Linda Chapman

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Sternenschweif

Die Spur
der Sterne

KOSMOS

Umschlaggestaltung: Walter Typografie und Grafik GmbH, Würzburg

unter Verwendung einer Illustration von Silvia Christoph, Berlin

Textillustrationen: © Biz Hull

Sternenschweif – Die Spur der Sterne, erzählt von Anne Scheller

Based on characters created by Working Partners Ltd.

© Working Partners Ltd., 2015

Unser gesamtes lieferbares Programm und viele

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© 2015, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-440-14741-2

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

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Laura Foster saß auf dem Rücken ihres Ponys Sternenschweif und galoppierte mit ihm durch den Spring-Parcours. Ein Hindernis nach dem anderen überflogen die beiden, Sternenschweif warf keine einzige Stange ab. Das Publikum applaudierte. Nur noch ein Sprung trennte die beiden von einem fehlerfreien Ritt. Laura beugte sich dicht über den Pferdehals. „Spring, so hoch du kannst, mein Kleiner!“, flüsterte sie ihrem Pony zu. Sternenschweif sprang ab, überflog die bunt bemalten Stangen, aber anstatt auf der anderen Seite wieder zu landen und den Ritt zu beenden, hob er einfach ab und flog über den Turnierplatz. Die Glocke, die die Fehler der Reiterpaare markierte, bimmelte Sturm. Der Kampfrichter winkte Laura wütend hinterher, doch sie sah ihn kaum noch. Sternenschweif stieg höher und höher, den Wolken entgegen …

Hellwach setzte sich Laura im Bett auf. Es war stockdunkel in ihrem Zimmer. Sie hatte nur geträumt! In Wirklichkeit würde sie doch nie mit Sternenschweif an einem professionellen Springturnier teilnehmen! Sternenschweif war zwar kein schlechter Springer und bei ihren Ausritten setzten die beiden oft über umgestürzte Baumstämme hinweg. Aber ein richtiges Turnierpony war Sternenschweif nicht. Das wollte Laura auch gar nicht. Sie genoss die Freundschaft mit ihrem Pony lieber, ohne an Gewinne und Medaillen zu denken.

Laura musste grinsen. Obwohl man es denken könnte, war das Fliegen in ihrem Traum gar nicht so verrückt. Laura und Sternenschweif hatten nämlich ein Geheimnis, das nur wenige Menschen kannten: Sternenschweif war ein Einhorn und Laura konnte ihn mit einem Zauberspruch in seine wahre Gestalt, in ein Einhorn, verwandeln. Dann flogen sie wirklich zusammen in den Himmel hinauf, genau wie in Lauras Traum!

Laura kuschelte sich zurück unter die Bettdecke, fand aber keine Ruhe. Sie beschloss, Sternenschweif einen Besuch abzustatten.

Mucksmäuschenstill, um ihre Eltern, ihren Bruder Max und die kleine Schwester Sophie nicht zu wecken, zog sich Laura an und schlich die Treppe hinunter. Leise schloss sie die Haustür hinter sich und hielt einen Moment inne. Es war mild, obwohl es bereits September war. Die Nachtluft roch noch wie im Sommer nach Blüten und Früchten. Die Farm der Fosters lag in völliger Dunkelheit und Stille, nur aus dem großen Stall kamen die leisen Geräusche der Tiere. Lauras Dad war Farmer und hielt eine Menge Milchkühe. Außerdem besaß er eine große Schafherde, die bei dem schönen Wetter Tag und Nacht auf einer etwas weiter entfernten Weide lebte.

Schnell ging Laura zu Sternenschweifs Stall hinüber. Er hatte gedöst, öffnete aber gleich die Augen und ging auf Laura zu.

„Hallo, mein Kleiner! Ich konnte nicht schlafen.“ Laura umarmte Sternenschweif und kuschelte sich an sein wuscheliges graues Fell. Er schnaubte mitfühlend. Als Pony konnte er Lauras Worte genau verstehen und als Einhorn sogar mit ihr sprechen! Jetzt stupste er Laura nur auffordernd an.

„Soll ich dich verwandeln?“, fragte sie. Sternenschweif schnaubte zustimmend und trat zur Stalltür. Von dort gingen die beiden auf die Koppel und bis ganz nach hinten, wo einige dichte Büsche und Bäume sie vor neugierigen Blicken schützten. Denn dass es Einhörner auf Erden gab, durfte niemand wissen, der nicht selbst so wie Laura eine Einhornfreundin war. Deshalb durften sogar Lauras Familie und ihre Freunde nichts davon erfahren. Aus dem magischen Land Arkadia, das hoch über den Wolken lag, wurden Einhörner in Ponygestalt auf die Erde geschickt, um Menschen und Tieren zu helfen – immer gemeinsam mit ihrem Einhornfreund oder ihrer Einhornfreundin. Doch das musste unbedingt geheim bleiben, damit niemand den Zauber der Einhörner für schlechte Dinge ausnutzte.

Bevor Laura den Zauberspruch sagte, sah sie sich deshalb noch einmal sorgfältig um. Einen Moment lang lauschte sie in die nächtliche Stille, vernahm aber keinen Laut. Dann begann sie:

„Silberstern, Silberstern,

hoch am Himmel, bist so fern.

Funkelst hell und voller Macht,

brichst den Bann noch heute Nacht.

Lass dies Pony grau und klein

endlich doch ein Einhorn sein.“

Kaum hatte Laura das letzte Wort gesprochen, da blitzte ein violettes Licht auf und Sternenschweif war in magischem Nebel verborgen. Doch im nächsten Moment verzog sich der Nebel und Laura erblickte ihr Einhorn: Es hatte jetzt schneeweißes Fell, die lange Mähne und der Schweif waren silbern und auf der Stirn trug es ein gewundenes, silbern glänzendes Horn. Laura umarmte es.

„Hallo, Sternenschweif!“

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„Hallo, Laura, du kannst nicht schlafen? Hast du Sorgen?“, fragte ihr Einhorn mit warmer Stimme.

„Im Gegenteil!“ Laura grinste ihn an. „Ich freue mich so!“

Sternenschweif schnaubte vergnügt. „Lass mich raten: Es geht um das Turnier, richtig?“

Laura wuschelte ihrem Einhorn durch die Stirnhaare. „Du kennst mich zu gut! Aber ich rede ja auch seit Tagen von nichts anderem. Am Wochenende findet endlich die Landesmeisterschaft im Springreiten statt, ein richtiges Springturnier in unserem Ponyclub! Ich habe sogar geträumt, dass wir mitmachen.“

„Echt? Haben wir gewonnen?“

„Nein, leider nicht. Wir sind beim letzten Sprung davongeflogen.“ Sie lachte und Sternenschweif wieherte belustigt. „Wollen wir eine Runde fliegen? Vielleicht lenkt dich das ab.“

„Nichts lieber als das!“ Laura kletterte auf Sternenschweifs Rücken, vergrub die Hände in seiner Mähne und drückte die Knie in seine Seiten. Er galoppierte an und hob nach wenigen Sprüngen ab, hinauf in den Sternenhimmel. Eine Weile flogen die beiden stumm durch die Nacht und Laura hing weiter ihren Gedanken an das Turnier nach.

„Morgen nach der Schule sind Mel, Jess und ich wieder im Ponyclub verabredet“, erzählte sie. „Es gibt ja noch so viel zu tun! Wir sollen die Hindernisse neu anstreichen und übermorgen dürfen wir Rebecca beim Einkaufen helfen.“ Rebecca war die Leiterin des Ponyclubs. Sie freute sich sehr darüber, dass Laura, ihre beiden besten Freundinnen und viele andere junge Ponyfreunde so begeistert bei den Turniervorbereitungen mitmachten. „Danach stellen wir die Starterbeutel zusammen, da sind die Startnummern drin, der Turnierplan, Leckerlis für die Pferde und Energieriegel für die Reiter. Und dann kommt endlich das Wettkampfwochenende …“

Laura kam aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. Sternenschweif hörte ihr geduldig zu. Doch irgendwann musste Laura gähnen.

„Jetzt bist du doch müde, oder, Laura?“ fragte Sternenschweif fürsorglich. „Komm, lass uns schnell nach Hause fliegen.“ Er vollführte eine schnelle Drehung mitten in der Luft und Laura musste lachen.

„Weißt du, was noch schöner ist als das Turnier? Mit dir fliegen!“ Laura schmiegte sich eng an Sternenschweifs Rücken und ließ sich von ihm nach Hause tragen. Nach diesem Ausflug konnte sie ruhig weiterschlafen.