei, das ist eine schöne Überraschung", freute sich das Dirndl.

Max verlor nicht viel Worte, sondern kam gleich zu seinem Anliegen.

"Hast schon mit deinem Vater gesprochen?", fragte er. "Darüber, das wir vielleicht im nächsten Frühjahr heiraten wollen?"

"Hör mal, Max...", begann sie zögernd.

Marianne seufzte schwer und Max Krainacher ahnte die Antwort bereits, noch bevor das Dirndl endlich seinen Mund aufmachte.

Marianne fasste ihn sacht am Arm und wollte, dass Max sich mit ihr zusammen auf die Bank setzte, aber Max wollte sich nicht setzen.

Erst wollte der junge Grünrock nämlich wissen, wie die Dinge nun standen. Lange genug hatte er jetzt gewartet, so fand er. Ungeduld stieg in ihm hoch und er fühlte, wie sich alles in ihm zusammenkrampfte.

"Du hast ihm noch nix gesagt, net wahr?", murmelte der Max dann und Marianne senkte den Kopf. "Was ist? Willst mich net mehr oder hast es gar net ernst gemeint, als wir zusammen den Entschluss gefasst haben? Weißt noch? Droben beim Heustadel war's!"

"Natürlich weiß ich es noch", gab die Marianne seufzend zurück. Wie hätte sie das auch vergessen können!

"Na, und?", fragte Max.

"Und es ist auch net so, dass ich dich net mehr will!", versicherte Marianne.

"Und warum hast du dann noch net mit deinem Vater gesprochen? Hättest es doch längst tun können! Außerdem bist du doch großjährig und auf seine Zustimmung gar net mehr angewiesen..."

"Das net... Aber ich will mich auch net mit ihm deswegen entzweien!"

Nun setzte sich Max doch zu Marianne auf die Bank. Er nahm ihre Hand sie legte den Kopf an seine Schulter.

"Ich hab halt noch net den nötigen Mut gehabt, um es zur Sprache zu bringen, Max."

"Das ist alles?"

"Ich schwör's dir, Max! Das ist einzige Grund!"

"Und wann wirst den nötigen Mut haben?"

Der junge Jäger nickte leicht. "Aber lass mich net mehr zu lang warten, hörst du?"

"Mei", murmelte er. "Ich weiß ja, dass die Sach' nicht zum besten steht mit uns! Ich bin halt nur ein einfacher Jäger, aber du..."

"Eine Hoferbin! Genau wie mein Bruder, der Tony! Und ein Hof kommt halt gern zum anderen, net wahr? Jedenfalls sehen das die Alten so! Und der Toni wohl auch, sonst tät er sich net so um dich bemühen, Marianne!"

"Ich hab' ihn immer abblitzen lassen, den feinen Toni! Auch wenn es mein Vater lieber gesehen hätt', wenn ich mich deinem Bruder netter gezeigt hätte!"

"Und das ist doch schon arg lang her, findest du net? Wenn ich mich recht besinn', war das bevor wir zwei uns näher gekommen sind...", stellte die Marianne klar.

"Und deshalb bist immer noch eifersüchtig auf den Toni?"

"Wirklich?"

"Mei, ich könnt' mir keine bessere Frau denken, als dich, Marianne!"