Über Ellen Berg

Ellen Berg, geboren 1969, studierte Germanistik und arbeitete als Reiseleiterin und in der Gastronomie. Heute schreibt und lebt sie mit ihrer Tochter auf einem kleinen Bauernhof im Allgäu.

Ihre bisherigen Romane »Du mich auch. Ein Rache-Roman«, »Das bisschen Kuchen. (K)ein Diät-Roman«, »Den lass ich gleich an. (K)ein Single-Roman«, »Ich koch dich tot. (K)ein Liebesroman«, »Gib’s mir Schatz. (K)ein Fessel-Roman«, »Zur Hölle mit Seniorentellern. (K)ein Rentner-Roman« und »Ich will es doch auch. (K)ein Beziehungsroman« liegen im Aufbau Taschenbuch vor und sind große Erfolge.

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Die Lust am Gärtnern – und am Gärtner …

Zur Hölle mit den lieben Kollegen! Nachdem ihr schon wieder ein Mann bei der Beförderung vorgezogen wurde, hat Tina die Nase voll von 14-Stunden-Arbeitstagen und Bürointrigen. Dann erbt sie von ihrer Tante einen Schrebergarten. Was soll ich mit einem Komposthaufen, wenn ich einen Chefstuhl will?, denkt sich Tina. Aber kaum ist sie im Grünen, beginnt es in ihr zu schwingen: Das Summen und Brummen, das Wühlen mit den Händen in der Erde – auf einmal spürt Tina eine neue Harmonie in ihrem Leben. Und dann ist da noch dieser Mann im Nachbargarten …

»Herrlich ironischer Spaß.« Hörzu

Parallel erscheint das Hörbuch – gelesen von Tessa Mittelstaedt

Ellen Berg

Mach mir den Garten, Liebling!

(K)ein Landlust-Roman

Inhaltsübersicht

Über Ellen Berg

Informationen zum Buch

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Epilog

Impressum

Leseprobe aus: Michel Bussi – Die Frau mit dem roten Schal

Kapitel 1

Luisa Fröhlich machte ihrem Nachnamen alle Ehre. Ausgelassen trällernd lenkte sie ihren Wagen auf den Parkplatz der »Great Fun Connection«  ein großer Name für ein kleines Unternehmen, das Geschenkartikel herstellte. Heute war Donnerstag, und ihr absoluter Glückstag stand unmittelbar bevor. Bei der Feier anlässlich des dreißigjährigen Firmenjubiläums würde ihr Chef eine Sensation vom Stapel lassen: Er hatte sie als neue Geschäftsführerin ausersehen.

Jawohl, Luisa Fröhlich würde bald die Herrscherin über Glücksschweinchen, Gartenzwerge und Bettwäsche mit Mopsmuster sein. Noch wusste niemand davon, erst am folgenden Abend sollte es offiziell verkündet werden. Sie drehte das Radio lauter.

»Ein Hoch auf uhuns, uhuns, auf unser Leeeeben!«

Natürlich wusste Luisa, dass Geschenkartikel weder dem Weltfrieden noch dem allgemeinen Fortschritt dienten. Aber das störte sie nicht. Außerdem war sie Ende dreißig, unbemannt und zielstrebig. Ein Karrieresprung war überfällig.

Wow. Geschäftsführerin! Sie hätte die Windschutzscheibe knutschen können. Schwungvoll stieg sie aus und schloss den Wagen ab. Seit Jahren arbeitete Luisa auf das große Ereignis hin. Endlich würden ihr Bienenfleiß, ihre unbezahlten Überstunden und ihr Verzicht auf Urlaub belohnt werden.

Angefangen hatte sie als Produktmanagerin. Das war zehn Jahre her. Damals hatte sie den Firmeninhaber mit singenden Plastiktorten, essbaren BHs und einem aufblasbaren XXL-Glücksschwein überzeugt. Im Laufe der Zeit war sie zur rechten Hand ihres Chefs aufgestiegen und kümmerte sich quasi um alles – Buchhaltung, Vertrieb, Marketing.

Kein Problem für Luisa. Ihr Kopf arbeitete mit der Präzision eines Hochleistungsrechners, das enorme Pensum absolvierte sie mit ihrem ausgeprägten Sinn für Planung. Leider war mittlerweile auch ihre gesamte Freizeit zugeplant.

Dennoch, Luisa arbeitete organisiert und strukturiert. Wenn jemand diese Beförderung verdient hatte, dann sie. Und wenn jemand die Firma wieder auf Erfolgskurs bringen konnte, dann Luisa Fröhlich. Momentan schwächelten die Umsätze, die Bilanzen zeigten steil nach unten. Doch das betrachtete sie nur als weitere Herausforderung.

»Einen wunderschönen guten Morgen!«, rief sie, als sie die Tür zum Büro öffnete.

Niemand antwortete. Luisa war es gewohnt. Morgens um neun befanden sich ihre Kollegen noch im Dämmerzustand. Teilnahmslose, verschlafene Gesichter hingen hinter den Rechnern, und nur ein schwacher Kaffeegeruch verriet, dass es bereits zu ersten Aktivitäten gekommen war.

»Müde ist kein Zustand, müde ist eine Lebenseinstellung«, murmelte sie vor sich hin.

Mario, ein schmächtiger junger Mann mit einem pechschwarzen Pferdeschwanz, der seine Arbeitszeit entweder in Chatrooms oder rauchend auf dem Balkon verbrachte, hob schläfrig den Kopf.

»Hast du was gesagt?«

»Na ja, ein bisschen mehr Motivation wäre nicht schlecht.«

»Meine Motivation und ich haben Beziehungsprobleme«, grinste er. »Wir leben momentan getrennt.«

Wenn sie das Ruder übernahm, würde das anders werden. Ein frischer Wind würde durch die schlechtgelüfteten Räume der Great Fun Connection wehen, die von den Mitarbeitern nur noch Fun Connection genannt wurde. Das Great war irgendwie verloren gegangen.

Seufzend nahm Luisa einen Kaffeebecher aus dem Regal in der Kochnische. Auf dem braunen Porzellan prangte der Spruch Wenn ich an einer Überdosis Koffein sterbe, bin ich dabei wenigstens wach. Na, das konnte bei dieser dünnen Filterbrühe nicht passieren. Eine anständige Kaffeemaschine hatte der Chef nie genehmigt, der war ein hoffnungsloses Sparbrötchen. Was die Mitarbeiter wohl sagten, wenn sie eine Profi-Espressomaschine anschaffte?

Mit ihrem vollen Kaffeebecher marschierte sie durch die engstehenden Schreibtische zu ihrem Platz.

Tja, es gab schönere Büros. Es sei denn, man stand auf schmutziggraue Wände, vergilbte Gardinen und eingerissene Werbeposter. Und das war noch nicht alles. Den abgeranzten, ziemlich vermüllten Raum musste sie sich mit fünf Kollegen teilen. Eigentlich ein Unding.

Aus der Garagenfirma, die vor drei Jahrzehnten mit Wackeldackeln Furore gemacht hatte, war inzwischen ein mittelständischer Betrieb geworden. Doch noch immer ging es zu wie in der einstigen kleinen Klitsche.

Von wegen organisiert und strukturiert. Wenn alle gleichzeitig telefonierten, verstand man sein eigenes Wort nicht mehr. Wenn einer Ärger, Liebeskummer oder zu viel getrunken hatte, war das ein Gruppenproblem. Und wenn jemand eine antriebsschwache Phase durchmachte, fielen auch alle anderen ins Koma. Was der momentane Dauerzustand war.

Während sie sich setzte, löste sich ein gelbes Blatt von der Topfpflanze neben ihrem Rechner und segelte schaukelnd Richtung Schreibtischplatte. Dort blieb es mit einem leisen Knistern liegen.

Luisa hatte Topfpflanzen noch nie ausstehen können. Schon gar nicht dieses mickrige Exemplar im billigen lila Plastikübertopf. Aber weil es ein Geburtstagsgeschenk ihrer Kollegen gewesen war, hatte sie es eifrig gegossen. Vielleicht ein bisschen zu eifrig. Oder doch zu wenig?

»Mensch, du hast echt einen schwarzen Daumen«, kam es bissig vom Schreibtisch gegenüber.

Dort residierte Ulla, die Buchhalterin, halb hinter üppigem Grünzeug verborgen. Sie gehörte zu jenen schrecklich netten Kollegen, die heimlich Kaffee und Druckerpapier aus der Firma mitgehen ließen, aber nur zu gern den Sheriff spielten.

Entschuldigend hob Luisa die Hände.

»Sorry, Natur ist nicht so mein Ding.«

»Auch in der Zivilisation zeigt man ein bisschen Dankbarkeit, wenn man was geschenkt kriegt«, giftete Ulla. Sie schob die Ärmel ihres verfilzten gelben Wollpullovers hoch und stach mit einem Kugelschreiber Löcher in die Luft. »Wer so grausam mit Pflanzen umgeht, sollte mal über seine sozialen Kompetenzen nachdenken!«

Ach, du liebes bisschen. Luisa presste die Lippen zusammen. Sag besser nichts, dachte sie, sonst fliegen gleich wieder die Fetzen. Von einem guten Betriebsklima konnte nämlich keine Rede sein. Eher von einer Klimakatastrophe. Hier blühte das Mobbing, als würde es täglich gedüngt und gewässert. Auch so eine Sache, die sich dringend ändern musste.

Hüstelnd schaute Karl Wenninger zu ihr herüber, ein magerer, altersloser Mann mit Halbglatze, der am Schreibtisch links von Luisa eine Zeitung durchblätterte. Er erinnerte sie an ihren alten Physiklehrer. Nicht nur wegen seiner dauermiesen Laune, auch weil es immer aussah, als hätte er sich mit seiner eigenen Krawatte stranguliert.

»Soziale Kompetenzen, ha«, legte er los. »Ego ist Frau Fröhlichs zweiter Vorname.«

Luisa verdrehte die Augen.

»Das ist nicht Ihr Ernst.«

»Steht etwa irgendwo Scherzbold auf meiner Stirn?«

»Nee.« Ulla lächelte breit. »Für Scherze sind Sie nun wirklich nicht zuständig, Herr Wenninger. Schätze mal, Ihnen wurden gleich nach der Geburt die Lachmuskeln entfernt.«

Mit eckigen Bewegungen faltete er seine Zeitung zusammen, sehr langsam, sehr konzentriert, sehr verärgert.

»Und schon wieder habe ich eine Minute meines Lebens vergeudet, die ich nie zurückkriege.«

»Bedanken Sie sich bei Luisa, der Pflanzenmörderin.«

Hinter den Rechnern ringsum lugten feixende Gesichter hervor. Wer auch immer Großraumbüros erfunden hatte, bestimmt war es ein Sadist gewesen. Was sollte schon dabei rauskommen, außer Gemecker, Streit und Trara, wenn man komplett unterschiedliche Menschen in ein Zimmer stopfte, das die gefühlte Größe eines Dixi-Klos hatte?

»Jedenfalls würde ich Frau Fröhlichs Teamgeist stark bezweifeln«, sagte Karl Wenninger streng. »Sie meidet die Kantine, sie geht nicht mit zum Kegeln, sie zahlt nicht in die Schnapskasse ein.«

»Und wenn wir nach Feierabend ein Bier trinken gehen, ist sie auch nie dabei«, ergänzte Ulla.

»Streberin!«, rief jemand aus der Tiefe des Raums.

Luisa unterdrückte ein Stöhnen. Ja, es stimmte, sie hielt lieber Abstand, statt sich am üblichen Klatsch und Tratsch zu beteiligen. Andererseits bemühte sie sich, mit allen gut auszukommen, war die Freundlichkeit in Person und immer zur Stelle, wenn jemand Hilfe brauchte.

Nur, dass es ihr keiner dankte. Für die lieben Kollegen war sie die Unnahbare, die Streberin, neuerdings die Pflanzenmörderin. Krass. Wenn sie jetzt auch noch zur Geschäftsführerin aufstieg, musste sie sich warm anziehen.

»Ich habe zwei Katzen«, erklärte sie zum ungefähr hundertsten Mal. »Die müssen mittags gefüttert werden, da bleibt keine Zeit für die Kantine.«

»Schnickschnack«, grummelte Karl Wenninger.

»Schätze mal, Luisa geht mittags shoppen und lässt ihre Katzen verhungern, so wie sie ja auch die arme Pflanze verdursten lässt«, legte Ulla nach. »Typisch Steinbock – ehrgeizig und rücksichtslos.«

Selbst auf Dornensträuchern können Rosen blühen, sagte Luisas Tante Ruth immer. Doch wo Ulla zuschlug, wuchs kein Gras mehr. Als selbsternannte Expertin für Astrologie beanspruchte sie uneingeschränkte Autorität. Stundenlang surfte sie durch die Astro-Portale, und was sie dort aufschnappte, war in Stein gemeißeltes Gesetz.

Unauffällig klaubte Luisa das trockene Blatt vom Schreibtisch und ließ es im Papierkorb verschwinden.

»Meinen Katzen geht es großartig«, versicherte sie. »Außerdem würde ich sehr gern mit zum Kegeln kommen«, sie sah Karl Wenninger an, und beide wussten, dass das nicht ganz stimmte, »aber Produktmanagement ist eine Menge Verantwortung. Ich muss eben oft Überstunden machen, um in Ruhe meine Ideen auszuarbeiten.«

»Ideen.« Ulla blinzelte sie feindselig an. »Meinst du den sexistischen Aschenbecher in Form roter Lippen? Die rosa Porzellanfrösche? Die Gartenzwerge in Badehose?«

»Das sind nicht meine Entwürfe, die Sachen waren schon vor mir im Programm«, verteidigte sich Luisa. »Wenn’s nach mir ginge, würden wir das Sortiment verjüngen.«

»Ach nee«, grunzte Kevin Junghans, ein fülliger Endzwanziger, der ausschließlich schreiend bunte Hawaiihemden trug. »Hast du einen kreativen Schub? Oder eine Altersdepression?«

Luisa schluckte. Sie war neununddreißig.

»Ich denke zum Beispiel an iPad-Hüllen mit coolen Sprüchen drauf.«

Mittlerweile hörte das gesamte Büro zu. Alle starrten Luisa an, als hätte sie soeben eine Pistole entsichert. Das Sortiment verjüngen, steckte darin nicht der Vorwurf, die jetzige Produktpalette sei altbacken? Im Grunde wusste das zwar jeder, aber offen wagte es niemand auszusprechen.

Mario pfiff leise durch die Zähne.

»Coole Sprüche«, äffte er Luisa nach. »Da fällt mir doch glatt der Joint ins Morgenbier. Seit wann bist du denn – cool?«

Bloß nicht provozieren lassen, dachte Luisa. Stumm klickte sie auf die Tastatur und scrollte durch ihre Ideenliste – von A wie Aromakerze bis Z wie Zimmerspringbrunnen. In den letzten Jahren hatte ihr Chef Hans-Martin Haase so gut wie alle ihre Vorschläge abgeschmettert. Er setzte lieber auf Altbewährtes, Diskussionen über neue Produkte beendete er mit dem Spruch »Haben wir noch nie gemacht, machen wir auf keinen Fall«. Es gab viel zu tun für Luisa, wenn sie ihren neuen Posten antrat.

Ohnehin war Herr Haase speziell. In kreativer Abwandlung seines Nachnamens hatten ihn die Kollegen »Karnickel« getauft, weil er vollkommen ungeniert die Mitarbeiterinnen anbaggerte.

Nun ja. Jeder in dieser Firma bekam früher oder später einen Spitznamen. Auch Luisa. Keiner sagte es ihr ins Gesicht, aber sie wusste, dass man sie hinter ihrem Rücken »Knäckebrot« nannte, weil sie für die Kollegen eher trocken rüberkam.

Mit einem lauten Plopp öffnete Ulla ihre unvermeidliche Tupperdose und fischte eine Handvoll Apfelstückchen heraus. Obwohl sie recht korpulent war, behauptete sie, eigentlich nur Obst und Gemüse zu essen. Das hatte ihr den Spitznamen »Biotonne« eingetragen.

»Schon wieder eine neue Diät«, stellte Mario schadenfroh fest. »Nimm lieber mal ab.«

»So ist das nun mal bei meinem Sternzeichen Stier«, seufzte Ulla. »Die sind sinnliche Genießer und neigen zu rundlichen Formen, vor allem, wenn sie wie ich im Mai Geburtstag haben.«

»Sie sind doch schlank wie eine Giraffe«, mischte sich Karl Wenninger ein. »Oder, Frau Fröhlich, wie hieß noch mal dieses große graue Tier mit dem Rüssel?«

Was für ein unterirdischer Schwachsinn. Luisa schwieg vorsichtshalber, denn sie war bereits belehrt worden, nicht nur Steinbock, sondern im Aszendenten Waage zu sein. Was laut Ulla Charaktermerkmale wie Schönheitssinn und Diplomatie, aber auch Gefühlskälte einschloss. Da konnte Luisa machen, was sie wollte, zack, der Stempel war drauf.

»Warum müsst ihr Skorpione immer so gemein stechen?«, fragte Ulla in Karl Wenningers Richtung. »Ich bin nun mal vollschlank. In letzter Zeit denke ich öfter über eine Fettabsaugung nach.«

»Für deine Haare?«, ätzte Mario.

Empört strich Ulla durch ihre strähnige Kurzhaarfrisur, die in der Tat nicht so wirkte, als ob sie öfter eine Dusche abbekam. Luisa versuchte, sich zu konzentrieren. Ihr Zeitplan sah vor, dass sie jetzt ihre Mails checkte. Wie sollte sie ihre vielen Aufgaben erledigen, wenn sie dauernd in belanglose Gespräche verwickelt wurde? Doch eher fror die Hölle zu, als dass man sie in Ruhe ließ.

»Hey, Luisa, gehst du morgen zu der Jubiläumsparty?«, fragte Ulla.

Niemand ahnte, dass Luisa gute Gründe hatte hinzugehen.

»Ja, ich denke schon. Wieso?«

»Karnickelalarm!«, rief Mario plötzlich.

Sofort kam Bewegung in die Büroangestellten. Gerade noch hatten sie gähnend vor ihren Rechnern gedöst, jetzt brach von einem Moment auf den anderen gespielte Betriebsamkeit aus.

Ulla warf ihre Tupperdose in die Schreibtischschublade und hackte wie wild auf ihre Tastatur ein. Karl Wenninger versenkte seine Zeitung im Papierkorb, schoss vom Stuhl hoch und eilte mit einem Stapel Akten zum Kopierer. Annika Meyer, die Vertriebsassistentin, fing an zu telefonieren, Kevin Junghans kritzelte manisch auf gelben Haftzetteln herum.

»Sinnlose Hektik kaschiert geistige Windstille«, lachte Mario, während er seinen Computer hochfuhr. »Achtung, da kommt Karnickel!«

Und schon schritt Hans-Martin Haase durch die Schreibtischreihe. Unter seinem geöffneten dunkelblauen Jackett wölbte sich ein imposanter Bauch. Sein schütteres, rostbraun gefärbtes Haar hatte er quer von einem Ohr zum anderen gekämmt, auf seinem Gesicht lag ein selbstgefälliges Lächeln. Als Sympathen konnte man ihn beim besten Willen nicht bezeichnen. Er hingegen hielt sich für den Gipfel der Evolution.

Begleitet wurde der Chef von einem blonden, großgewachsenen, auffallend elegant gekleideten Herrn, dessen Bräune nach einem längeren Urlaub und dessen modischer Haarschnitt nach einem sündteuren Friseur aussah. Cooler Typ, dachte Luisa. Aber was hat er hier zu suchen?

»Das sind meine Leutchen und so weiter«, erklärte Hans-Martin Haase. Er blieb direkt neben Luisa stehen. »Darf ich vorstellen – Luisa Fröhlich, Produktmanagement, Ulla Dependorf, Buchhaltung. Da drüben am Kopierer, das ist Karl Wenninger, Vertriebsleitung. Annika Meyer, das hübsche Kind mit dem Pagenkopf, assistiert ihm.« Nach einer kleinen Verschnaufpause ging es weiter. »Kevin Junghans, bekennender Hawaiihemdfan, ist fürs Design zuständig. Und unser schwarzbezopfter Berufsjugendlicher hier«, er schnalzte mit der Zunge wie ein Hundedompteur, »ist Mario Hambach, Marketing und so weiter.«

»Man nennt ihn auch Espresso«, kicherte Ulla. »Schwarz, heiß, süß.«

Die Augen des Gastes schweiften durch den vermufften Raum, über die verkramten Schreibtische, die vergilbten Gardinen, die eingerissenen Werbeposter an den Wänden, um schließlich an Luisa hängen zu bleiben.

»Aha, Sie sind also Frau Fröhlich.«

Es klang interessiert. Und eine Spur herablassend. Luisa räusperte sich, brachte jedoch keinen Ton heraus. Der Typ hatte etwas Selbstgewisses, fast Arrogantes, das sie verunsicherte.

»Eine sehr motivierte Mitarbeiterin, das Fräulein Fröhlich«, befand Hans-Martin Haase gönnerhaft. »Unser blonder Engel und so weiter. Sehen Sie sich die Dame an: Können diese Augen lügen? Können diese Füße fremdgehen?«

Luisa hasste abgeschmackte Scherze. Ganz besonders hasste sie die frauenfeindlichen Sprüche ihres Chefs. Mit gemischten Gefühlen fiel ihr ein, wie er sie einmal bei einer Weihnachtsfeier angegraben hatte, hackedicht und völlig charmefrei. Seitdem war sie solchen Veranstaltungen konsequent ferngeblieben. Der morgige Abend würde eine Ausnahme bleiben.

»Ja, gute Leute sind das Herz der Firma und so weiter«, schwadronierte Hans-Martin Haase. »Aber …«

Der Rest des Satzes ging in unverständliches Gemurmel über. Luisa verstand nur »Umsatzeinbrüche« und »verfehlte Quartalsziele«, woraufhin der gebräunte Herr etwas von »Change Management« raunte. Die Kollegen ringsum warfen einander bedeutungsvolle Blicke zu.

»Die übrige Truppe stelle ich Ihnen später vor«, sagte der Chef, nun wieder mit lauter Stimme. »Lassen Sie uns jetzt zum Versand gehen und danach die Produktionshalle besichtigen. Also, werte Kollegen, wir sehen uns morgen Abend bei der großen Jubiläumsparty …«

»Und so weiter!«, riefen alle im Chor.

Hans-Martin Haase besaß keinerlei Sinn für Humor. Deshalb begriff er auch nicht den Sinn dieser kleinen Choreinlage. Ohne weiteren Kommentar zog er zusammen mit dem geheimnisvollen Besucher ab.

Sobald sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, erhob sich lautes Stimmengewirr. Niemand konnte sich einen Reim darauf machen, was es mit dem neuen Gesicht auf sich hatte. Ulla ließ verlauten, der Mann sei die Gelsenkirchener Antwort auf Brad Pitt, Karl Wenninger witterte eine heikle Steuersache. Annika Meyer vermutete einen Unternehmensberater, Kevin Junghans einen Innenarchitekten, der das Büro renovieren sollte.

Mario drehte sich erst einmal seelenruhig eine Zigarette. Dann stand er auf und setzte sich auf Ullas Schreibtischkante, wofür er diverse Blumentöpfe, eine angebrochene Tafel Schokolade sowie unzählige Glücksschweinchen in allen Farben und Größen beiseiteschieben musste.

»Der Kerl riecht nach Ärger«, knurrte er.

Ulla schnupperte genüsslich.

»Aber du riechst gut. Was ist das?«

»Shampoo. Solltest du auch mal probieren.«

Während die beiden sich weiter anpflaumten, saß Luisa still auf ihrem Stuhl. Wer war dieser Typ? Und was sollte »Change Management« heißen?

Sie spürte ein mulmiges Gefühl im Magen, als sie den Begriff googelte. Veränderungsmanagement, las sie, Strategien und Maßnahmen in Organisationen und Unternehmen, um Arbeitsprozesse zu optimieren. Aha. Bestimmt hat das was mit meiner Beförderung zu tun, beruhigte sie sich. Der Chef will was ändern, und wenn er mir die Geschäftsführung überträgt, ist das doch ein guter Anfang.

»Hey, Luisa, gehst du denn nun morgen Abend zu der Firmenparty?«, fragte Ulla. »Oder bleibt das feine Fräulein auch solchen Events fern?«

Karl Wenninger, dem man den wenig schmeichelhaften Spitznamen »Pupsi« verpasst hatte, stupste einen uralten Wackeldackel an, der seinen Schreibtisch zierte. Einen jener Wackeldackel, die einst den Ruhm der Great Fun Connection begründet hatten.

»Frau Fröhlich schiebt bestimmt lieber ihre Überstunden«, knurrte er. »Ich meine, die glaubt ja, dass außer ihr alle einen lauen Job machen, ab und zu platzt mal ’ne Bratwurst …«

»Ist doch so!«, rief Mario dazwischen. »Solange Karnickel nur so tut, als würde er uns anständig bezahlen, tun wir auch nur so, als würden wir anständig arbeiten!«

Das entsprach voll und ganz der Wahrheit. Die meisten Kollegen befanden sich durchgehend im Energiesparmodus. Genau hier würde Luisa ansetzen, wenn sie die Geschäftsführung übernahm – an der Motivation. Sie freute sich sogar darauf. Ungenutzte Potenziale zu entwickeln war bestimmt hochbefriedigend.

Okay, von jetzt auf gleich würde das nicht klappen. Schon gar nicht bei Ulla. Träge kauend schaute die Buchhalterin in ihre Tupperdose, als ob dort die ultimativen astrologischen Offenbarungen lauerten.

»Das Blöde am Nichtstun ist«, sie fischte sich ein neues Apfelstückchen heraus, »dass man nie weiß, wann man fertig ist.«

Kevin Junghans, der wegen seiner Hawaiihemden Caipirinha oder auch kurz Caipi genannt wurde – eine nicht ganz logische, aber allgemein akzeptierte Herleitung –, zielte mit einer Büroklammer auf die Tupperdose und bekam eine Punktlandung zustande.

»Ich hasse diese aggressiven, energiegeladenen Widder«, grollte Ulla. »Mensch, Caipi, du solltest deine sternzeichentypische Ruhelosigkeit mal woanders abreagieren. Wie wär’s mit arbeiten?«

Herr im Himmel! Von Luisas morgendlicher Hochstimmung war nicht mehr viel übrig. Ächzend faltete sie ihre Hände, während sie stumm flehte, per Knopfdruck auf eine einsame Insel gebeamt zu werden. Auf eine sehr, sehr einsame Insel. Doch nichts dergleichen geschah.

»Natürlich gehe ich zu der Party«, nahm sie den Gesprächsfaden wieder auf.

»Dann pass bloß auf, dass du nicht zu viel trinkst, sonst wachst du mit dem Falschen auf«, grinste Mario. »Glaub mir, betrunken flirten ist so gefährlich wie hungrig einkaufen.«

»Um sich eine wie Luisa schönzutrinken, müsstest du schon einen ganzen Kasten Bier exen«, prustete Caipi los.

Sehr witzig. Dabei war Luisa sogar auffallend hübsch mit ihren ebenmäßigen Gesichtszügen, den grünen Augen und den feingeschwungenen Lippen. Blondes, schulterlanges Haar umrahmte ihr Gesicht. Zu hübsch fürs Büro, hatte Karl Wenninger mal gesagt. Und das war kein Kompliment gewesen.

Sie tat so, als hätte sie die respektlosen Bemerkungen nicht gehört. Konzentriert überflog sie eine Mail, in der ein Seminar zum Thema Life-Work-Balance angeboten wurde. Wir unterstützen Sie dabei, Leben und Arbeit in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen, stand in der Mail, wir zeigen Ihnen, wie Sie Berufliches und Privates in harmonischen Einklang bringen.

Harmonischer Einklang. Darüber konnte Luisa nicht einmal lächeln. Ihr Leben bestand aus Arbeit, ihr Privatleben aus ihren Katzen. Andererseits – hatte der Chef nicht gesagt, sie dürfe heute freinehmen? Weil demnächst als Geschäftsführerin noch mehr Arbeit auf sie warte?

Pflichtbewusst, wie sie nun einmal war, hatte sie dankend abgelehnt. So wie sie seit Monaten auf freie Tage und Urlaub verzichtete, weil sie ihr Riesenpensum sonst nicht schaffte.

Ein weiteres Mal überflog sie die Mail. Hm. Eigentlich hatte sie diesen freien Tag verdient.

»Du guckst so komisch«, sagte Ulla. »Was hast du denn?«

Luisa griff zu ihrer Handtasche und stand auf.

»Einen freien Tag.«

Daraufhin wirkte Ulla so perplex, als hätte Luisa ihre geheime Leidenschaft für Fesselspiele offenbart. Auch Mario war ziemlich verdattert.

»Du? Wolltest du nicht Karriere machen?«

Erwischt. Doch Luisa behielt die sensationelle Neuigkeit lieber für sich und versuchte stattdessen, ein kleines, unbekümmertes Lachen hinzubekommen.

»Ich bin komplett überarbeitet, deshalb nehme ich heute meinen Jahresurlaub.«

»Bullshit«, knurrte Mario. »Wer lacht, hat noch Reserven.«

Kapitel 2

»So ein Mistwetter!«

Starker Regen hatte eingesetzt. Schon der kurze Weg vom Wagen zur Haustür genügte, um Luisas grauen Hosenanzug in ein formloses Etwas zu verwandeln, das einem schwarzen nassen Müllsack ähnelte. Auf dem Boden des Hausflurs bildete sich eine Pfütze, als sie die Post aus dem Briefkasten nahm. Dann stieg sie die Stufen zum dritten Stock hoch und schloss ihr kleines Zwei-Zimmer-Appartement auf.

Ein zweistimmiges Miauen begrüßte Luisa. Sie hockte sich hin. Geschmeidig glitten ihre beiden Katzen in den Flur, nahmen Anlauf und sprangen auf ihren Arm. Anfangs hatte Luisa sie aus reiner Hilfsbereitschaft von ihrer Tante Ruth übernommen. Mittlerweile konnte sie sich ein Leben ohne Franz und Sissi nicht mehr vorstellen.

Luisa schloss die Augen, während sie das weiche, weiße Fell der Katzen kraulte. Tante Ruth hatte eine Schwäche für die alten Sissi-Filme, auf diese Weise waren die beiden Tiere an ihre eigenwilligen Namen geraten. Es rührte Luisa, wie vertrauensvoll Sissi und Franz die Köpfe an ihrer Schulter rieben. Wenn du die Hand eines Menschen brauchst, nimm lieber die Pfote einer Katze, sagte Tante Ruth immer.

»Hey, ihr Süßen, bestimmt habt ihr Hunger«, raunte sie.

Sissi stellte die flaumigen Ohren auf, Franz leckte sich mit seiner winzigen rosa Zunge über das Mäulchen. Man konnte glatt meinen, dass sie Luisa aufs Wort verstanden.

»Ich hab was Leckeres für euch«, sagte sie schmeichelnd, »es gibt Thunfisch!«

Synchron sprangen die Katzen auf den Boden, liefen in die Küche und setzten sich an die Stelle neben dem Kühlschrank, wo der Futternapf stand. Ja, Sissi und Franz verstanden wirklich jedes Wort.

Nachdem Luisa den beiden das Mittagessen serviert hatte, sortierte sie ihre Post. Viel war es nicht. Wer schrieb denn heute noch Briefe, außer Banken und Versicherungen?

Wobei die Briefe von der Bank die unangenehmsten waren. Luisa stotterte einen hohen Kredit ab, weil sie einem ihrer wenigen Exfreunde eine größere Geldsumme geliehen hatte. Das Übliche – »ein todsicheres Geschäft, ehrlich, du bekommst dein Geld schnellstens zurück!«

Das war drei Jahre her und sie seitdem pleite. Das bisschen, was sie bei der Fun Connection verdiente, reichte so gerade für Miete, Strom und Essen, der Rest ging für die Raten des Kredits drauf, den sie damals für ihren Ex aufgenommen hatte. Eine Beförderung inklusive Gehaltserhöhung würde die Lösung einiger Probleme sein.

Zwischen Rechnungen, Werbeprospekten und Pizza-Flyern entdeckte Luisa eine Postkarte ihrer Tante Ruth. Die war achtundsiebzig und lebte in Italien, seit sie ihrer Freundin Lissy dorthin gefolgt war. Gemeinsam mit Lissys Lebensgefährten Benno betrieben die drei ein kleines Restaurant an der Amalfiküste. Meist berichtete Tante Ruth kleine Anekdoten über die Gäste. Doch diesmal war es anders.

Meine liebe Luisa, stand auf der Karte, wie du weißt, nagt das Alter an meinen mürben Knochen. Jetzt habe ich nur noch einen Wunsch: Dich zu besuchen. Vielleicht ist es das letzte Mal. Bei der Gelegenheit möchte ich auch gern den Garten sehen, den ich Dir anvertraut habe. Bestimmt grünt und blüht es jetzt im Sommer herrlich darin. Wenn Du nichts dagegen hast, komme ich am übernächsten Wochenende. Den Flug habe ich schon gebucht. Es grüßt Dich herzlich Deine Tante Ruth.

Wie vom Donner gerührt, ließ Luisa die Karte sinken. Ach du Elend, der Garten! Schuldbewusst begann sie, an ihrer Unterlippe zu knabbern.

Vor einem Jahr war Tante Ruth weggezogen. Es war ein schwerer Abschied gewesen, zumal Luisa ihre Eltern früh durch einen Verkehrsunfall verloren hatte. Schon als Kind hatte sie sich zu der patenten, lebenslustigen Tante Ruth hingezogen gefühlt und ihre Herzensklugheit bewundert.

Vor dem Umzug hatte Luisa versprechen müssen, sich um ihren Schrebergarten zu kümmern. Ausgerechnet! Wo Luisa doch immer sagte, Natur sei nicht ihr Ding. Außerdem war ihr schleierhaft, warum Tante Ruth den Garten nicht aufgeben wollte, wo sie doch so weit weg zog.

Trotzdem hatte Luisa die Sache zugesagt. Und sie gemanagt, wie sie alles managte: organisiert und strukturiert. Gleich am nächsten Tag hatte sie im Internet einen Gärtner für diese lästige Aufgabe gesucht. Das günstigste Angebot war von einem Friedhofsgärtner gekommen, schlappe zwanzig Euro im Monat. Luisa hatte ihn vom Fleck weg engagiert und seither nie einen Fuß in den Schrebergarten gesetzt.

Ob der Gärtner gewissenhaft seine Pflicht getan hatte? Auf keinen Fall durfte Tante Ruth den Garten sehen, bevor Luisa ihn selbst in Augenschein genommen hatte. Am besten sofort. Also blieb ihr wohl nichts anderes übrig, als bei diesem Sauwetter hinzufahren.

Vermutlich will Tante Ruth bei mir übernachten, überlegte sie, während sie ihre feuchte Bürouniform auszog. Ein Hotel wäre viel zu unpersönlich. Aber ist meine Wohnung überhaupt gästetauglich?

Es sah, nun ja, eigentlich ganz nett aus. Das Wohnzimmer war in einem warmen Apricot-Ton gestrichen und liebevoll eingerichtet, mit einer farblich abgestimmten Couch in hellem Orange, naturweißen Nesselgardinen und einem beigefarbenen Teppich. Auf Strümpfen tapste sie weiter. Das Schlafzimmer erstrahlte in Hellblau, wozu der bemalte Bauernschrank mit seinen diversen Blauschattierungen passte. Auf dem Bett lag eine himmelblaue Tagesdecke, die Wände zierten alte Werbeplakate.

So weit, so gemütlich. Nur wirkte das Ganze leider nicht sonderlich einladend. Überall in der Wohnung lagen Aktenordner und Broschüren herum. Sogar der Boden war bedeckt mit Firmenunterlagen, weil Luisa auch zu Hause arbeitete. Dauernd halste der Chef ihr Extras auf. Mal musste sie Präsentationen vorbereiten, mal Marios Marketingkonzepte überarbeiten oder Ullas fehlerhafte Buchhaltung korrigieren. Irgendwas war immer.

Am schlimmsten sah Luisas Schreibtisch aus. Er dominierte das Wohnzimmer wie eine unheilvolle Erinnerung daran, dass die Bewohnerin ihr Leben der Arbeit und nichts als der Arbeit widmete. Design-Zeitschriften und Prospekte begruben die Schreibtischplatte unter sich, Inventurlisten türmten sich neben dem Monitor, Bücherstapel ragten dahinter auf.

Bevor Tante Ruth zu Besuch kam, musste hier gründlich aufgeräumt werden. Sissi und Franz hingegen fanden das Chaos genial. Ganz besonders unterhaltsam fanden sie es, in den raschelnden Papieren auf dem Boden zu toben.

»Nein, Sissi, bitte nicht Ullas Bilanzen zerfetzen!«, rief Luisa.

Sie brachte ein paar Blätter in Sicherheit, die schon einige Krallenspuren zeigten. Wie der Blitz raste Sissi davon und sprang auf ein halbhohes Regal, wo Franz neben einer scheußlich schönen rosa Kristallvase saß und sich putzte. Es grenzte an ein Wunder, dass die beiden noch nie etwas umgeworfen hatten, weder die Nippesfiguren aus Porzellan noch Luisas Sammlung alter Spieluhren.

Vorsichtig nahm sie ihr liebstes Stück in die Hand, eine Ballerina im Glitzertutu. Mit graziös abgewinkelten Armen drehte sie sich um sich selbst, sobald man den Spielmechanismus aufzog. Auch die winzige Spieluhr in Form einer Torte mit roten Herzchen versetzte Luisa in Entzücken, so wie das Äffchen, das an einer Stange Purzelbäume schlug. Alle diese Fundstücke hatte sie selbst repariert – verformte Metallteile zurechtgebogen, abgesplitterte Farben erneuert, fehlende Teile ersetzt.

Daneben quollen die Regale über von Merkwürdigkeiten, die Luisas Leidenschaft für Geschenkartikel verrieten – eine Pfanne in Herzform zum Beispiel, ein Herrentanga aus roten Liebesperlen, künstliche Blumen, die auf Knopfdruck »Happy Birthday« sangen.

Eine Weile durchwühlte sie den Kleiderschrank, bis sie ihre Gummistiefel und eine wetterfeste gelbe Regenjacke gefunden hatte.

»Tschüss, ihr Süßen«, flüsterte Luisa.

Sie kraulte Sissi und Franz den Nacken, dann machte sie sich auf den Weg zur Schrebergartenkolonie. Bei dem Wetter die reine Freude. Luisa brauchte mit ihrem Wagen fast eine Dreiviertelstunde im strömenden Regen, bis sie das Schild mit der Aufschrift Kleingartenverein Sonnenschein e.V. vor sich auftauchen sah. Ein älterer Mann in einer roten Funktionsjacke stand daneben, mit Harke und Schaufel bewaffnet. Er war völlig durchnässt. Feuchte weiße Strähnen lugten unter seinem Käppi hervor, seine graue Hose triefte. Dennoch wirkte er wild entschlossen, irgendetwas Superwichtiges zu erledigen.

O nee, dachte Luisa, wer tut sich das freiwillig an? Ist doch vollkommen bekloppt, bei dem Wetter in der Erde rumzuwühlen. Für sie kam so etwas nicht in Frage. Sie war Städterin durch und durch, keine Landpomeranze, die sich die Hände schmutzig machte. Nie im Leben! Am liebsten hätte sie gleich wieder kehrtgemacht. Aber sie war es Tante Ruth nun mal schuldig, nach dem Rechten zu sehen. Deshalb steuerte sie auf das Rasenstück neben dem Eingang zu und stellte den Motor ab.

Luisa war noch nicht ausgestiegen, als der ältere Mann auch schon mit erhobenen Armen auf sie zurannte, seine Gartenwerkzeuge wie Lanzen schwenkend. Sie ließ das Seitenfenster herunter.

»Ja, bitte?«

»Sie dürfen hier nicht parken!«, brüllte er. »Das ist streng verboten!«

Klar. Was war hier nicht verboten? Mit Schaudern erinnerte sich Luisa daran, dass es in der Anlage mehr Verbotsschilder als Bäume gab. Fahrradfahren auf den Wegen – verboten. Wäsche aufhängen – verboten. Zelten – verboten. Gewächshäuser aufstellen – verboten. Laute Musik – verboten. Grillen nach 22 Uhr – verboten. Kindergeschrei zwischen 12 und 15 sowie zwischen 22 und 7 Uhr – verboten. Fehlte eigentlich nur noch: Atmen verboten. Das reine Spießerparadies.

»Autolärm können wir nicht gebrauchen«, schimpfte der Mann weiter. »In dieser Anlage herrscht strikte Ruhe.«

Luisa überlegte kurz, ob sie ihm die Vorzüge weiß-rosa gummierter Ohrstöpsel aus dem Hause Fun Connection erläutern sollte, ließ es aber bleiben. Nachdem sie ihren Wagen weit entfernt am Straßenrand abgestellt hatte, schlenderte sie missmutig zurück. Der Mann war zum Glück verschwunden. Dafür hörte man hinter den Hecken und Zäunen das ohrenbetäubende Geräusch einer Motorsäge. So viel zum Thema Ruhe.

Der aufgeweichte Boden schmatzte unter den Sohlen ihrer Gummistiefel, als sie das weiße Holztor passierte. Noch immer schüttete es wie aus Eimern. Warum Menschen ihre Freizeit freiwillig in diesem Wahnsinn aus Matsch und Grünzeug verbrachten, war Luisa ein absolutes Rätsel.

Widerstrebend folgte sie dem schnurgeraden Hauptweg, der durch die Schrebergartenanlage führte. Rechts und links erstreckten sich die Parzellen, wie mit dem Lineal angelegt, wie mit der Nagelschere gepflegt. Tante Ruth hatte mal erzählt, dass der Vereinsvorsitzende höchstpersönlich mit dem Zollstock nachprüfte, ob die Hecken die ordnungsgemäße Höhe von einhundertzwanzig Zentimetern besaßen.

Während Luisa weiterging, spürte sie argwöhnische Blicke. Sicher hielt man sie für einen hochkriminellen Eindringling, den man am besten mit dem Spaten den Ausgang zeigte. Suchend sah sie sich um. Und auf einmal erkannte sie das winzige Gartenhäuschen von Tante Ruth – die verwitterten, nussbraun gestrichenen Holzwände, das graue Schindeldach, die kleine Veranda. Nur den Garten erkannte sie nicht wieder.

Starr vor Entsetzen blieb Luisa vor dem verrosteten Gartentor stehen. Was sie sah, war eine Wüste. Auf den fast leeren Beeten verrotteten ein paar Kohlköpfe, die Sträucher waren kaum mehr als wild wucherndes Gestrüpp, der Rasen hatte einen bräunlichen Ton – wenn man die wenigen dünnen Hälmchen zwischen Unkraut und pelzigem Moos überhaupt als Rasen bezeichnen konnte. Tante Ruths üppige Rosenspaliere waren verschwunden, stattdessen standen ein paar klägliche Buchsbäume herum wie bestellt und nicht abgeholt.

Jetzt kam es Luisa fast makaber vor, dass sie ausgerechnet einen Friedhofsgärtner für die Gartenpflege engagiert hatte. Denn genau das war dieses Grundstück: ein Friedhof.

»Sind Sie etwa verantwortlich für diesen Schandfleck?«

Es war Funktionsjacke. Bedrohlich baute er sich vor Luisa auf, so dass sie instinktiv zwei Schritte zurückwich. Der Typ hatte ein Kreuz wie ein Hammerwerfer. Am Ende zog er ihr noch eins mit der Harke über, so krawallig, wie der drauf war.

»Äh, ja, das heißt, nein, eher nicht«, stammelte sie. »Der Garten gehört meiner Tante Ruth.«

Der Mann zog die Stirn in Falten.

»Ruth Minnemann?«

Luisa nickte.

»Hab ich ja eine Ewigkeit nicht mehr gesehen, aber die wird sich umgucken«, donnerte Funktionsjacke los. »Ihr Garten ist ein Skandal. Ich werde einen Antrag bei der Vereinsleitung stellen, dass man ihr den Pachtvertrag kündigt.«

Abwehrend hob Luisa die Hände.

»Nein, bitte nicht. Ich kann alles erklären. Sie ist …«

»Verschonen Sie mich mit faulen Ausreden«, fuhr ihr der Mann über den Mund. »Was wollen Sie mir denn vorschwindeln? Dass Ihr Kanarienvogel erkältet war? Hier stehen so viele Bewerber für die Gärten Schlange, dass wir kurzen Prozess mit Leuten wie Ihnen machen.«

Langsam, aber sicher schwante Luisa, dass sie in einen Riesenschlamassel schlitterte. Dies war mehr als ein verwahrloster Garten. Dies war der Super-GAU. Nichts hatte Tante Ruth mehr geliebt, als an ihren wundervollen Rosen zu schnuppern, saftiges Gemüse zu ernten, an lauen Sommerabenden den Mücken beim Tanzen zuzusehen. Der Garten war ihr ganzer Stolz und ihre größte Leidenschaft gewesen. Es würde ihr das Herz brechen, ihn so zu sehen. Und es würde sie wahrscheinlich umbringen, wenn jemand anders ihn bekam.

»Lassen Sie uns in Ruhe darüber sprechen, Herr …?«

»Kasunke, Rudi Kasunke«, stellte sich Funktionsjacke vor.

»Also, Herr Kasunke, meine Tante ist letztes Jahr nach Italien gezogen. Aber weil sie so an dem Garten hängt, wollte sie ihn nicht aufgeben. Verstehen Sie? Das ist eine Herzensangelegenheit.«

»Hier gelten Regeln, Fräulein«, entgegnete Herr Kasunke schroff. »Wenn Ihre Tante sich nicht um den Garten kümmern kann, muss jemand anderes ran. Einer, der sich damit auskennt. In den letzten Monaten ist hier nur ein Kerl aufgekreuzt, der keine Ahnung von nix hat. Jetzt sind Sie an der Reihe.«

Luisa ersparte ihm den Hinweis, dass sie weder Zeit, Lust noch die blasseste Ahnung hatte, was man mit einem Garten anstellte. Auch die Erwähnung, dass es sich bei dem Kerl um einen Friedhofsgärtner handelte, verkniff sie sich.

»Ich bringe das in Ordnung«, zirpte sie. »Ganz bestimmt.«

»Dann fangen Sie gefälligst sofort damit an, aber dalli.« Herr Kasunke nahm sein nasses Käppi ab, wrang es aus und setzte es wieder auf. »Ich bin Ihr Nachbar. Ich sehe alles. Ich habe sogar Beweisfotos gemacht. Da sind Fremdgräser in Ihrem Rasen!«

»Fremdgräser?«

Missbilligend deutete Rudi Kasunke auf Tante Ruths Garten.

»Laien reden von Unkraut. Die Samen fliegen übrigens auf mein Grundstück. Aber das ist ja nur eine Kleinigkeit, wenn man bedenkt, dass Sie auch die Drittelung missachten.«

Luisa hob fragend die Augenbrauen. Was war das denn nun wieder?

»Ein Drittel Obst, ein Drittel Gemüse, ein Drittel Zierpflanzen, so sieht der vorschriftsgemäße Garten aus«, kam es wie aus der Pistole geschossen. »Ach ja, und in Ihrem Gebüsch liegt Müll rum. Der muss als Erstes weg. Na los, worauf warten Sie noch? Hopp, hopp!«

So ein Blödmann. Aber irgendwie konnte dieser Kontrollsenior einen so zusammenfalten, dass man nicht zu widersprechen wagte. Luisa zog einen Flunsch. Das hatte sie nun davon, dass sie an einem hoffnungslos verregneten Tag der Schnapsidee eines Gartenbesuchs erlegen war. Na ja, ich tu’s für Tante Ruth, dachte sie, also demonstriere ich meinen guten Willen.

Ohne ein weiteres Wort drückte sie die schmiedeeiserne Pforte auf, deren Quietschen jedem Horrorfilm zur Ehre gereicht hätte. Kopfschüttelnd musterte sie die Bescherung. Nicht eine einzige Blume war zu sehen. Wo einst Rosen, Jasmin und Hortensien geblüht hatten, lag grauer Kies. Das Ganze wirkte so deprimierend, dass Luisa kurz darüber nachsann, den Gärtner zu erwürgen, bevor sie ihn feuerte.

Sie holte ihr Handy heraus und tippte seine Nummer im Speicher an. »Guten Tag, hier ist der Gärtnerservice Grab & Garten …« Wütend klickte sie die Mailbox weg.

Wie sollte es weitergehen? Der Gedanke an Tante Ruths erwartungsvoll lächelndes Gesicht erzeugte heftigste Schuldgefühle in Luisa. War es nicht der größte Wunsch der alten Dame, einmal noch ihr grünes Paradies zu sehen? Und musste Luisa nicht alles dafür tun, ihr diesen Wunsch zu erfüllen? Nur – es gab kein grünes Paradies mehr.

Eine blaue Plastiktüte flog über den Zaun. Direkt vor ihre Füße.

»Die ist für den Müll«, brüllte Rudi Kasunke. »Da, im Gebüsch!«

Folgsam begann Luisa, das durchnässte Gestrüpp zu durchsuchen. Mit bloßen Händen sammelte sie zerbrochene Bierflaschen und anderen Unrat auf, den sie sich lieber nicht so genau ansehen wollte. Tolle Ordnung, dachte sie. Jeder kehrt vor der eigenen Tür und schmeißt den Müll einfach in Nachbars Garten. Mit spitzen Fingern ließ sie eine vergammelte Bratwurst in die Tüte fallen. Einfach eklig. Zu Hause würde sie in Sagrotan baden müssen.

Ich krieg das hin, sprach sie sich Mut zu, irgendwie krieg ich das schon hin. Ein Garten ist kein Atomkraftwerk. Kann doch nicht so kompliziert sein, ein paar Rosen anzupflanzen.

»Hallo?«, ertönte eine Stimme.

Ogottogottogott. Etwa noch ein Nachbar? Was hier ja so viel hieß wie: noch eine Nervensäge, die ihr die Leviten lesen wollte. Langsam richtete Luisa sich auf. Ein großer, etwa vierzigjähriger Mann in einem olivfarbenen Parka lehnte am Zaun. Dunkle, fast schulterlange Locken umspielten sein erstaunlich freundliches Gesicht, dem ein Dreitagebart männliche Konturen verlieh. Die braunen Augen blitzten amüsiert.

»Nur mal so aus Neugier: Was machen Sie da?«

»Wonach sieht’s denn aus?«, fragte Luisa zurück. »Etwa nach Blumenpflücken?«

Ein Lächeln breitete sich auf dem Gesicht des Mannes aus. Wow, dachte sie. Als ob mitten im Regen die Sonne aufgeht. Wie kommt denn so ein Charmebolzen in dieses Spießerreservat?

»Allora, was auch immer Sie da tun, ohne Gartenhandschuhe könnten Sie sich verletzen. Hier«, er zog ein Paar derber Lederhandschuhe aus seinem Parka, »ich leihe Ihnen welche.«

Na, das war doch zur Abwechslung eine nette Geste. Luisa ließ die Mülltüte fallen und stapfte auf den Mann zu. Von nahem sah er noch besser aus. Gerade, markante Nase, sinnlicher Mund. Und seine Augen waren nicht braun, sondern braungrüngolden. Interessant.

»Eddy«, sagte er und streckte ihr die Hand hin. »Ihr anderer Nachbar. Rudi haben Sie ja schon kennengelernt.«

»Hm, ja, ein echtes Sahneschnittchen«, sie erwiderte seinen angenehm kräftigen Händedruck, »ich heiße Luisa und bin die Nichte von Ruth Minnemann, sie hat diese Parzelle gepachtet.«

»Ach von Ruth? Mi manca, ich vermisse sie. Wie geht es ihr?«

Es war seltsam, dass dieser Eddy Tante Ruth kennen sollte. So gut, dass sie sich sogar duzten. Das war gar nicht Tante Ruths Art, und sie hatte auch nie von ihm erzählt.

»Meine Tante lebt in Italien.«

»Ich weiß. Schließlich haben wir damals vor ihrem Umzug wochenlang über nichts anderes geredet als über bella Italia

Schwer vorstellbar, dass Tante Ruth so gut mit ihm befreundet war, wie er behauptete. Luisa musterte ihn ein weiteres Mal. Ja, er sah gut aus, und ja, er hatte was. Aber er passte überhaupt nicht in ihr Männerschema. Dafür wirkte er zu – hm, wie eigentlich? Zu jung, zu alternativ, zu flirtig?

»Demnächst will Tante Ruth mich besuchen.« Sie räusperte sich verlegen. »Und den Garten sehen.«

Mit größter Bestürzung riss Eddy die Augen auf.

»Dio mio! Der Anblick wird sie umbringen!«

»So weit bin ich mit meinen Überlegungen auch schon gekommen«, sagte Luisa trotzig. »Ich hatte einen Friedhofsgärtner für die Gartenpflege engagiert. Mit tödlichen Ergebnissen, wie man sieht.«

Eddys Blick streifte die armseligen Buchsbäumchen, den grauen Kies, das triefende Gestrüpp. Noch immer schüttete es gnadenlos, was den grauenvollen Anblick nicht gerade milderte.

»Wann will Ruth denn kommen?«

»Schon in vierzehn Tagen«, platzte Luisa heraus.

»Heilige Scheiße!« Eddy biss sich auf die Lippen. »Oh, sorry.«

»Geschenkt, besser hätte ich es auch nicht formulieren können.«

Selbstverständlich hätte Luisa es anders formuliert. Aber dieser Eddy gehörte eben zu der zweifelhaften Sorte Männer, die Kraftausdrücke verwendeten. Zerknirscht senkte sie den Kopf. Niemals hätte sie den Garten einem Wildfremden überlassen dürfen. Jetzt hatte sie den Salat. Beziehungsweise ein paar faulige Kohlköpfe.

»Cara mia, Sie müssten alles neu anlegen lassen«, sagte Eddy. »Und zwar von jemandem, der nicht gerade eine manische Phase durchmacht. Aber so einen verhunzten Garten komplett umzuschrauben kostet eine Menge Kohle. Ist das machbar für Sie?«

Luisa betrachtete ihre nassen Gummistiefel.

»Klar, ich bin reich. Und wir sprechen hier von zweistelligen Beträgen.«

Da war es wieder, das unwiderstehliche Lächeln. Doch Eddy wurde sofort wieder ernst. Heftig gestikulierend hob er die Hände.

»Neben Geld brauchen Sie Leidenschaft, passione, verstehen Sie?«

»Natur ist überhaupt nicht mein Ding«, brachte Luisa ihren Standardsatz an den Mann. »Grünzeug und krabbelnde Käfer und stinkende Komposthaufen, nee. Aber irgendwie muss ich es schnellstens reißen mit dem Garten, sonst ist Tante Ruth am Boden zerstört.«

»Non è così semplice, so simpel ist es nicht. Vor allem brauchen Sie etwas, was Sie definitiv nicht haben: Zeit.« Er deutete auf seinen eigenen Garten, in dem es üppig blühte. »Die Natur ist kein Drei-D-Programm, das man einfach anklickt und – zadong, ploppt der Traumgarten auf. Geduld und Liebe gehören auch dazu.«

Langsam begann Luisas Zuversicht zu schwinden. Bis eben hatte sie noch gedacht, man könnte so einen komischen Garten eins, zwei, drei wieder hinbiegen. War doch alles planbar. War es aber vielleicht doch nicht. Sie spürte einen dicken Kloß im Hals. Kleine Wasserrinnsale liefen von der gelben Kapuze über ihr Gesicht, und wenn man sehr genau hingeschaut hätte, wäre man zu dem Schluss gekommen, dass sie sich mit Tränen mischten.

»Herr Kasu-hu-nke«, sie konnte kaum das aufsteigende Schluchzen unterdrücken, »er wi-hill, dass der Verein den Pa-hachtvertrag kündigt.«

»Rudi foltert gern, bevor er tötet«, lächelte Eddy. »Der kann brutal stressen, wenn er schlecht drauf ist. Maledetto coglione.«

»Was soll das denn bitte schön heißen?«

»Das übersetze ich besser nicht«, lachte Eddy. »Meine Familie stammt aus Italien, wissen Sie, eigentlich heiße ich Eduardo. Allora, wenn Sie eine Frage haben, löchern Sie mich jederzeit.«

»Danke«, hauchte Luisa, während sie die Handschuhe überstreifte, die er ihr hinhielt.

Die Handschuhe waren viel zu groß, aber sie fühlten sich angenehm an. Überraschend weich. Und warm. Als hätte dieser Eddy sie eben noch getragen. Unschlüssig stand Luisa da. Sie wollte nicht, dass er wegging, denn er weckte die wahnwitzige Hoffnung in ihr, alles könnte doch noch gut werden.

Aus dem Gartenhaus von Rudi Kasunke hörte man lautes Hämmern, gefolgt von einem wilden Fluch. Eddy grinste vergnügt.

»Rudi bastelt mal wieder an seiner Bude rum. Cretino, der tut zwar total profimäßig, aber ich würde sagen, dass sich seine handwerklichen Fähigkeiten auf das Öffnen von Bierflaschen beschränken.«

»Deshalb liegen also so viele Scherben rum.«

»Wer weiß. Non è una cima,