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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

info@rivaverlag.de

1. Auflage 2015

© 2015 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Illustrationen: Felicia Englmann

Redaktion: Carina Heer

Umschlaggestaltung: Kristin Hoffmann

Satz: Carsten Klein

Druck: CPI books GmbH, Leck

Printed in Germany

ISBN Print: 978-3-86883-321-8

ISBN E-Book (PDF): 978-3-86413-384-8

ISBN E-Book (EPUB, Mobi): 978-3-86413-385-5

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Inhalt

Auf dunklen Schwingen: Der Albtraum vom Fliegen

Kranich und Co.: Eine kleine Airlinekunde

Wunder der Buchhaltung: Woraus sich der Flugpreis zusammensetzt

3,2,1 – ätsch! Die Buchung

Expeditionsvorbereitung: Zwischen Buchung und Abreise

Ihr Handgepäck: Das Überlebenspaket für alle Lebenslagen

Letzte Ausfahrt Sehnsucht: Der Flughafentransfer

Eigentlich wollten Sie nur noch das Gepäck aufgeben: Der Check-in

Von Flaschengeistern und Krämern: Die Sicherheitskontrolle

Alle Mann an Bord: Boarding

Fliegerdenglisch – Deutsch: Ein Schnellkurs

Eine verhängnisvolle Affäre: Die Crew und du

Kann’s losgehen? Die persönliche Checkliste vor dem Abflug

Zeit am Flugfeld liegen lassen: Was zwischen den Startvorbereitungen und dem Start geschieht

Die Sitznachbarn des Grauens: Eine Typologie

Na dann mal prost … Der Getränkeservice

Wroom-Tschlack-Wooom-Bäng: Der Klang der Lüfte

Nüsse, Eier, Nudeln: Essen an Bord

Hindernislauf für Einsteiger: Orientierung an Bord

Ein bisschen Spaß muss sein: Gute Unterhaltung!

Auf der anderen Seite der Zeitmauer: On-board-Entertainment

Die Phantome der Lüfte: Piloten

Drunter und drüber: Der Survival-Guide für Turbulenzen

Die Wahl der Qual: Shopping an Bord und Spendenaktionen

Klatschen oder Aufatmen? Die Landung

Im Niemandsland: Transfer und Gepäckabholung

Gibt’s ja wohl: Die zehn absurdesten Gepäckpannen der jüngeren Luftfahrtgeschichte

Na toll: Beim Zoll

Alles wieder auf Anfang: Meilen sammeln und einlösen

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Auf dunklen Schwingen:

Der Albtraum vom Fliegen

»Ich kann sprechen – kannst Du fliegen?« – diesen Satz des Wellensittichs Pukki werden Sie nie vergessen. Ihre Oma hat ein Jahr gebraucht, um Pukki diese Weisheit beizubringen, doch Oma und Pukki haben in Ihrer kindlichen Seele nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Sie konnten als Kind nicht fliegen. Der kleine Federfurz schon. Sie konnten mit einem Plastikflugzeug in der Hand durch die Wohnung rennen, der Federfurz hat Sie dabei überholt. Sie konnten mit rudernden Armen die Kellertreppe hinunterspringen, aber der Aufschlag unten war heftiger als erwartet. Sie erinnern sich noch an das Schimpfen Ihrer Eltern: »Du bist doch jetzt schon groß genug, um zu wissen, dass Menschen nicht fliegen können.«

Je nachdem, wann Sie geboren sind und welche Urlaubsund Freizeitphilosophie Ihre Eltern hatten, sind Sie aber als mehr oder weniger kleines Kind dann doch geflogen. In einem Flugzeug. Nach Malle an den Strand, auf Besuch zu Tante Barbara in Berlin oder zu Freunden Ihrer Eltern, die in Alaska ein Blockhütten-Hotel eröffnet haben. Haben Sie diesen ersten Flug in guter Erinnerung? Nein. Sie wissen noch genau, dass Sie damals zu den Eltern gesagt haben: Blöd, langweilig, wann sind wir da, langweilig, hier stinkt’s, das schmeckt nicht, langweilig, wann sind wir endlich da, mir ist schlecht. Wenn Sie erst als Jugendlicher oder Erwachsener zum ersten Mal geflogen sind, haben Sie das nicht gesagt, aber gedacht.

Sie wollen aber trotzdem wieder Fliegen. Weil Sie nach Malle wollen, zur Hochzeit Ihrer Freundin Jeanette nach Edinburgh oder weil der Chef Sie zu der Konferenz nach Han-Jin schickt, wo auch immer das ist. Das ist ein durchaus häufig vorkommender Fall. Viele vor Ihnen sind schon geflogen, und Sie selbst sind ja auch kein Erstflieger. Sie wissen im Grunde schon, worauf Sie sich einlassen. Und den Sturz von der Kellertreppe und die Langeweile haben Sie bereits vergessen. Das ist verständlich. Bei jeder gelungenen Ankunft freut sich der Flugreisende so dermaßen, dass der dann einsetzende Hormonrausch für eine emotionale Kurzzeitamnesie sorgt. Die Glückshormone löschen die Erinnerung an die vorherigen Qualen aus. Kaum ist man aus dem Flughafen raus, scheint alles doch eigentlich ganz toll gewesen zu sein. Ein bisschen so wie bei Frauen, die die Geburtsschmerzen vergessen, wenn sie das Neugeborene im Arm halten.

Ganz alltägliche Fälle aus Deutschland verdeutlichen jedoch, was passieren kann, wenn Menschen allzu leichtfertig fliegen anstatt zu Hause zu bleiben, mit dem Rad zu fahren oder den Kollegen zu überzeugen, die anstehende Dienstreise zu übernehmen.

Da ist zum Beispiel der Justizbeamte Markus Drogsbeck aus Rinteln. Er wollte eigentlich nur seinen alten Kumpel Wolfgang in Stuttgart besuchen. Anstatt für ein Bahnticket entschied er sich für einen extrem günstigen und schnellen Charter-Flug von Hannover nach Stuttgart. Als er jedoch am Flughafen ankam, erfuhr er, dass der Direktflug gestrichen war und man ihm statt dessen einen Business-Class-Flug mit Emirates von Hannover nach München und von dort aus ein ICE-Ticket anbieten könne. Erst an Bord merkte Markus, dass der Flug einen Stopover in Dubai hatte. Weil er die Zeit nutzte, um sich an Bord und in der Lounge zu betrinken, wurde er etwas renitent, als er erfuhr, dass die Maschine von Dubai nach München zwei Stunden Verspätung haben sollte, und beschimpfte das dortige Bodenpersonal. Daraufhin wurde er verhaftet, und weil er als Zeichen des Protests seinen Reisepass verspeist hatte, verbrachte er drei Monate in einem arabischen Gefängnis, bis ihn die deutsche Botschaft freikaufte. Weil er nun vorbestraft war, verlor er seinen Job als Justizbeamter, was ihm aber nichts ausmacht, da sein Gehalt ohnehin für die nächsten 20 Jahre gepfändet worden wäre, um der Botschaft die Kosten zu erstatten. Markus Drogsbeck lebt jetzt wieder bei seiner Mutter in Kleinenbremen.

Der Münchner Biologe Prof. Dr. Jens-Uwe Klausner etwa wollte zu einer Tagung nach Dubrovnik reisen. Sämtliche Angebote für Flüge überstiegen sein von der Universität vorgegebenes Budget bei weitem. Er beschloss, die Bahn zu nehmen. Da dies aber zwei extra Reisetage in Anspruch nehmen würde und Prof. Klausners Ehefrau ihrerseits zu einer Tagung nach Toronto musste, von der sie erst zurückkehren würde, wenn ihr Mann schon im Zug sitzen musste, beschloss Prof. Klausner, für die Zeit seiner Abwesenheit den 10-jährigen Sohn bei seinen Eltern unterzubringen. Diese leben zwar in Hannover, freuen sich aber immer ein Loch in den Bauch, wenn der Enkel zu Besuch ist. Prof. Klausner plante also, drei Tage vor Beginn der Tagung mit dem Auto nach Hannover zu fahren, von dort den Zug nach Dubrovnik zu nehmen und dann nach der Tagung die zweitägige Rückreise anzutreten. Frau Klausner kam dann auf die Idee, nachzuschlagen, was Flüge von Hannover nach Dubrovnik kosten würden. Und siehe da: Sie waren um mehr als die Hälfte günstiger, und das Umsteigen in München in genau den Flug, den Herr Prof. Klausner ursprünglich für sich ausgewählt und dann als zu teuer verworfen hatte, brachte nur zwei Stunden Wartezeit mit sich. Die Klausners waren begeistert und buchten den Flug von Hannover. So würden Enkel, Eltern und Großeltern glücklich. Doch als die Klausners dann am Flughafen in Hannover ankamen, sahen Sie, dass der Flug nach München storniert worden war. Wegen der niedrigen Buchungsklasse ihrer Tickets konnten Klausners keinen Ersatzflug bekommen, der den nächsten oder übernächsten Flug von München nach Dubrovnik hätte erreichen können. Sie fuhren also wieder zu den Großeltern zurück, und hatten ihre Liebsten eben noch freundlich zum Abschied gewunken, reagierten sie nun etwas muffig auf die Verlängerung des Besuchs. Um Klausners endlich loszuhaben, gab ihnen Opa Klausner das Geld für einen Direktflug von Hannover nach Tirana und für den Fernbus Albanien-Kroatien gleich mit.

Doch auch die körperlichen und seelischen Auswirkungen des Fliegens auf den Menschen selbst können ebenso fatale Folgen haben wie eine verpatzte Buchung. Auch wenn es keinerlei Probleme oder Verspätungen gibt, ist die Psyche des Menschen auf einer Flugreise akut gefährdet und kann irreparable Schäden davontragen. In der Psychiatrie gibt es die Diagnose »Failed-Flight-Syndrome« für Menschen, die geistig verwirrt und manchmal auch in verwahrlostem Zustand auf Flughäfen aufgegriffen werden. Typische Symptome sind, dass die Patienten nicht wissen, wo sie sich befinden und wie sie dorthin gekommen sind und mit entsetztem Gesichtsausdruck einzelne Sätze wieder und wieder vor sich hin stammeln. Es sind Sätze wie: »Barfuß. Ganz Barfuß. In die Bordtoilette.«, »Ich kann fliegen, könnt ihr sprechen?« oder auch nur »Beinfreiheit. Beinfreiheit. Beinfreiheit«. Die Patienten sind nicht aggressiv, sondern stets ausgesprochen erfreut und dankbar, wenn sich jemand ihrer annimmt, sie umsorgt und sich lange, lange Zeit nimmt, ihre Probleme anzuhören, und sie nicht abwimmelt, sondern ernsthaft nickt und ihnen verständnisvoll über den Kopf streichelt. Das »Failed-Flight-Syndrome« ähnelt stark einer Psychose, doch die Therapie ist deutlich einfacher und die Heilungschancen stehen bestens. Ein paar Tage Zuwendung, eine warme Mahlzeit mit viel frischem Gemüse und ein großes Bett zum Ausschlafen, danach können die meisten Patienten die Kliniken wieder verlassen. In Einzelfällen führt die Erkrankung zu einer ausgeprägten Wellensittich-Phobie. Die Gründe dafür sind noch nicht erforscht, denn der Koffer, in dem sich der Bescheid zur Bewilligung entsprechender Fördermittel befand, wurde bei einem Flug verschlampt und bereits 2012 in der Lost-Luggage-Versteigerung in Bulawayo/Simbabwe verkauft.

Fliegen ist also stets hochriskant. Doch auch nach der Landung kann noch einiges schief gehen. Sabine Kraushaar, Hausfrau und Mutter aus Frankfurt am Main, wollte zu ihrer Schulfreundin nach Dublin fliegen. Wegen des günstigen Preises wählte sie eine Verbindung über London Heathrow. Weil der Flug aus Frankfurt tatsächlich mit nur 30 Minuten Verspätung in Heathrow landete, blieben Frau Kraushaar mehr als zwei Stunden Aufenthalt in London. Da alle wichtigen Kaufhaus- und Ladenketten Großbritanniens Filialen im Wartebereich betreiben, nutzte Frau Kraushaar die Zeit für eine ausgiebige Shoppingtour. Beladen mit Tüten von Harrods, WHSmith, Tie Rack, Boots, Barbour und Alexander McQueen sowie mehreren Flaschen Whisky erschien sie zeitlich sehr knapp am Gate. Wegen der Menge an Tüten weigerte sich die Airline, Frau Kraushaar einsteigen zu lassen. Eine solche Menge sei auf Regionalflughäfen nicht zulässig. Sie könne aber einen Ersatzflug über Moskau nach Dublin bekommen, da auf internationalen Flügen mehr Gepäck erlaubt sei. Sabine Kraushaar kaufte sich einen Koffer, lud ihn mit ihren frisch erstandenen Schätzen voll, checkte diesen ein und freute sich auf ihren Ausflug nach Moskau. Dort hatte sie fünf Stunden Aufenthalt, gönnte sich zunächst eine große Portion Bratwürste mit Kaviar, sah sich in den Filialen von GUM und Escada um und traf dann nette junge Männer, die sie im Restaurant zum Wodka einluden. Und dann zu noch einem. Weil sie deswegen den Flug nach Dublin verpasste, wurde sie auf eine Maschine über Stockholm umgebucht. Das letzte Mal gesehen wurde Sabine Kraushaar im Warte- und Transferbereich des Flughafens Astana in Kasachstan, wo sie einen improvisierten Stand mit Luxusartikeln aus aller Welt eröffnet hat.

Dies sind nur drei ganz alltägliche Geschichten, die deutlich zeigen, was der sprichwörtliche Albtraum vom Fliegen für ganz durchschnittliche Menschen bedeuten kann.

Sie haben sich dann also für eine Reise mit der Bahn, dem Auto oder dem Rad entschieden. Das ist klug. Völlig logisch. Und total natürlich. Verlassen Wellensittichküken etwa freiwillig ihr Nest, um zu fliegen? Nein. Sie müssen aus ihrer warmen, gemütlichen Bruthöhle klettern und losfliegen, weil sie drinnen von den Eltern nichts mehr zu essen bekommen und es im Nest zu müffeln beginnt. Sollen also die kleinen Federfurze ruhig sprechen lernen, Fliegen ist nichts für Menschen. So.

Sie sind sich eigentlich sicher, dass Sie mit der Bahn, dem Auto oder dem Rad verreisen wollen. Sie kennen Fälle wie die von Markus Drogsbeck oder Prof. Klausner von Leuten aus Ihrem Freundeskreis. Sie wissen also, dass Fliegen keine gute Idee ist. Aber dann war da neulich so eine wunderbare Dokumentation im Fernsehen … Traumstrände mit bunten Fischlein und Bungalows auf Stegen mitten im Meer. Ihre Freunde haben Ihnen das Fotoalbum einer Kanada-Rundreise gezeigt. Der Chef sagt, Sie dürfen bei der nächsten Geschäftsreise nach Hamburg das Flugzeug nehmen anstatt der Bahn. Super, oder? Sie haben eine Zeitschrift gekauft, in der etwas stand über Wellness & Mountainbiken in Südafrika – könnte das nicht Ihnen und Ihrem Schatz gleichermaßen gut gefallen? Ihr Kollege schwärmt noch immer von der Tagung im chilenischen Punta Arenas, wo er so wunderbare Menschen kennengelernt und so großartige Steaks gegessen hat, dass er jederzeit sofort wieder hinfliegen würde, zumal er auf der Reise Zeit hatte, endlich alle Harry-Potter-Bände am Stück zu lesen.

Sie beginnen also, im Internet auf Reiseseiten zu stöbern. Halt! Vorsicht! Seien Sie auf der Hut! Die Reiselust wird Sie dazu verleiten, alles zu vergessen, was Sie gehört und vielleicht auch selbst erlebt haben, und einen Flug zu buchen. Sie werden alle Warnungen und Erfahrungen ignorieren und sich mit dem Reisefieber infizieren. Die wunderschönen Bilder vom Meer, von Burgen und Tempeln, von Wäldern und Tellern voller Essen, von lachenden Menschen – ihr Anblick überträgt das Reisefiebervirus. Das tückische an diesem Erreger ist, dass er sich immer seinem Wirt anpasst. Es besteht aus den Bestandteilen der Orte, an denen der Wirt schon einmal war, und jenen, die der Wirt gerne noch besuchen möchte. Es kann gleichermaßen an die Sehnsuchtszellen oder die Erinnerungsmatrix andocken und kommt manchmal auch mit ganz niedlichen Details daher, etwa so:

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Erkennen Sie diesen Erreger wieder? Oder sieht Ihr Reisefiebervirus ganz anders aus? Mit einer Hello-Kitty-Haarspange aus Japan, einem Gürtel aus Tannenzapfen aus dem Fichtelgebirge und Füßen wie die Trittbretter eines Cable Cars in San Francisco? Zeichnen Sie es auf die nächste Seite:

 

 

 

 

Wenn Sie mögen, teilen Sie es auf der Facebook-Seite »Wi wisch ju ä blesänd flight«, um andere Leser vor dem hochansteckenden Virus zu warnen (www.facebook.com/wiwischju). Denn die Folgen sind verheerend – die Infizierten klicken willenlos »Ja, verbindlich buchen!«, wenn Sie eine Komponente ihres Reisefiebervirus auf einer Website entdecken. Es kann schon eine Palme sein, und schwupp, ist es geschehen. Es gibt nur eine einzige Möglichkeit, sich vor einem Ausbruch der Krankheit zu schützen: Sie dürfen ausschließlich auf den Seiten regionaler deutscher Tourismusanbieter, der Bahn und von Busunternehmen, die in die deutschen Nachbarländer fahren, surfen. Achten Sie darauf, keine »Rail & Fly«-Angebote anzuklicken und sehen Sie auch nicht nach, ob ein Flug nach Prag günstiger ist als eine Fahrt mit dem Expressbus, oder ein Flug nach Paris schneller als der Nachtzug mit Liegewagen. Oder ob es in einer Safari Lodge in Namibia vielleicht doch romantischer ist als in einem Hotel Garni im Sauerland. Denn das ist nicht so. Sehen Sie sich Dokumentationen über das Wattenmeer und den Bayerischen Wald an, kaufen Sie eine Jahreskarte für Ihr örtliches Freibad und investieren Sie in ein neues City-Bike.

Aber Vorsicht! Weil Sie auf Reiseseiten waren, sehen Sie nun, sobald Sie den Rechner hochfahren, Werbung und Sonderangebote für Reisen und Reiseseiten. Darauf sind niemals Flughäfen, Flugzeuge oder gar Flugzeuge von innen abgebildet, sondern immer Traumstrände, historische Altstädte und fröhliche, hübsche Reisende. Weil Sie mit dem Reisefiebervirus infiziert sind, sind Sie willen- und machtlos und werden darauf klicken. Und irgendwann landen Sie doch auf einer Seite, die Flugreisen anbietet. Dann packt Sie nicht nur das Reisefieber, sondern obendrein fangen Sie sich vielleicht sogar die noch fiesere Abart des Reisefiebervirus ein: das Fernwehvirus. Dieses funktioniert ähnlich wie ein Zombievirus, es überträgt sich quasi durch die Luft und schaltet das Gehirn aus. Man will nur noch eines: Weg! Weg! Weg! Möglichst weit! Mit dem Flugzeug! Jawohl!

Wahrscheinlich haben Sie ihn sich schon eingefangen – sonst hielten Sie doch nicht dieses Buch in den Händen …

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Kranich und Co.:

Eine kleine Airlinekunde

Es zählt nur eine einzige Airline: nämlich, diejenige, die zum günstigsten Preis und zur besten Zeit von Ihrem Heimatflughafen zu Ihrem Ziel fliegt. Ob dies eine Linien-, Charter- oder Billig-Airline ist – interessiert das irgendjemanden? Oh ja, das tut es. Alle, die keine Flug-Pragmatiker sind, fuchsen sich in die Airlinekunde hinein. In der Luft geht es grundsätzlich zu wie auf der Straße: Es gibt verschiedene Wagenklassen, die üblicherweise auf verschiedenen Spuren unterwegs sind. Von den Lastwagen der Luft bekommen Fluggäste normalerweise nichts mit. Cargo-Maschinen steuern die Cargo-Terminals an und manchmal sogar eigene Cargo-Flughäfen. Cargo, Luftfracht, kann alles sein: die Ananas für den Supermarkt, die Panzer und Waffen für ein Krisengebiet ebenso wie die Hilfsgüter, die im selben Gebiet verteilt werden. Air-Cargo ist nicht lustig, Cargo ist einfach alles, was nicht per Schiff oder Lastwagen kommt. Nur im Film »Cast away – Verschollen« ist Cargo lustig, denn Tom Hanks reißt Luftfrachtpakete auf, findet dort alles Mögliche, (außer etwas wirklich Nützlichem) und bastelt sich dann aus einem per Luftpost verschickten Volleyball einen Freund. Wer nicht gerade Tom Hanks, ein Volleyball oder ein Logistiker ist, wird mit Cargo-Fliegern nie in Kontakt kommen. Das gilt auch für die Flieger auf der ganz linken Spur der Luftautobahn, den Rasern der Lüfte: Kampfjets und anderes militärisches Fluggerät. Wohl dem, der Zivilist ist und es nur aus der Ferne am Himmel vorbeizischen sieht.

Bleiben die mittleren Spuren, die sich alle Airlines teilen müssen. Wie Sie schon vermuten, sind sie sich sehr ähnlich, wollen es aber nicht sein, und arbeiten hart daran, sich zu unterscheiden: in Linienfluggesellschaften, Charterfluggesellschaften und Low-Cost-Carrier.

Linienflieger sind die Mittelklassewagen des Himmels – brav, zahlreich, international, irgendwie ähnlich und doch jede für sich irgendwie besonders, und wenn das Besondere nur der putzige Kimono-Schnitt der Stewardessenuniformen ist. Linienflieger haben einen Flugplan, der Monate vorher feststeht und dann auch abgeflogen wird, egal, ob die Maschine krachvoll ist oder nur drei Leute drinsitzen. Linienflieger haben mindestens zwei Klassen: Business und Economy. Die Business-Sitze sind immer vorne im Flieger, bieten genügend Platz für Beine und Bordgepäck, mehr Service, besseres Essen und mehr Freigepäck im Laderaum. Die Sitze der Economy-Class, nach den hölzernen Sitzbänken uralter Eisenbahnwaggons auch Holzklasse genannt, sind hinten im Flieger. Hier stapeln sich die Normalos aufeinander. Damit die schön neidisch werden, müssen sie beim Einsteigen immer erst durch die Business Class schlurfen, bis sie bei ihren Sitzen ankommen. Besonders große Flieger haben eine superluxuriöse First Class. Durch die darf das Normalvolk nicht mal durchschlurfen. Der neueste Gag ist die »Economy Plus«-, oder »Premium Economy«-Klasse: etwas mehr Platz und etwas mehr Chichi. Für mehr als etwas mehr Geld.

Manchmal sind Linien-Airlines staatlich. Besonders dann, wenn sie aus seltsamen Ländern kommen. Wenn ein Staat nur eine einzige Airline hat, ist dieser Staat meistens eine Diktatur, der es schlecht geht. Die DDR hatte nur die Interflug. Der Iran und Saudi-Arabien haben diverse staatliche und private Airlines. Nordkorea hat die Air Koryo. Deren Symboltier ist übrigens ein Kranich – aber das bedeutet nur, dass Nordkorea mit dem internationalen Trend geht. Der Kranich, ein Zugvogel, ist der internationale Symbolvogel der Zivilfliegerei und pappt auch auf Flugzeugen aus Litauen, Japan, Polen, Singapur und China.

Am Symboltier lässt sich die Gattung einer Linienfluggesellschaft nicht erkennen. Am Preis für die Tickets manchmal, aber längst nicht immer, da können die Billigflieger behaupten, was sie wollen. An den Fluggästen und Zielen erkennt man die Art der Airline schon eher. Denn im Gegensatz zu Linienmaschinen fliegen Chartermaschinen fast ausschließlich an Urlaubsorte, entsprechend tragen die Gäste FlipFlops, bunte Hemden, knielange Hosen oder geblümte Kleidchen, Fototaschen, eventuell auch Hüte in Bierfassform. Die Flugzeuge werden zur Urlaubssaison zwischen Ostern und September von Reiseveranstaltern gemietet, um Touristen in die Ferien und wieder nach Hause zu bringen. Außerhalb der Ferienzeiten sind die Charterflüge deutlich weniger, und es gehen auch während der Hauptsaison nur so viele, wie tatsächlich benötigt werden. Charterflüge sind die Fernbusse der Lüfte: voller Leute, die praktisch denken und einfach nur ans Ziel kommen wollen, die ein günstiges Angebot einem exotischen Ziel vorziehen. An Bord sind alle gleich – es gibt keine unterschiedlichen Sitzklassen. Die meisten Charterfluggäste haben eine Pauschalreise gebucht, sind rundum sorglos und in Urlaubslaune. Die kann ihnen eventuell schon am Gate verhagelt werden, denn Charterflieger sind diejenigen, die – wie Fernbusse von den Mittelklassewagen – überholt werden. Die Charterfluggäste erkennt man dann daran, dass sie sich mit letzter Kraft am Tresen der Abflugbar am Gate festhalten, wo sie seit zehn Stunden auf ihren Flug warten und bereits nach fünf Stunden ihre Urlaubskasse für ein Clubsandwich und zwei Weizen auf den Kopf gehauen hatten. Mancher bietet dem Schankkellner in der elften Stunde seine neue Kamera im Tausch gegen ein letztes Bier.

Ob bei der Abfertigung am Gate, in der Flugzeugschlange beim Take-Off oder im Hinblick auf die Zeit, die zwischen Landung und dem Herbeirollen der Treppe zum Aussteigen vergeht: die Linienflieger haben die Nase vorn. Gesetzlich eingebaut ist ihre Vorfahrt nicht, aber wie bei einem schwereren Wagen oder S.U.V. auf der Autobahn haben die Busse das Nachsehen. Und die untermotorisierten Kleinwagen natürlich auch – das wären dann die Low-Cost-Carrier, auch Billigflieger genannt.

Charterfliegern und Billigfliegern ist gemeinsam, dass sie meistens in zweiter Reihe parken müssen. Die Plätze in der ersten Reihe am Terminal, wo die schicken Einsteigerüssel bis ans Flugzeug heranreichen, gehören den Linienfliegern. Charter- und Billigflieger bleiben irgendwo draußen auf dem Rollfeld stehen. Anstatt des Ein- und Aussteigerüssels bekommen die Passagiere eine schicke Flughafenrundfahrt im Bus und eine Nase Kerosin sowie bei Regen eine kleine Erfrischung gratis dazu. Das ist dann aber schon das einzige kostenlose Extra. Es gibt allerdings Gerüchte, dass eine Billig-Airline demnächst eine zusätzliche Gebühr von zwei Euro pro Fluggast für die Flughafenrundfahrt erheben will und 50 Cent Zuschlag, wenn es eine Regenerfrischung gibt – es sei denn, der Fluggast mietet sich vom Personal einen Schirm für zwei Euro. Der Unterschied zwischen Charterfliegern und Billigfliegern ist, dass Billigflieger die kostengünstige Alternative zum Linienflieger sein wollen und nicht auf gemütliche Pauschaltouristen, sondern auf pfennigfuchsende Individualreisende setzen. Das mögen Ibiza-Urlauber sein, die sich die Partysause selbst im Internet zusammenstellen, geizige Geschäftsleute, pendelnde Fernbeziehungspaare oder Geheimagenten mit kleinem Budget. Während Chartermaschinen ausschließlich Urlaubsziele mit einer Bettenkapazität von mindestens 20000 ansteuern, setzen Billigflieger auch auf Städteverbindungen. Wer soll sonst auch die ganzen Scheidungskinder der Karrieremenschen zwischen Berlin, Paris und London hin und her schippern und die Junggesellenabschiede zu ihren Sauf-Wochenenden nach Prag und Riga bringen?

Und so funktionieren Billig-Airlines: Sie tun nur so, als wären sie billig, in Wahrheit kosten Flüge mit ihnen mehr als mit der Linie, ja sogar manchmal mehr als ein Business-Class-Ticket (besonders, wenn man ein Business-Class-Ticket für eine Billig-Airline bucht, was bizarrer Weise inzwischen möglich ist). Man erkennt sie daran, dass sie am weitesten außerhalb parken, wie die Autofahrer, die sich das Geld für einen offiziellen Parkplatz bei einem Event oder Festival sparen wollen und lieber 20 Minuten einen Parkplatz suchen und dann eine halbe Stunde durch den Matsch stampfen, als etwas fürs Parken auszugeben. Billig-Airlines erkennt man auch daran, dass sie bevorzugt Flughäfen anfliegen, die sonst niemand kennt oder die nicht einmal in der Nähe des Ziels liegen. Das geben die Billig-Airlines aber natürlich nicht zu. Sonst würde ja niemand mit ihnen fliegen wollen. So wird aus dem Flughafen Augsburg schnell einmal der Airport München West, aus der ollen Piste in Hahn im Hunsrück der Airport Frankfurt-Hahn oder aus dem Flughafen Pisa der zentrale Flughafen der Toskana, obwohl er deutlich näher an Ligurien liegt als an Florenz, dem toskanischen Touristen-Hotspot. Im Internet sind auch schon extrem günstige Ticket-Angebote aufgetaucht, die den Flughafen Tokyo Nord mit guter Fähranbindung ans Stadtzentrum anpriesen – tatsächlich aber die russische Hafenstadt Wladiwostok anflogen, von wo es nur ein paar hundert Seemeilen nach Japan sind. Gäste von Billig-Airlines erkennen Sie daran, dass sie völlig desorientiert durchs Flughafengebäude stolpern und den Schalter zum Check-in nicht finden, da dieser sich in 200 Kilometern Entfernung am Rand eines seit den 1990er-Jahren aufgegebenen ehemaligen Bundeswehrflughafens befindet. Und daran, dass sie an Bushaltestellen und Regionalbahnhöfen in der Provinz auftauchen und fragen, wann der nächste Pendelzug in die Hauptstadt geht. Die Gemeinde Klein Berßen im Emsland hat deswegen bereits eine Erstaufnahmeeinrichtung für Mandarin sprechende Verirrte eröffnet. Denn irgendein asiatischer Low-Cost-Carrier scheint seine Fluggäste an einem Rollfeld in der Sprakeler Heide zu entlassen, das bisher nicht einmal die Einheimischen entdeckt haben – und die Tickets dafür auf das Ziel »Amsterdam Ost« ausgestellt. Die auch psychologisch geschulten Dolmetscher dort haben vor allem die Aufgabe, zu erklären, dass die Fernbusfahrt auf der eigens eingerichteten Linie vom Emsland nach Amsterdam etwa fünf Stunden dauert, der Anschlussflug nicht erreicht wird und von Klein Berßen aus auch nicht umbuchbar ist. Die meisten Gäste aber hatten aus Spargründen ohnehin Tickets geordert, die nicht umbuchbar sind. Ein Linienflug hätte nur etwa 30 Euro mehr gekostet.

Wer sind die Pappnasen, die sich einen solchen Flug andrehen lassen? Eben alle die, für die es nur eine Airline gibt: diejenige, die am schnellsten zum günstigsten Preis dem Ziel am nächsten (ach ja!) kommt.

Mit Airlines ist es aber nicht nur wie mit Autos auf der Straße, sondern auch mit Autos im Laden: Die Marke zählt. Nicht für jeden, aber doch für einige, die dann das Image der Marke prägen. Dem Normalflieger ist’s gleich, denn der nimmt immer die Airline, die ihn am günstigsten und zu den besten Zeiten an sein Ziel bringt. Aber es gibt immer diese besonderen Typen, die man in jedem Flughafen trifft, und die sich ganz genau ihrer Airline zuordnen lassen.

Da ist etwa der Business-Fuzzi – immer einen Anzug an, immer das neueste iPhone an der Backe, immer einen Trolley im Schlepptau. Denen ist es wichtig, Linie zu fliegen, denn Linie bedeutet für sie Business. Sie sind Geschäftsleute und Vielflieger oder Geschäftsleute, die gelegentlich fliegen, aber gerne Vielflieger wären. Guido Fottner, ein mittelständischer Unternehmer aus der Nähe von Stuttgart, meidet konsequent Flüge mit Billig-Airlines, denn er findet, er und seine Arbeit sind es sich wert, standesgemäß unterwegs zu sein. Er fährt lieber mit dem ICE von Stuttgart nach Frankfurt und steigt dort in ein passendes Flugzeug nach Mailand ein, als bei der Wahl der Airline faule Kompromisse einzugehen. Guido ist außerdem Gewohnheitsmensch und fühlt sich immer dort am wohlsten, wo er alles schon kennt. Er liebt es, wenn das Gate immer die gleiche, vertraute Farbe hat, die Flugzeuge immer das gleiche Emblem tragen, die Flugbegleiterinnen die gleichen Uniformen und es auch immer den gleichen Snack gibt. Er mag es, Zeitungen zu bekommen und Gratisgetränke, die gibt’s nämlich in den Billigfliegern nicht, und er mag auch das kleine Logo auf der Serviette und dem Besteck. Manchmal nimmt er Teile des Bestecks mit nach Hause, damit er sich auch dort fühlen kann wie im Flugzeug. Fliegen, das bedeutet für ihn, dass er jemand ist – einer, der auf Messen fährt, der große Internationale Deals einfädelt und der, okay, auch mal auf Montage muss, denn der Betrieb von Guido Fottners Familie stellt hochtechnische Geräte her, wie er gerne herumerzählt. Guido fliegt vor allem Linie, um sich selbst seiner Wichtigkeit zu versichern. Er hat die Bluray von »Up in the Air« mit George Clooney als Vielflieger schon mindestens 257 Mal angesehen und träumt davon, bei einer Milliarde Bonusmeilen ebenfalls eine Kundenkarte aus glänzendem Edelmetall mit persönlicher Gravur zu bekommen. In Wirklichkeit ist Guido allerdings ein ganz kleines Würstchen, das von den Eltern, denen der Betrieb gehört, herumkommandiert wird, aber das muss ja niemand wissen, der Guido unterwegs trifft. Derzeit hat Guido den silbernen Vielflieger-Status, eine Stufe über dem Einsteiger-Status, aber das wird sich ändern, das weiß er. Schneller ginge es natürlich, wenn er Business-Class flöge, aber die gönnen ihm die Eltern nicht.

Business-Class ist etwas für echte Linien-Vielflieger wie den Galeristen Cyril Steyner aus Hamburg. Er heißt eigentlich Markus Bauer, aber schon zu Beginn seines Studiums legte er sich einen weltmännischeren Namen zu. Cyril ist Vielflieger von Berufs wegen. Er reist zu Kunstmessen, Ausstellungen, Künstlern und Kunden. Im Gegensatz zu Guido Fottner hat er nicht eine, sondern verschiedene Vielfliegerkarten, die meisten im höchsten Status. Ihm ist egal, welche Airline er nimmt, er will einfach nur möglichst schnell ans Ziel. Bonusmeilen hat er sowieso immer genügend. Seine Assistentin entscheidet, was gebucht wird, und nimmt den günstigsten Flug, es sei denn, es gibt einen, der ein wenig mehr kostet und ein 200-faches Meilenplus bringt. Mit den Meilen bucht sie dann gerne das Hotel. Manchmal bestellt sie sich auch von den Meilen des Chefs etwas Schönes aus dem Meilensammlerkatalog. Cyril Steyner ist egal, mit wem er fliegt, Hauptsache Business- oder First Class. Dass es Low-Cost-Carrier gibt, weiß er aus der Zeitung. Da er keinen Urlaub an Touristenzielen macht und auch keine Freundin hat, die da mal hin wollen würde, ist er noch nie Charter geflogen. Cyril Steyner ist ein Überflieger. Oder ein Schnösel, je nachdem. Jedenfalls ist er genau der Typ, den die Familie Bickelbacher aus Bad Vilbel nicht leiden kann – schon allein deshalb, weil er Vielflieger ist und dabei nicht auf seinen CO2-Fußabdruck achtet. Axel und Sarah Bickelbacher sind achtsam. Daher fliegen sie nur ein Mal pro Jahr in den Urlaub. Weil sie dort möglichst viel schöne gemeinsame Zeit verbringen möchten, besonders mit ihrem Sohn Leon-Luca, buchen sie immer eine günstige Reise im Internet und wählen Billigflieger, um Leon-Luca vor Ort mehr bieten zu können. Auslandsreisen sind wichtig, um schon bei Kindern Toleranz im Herzen zu verankern, finden die Bickelbachers. Sie sind daher im vergangenen Jahr ganz bewusst in die Dominikanische Republik geflogen, damit Leon-Luca sehen kann, dass andere Kinder nicht so viel zu essen haben wie er. Auch Luxusurlaub wie etwa den in 5-Sterne-Hotels vermeiden Bickelbachers ganz bewusst, da Luxus den Charakter verdirbt. Wer Axel Bickelbacher einen Geizkragen nennt, der bekommt einen Vortrag über bewussten Konsum zu hören und dass dieser ja auch mit wenig Geld möglich sei, seit es etwa in Discountern auch Bio-Produkte gebe. Sarah Bickelbacher fügt dann noch hinzu, dass sie bei der Buchung ihrer Reisen darauf achte, die zwei Euro extra zum Ausgleich des ökologischen Fußabdrucks mit zu bezahlen. Bickelbachers also fliegen mit dem Low-Cost-Carrier.

Und kennen Sie die Muggenthalers? Die beiden älteren Herrschaften aus Berlin sind typische Charter-Flieger. Ihnen ist es wurstegal, mit wem sie fliegen, denn sie interessiert die Studienreise mit anschließendem Badeurlaub an ihrem Traumziel. In Indien waren sie schon, in Mexiko und in Äthiopien; Sizilien und den Peloponnes heben sie sich für die Zeit auf, wenn sie etwas gebrechlicher sind. Heiner Muggenthaler möchte jetzt gerne einmal nach Andalusien, seine Frau Evi zieht es eher nach Moskau und St. Petersburg. Ihre Reisen wählen die Muggenthalers sorgfältig aus Katalogen aus, in denen auch irgendwo steht, mit welcher Airline sie fliegen, aber das interessiert die beiden herzlich wenig. Den Unterschied kennen sie ohnehin nicht. Bei der Reise an die türkische Riviera waren sie allerdings überrascht, dass der Flug zwei Stunden Verspätung hatte und ihre Mitreisenden die Zeit nutzten, um an der Bar im Terminal vorzuglühen. Muggenthalers gehen in der Zeit lieber im Terminal spazieren und suchen auf der Abflugtafel neue Fernwehziele.

Für die Muggenthalers gilt dasselbe wie für Sie: Es gibt nur eine einzige Airline. Was jedoch kaum jemand weiß: Das stimmt sogar. Alle Airlines der Welt gehören nämlich in Wirklichkeit dem britischen Unternehmer Richard Branson, wie die Verbraucherzentrale Bielefeld herausgefunden hat. Marken- und Discounterkekse in verschiedenen Geschmacksrichtungen kommen schließlich auch aus derselben Fabrik. Und Autos verschiedener Hersteller sind manchmal baugleich. Unterschiedliche Preise und unterschiedliche Etiketten dienen nur dazu, das Produkt verschiedenen Zielgruppen schmackhaft zu machen und Vielfalt und Auswahl zu suggerieren, wo es in Wirklichkeit doch überall denselben Verdruss gibt. Die Strategie hat funktioniert. Branson baut laut Informationen der Verbraucherschützer von dem erwirtschafteten Umsatz Weltraumbahnhöfe in Lappland, Texas und Kasachstan und hat sich zum Privatvergnügen außerdem bereits die helle Seite des Mondes, die Insel Pitcairn und die Gemeinde Bad Kleinkirchheim gekauft. Leider halten fast alle Menschen diese Meldung für einen Aprilscherz und gehen daher auf die Suche nach dem besten und günstigsten Flug für ihre Reise – und nach der besten Airline.