Über Ellen Berg

Ellen Berg, geboren 1969, studierte Germanistik und arbeitete als Reiseleiterin und in der Gastronomie. Heute schreibt und lebt sie mit ihrer Tochter auf einem kleinen Bauernhof im Allgäu.

Ihre bisherigen Romane »Du mich auch. Ein Rache-Roman«, »Das bisschen Kuchen. (K)ein Diät-Roman«, »Den lass ich gleich an. (K)ein Single-Roman«, »Ich koch dich tot. (K)ein Liebesroman«, »Gib’s mir Schatz. (K)ein Fessel-Roman«, »Zur Hölle mit Seniorentellern. (K)ein Rentner-Roman« und »Ich will es doch auch.(K)ein Beziehungsroman« liegen im Aufbau Taschenbuch vor und sind große Erfolge.

Informationen zum Buch

Aber bitte mit Soja!

Für Köchin Dana kommt’s dicke: Ihre Familie macht ihr das Leben schwer, ihre Gäste boykottieren ihre vegane Kochkunst, und skrupellose Immobilienhaie schikanieren sie. Als sich dann auch noch der Mann ihres Herzens als Liebhaber blutiger Steaks erweist, dreht Dana den Spieß um.

Was tun, wenn’s keinem schmeckt? Mit ihrer streng veganen Kost treibt Dana die Gäste ihres Bistros in die Flucht – man will Currywurst statt Quinoa. Als hätte die Alleinerziehende mit ihrer kleinen Tochter und ihrem starrköpfigen greisen Vater nicht schon genug um die Ohren, versucht die fiese Maklerin Frau Müller-Mertens, sich das Haus unter den Nagel zu reißen, in dem Dana ihr Restaurant betreibt. Im Kampf Gemüse gegen Gentrifizierung hilft Dana schließlich nur der beherzte Griff zum Brecheisen. Und als sich dann noch der neue Mann ihres Herzens als Fleischesser erweist, ist das Maß endgültig voll.

ABONNIEREN SIE DEN
NEWSLETTER
DER AUFBAU VERLAGE

Einmal im Monat informieren wir Sie über

Folgen Sie uns auf Facebook, um stets aktuelle Informationen über uns und unsere Autoren zu erhalten:

https://www.facebook.com/aufbau.verlag

Registrieren Sie sich jetzt unter:

http://www.aufbau-verlag.de/newsletter

Unter allen Neu-Anmeldungen verlosen wir

jeden Monat ein Novitäten-Buchpaket!

Ellen Berg

Alles Tofu,
oder was?

(K)ein
Koch-Roman

Aufbau

Inhaltsübersicht

Über Ellen Berg

Informationen zum Buch

Newsletter

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Epilog

Impressum

Leseprobe aus: Nikola Hotel – Jetzt oder Nils

1

»Interessant«, sagte Paul. »Und wo ist das Essen?«

»Wie jetzt – Essen?«, fragte Dana.

»Na, was da auf dem Tisch steht, ist eindeutig nicht zum Verzehr geeignet. Sieht aus wie überfahrene Schnecken und riecht irgendwie komisch. Nach Altersheim, würde ich sagen. Und nach alten Socken.«

Das war ja wohl die Höhe! Danas Blick wanderte von den Schüsseln mit Süßkartoffelmus, Quinoaauflauf, Bulgursalat und Tofu-Algen-Ragout zu Paul, dem Mann ihres Herzens. Ein Hüne mit breitem Kreuz, meergrünen Augen und diesem süßen Hallodrilächeln, in das sie sich damals auf der Stelle verliebt hatte.

Doch sein Lächeln war verschwunden. Eigentlich schon länger. Missmutig spielte er mit seinem Besteck herum.

»Paul«, sie sprach so sanft wie möglich, »könntest du bitte zur Kenntnis nehmen, dass wir neuerdings vegan leben?«

»Wir? Du bist hier die Vegahnsinnige«, brummte er. »Ich bin ein Mann, ich brauche Fleisch.«

»Sogar Albert Einstein war Vegetarier.«

»Na toll. Ich will aber keinen Nobelpreis, ich will ein Steak.«

Liebe geht durch den Magen? Von wegen, dachte Dana. Liebe schlägt auf den Magen, das traf es wohl eher.

Sie schluckte. Dieser Tag würde leider nicht als Sieg der Vernunft in die Geschichte eingehen. Als Erstes war ihr Plan gescheitert, Emma, ihre zickige Dackeldame, auf den veganen Kurs zu bringen. Die Hündin hatte das absurd teure Trockenlinsenbiofutter verschmäht und kläffte seit Stunden den Kühlschrank an, als lägen Rinderknochen und Pansen darin. Ebenso wenig war Danas Versuch gelungen, ihre fünfjährige Tochter Leonie für vegane Gaumenfreuden zu erwärmen – wovon einige hässliche Spritzer Bärlauchsuppe an den Wänden der Küche zeugten. Und nun bockte auch noch Paul.

»Es ist einfach verantwortungsvoller, auf Fleisch und andere tierische Produkte zu verzichten«, dozierte sie geduldig.

»Ja, für müffelnde Müslitanten vielleicht. Aber ein echter Kerl wird tierisch sauer, wenn er kein Fleisch kriegt.«

Dana tat so, als hätte sie die müffelnden Müslitanten überhört. Sie lud sich eine Portion Süßkartoffelmus auf den Teller, nahm einen Happen und schloss genießerisch die Augen.

»Mmh, lecker. Probier doch wenigstens mal.«

Schweigend griff Paul zu seinem Glas Rotwein und leerte es auf einen Zug. Dann schob er seinen leeren Teller von sich und verschränkte die Arme.

»Eher friert die Hölle zu, als dass ich diesen Irrsinn mitmache. Von mir aus kannst du essen, was du willst, vegetarisch, vegan, makrobiotisch, vollidiotisch. Aber nicht mit mir. Kapiert? Oder soll ich es dir eintuppern?«

»Es geht mir doch nicht nur um unseren blauen Planeten«, erklärte Dana. »Es geht mir auch um deine Gesundheit.«

Paul zog eine Grimasse.

»Und du gehst mir langsam total auf den Senkel mit deinem Ökofimmel!«

Jetzt war die Stimmung endgültig im Eimer. So ein Mist. Dabei sollte dieses Kerzenschein-Dinner ganz unauffällig auf ein Happy End zusteuern. Es war ihr zweiter Jahrestag, und Dana hatte das gemeinsame Festmahl äußerst liebevoll inszeniert – weiße Spitzentischdecke mit verstreuten roten Rosenblättern, rote Duftkerzen, aus der Musikanlage erklang die seidenweiche Stimme von Michael Bublé. Alles in allem Romantik pur, wenn man mal von Emmas Gekläffe absah.

Und jetzt? Dana musterte Pauls finsteres Gesicht. Seit fast zwei Jahren wohnte er bei ihr, ohne jemals durchblicken zu lassen, dass er mehr im Sinn hatte als eine unverbindliche Lebensgemeinschaft mit gewissen Vorzügen. Allmählich war eine klare Ansage fällig. Fand Dana jedenfalls.

Doch Paul sah nicht so aus, als ob er die Hochzeitsglocken läuten hörte. Eher Alarmsirenen. Argwöhnisch schaute er zu, wie Dana zur Abwechslung einen Löffel Tofu-Algen-Ragout verdrückte.

»Pass auf, Schnuckelhase …«

Sie hörte auf zu kauen. Ihre Nackenhaare stellten sich senkrecht. Immer, wenn Paul »Schnuckelhase« sagte, kam garantiert was Dussliges.

»… du wirkst ziemlich verspannt in letzter Zeit«, er verdrehte die Augen, »spaßbefreit, um genau zu sein. Und jetzt willst du mir auch noch diesen veganen Quatsch reindrücken. Das kannst du dir von der Backe putzen. So läuft das nicht.«

Also wirklich. Dana warf ihre Serviette aufs Tischtuch.

»Wie läuft es denn überhaupt? Mit mir – mit uns? Und wie geht es weiter?«

Paul blinzelte sie irritiert an.

»Mit uns? Wieso? Alles easy, würde ich sagen.«

»Easy, ha! Du machst es dir wirklich ein bisschen zu einfach. Wir sind seit genau zwei Jahren zusammen. Findest du nicht, dass du mal Klartext reden solltest?«

Seine Augen weiteten sich erschrocken.

»Klartext?«

»Ja, so was wie: Dana, vielen lieben Dank für zwei wunderbare Jahre, du bist die Frau fürs Leben, hier ist der Ring, wir heiraten.«

Uff. Jetzt war es heraus. Nicht gerade romantisch, diese Ansage. Aber Dana wollte nicht länger warten, bis Paul, die Begriffsstutzigkeit in Person, endlich von selbst darauf kam, wonach sie sich sehnte: nach einem verlässlichen Partner, einer starken Schulter, einem Fels in der Brandung. Sie war fünfunddreißig. Da brauchte man keinen Mann, der nur spielen wollte.

Entgeistert starrte er sie an.

»Hä?«

Dana kniff die Augenbrauen zusammen.

»Welchen Teil hast du nicht verstanden? Den mit dem Ring oder den mit dem Heiraten?«

Plötzlich sah er aus, als hätte sie ihm frittierte Disteln serviert. Er sprang auf, wobei sein leeres Weinglas umfiel.

»Hast du noch alle Blätter am Baum? Ich hab mir echt eine Menge von dir gefallen lassen. Deine Vorträge über den Klimawandel, mit denen du mich ins Koma laberst. Deinen Müsliterror, deine Schafwollsocken im Bett, deine naturbelassenen Bekannten. Sogar den Sex nach Mondkalender! Und jetzt willst du mich auch noch vors Standesamt schleppen? Am besten in Gesundheitslatschen, oder wie?«

Dana war so überrumpelt von seinem Wutausbruch, dass sie keinen Ton herausbrachte. Das also war der Dank dafür, dass sie ihn seit zwei Jahren nach Strich und Faden verwöhnte, obwohl sie sich noch dazu um ihr vaterloses Kind kümmern musste und hart um ihre Existenz kämpfte. Liebte er sie denn nicht? So, wie sie nun einmal war – umweltbewusst, ernährungsbewusst, verantwortungsbewusst?

Schon immer hatte Dana Wert auf gesunde Ernährung gelegt. Ein halbes Jahr zuvor war jedoch etwas geschehen, was ihr Leben verändert hatte: Befreundete Tierschützer hatten sie heimlich in eine Hühnermastanstalt eingeschleust. Der Anblick der Hühner, die apathisch in einer riesigen Halle herumlagen, vollgepumpt mit Medikamenten und bewegungsunfähig wegen ihrer künstlich angemästeten Brust, war ein Schock gewesen – kein Fleisch mehr!

Die Information, dass in den Legebatterien jährlich fünfzig Millionen männliche Küken geschreddert wurden, weil sie naturgemäß keine Eier legen würden, hatte Dana dann auch jeglichen Appetit aufs Frühstücksei genommen. Den von den Tierschützern empfohlenen Besuch eines Schlachthauses hatte sie dankend abgelehnt – im Internet kursierten genügend grässliche Videos, die von den Höllenqualen der Tiere zeugten.

Alles in allem war Dana zu der Überzeugung gelangt, dass sie sich nicht mehr zum Komplizen einer lebensverachtenden Industrie machen durfte. Deshalb war sie Vegetarierin geworden, und seit drei Monaten lebte sie konsequent vegan: kein Fleisch, kein Fisch, keine Eier, keine Milch, kein Leder, keine Gelatine – die Liste wurde immer länger. Nun hielt sie den Zeitpunkt für gekommen, ihre Überzeugungen auch in den eigenen vier Wänden durchzusetzen. Dass dies ein zäher Kampf werden würde, war ihr klar gewesen. Doch dass sich daraus so etwas wie ein häuslicher Krieg entwickeln würde, hatte sie nicht vorhergesehen.

Das Kläffen von Emma steigerte sich zu einem erbarmungswürdigen Jaulen. Als wäre das nicht genug, kam nun auch noch Leonie hereingetapst, barfuß, in ihrem rosa Lieblingsnachthemd mit den putzigen kleinen Bärchen.

»Mami, ich hab sooo ’n Hunger.« Schmollend krabbelte sie auf Danas Schoß. »Warum kriege ich denn kein Würstchen? Und warum hast du die Fischstäbchen weggeschmissen?«

»Weil deine Mami komplett austickt!«, rief Paul. »Weil sie von einer Klassefrau zur Ökoschlampe mutiert ist!«

Ökoschlampe. Das saß. So sah er sie also?

Dana war fassungslos. Nicht zuletzt, weil solche Bemerkungen in Gegenwart ihrer Tochter weder besonders sensibel noch pädagogisch wertvoll waren. Ein Psychodiplom hatte dieser Mann wahrlich nicht verdient. Sie funkelte ihn zornig an.

»Paul!«

»Mami, was ist Ökopampe?«, fragte Leonie.

»Das da«, knurrte Paul und zeigte auf die Schüsseln. »Herrgott, das sieht doch aus, als hätte das jemand schon gegessen und wieder ausge…«

»Schluss jetzt!«, schrie Dana. »Dann marschier eben in die nächste Frittenbude und zieh dir den ungesunden Fraß rein, bis deine Cholesterinwerte explodieren! Mir doch egal! Aber erwarte bitte nicht, dass ich auf deiner Beerdigung heule. Kannst schon mal deinen Grabstein bestellen – hier ruht Paul Wegmann, Opfer seiner grausigen Ernährungsgewohnheiten.«

Sie schlang ihre Arme um Leonie, hob sie hoch und rauschte mit ihr ins Kinderzimmer. Während sie die Kleine ins Bett legte, hörte sie, wie die Wohnungstür krachend ins Schloss fiel. Das war’s dann wohl mit den Hochzeitsglocken.

»Mami, muss Paul jetzt sterben?«, erkundigte sich Leonie besorgt.

»Natürlich nicht.«

»Kommt er wieder?«

Gute Frage. Dana presste die Lippen aufeinander. Auch sie hatte sich eine Menge gefallen lassen, wenn sie es recht bedachte. Zum Beispiel Pauls Vorliebe für rohes Rinderhack, blutrünstige Krimiserien und umweltschädliche Autos. Ganz zu schweigen von den Bergen schmutziger Wäsche, die er kommentarlos im Badezimmer liegen ließ, oder den leeren Bierdosen unter dem Bett – er nannte es nächtliche Getränkeforschung.

»Es ist spät«, seufzte sie. »Du musst jetzt schlafen, mein Engel.«

»Kann ich bitte, bitte ein Würstchen haben? Nur so ein Mini-Mini-Mini-Würstchen? Ein klitzekleines?«

Es war herzzerreißend. Dana dachte an das angebrochene Würstchenglas im Kühlschrank, das sie noch nicht entsorgt hatte, und gab sich einen Ruck.

»Einverstanden, mein Liebling. Aber morgen sprechen wir noch einmal in Ruhe über gesundes Essen.«

»Bestellst du mir sonst einen Grabstein?«

Oha, möglicherweise habe ich doch ein bisschen übertrieben, dachte Dana. Ratlos sah sie in das müde Gesichtchen ihrer Tochter, die einen Flunsch zog und eine ihrer braunen Locken um den Finger drehte.

»Keine Sorge, Nini, so schnell stirbt man nicht von Fleisch«, versicherte sie. »Ich hole dir jetzt dein Würstchen.«

»Zwei!«, rief Leonie.

»Also schön, zwei, und morgen sehen wir weiter.«

Dana stand auf. Mit hängenden Schultern trottete sie zur Küche, wo Emma ihr schwanzwedelnd entgegenkam. Die Dackeldame fing aufgeregt an zu bellen, als ihr Frauchen den Kühlschrank öffnete. Widerstrebend holte Dana das Glas mit Putenwienern heraus. Sie zögerte kurz, dann spendierte sie Emma ein Würstchen, fischte zwei weitere aus dem Glas und schlug den Kühlschrank zu, dass es schepperte.

An der Kühlschranktür hing der aktuelle Mondkalender. Er hatte Freude am Kochen vorhergesagt, aber auch vor Unnachgiebigkeit in Beziehungsangelegenheiten gewarnt – eine Nebenwirkung des zunehmenden Mondes im Stier, der im Laufe der Nacht in die Zwillinge wechseln würde. Das hatte Dana nun davon, dass sie diese Warnung missachtet hatte.

Auf dem Weg zu Leonie kam sie am Esszimmer vorbei. Durch die offene Tür sah sie den liebevoll gedeckten Tisch, hörte Michael Bublé ein Liebeslied schluchzen. Auch Dana hatte Tränen in den Augen. Kerzenschein, Rosenblätter, stundenlanges Kochen, alles umsonst. Bloß nicht hinsehen. Schnell weiter, ins Kinderzimmer.

Deprimiert reichte sie ihrer Tochter die Würstchen. Innerhalb von Sekunden waren sie verputzt, und Leonie kuschelte sich zufrieden ins Kissen. Schon fielen ihr die Augen zu.

»Du bist die liebste Mami der Welt«, murmelte sie.

»Und du musst noch Zähne putzen. Nini? Hörst du mich?«

Ein kleiner Schnarcher verriet, dass die Kleine eingeschlafen war.

Zusammengekrümmt hockte Dana auf der Bettkante. Die Worte von Paul hatten sie getroffen wie Faustschläge in den Magen. Sie betrachtete das quietschrosa Barbie-Haus, das auf dem flauschigen rosa Teppich stand. Einträchtig saßen Barbie und Ken nebeneinander auf ihrem quietschrosa Miniatursofa. Tja, im wahren Leben ging es weniger rosig zu.

Noch nie hatte Paul derart erbittert mit ihr gestritten. Es war, als hätte er die vergangenen zwei Jahre rückwirkend zerlegt. Als hätten sie nicht auch gute Zeiten gehabt. Als wären sie nicht das absolute Traumpaar gewesen, jedenfalls am Anfang, als er sie im Sturm erobert hatte mit seinem Charme, seinem Lächeln, seiner umwerfend männlichen Ausstrahlung.

Das Schrillen der Türklingel riss sie aus ihren Erinnerungen. Danas Herz begann wild zu klopfen. Bestimmt hatte Paul es sich anders überlegt, aber bei seinem zackigen Abgang den Wohnungsschlüssel vergessen! Bestimmt entschuldigte er sich jetzt! Dann würde er sie in die Arme nehmen, und alles, alles würde gut! Außerdem stand der Mond günstig für Versöhnungssex.

Eilig lief Dana zur Haustür und öffnete sie.

»Paul, ich …«

Sie wich einen Schritt zurück.

»Guten Abend, mein Kind, wie schön, dass ich dich antreffe«, sagte der ältere Herr im Rollstuhl, auf dessen Schoß eine unförmige schwarze Reisetasche lag.

»Papa.« Sie konnte kaum sprechen. »Das passt jetzt gerade gar nicht. Könntest du bitte ein andermal wiederkommen?«

Herrmann Twilling, ein ergrauter Herr in den Siebzigern, drückte eine Taste an seinem Elektrorollstuhl. Es war ein brandmodernes, wendiges Modell, mit wenigen Handgriffen zusammenklappbar. Und es war überraschend schnell. Er surrte näher heran.

»Vielleicht hätte ich vorher anrufen sollen. Deine Mutter hat mich rausgeworfen. Was sagst du jetzt?«

Ohne eine Antwort abzuwarten, drückte er wieder auf die Taste und tuckerte mit seinem Rollstuhl an Dana vorbei in die Wohnung. Sie konnte nur hilflos zusehen, wie er die Tasche vom Schoß nahm und auf den Boden stellte. Dann verzog er das Gesicht.

»Was riecht denn hier so komisch? Ich hatte gehofft, dass ich ein warmes Abendessen bekomme. Seit deine Mutter die Scheidung eingereicht hat, kocht sie nicht mehr. Bratkartoffeln wären schön. Mit richtig viel Speck. So was hast du doch bestimmt im Haus. Falls es an Bier fehlt, gibt es eine Tankstelle um die Ecke, wo du sicherlich noch was kriegst. Ach ja, und die Hemden in der Tasche müssten gebügelt werden.«

Dana stemmte die Hände in die Hüften.

»Jetzt noch mal langsam und von vorn. Mama hat dich rausgeschmissen? Wieso denn?«

Er zuckte mit den Schultern.

»Sie hat ihre emanzipierte Phase, sagt sie. In ihrem Alter! Den lieben langen Tag lang erzählt sie mir, was ich alles falsch gemacht habe in über vierzig Jahren Ehe. Und nennt mich einen Macho, stell dir vor!«

»Dabei bist du ja ein waschechter Feminist.« Dana musste lächeln. »Du willst nur, dass eine Frau dich bekocht, deine Hemden bügelt, gefälligst Bier holt und die Klappe hält.«

»Meine Ansprüche sind bescheiden«, beteuerte Herrmann Twilling. »Alles ganz normal, würde ich sagen.«

O nein, normal war absolut nichts, wenn es um Danas Eltern ging. Die beiden pensionierten Lehrer hatten eine turbulente Ehe geführt. Was Rechthaberei und Sturheit betraf, waren sie nicht zu toppen. Lehrer eben. Immer hatten sie aneinander herumerzogen und herumgemäkelt. Dennoch war Dana dezent irritiert gewesen, als sie von den Scheidungsplänen erfahren hatte. Krass. Andere Senioren gingen gemeinsam auf Kaffeefahrt, fütterten die Enten im Park oder lernten Brot backen in der Toskana. Nicht so ihre verflixt halsstarrigen Eltern. Man konnte froh sein, wenn der bevorstehende Scheidungskrieg ohne Tote über die Bühne ging.

»Papa, ich würde sagen, dass Mama sich weiterentwickelt hat. Das solltest du respektieren.«

»Respekt ist ein gutes Stichwort. Lass mich ein wenig ausholen.«

»Bitte nicht«, flehte Dana.

Lass mich ein wenig ausholen – mit diesem Satz leitete Herrmann Twilling nämlich seine endlosen Vorträge ein, die er ohne Rücksicht auf das Interesse seiner Zuhörer zum Besten gab. Alte Lehrerangewohnheit. In den unpassendsten Momenten erklärte er seinen Opfern bis ins letzte Detail die Abenteuer des Odysseus oder die Funktionsweise eines Unterdruckventils.

Und schon ging es los.

»Ein Blick in die Entwicklung der menschlichen Zivilisation genügt, um zu verstehen, dass sich die traditionelle Rollenaufteilung zwischen Mann und Frau bestens bewährt hat. Bis auf wenige Ausnahmen, ich nenne nur die Amazonen und gewisse Modelle des Matriarchats, ist der arbeitende Mann stets ein Kulturträger ersten Ranges gewesen. Dazu bedurfte er einer dienenden Gefährtin …«

»Ooooopa!«

Dana atmete auf. Länger hätte sie diesen ätzenden Monolog auch nicht ertragen. Wie ein Wirbelwind stürmte Leonie in den Flur und umarmte überschwänglich ihren Großvater.

»Hast du mir was mitgebracht?«

»Na klar«, er förderte eine knisternde Tüte aus seinem Jackett zutage, »lecker Gummibärchen für meine kleine Nini.«

»Kommt überhaupt nicht in Frage, da ist Gelatine aus Knochen von Schweinen und Rindern drin«, sagte Dana streng.

Ihr Vater runzelte die Stirn.

»Ja, und?«

»Man darf nichts essen, was ein Gesicht hat«, wurde er von Leonie belehrt.

Herrmann Twilling sah erst Leonie, dann Dana an, als seien sie soeben einer geschlossenen Anstalt entsprungen.

»Seit wann haben Knochen Gesichter?«

Er warf dem Mädchen die Gummibärchentüte zu. Leonie fing sie geschickt auf und machte sich sogleich über ihre Beute her.

Stöhnend lehnte Dana an der Flurgarderobe. Paul war weg. Ihr Vater war da. Und mit ihrer Überzeugungsarbeit in Sachen veganes Essen kachelte sie voll gegen die Wand.

»Kind, was hast du denn?«, fragte Herrmann Twilling. »Bist ja ganz grün im Gesicht. Nun ja, wenn Eltern sich scheiden lassen, ist das immer etwas unangenehm. Aber schlechte Nachrichten sind nur gute Nachrichten, die sich verkleidet haben.« Er machte eine Kunstpause. »Ich ziehe bei euch ein!«

»Juhuuu!«, jubelte Leonie.

Auf einer gefühlten Frustskala von eins bis zehn erreichte Dana gerade die Hundert.

»Auf keinen Fall!«, zischte sie. »Wir haben gar keinen Platz für dich!«

»Aber Paul ist doch weg«, sagte Leonie.

Ihr Großvater seufzte erleichtert.

»Noch eine gute Nachricht. Ich fand diesen Mann ja immer etwas gewöhnlich.« Er gähnte. »Dana, könntest du mir schon mal ein Bett beziehen, ich hatte wirklich einen anstrengenden Tag.«

Ihr fiel nichts anderes mehr ein als ihr bester Bambiblick – zu Tode erschrockenes Reh schaut in Autoscheinwerfer.

»Tut mir leid. Ich bin mit dieser Situation total überfordert.«

»Kind, ich hatte dich nicht gebeten, mir eine Niere zu spenden«, erwiderte Herrmann Twilling kühl. »Nur die Bitte geäußert, mich aufzunehmen. Ich bin dein Vater und quasi obdachlos. Soll ich etwa auf der Straße übernachten? Deine Mutter nimmt mich jedenfalls nicht zurück. Sie hat sogar die Schlösser ausgetauscht.«

»Opa bleibt hier«, stellte Leonie energisch klar.

2

Kreischend fuhr das Rollgitter aus Metall hoch. Dana wartete, bis es ganz oben war, dann schloss sie die Glastür auf, die sie eigenhändig mit der Aufschrift »Bistro Paradies« verziert hatte. In verschnörkelten roten Buchstaben, mit einem roten Apfel darunter.

Es war neun Uhr morgens. Ihre Nerven lagen blank. Das Frühstück mit ihrem Vater war ein verbissener Kampf gewesen. Nachdrücklich hatte er ein Ei gefordert und betont, er lasse sich weder die Butter, die Wurst noch den Honig vom Brot nehmen. Danach hatte Dana vergeblich versucht, ihn hinauszukomplimentieren, hatte ihre Tochter in den Kindergarten gefahren und beim Biogroßmarkt Lebensmittel eingekauft. Paul, der Schuft, hatte sich nicht blicken lassen, nicht einmal angerufen.

Mit anderen Worten: Dana war fix und fertig.

Immer musste sie die Starke spielen. Die perfekte Mutter, die patente Partnerin, die toughe Geschäftsfrau. Und neuerdings sollte sie auch noch die aufopferungsvolle Tochter sein.

Niemand ahnte, wie es in ihrem Herzen aussah. Wie sehr sie sich nach Geborgenheit sehnte. Dass sie gern einmal durchgeatmet hätte, ohne Existenzsorgen und im Vertrauen darauf, auch ihre schwache Seite zeigen zu dürfen. Doch davon war sie weiter entfernt denn je.

Seufzend blieb sie an der Türschwelle des Restaurants stehen. Dies war ihr Reich. Ihr Lebenstraum. Ein gemütliches kleines Lokal mit großen kulinarischen Ambitionen.

Doch das Bistro Paradies in der Schillerstraße 5 hatte bessere Tage gesehen. Die dunkelgelben Wände brauchten dringend einen neuen Anstrich, das Holzmobiliar war ein wenig abgestoßen, dem Fußboden sah man an, dass unzählige Gäste darübergelaufen waren. Früher. Denn seit Dana auf dem veganen Trip war, tröpfelte die Kundschaft nur noch. Es war eben nicht leicht, Pionierarbeit zu leisten.

»Hallo, Dana.«

Das lächelnde Gesicht von Hung Tai, ihrem vietnamesischen Koch, erschien am Eingang. Sein Name hatte eine schöne Bedeutung – Hung, der Heldenhafte, Tai, die Begabung. Heldenhaft war er ganz bestimmt, da er geduldig Danas Stimmungswechsel ertrug und sich mit einem eher bescheidenen Lohn zufriedengab. Was die Begabung betraf – na ja. Dana nannte es betreutes Kochen. Wenn sie ihm nicht genauestens auf die Finger schaute, mogelte er schon mal Schweineschmalz in die Gerichte, falls er nicht gleich Glutamat hineinkippte.

»Ich habe neue Ideen für die Mittagskarte«, erzählte sie. »Polenta-Chili-Taler an Brennnesselpesto, Vollkorntagliatelle mit Mandelsauce und Tofu-Algen-Pfanne.«

»Okay …«

Die Art und Weise, wie Hung Tai es sagte, sprach Bände. Er hielt nicht viel von fleischlosen Genüssen. In seinen Pausen briet er sich so schreckliche Dinge wie Hühnerklein und Lammnieren. Dana hegte manchmal den leisen Verdacht, es könnte möglicherweise auch Hundefleisch im Spiel sein.

»Mehr sagst du nicht zu den neuen Gerichten? Nur okay?«, fragte sie enttäuscht.

»Einmal schweigen, neunmal glücklich«, lächelte er. »Ist alte vietnamesische Sprichwort.«

Jetzt musste auch Dana lächeln. Hung Tai steckte voller Weisheiten seines Heimatlands, und immer trafen sie ins Schwarze. Wie jetzt. Wenn sie geschwiegen hätte bei Pauls abfälligen Bemerkungen über vegane Ernährung, wäre sie jetzt vielleicht eine glückliche Braut. Aber war es das wert?

»Komm, wir legen besser los«, schlug sie vor.

Hung Tai strahlte sie an.

»Klar. Ich dir helfen mit Tuten.«

»Tüten«, korrigierte Dana ihn.

Sie korrigierte ihn ziemlich oft. Es war eine Manie, vermutlich deshalb, weil ihre Eltern Lehrer gewesen waren. Am Satzbau und an merkwürdig gebeugten Verben störte sie sich schon lange nicht mehr, aber wenn Hung Tai Begriffe falsch aussprach, ging ihr das nun mal gegen den Strich. Pedantin, schalt sie sich. Doch sie kam nicht dagegen an. Einmal Lehrerkind, immer Lehrerkind. Auch wenn’s weh tat.

Gemeinsam schleppten sie die Einkäufe in die Küche. Während Dana die Tüten auspackte, streifte Hung Tai eine weiße Kochjacke über, setzte seine Kochmütze auf und stellte Töpfe und Pfannen auf den Herd. Zwischen seinen Schulterblättern baumelte ein Zopf, zu dem er sein langes schwarzes Haar flocht. Manchmal erinnerte er an einen weisen alten Indianer, obwohl er erst Mitte vierzig war.

Unruhig sah Dana auf die Uhr. Ob wohl heute ein paar Gäste kamen? Langsam wurde es eng. Vor drei Monaten hatte sie die Speisekarte neu gestaltet und ein Schild ins Fenster gehängt: Vegane Küche – lecker und gesund. Mit dem Ergebnis, dass nach und nach sogar ihre wenigen Stammkunden weggeblieben waren.

Vielleicht liegt es an der Gegend, überlegte Dana. Das Bistro Paradies lag in einem Stadtteil, in dem es mächtig rumorte. Einst war es ein beschauliches Viertel gewesen, mit leicht heruntergekommenen Gründerzeithäusern, aber trotzdem charmant. Eine Idylle voller kleiner Läden und Cafés. Jetzt wurde ein Haus nach dem anderen abgerissen, und Bürotürme aus Stahl und Glas schossen wie Pilze aus dem Boden.

Auch das Haus mit Danas Lokal sollte irgendwann abgerissen werden. Ihr Vermieter nannte es Gentrifizierung, Dana nannte es Plattmachen und Hinklotzen.

Aber das war noch nicht alles. Die Rentner und die jungen Leute zogen weg, weil sie sich die Mieten nicht mehr leisten konnten. Stattdessen liefen immer mehr smarte Schlipsträger und hyperaktive Frauen in Businesskostümen durch die Straßen, auf der Suche nach Fastfood für die Mittagspause. Auf veganes Essen standen die nicht, allein schon wegen der Wartezeiten, die man bei frisch zubereiteten Speisen einkalkulieren musste.

Lebe deinen Traum, sprach Dana sich Mut zu. Einfach weiteratmen, weitermachen, weiterkochen. Sie band eine Schürze um und schnitt gerade Tofu in akkurate Würfel, als eine schrille Frauenstimme die Stille zerriss.

»Hallo? Ist jemand da?«

Dana hob den Kopf und spähte durch das kleine Fenster über der Arbeitsplatte hinüber ins Lokal. Eine Dame, die etwa so alt wie sie selbst sein mochte, stand im eleganten kobaltblauen Kostüm mit Goldstickereien zwischen den Tischen. Ihr dunkelbraunes Haar hatte sie zu einem strengen Knoten frisiert, über ihrer Stirn schwebte eine riesige dunkle Sonnenbrille. Suchend sah sie sich um.

»Komme sofort!«, rief Dana.

Nachdem sie sich die Hände gewaschen und abgetrocknet hatte, rannte sie in den vorderen Raum. Ihre Wangen glühten vor Aufregung. Kundschaft! Endlich!

»Wir haben ab zwölf geöffnet«, keuchte sie. »Für wie viele Personen möchten Sie reservieren?«

Die Dame streifte sie mit einem skeptischen Blick.

»Sind Sie Dana Twilling? Geschäftsführerin des Bistro Paradies?«

»Ja, wieso?«

»Alexandra Müller-Mertens«, stellte die Frau sich vor und reichte Dana eine Visitenkarte. »Von der Immobilienfirma Pro Domo GmbH. Ich nehme an, dass Sie die Kündigung bekommen haben.«

Dana wurde weiß wie die Wand. Zu Hause türmten sich ganze Stapel von Briefen, die sie ungeöffnet ließ, weil sie sich vor dem Inhalt fürchtete. Vor Rechnungen zum Beispiel. Und fiesen Steuerbescheiden. Das alles bunkerte sie in Schuhkartons unter dem Bett und vergaß es sofort wieder.

»W-welche K-Kündigung?«, stammelte sie.

Das Lächeln von Frau Müller-Mertens bekam etwas Fischiges. Perlweiße Haifischzähne, umrahmt von blutrot geschminkten Lippen.

»Wir haben Ihnen das Dokument per Einschreiben geschickt, inklusive Empfangsbestätigung.« Sie holte einen Zettel aus ihrer sündteuren schwarzen Lederhandtasche mit goldfarbenen Applikationen. »Ein gewisser Paul Wegmann hat unterschrieben.«

Paul! Dana rutschte das Herz in die Hose.

»Hat er mir nicht gesagt.«

»Über Ihre häuslichen Verhältnisse möchte ich lieber nicht spekulieren«, Frau Müller-Mertens hob eine Augenbraue, »Tatsache ist jedoch, dass Sie die Kündigung erhalten haben. Am nächsten Ersten ist Schluss, also in genau drei Wochen. Sie sollten sich schleunigst nach neuen Räumen umsehen.«

Mittlerweile zitterte Dana so sehr, dass sie sich setzen musste. Mit weichen Knien sank sie auf einen altersschwachen Bistrostuhl, der unter ihrem Gewicht knarrte.

»Sie wollen mich aus dem Paradies vertreiben?«

»Ist Adam und Eva auch schon passiert«, erwiderte Frau Müller-Mertens kalt.

Ihre spitzen Absätze hackten sich in den schadhaften Linoleumboden, während sie den Raum inspizierte. Alles sah sie sich genau an. Die abblätternde Farbe an den Wänden, die uralten, lose herabhängenden elektrischen Leitungen, die schiefen Bambusrollos, die morschen Fensterrahmen. Dann drehte sie sich zu Dana um.

»Die Bruchbude ist sowieso abrissreif. Wir errichten an dieser Stelle die Zentrale der Veritas Versicherung. Ein architektonisches Schmuckstück – hypermodern, mit einer Fassade aus mintgrünem Glas.« Sie schnupperte misstrauisch. »Was riecht hier eigentlich so komisch?«

Inzwischen hatte Hung Tai die Tofuwürfel angebraten, zusammen mit Zitronengras, Algenblättern und dem asiatischen Kala-Namak-Salz, das eine dezente Schwefelnote verströmte.

»Das ist nicht komisch, das ist ein Esstempel für Veganer«, schnaubte Dana.

»Vegaaaner«, wiederholte Alexandra Müller-Mertens gedehnt. »Sind das nicht diese armen Irren, die den Kaninchen das Grünzeug wegfuttern? Und grauenvolle Schuhe aus Gummi tragen?«

So eine miese Luxusschnalle. Dana plusterte sich auf.

»Wissen Sie eigentlich, dass Ihre Schuhsohlen von Kindern in Bangladesch gegerbt wurden, die bis zur Hüfte in giftigen Chemikalien stehen? Und haben Sie schon mal darüber nachgedacht, wie schrecklich Tiere leiden müssen, nur damit Sie Ihre Lederhandtasche spazieren führen können?«

»So ein sentimentaler Blödsinn«, antwortete Frau Müller-Mertens nach einer Schrecksekunde. »Leute wie Sie sind nur neidisch, weil sie sich keinen Luxus leisten können. Sehen Sie sich doch mal an.«

Dana schaute an sich herunter. Unter ihrer weißen Schürze trug sie uralte Jeans, ein T-Shirt aus ungebleichter Baumwolle und Flipflops aus Naturkautschuk. Sie war immer noch mädchenhaft hübsch mit ihren goldbraunen Locken, den großen dunklen Augen und den allerliebsten Wangengrübchen. Aber absolut kein aufgebrezeltes Glamourweibchen.

»Genügsamkeit ist natürlicher Reichtum, Luxus künstliche Armut«, zitierte sie einen Spruch, der zu Hause an ihrem Kleiderschrank hing.

»Wie bitte?«

Dana holte tief Luft.

»Wenn Sie demnächst mit Ihrer kaviarbetriebenen Yacht rumschippern, werden Sie feststellen, dass die Meere leergefischt und biologisch tot sind. Weil Leute wie Sie keinen Funken Verantwortungsgefühl besitzen.«

»Ich höre mir das nicht länger an. In drei Wochen sind Sie verschwunden, oder …«

Frau Müller-Mertens ließ den Satz unheilvoll in der Luft hängen. Dana schoss von ihrem Stuhl hoch. Wie sehr sie diese aalglatte Frau hasste!

»Oder – was?«

»Die Pro Domo GmbH ist ein internationales Unternehmen mit einschlägigen Erfahrungen, was problematische Mieter betrifft«, erklärte Frau Müller-Mertens überheblich. »Falls Sie die rechtsgültige Kündigung ignorieren, werden wir entmieten. Das betrifft natürlich auch Ihre Wohnung über dem Lokal.«

O nein, nicht auch das noch! Danas Magen krampfte sich zusammen.

»Sie wollen eine alleinerziehende Mutter auf die Straße setzen, einfach so?«, rief sie verzweifelt.

»Das Leben ist keine Hippieparty, Frau Twilling. Einen schönen Tag noch.«

Damit stöckelte die Teufelin in Menschengestalt hinaus. Sie hinterließ den Duft eines penetranten Parfums und die Gewissheit, dass jetzt alles aus war.

Dana setzte sich wieder hin, vollkommen am Boden zerstört. Nicht nur, dass sie nie wieder ein Lokal mit einer so günstigen Miete bekommen würde. Es ging ja auch um Leonie. Alle ihre Freundinnen wohnten in diesem Viertel. Das Mädchen würde untröstlich sein, wenn es erfuhr, dass sie weit wegziehen mussten, in die Vorstadt, wo Wohnungen noch erschwinglich waren. Aber wie sollte Dana überhaupt in nur drei Wochen eine neue Wohnung finden?

»Was los? Guckst du wie Wetterfosch bei Tsunami«, lächelte Hung Tai, als sie in die Küche zurückkam.

»Wetterfrosch, es heißt Wetterfrosch. Und ein Tsunami ist ein laues Plätschern gegen diese Katastrophe«, grollte sie. »Irgend so eine große Immobilienfirma will mich rausschmeißen. Aus dem Lokal und aus meiner Wohnung. Die haben die Macht, das Geld – und ich das Nachsehen.«

Gedankenverloren zupfte Hung Tai an seiner weißen Kochmütze herum. Eine Weile hörte man nur das Zischen und Brodeln in den Töpfen und Pfannen.

»König besitzen Reisfelder, Volk treten Wasserräder – ist alte vietnamesische Sprichwort«, sagte er schließlich. »Aber ich auch Bibel lesen. Du kämpfen, Dana. Ist wie David gegen Goliath. Kleine David gewinnt gegen große Goliath. Wir sagen: Heuschrecke tritt Elefanten.«

Treuherzig lächelte er sie an und hob einen Daumen. Hung Tai war wirklich ein Schatz. Doch diese Sache ließ sich nicht mit einer Steinschleuder erledigen.

»Leider sind solche Immobilienfritzen eine Nummer zu groß für uns«, seufzte Dana. »Wenn wir nicht freiwillig gehen, werden die entmieten. Weißt du, was das heißt? Strom und Wasser abstellen, Fenster einschlagen, nachts Müll vor der Tür abladen. Bei den Nachbarhäusern haben sie es genauso gemacht. Mit Erfolg.«

Auf einmal kam Leben in Hung Tais schmächtigen Körper. Er schwang seinen Pfannenwender über dem Kopf wie ein Kriegsbeil, in seinem Gesicht lag ein ungewohnt kämpferischer Ausdruck.

»Dann wir machen genauso! Du mir sagen, wo Fritzen wohnen, ich bringen Müll und stellen Strom ab.«

Dana hätte ihn am liebsten umarmt. Seit zwei Jahren war Hung Tai stets an ihrer Seite, immer gut gelaunt, immer verlässlich. Und das, obwohl er sieben Kinder, einen Knochenjob und eine Stunde Anfahrt zum Bistro Paradies hatte. Ihre Augen füllten sich mit Tränen.

»Danke, du bist ein echter Freund«, schluchzte sie. »Aber solche illegalen Aktionen können wir uns nicht leisten. Sonst landen wir noch im Knast statt auf der Straße.«

»Kein Ungluck – keine Helden, wir sagen in Vietnam«, ließ Hung Tai vollkommen ungerührt seine nächste Weisheit vom Stapel. »Du schaffen alles. Kommen Ungluck, wirst du Heldin.«

Dana wischte sich die Tränen von den Wangen. Ungluck, Unglück, das war ihr gerade total egal.

»Vielleicht geschieht ja ein Wunder. Wie weit bist du mit der Tofu-Algen-Pfanne?«

»Fertig!«, antwortete er stolz. »Du probieren.«

Es schmeckte köstlich. Ein Fest der Aromen. Dank Hung Tai verfügte die Küche über das bestsortierte Gewürzregal jenseits von Vietnam, und so konnte er den Gerichten immer wieder eine einzigartig exotische Note verleihen.

Ein Rätsel blieb Dana allerdings, warum das sonst niemandem auffiel. Darüber dachte sie immer noch nach, als sie zwei Stunden später die Tische eindeckte und mit weißen Orchideenblüten in Wassergläsern schmückte. Mittlerweile war es fünf vor zwölf, in jeder Hinsicht. Lieber Gott, schick mir einen Gast, einen einzigen nur, dachte sie, sonst lege ich mich mit dem Fön in die volle Badewanne.

Ihr Gebet wurde erhört. Die Glastür öffnete sich, und ein Mann in Jeans und grauem Sweatshirt kam herein. Er mochte etwa Mitte dreißig sein, war schlank, hatte kurzes dunkelblondes Haar und trug eine schwarze Hornbrille, die sein schmales Gesicht fast erdrückte. Schüchtern nickte er Dana zu und hockte sich an einen Tisch in der hintersten Ecke.

Sie kannte ihn vom Sehen. Seit der veganen Revolution im Bistro Paradies war er der einzige Gast, der ihr die Treue gehalten hatte. Dana zwang sich zu einem Lächeln. Sie würde sich ihren Kummer nicht anmerken lassen.

»Einen schönen guten Tag und herzlich willkommen im Paradies«, sagte sie so munter wie möglich. »Ich bringe Ihnen gleich die Karte. Darf es schon etwas zu trinken sein?«

Verlegen starrte er auf seine Hände.

»Ein stilles Wasser, bitte.«

Das passte wie Deckel auf Topf. Selten hatte Dana einen derart stillen, in sich gekehrten Mann erlebt. Der lachte bestimmt nur an hohen Feiertagen. Sie wollte schon in die Küche gehen, als er plötzlich aufsah.

»Ich heiße übrigens Philipp.«

Jetzt war Dana platt. Noch nie hatten sie ein persönliches Wort gewechselt. Überrascht sah sie in seine wasserhellen Augen hinter der dicken Hornbrille, in denen auf einmal eine gewisse Wärme lag.

Sie streckte ihm die Hand hin.

»Dana. Freut mich, dass Ihnen mein Lokal gefällt.«

»Oh, es gefällt mir sogar sehr«, sagte er und schien sich selbst darüber zu wundern, dass er tatsächlich mit ihr sprach. »Ihre veganen Gerichte sind echt toll. Erstklassige Zutaten, perfekte Konsistenz und kreativ gewürzt, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf.«

Sprachlos starrte Dana ihn an. Sie konnte ihr Glück kaum fassen. Endlich mal einer, der nicht sagte, dass es komisch roch, und ihr stattdessen sogar Komplimente machte!

»Vielen, äh, Dank. Wir haben ein paar neue Gerichte auf der Karte. Bin gleich wieder da.«

Es fehlte nicht viel, und sie wäre in die Küche getanzt. Was machte es schon, dass das Lokal so gut wie leer war? Sie freute sich ein Loch in den Bauch über diesen begeisterten Gast.

Hung Tai musterte sie lächelnd.

»Mädchen ohne Mann ist wie Boot ohne Ruder.«

»Bei allem Respekt – manchmal muss es auch ohne Kerl gehen«, widersprach Dana. »Sieht nämlich ganz so aus, als ob Paul und ich …«

Sie betupfte sich die Augen mit einem Schürzenzipfel.

»Paul nicht lieben deine Essen«, stellte Hung Tai lapidar fest. »Dann Paul dich nicht lieben.«

War es so simpel? Dana dachte an die ätzenden Kommentare, die Paul ihr um die Ohren gehauen hatte. Ökoschlampe. Liebe hörte sich in der Tat anders an.

»Ist nette Mann – der da«, raunte Hung Tai und deutete mit dem Kopf zu dem kleinen Fenster, durch das man ins Lokal sehen konnte.

»Wer – der?« Dana schüttelte den Kopf. »Das ist nur ein Stammgast. Der kommt wegen des Essens. Veggiefan.«

»Hat verliebte Augen gemacht«, schmunzelte Hung Tai. »Augen sind Spiegel von Seele, sagt vietnamesische Sprichwort.«

Jetzt endlich dämmerte Dana, was der Koch ihr mitteilen wollte.

»Verstehe ich das richtig? Du meinst, ich bin ein Mädchen ohne Mann und da im Lokal sitzt mein zukünftiges Ruder? Entschuldige, aber ich glaube, bei dem reicht es gerade mal zum Tretbootfahren.«

Ihr Handy klingelte. Sie brauchte eine Weile, bis sie es aus der Hosentasche herausgeholt hatte.

»Ja?«

»Kind, ich bin’s«, hörte sie die Stimme ihres Vaters. »Paul war kurz nach dem Frühstück da. Er hat seine Sachen abgeholt. Das wäre nicht weiter schlimm, finde ich, aber da ist noch etwas: Er hat die Spülmaschine mitgenommen.«

»Neeiiiin!«, schrie Dana.

3

Im Leben jeder Frau gibt es ein paar Dinge, die einfach unverzichtbar sind. Dinge wie Lipgloss und figurformende Unterwäsche zum Beispiel.

Dana und ihr rosa Lipgloss aus dem Ökoladen, ohne Konservierungsstoffe, ohne Tierversuche, waren schon seit Jahren ein Dreamteam. Immer wenn sie unruhig oder nervös wurde, trug sie etwas Gloss auf, und schon fühlte sie sich besser. Der Sinn figurformender Wäsche verstand sich von selbst, wenn man nicht nur gern kochte, sondern auch gern aß.

Ganz oben auf Danas Hitliste stand jedoch die Spülmaschine. Ihr Kochstil erforderte Berge von Utensilien, auch zu Hause: Töpfe, Pfannen, Schüsseln, Siebe, Hackbretter, Mixer, Mörser, Messer, Kochlöffel, und zwar in jeder Form und Größe. Die Vorstellung, das alles demnächst per Hand abwaschen zu müssen, trieb sie in den blanken Wahnsinn.

Zitternd umklammerte sie ihr Handy, während sie Pauls Nummer wählte. Es sprang nur die Mailbox an.

»Paul!«, rief sie, »ruf mich sofort zurück! Ich kann nicht auch noch die Spülmaschine knicken, wenn du mir schon das Herz brichst!«

Ungeduldig horchte sie, als sei von der Mailbox eine Antwort zu erwarten. Doch es kam nur das übliche »Vielen Dank für Ihren Anruf«.

»Mistkerl.« Sie atmete schwer. »Der gehört püriert.«

Hung Tai sagte zur Abwechslung mal gar nichts, sondern rührte konzentriert im Brennnesselpesto herum. Nur die winzigen Fältchen in seinen Augenwinkeln verrieten, dass er dem Ganzen eine gewisse Komik abgewinnen konnte.

Dana war jedoch ganz und gar nicht zum Lachen zumute. Missmutig holte sie eine Flasche Mineralwasser aus dem Kühlschrank und stellte sie zusammen mit einem Wasserglas auf ein Tablett. Sie wollte es schon ihrem einzigen Gast bringen, als ihr Handy klingelte.

»Nur nicht die Nerven verlieren, Schnuckelhase«, tönte es ihr entgegen. »Du klingst ja wie angeknipst.«

»Wie sollte ich denn deiner Meinung nach reagieren? Dir auch noch den Staubsauger und die Waschmaschine hinterherschmeißen? Und überhaupt, es ist so – so bodenlos, dass du einfach ausgezogen bist.«

Obwohl sie sich fest vorgenommen hatte, cool wie ein Eiswürfelautomat zu bleiben, stiegen ihr Tränen in die Augen. Ja, sie war stark. Ja, sie konnte auch unbemannt ihren Mann stehen. Doch trotz allem, was Paul sich geleistet hatte, fehlte ihr seine starke Schulter. Nun fühlte sie sich nur noch mutterseelenalleingelassen mit dem ganzen Schlamassel.

»Es ist eine, hmm, Auszeit«, beteuerte Paul. »Ich wohne so lange bei einem Kumpel. Wir brauchen ein bisschen Abstand, Dana.«

So ein Schuft. Früher hatte es ihm gar nicht nah genug sein können. Dauernd hatte er sich beschwert, wenn sie erst spätabends aus ihrem Lokal nach Hause kam. Hatte von Zweisamkeit schwadroniert. Schuft, Schuft, Schuft.

»Abstand kannst du haben«, schniefte Dana. »Sicherheitsabstand. Wag es bloß nicht, noch einmal in meine Wohnung einzureiten, wenn ich nicht da bin. Außerdem will ich die Spülmaschine zurück.«

»Schon vergessen, dass ich sie zur Hälfte mitbezahlt habe?«

»Dann säg die Spülmaschine doch mittendurch, und wir spülen beide per Hand! Aber in meine Wohnung setzt du nie wieder auch nur einen Fuß!«

Hung Tai hob den Kopf und zwinkerte Dana zu. Mit dieser unerschütterlichen, amüsierten Gelassenheit, die manchmal ganz schön provozierend sein konnte.

»Ich – verdammt! Ich kann ja gar nicht mehr in die Wohnung!«, schimpfte Paul. »Hab’s eben versucht. Dein Vater hat das Schloss auswechseln lassen!«

Dana war so verdattert, dass das Tablett, das sie mit der linken Hand balancierte, in Schieflage geriet. Erst kippte die Wasserflasche um und zersprang auf dem Steinboden, dann rollte das Glas hinterher und zerbrach ebenfalls.

»Mein Vater hat – was?«

»Mein Schlüssel passt nicht mehr. Und dieser voll verspannte Oberlehrer hat nicht mal die Tür aufgemacht! Mir nur durch den Briefschlitz einen sturzblöden Vortrag über meine verwirkten Rechte als ehemaliger Lebensgefährte gehalten. Und von Hausfriedensbruch gefaselt.«

Schlagartig hob sich Danas Laune. O ja, in puncto nervige Vorträge war ihr Vater wirklich unerreicht. Aber dass er aus seinem eigenen Rausschmiss so schnell gelernt hatte, wie man sich unliebsame Besucher vom Hals hielt, wunderte sie dann doch. Es freute sie vor allem. So wie die Tatsache, dass Paul jetzt brüllte.

»Ich hab mein Ladekabel bei dir vergessen! Meine Taucheruhr! Mein Adressbuch! Die Siegerurkunde vom letzten Fußballspiel mit den Kumpels! Und mein Lieblings-T-Shirt liegt noch im Wäschekorb! Herr im Himmel, bieg deinem Alten bei, dass ich unbedingt noch mal in die Wohnung reinmuss!«

»Nicht rein, nicht raus, aus die Maus«, konterte Dana. »Her mit der Spülmaschine, oder dein Krempel …«, sie musterte den großen 1-a-Turbo-Profi-Gemüsemixer, der auf der Arbeitsfläche stand, woraufhin sich ein spitzbübisches Lächeln auf ihrem Gesicht malte, »ist so gut wie geschreddert. Ich entsorg’s umweltschonend im Sondermüll.«

Ein entsetztes Geheul gellte aus dem Handy, bevor sie die Verbindung kappte.

Rache war nicht gerade politisch korrekt, aber sie tat ungeheuer gut. Saugut, um genau zu sein. Deshalb ärgerte sich Dana kaum über die Scherben auf dem Boden, sondern fegte sie leise pfeifend zusammen. Dann holte sie eine neue Flasche und ein neues Glas für ihren einzigen Gast. Als sie ins Lokal kam, saß er immer noch geduldig an seinem Platz und betrachtete das Gewirr der losen Elektroleitungen, an denen zwei Spinnen herumkrabbelten.

Sie stellte das Glas auf den Tisch und goss es voll.

»’tschuldigung – Philipp? Richtig? Hat leider etwas länger gedauert.«

»Ist anscheinend nicht Ihr Tag«, sagte er schlicht.

Sein besorgter Blick, eingerahmt von den dicken Rändern der Hornbrille, traf Dana mitten ins Sonnengeflecht. Das Mitgefühl darin. Die kleinen Funken Sympathie, die ihr nie aufgefallen waren. Oder täuschte sie sich? Aber offenbar hatte er sowieso schon das meiste mit angehört. Wozu also den Gute-Laune-Bären spielen?

»Diesen Tag habe ich eindeutig aus dem Müll gezogen«, seufzte sie. »Mein Freund hat mich verlassen, eine fiese Immobilienfirma will mir mein Lokal und meine Wohnung wegnehmen, mein ziemlich anstrengender Vater ist bei mir eingezogen, und ich habe so wenig Gäste wie Bruce Willis Haare auf dem Kopf. Fehlen eigentlich nur noch Erdbeben und Vulkanausbruch.«

»Moment mal«, erwiderte Philipp. »Das am Anfang, könnten Sie das bitte noch einmal wiederholen?«

Dana räusperte sich.

»Mein Freund hat mich verlassen.«

»Oh, tut mir leid.« Er rückte seine Brille gerade. »Aber ich meinte das andere, das mit dem Lokal.«

»Immobilienhaie«, stieß Dana mit zusammengebissenen Zähnen hervor. »Die haben ja bekanntlich das Feingefühl einer Abrissbirne. Wollen hier alles in Schutt und Asche legen und einen mintgrünen Glasklotz in die Baulücke donnern.«

»Aha.«

Philipp machte eine Schippe wie ein Erstklässler, dem man seine Buntstifte weggenommen hatte. Niedlich sah das aus, und ein bisschen hilflos. Tretbootfahrer eben, dachte Dana. Netter Softie, ein bisschen weltfremd. Warum erzähle ich ihm das Ganze eigentlich?

»Haben Sie mal an eine Klage gedacht?«, fragte er, nachdem er bedächtig von seinem Wasser getrunken hatte.

»Die große Welle vor Gericht machen?« Sie schüttelte den Kopf. »Nie im Leben. Ein Zwerg wie ich hat doch keine Chance gegen diese Riesen.«

»Doch! Heuschrecke tritt Elefanten!«, erklang eine vergnügte Stimme.

Dana fuhr herum und entdeckte Hung Tais lächelndes Gesicht hinter dem geöffneten Fenster zur Küche.

»Tja, also, ich kenne da jemanden, der ist echt gut in so was«, meldete sich Philipp wieder zu Wort. »Einen Anwalt, Spezialgebiet Räumungsklagen.«

Dana zog einen Flunsch.

»Na toll. Dann ist doch wohl klar, auf wessen Seite der steht.«

»Sagen Sie das nicht«, widersprach Philipp. »Jens Andresen kämpft mittlerweile für die Mieter, nicht mehr für die Ver