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Vorwort des Herausgebers

Die Commedia, wie sie ursprünglich hieß, ist ein Werk, das ihresgleichen sucht. Als fulminanter Parforceritt durch die Hölle, das Fegefeuer und das Paradies, mit dem Autor als Ich-Erzähler, eröffnete die Commedia neue literarische Welten. So dass August Wilhelm Schlegel in einem denkwürdigen Essay (1791) schrieb, dass neben ihr alle Werke der Zeitgenossen, »nicht nur in Italien, sondern in ganz Europa, wie Missgeburten und Zwergengestalten« aussähen.

Überhaupt: Kein anderer Dichter vor und nach Dante (1265–1321) wurde so oft, so umfangreich und mit solchem intellektuellen Aufwand analysiert und kommentiert – eine Entwicklung, die schon mit Dantes jüngerem Zeitgenossen Giovanni Boccaccio (1313–1375) begann, der die Commedia verehrte, und ihr den Zusatz »göttlich« gab – was sich primär nicht auf den Inhalt, sondern auf die geradezu übermenschliche Inspiration und dichterische Qualität des Werkes bezog. Seit dem 16. Jahrhundert hat sich dieses Beiwort in den gedruckten Ausgaben als fester Bestandteil des Titels etabliert.

Gleichzeitig ist die Commedia ein ur-italienisches Werk, vielleicht das italienischste aller Zeiten, und macht den Zugang für Denker aus anderen Kulturkreisen manchmal nicht ganz einfach – bis heute. Schiller notierte süffisant, Dantes Himmel sei ›viel langweiliger als seine Hölle‹, und Goethe wurde in Rom beschieden, er solle als Ausländer auf das Verständnis Dantes lieber gleich verzichten. Wenn man aber im deutschen Sprachraum etwas finden will, was der Bedeutung der Commedia halbwegs gleichkommt, so wäre es Goethes Faust.

Doch die Commedia entstand Jahrhunderte früher. Dante Alighieri, der florentinische Dichter (und Politiker), begann sie wahrscheinlich um das Jahr 1307 zu schreiben und vollendete sie erst kurz vor seinem Tode, 1321. Die bemerkenswerte Dichtung steht, wie man in der Rückschau sieht, an der Schnittstelle zwischen Mittelalter und Renaissance – und begründete die italienische Sprache als Schriftsprache. Denn alle anderen an seiner Stelle hätten für das Langgedicht Latein verwendet. Doch Dante wollte auch von den »einfachen Weibern« verstanden werden, nicht nur von wenigen Gelehrten. Um präzise zu sein: Dante, Petrarca und Boccaccio, drei Toskaner also, sorgten mit ihren Werken dafür, dass die toskanische Mundart zur Nationalsprache Italiens wurde. Und Dante machte dabei den Anfang.

Formal ist die Göttliche Komödie ein Langgedicht: Ein einführender Gesang und dreimal dreiunddreissig Gesänge, die den drei Jenseits-Sphären zugeordnet sind, ergeben die Zahl Hundert. Die Reime sind dabei so angeordnet, dass der zweite Vers eines jeden Dreizeilers – der von Dante erfundenen ›Terzine‹ – die Reime für den ersten und dritten Vers der darauf folgenden Terzine bestimmt. Diese Konstruktion ermöglicht eine durchgehende Reimverschlingung von der ersten bis zur letzten Zeile eines jeden Gesanges.

Die hier verwendete Übersetzung von Richard Zoozmann behält dies bei und darf als eine der besten gelten, weil sie sowohl dem Sprachstil Dantes als auch dem inhärenten Sinn aufs bestmögliche gerecht wird. Die sehr kenntnisreichen Überlegungen des Übersetzers dazu finden Sie im Nachwort am Buchende.

Es gibt wohl kaum ein Werk, das so häufig und von so vielen Künstlern illustriert wurde, wie die Commedia. Um nur einige zu nennen: Sandro Botticelli, Baccio Baldini, Joseph Anton Koch, Eugène Delacroix, William Blake, Anselm Feuerbach, Franz von Bayros, Salvador Dalí. Die Illustrationen in diesem eBook stammen von einem der bekanntesten Dante-Illustratoren, Gustave Doré (1832–1883).

 

Inhalt

Das Werk schildert Dantes Reise durch die Hölle (Inferno), über den Läuterungsberg (Purgatorio), bis hin ins Paradies (Paradiso). Die Hölle und das Paradies sind jeweils in Schichten (in jeweils neun konzentrischen Kreisen) unterteilt. Je näher man den engeren Kreisen kommt, umso sündiger bzw. heiliger sind die gestorbenen Seelen. – Geführt wird der Reisende von verschiedenen ›Jenseitsführern‹. Durch Hölle und Purgatorio vom römischen Dichter Vergil, der Dante die Einteilungsprinzipien der Hölle und des Fegefeuers erklärt. Doch der Dichter tritt nicht nur als Richtungsgeber in der Unterwelt auf, sondern ist für Dante auch literarisches Vorbild.

Vergils Rolle endet an der Schwelle des Paradieses, wo Dante von Matelda, einer historisch nicht sicher zu deutenden Frauengestalt, in Empfang genommen und weitergeleitet wird zu Beatrice, seiner verstorbenen Geliebten, die in Dantes Werken immer wieder auftaucht, von der die Literaturwissenschaft aber nicht sagen kann, ob sie eine real existierende Person nachzeichnet, oder nur ein ideales Wunsch- und Phantasiegebilde des Dichters ist. – Versunken in den Anblick der Geliebten wird Dante mit dieser zum Flug durch die Himmelssphären entrückt, wo sie ihm als Führerin und Lehrerin die Ordnung des Universums zeigt, astronomische Rätsel und theologische Probleme auflöst und ihn zu den Lichtseelen der Heiligen führt.

Auf Dantes Weg durch die Jenseitsgefilde begegnen ihm zahlreiche Personen der antiken, der biblischen und vor allem der mittelalterlichen Welt, bekannte und berühmte ebenso wie (heute) unbekannte. Sie werden mit ihren persönlichen Leidenschaften, Irrungen oder Verdiensten vorgestellt, und versinnbildlichen zugleich das ethisch und theologisch abstrakte Gedankensystem, das der konzentrischen Hierarchie der Jenseitsbezirke zugrunde liegt.

 

Über den Autor

Dante Alighieri (Florenz *1265 – † 1321 Ravenna), aus einer wohlhabenden florentiner Familie stammend, genoss eine gute Ausbildung, vermutlich an den Lehrstätten der Dominikaner und Franziskaner in Florenz, und studierte möglicherweise (historisch ungesichert) in Bologna und/oder Paris. Seine Familie gehörte dem guelfisch gesinnten (eine politische Richtung, die den Papst unterstützte) Stadtadel an. (Der politische Gegenpol zu den Guelfen waren im Florenz jener Zeit die Ghibellinen, die Parteigänger des Kaisers).

Ab 1295 hat Dante politische Ämter im Rat der Stadt inne, wird aber im Jahr 1302 auf Grund politischer Auseinandersetzungen widerstreitenden Parteien in Abwesenheit zu einer Geldstrafe und zum Ausschluss aus allen öffentlichen Ämtern verurteilt. Da er sich von Florenz fern hielt und die Strafe nicht bezahlte, konfiszierte man seinen in der Stadt verbliebener Besitz. Im März 1302 wird er gemeinsam mit 14 anderen politischen Mitstreitern für den Fall seiner Rückkehr in die Stadt zum Tod durch Verbrennen verurteilt. Seine Gattin folgt ihm nicht ins Exil, während die Söhne mit dem 13. Lebensjahr Florenz verlassen müssen. 1315 lehnt Dante ein Angebot zur Rückkehr nach Florenz ab, da es mit einer Geldstrafe und einer öffentlichen Buße verbunden ist. Daraufhin wird das Todesurteil von 1302 erneuert.

Wahrscheinlich ist, dass Dante Alighieri sich ab 1302 die meiste Zeit bei Unterstützen in Ober- und Mittelitalien aufhält, etwa in Verona, Padua und Ravenna. Während einer Mission nach Venedig, für einen dieser Unterstützer und Freunde, erkrankte er und starb nach seiner Rückkehr in der Nacht zum 14. September 1321 in Ravenna, wo er auch begraben ist; obwohl Florenz seinen einstmals verstoßenen Sohn gerne zurück hätte – was bereits mehrmals zu heftigem Streit zwischen den Städten führte.

Zur Entstehungszeit der Commedia befand sich Dante bereits im Exil. Darüber, wie und unter welchen Bedingungen er lebte, und wo er die für seine Werke erforderlichen Studien betrieb, ist fast nichts bekannt. Durch seine Briefe, Schriften und Dichtungen weiß man aber, dass er an den politischen Entwicklungen weiterhin leidenschaftlichen Anteil nahm. Zwar nicht mehr als aktiver Politiker, dafür aber als Zeitzeuge, Chronist und Dichter, der am Ende wirkmächtiger und einflussreicher war, als alle anderen seiner Zeit.

© Redaktion eClassica, 2014

 

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Verwendete Quellen:

• August Wilhelm Schlegel: ›Über des Dante Alighieri Göttliche Komödie‹ (1791), in: Friedrich Schillers Monatsschrift ›Die Horen‹, Tübingen, 1795–1799

• Horst Rüdiger: ›Dante Alighieri – Die Göttliche Komödie‹, in: Zeit Bibliothek der 100 Bücher, Suhrkamp Verlag, 1980

• Der große Brockhaus Literatur, Wiesbaden, 2002

• Wikipedia

 

Zur Übersetzung: Die hier verwendete Übersetzung von Richard Zoozmann darf als eine der besten gelten, weil sie sowohl dem Sprachstil Dantes als auch dem inhärenten Sinn aufs bestmögliche gerecht wird. Die sehr kenntnisreichen Überlegungen des Übersetzers dazu finden Sie im Nachwort am Buchende.

Zu den Illustrationen: Die Illustrationen in diesem eBook stammen von einem der bekanntesten Dante-Illustratoren, Gustave Doré (1832–1883). Bekannt wurde er 1854 mit seinen Holzstichen in François Rabelais ›Gargantua und Pantagruel‹ und 1855 Honoré de Balzacs ›Tolldreiste Geschichten‹. Im Folgenden illustrierte Doré rund 90 Werke der Weltliteratur, von der Bibel bis zur ›Göttlichen Komödie‹. Die im Jahr 1861 entstandenen Holzstiche zur ›Göttlichen Komödie‹ zählen heute zu den bekanntesten Illustrationen des Werks.